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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 16.07.2004
Aktenzeichen: 2 A 10137/04.OVG
Rechtsgebiete: VwVfG, BeamtVG, VAHRG, SGB VI, VwGO, VAHRG


Vorschriften:

VwVfG § 51
VwVfG § 51 Abs. 1
VwVfG § 51 Abs. 1 Satz 1
BeamtVG § 57
BeamtVG § 57 Abs. 2
BeamtVG § 57 Abs. 3
VAHRG § 4 Abs. 2
SGB VI § 31
SGB VI § 31 Abs. 1
SGB VI § 48
SGB VI § 48 Abs. 4
VwGO § 113
VwGO § 113 Abs. 4
VAHRG § 4
VAHRG § 4 Abs. 1
1. Hat der aus einem Versorgungsausgleich gemäß § 1587b Abs. 2 BGB Berechtigte vor seinem Tod keine Leistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhalten, so wird die Versorgung des Verpflichteten nicht gemäß § 57 BeamtVG gekürzt, wenn den Hinterbliebenen des Verstorbenen aus dem Anrecht zeitlich begrenzt Leistungen lediglich in einer Höhe gewährt wurden oder werden, die absehbar den Grenzbetrag des § 4 Abs. 2 VAHRG nicht übersteigt.

2. Leistungen, die von den Hinterbliebenen des Verstorbenen nicht beantragt oder ihnen weder bewilligt noch gewährt wurden, sind bei der Ermittlung des Grenzbetrages nach § 4 Abs. 2 VAHRG nicht zu berücksichtigen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 A 10137/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Kürzung der Versorgungsbezüge

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 16. Juli 2004, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held Richter am Oberverwaltungsgericht Bonikowski Richterin am Oberverwaltungsgericht Stengelhofen ehrenamtlicher Richter Schneidermeister Braun ehrenamtlicher Richter Kraftfahrer Denkel

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Abänderung des aufgrund der Beratung vom 26. Juni 2003 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Trier sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Februar 2002 und des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2002 wird der Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 28. März 2000 abzuändern und die Versorgungsbezüge des Klägers mit Wirkung ab 1. Januar 2000 ohne Berücksichtung eines Kürzungsbetrages nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG - festzusetzen; die bislang einbehaltenen Kürzungsbeträge sind unter Anrechnung der aufgrund des im Versorgungsausgleich erworbenen Anrechts gewährten Leistungen zu erstatten.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, der bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand als Veterinärdirektor im Dienst des beklagten Landes stand, wendet sich mit seiner Klage gegen die Kürzung seiner Versorgungsbezüge.

Bis zum Jahre 1988 war der Kläger verheiratet; aus der Ehe ging die 1986 geborene Tochter hervor. Nachdem seine Ehe geschieden worden war, wurde durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Trier vom 8. November 1988 ein Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei wurden zu Lasten der für den Kläger bestehenden Versorgungsanwartschaften aus dem Beamtenverhältnis auf dem Konto seiner geschiedenen Ehefrau bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Rentenanwartschaften begründet.

Nachdem der Kläger mit Wirkung vom 1. Januar 2000 in den Ruhestand versetzt worden war, setzte die Oberfinanzdirektion Koblenz - Zentrale Besoldungs- und Versorgungsstelle - durch Bescheid vom 28. März 2000 die Versorgungsbezüge des Klägers fest. Wegen des Versorgungsausgleichs minderte die Behörde seine Bruttoversorgungsbezüge zunächst um 10,24 %, ab Mai 2000 um 9,65 %. Dies entsprach einer monatlichen Kürzung in Höhe von 590,71 DM.

Die frühere Ehefrau des Klägers, die nach der Scheidung erneut heiratete, verstarb am 15. August 2001, ohne aus ihrem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht Leistungen erhalten zu haben. Mit Schreiben vom 23. August 2001 beantragte der Kläger deshalb die Einstellung der Kürzung seines Ruhegehalts. Zugleich bat er um Erstattung der bisher einbehaltenen Beträge.

Auf Anfrage der Oberfinanzdirektion Koblenz teilte die BfA dem Beklagten mit, dass aus dem im Versorgungsausgleich zugunsten der früheren Ehefrau des Klägers begründeten Anrecht in der Zeit vom 14. August bis 30. November 2001 eine Hinterbliebenenrente an den Witwer gezahlt worden sei. Darüber hinaus werde der Tochter des Klägers seit dem 14. August 2001 eine Halbwaisenrente gewährt. Weder die Zahlungen aus der - zwischenzeitlich eingestellten - Witwerrente (insgesamt 2.234,18 DM) noch die bis zur Höchstbezugsdauer der Halbwaisenrente, die Vollendung des 27. Lebensjahres der Tochter, noch zu gewährenden Leistungen (8.585,07 DM) überstiegen den gesetzlich festgelegten Grenzbetrag (14.316,24 DM). Nach derzeitiger Rechtslage lägen deshalb die Voraussetzungen für die Zahlung der ungekürzten Versorgungsbezüge des Klägers vor.

Mit Schreiben vom 4. Februar 2002 teilte die Oberfinanzdirektion Koblenz dem Kläger mit, dass seinem Antrag vom 23. August 2001 derzeit nicht entsprochen werden könne. Aus dem durch den Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht würden laufend Leistungen erbracht, deren endgültige Höhe erst am Ende der Bezugsdauer der Halbwaisenrente feststehe. Den hiergegen vom Kläger eingelegten Widerspruch wies die Behörde durch Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2002 zurück. Ergänzend wird darin ausgeführt, dass derzeit auch nicht feststehe, ob für seine Tochter noch Leistungen bei Maßnahmen im Rahmen einer sog. Kinderrehabilitation zu erbringen seien.

Zur Begründung seiner daraufhin erhobenen Klage hat der Kläger darauf verwiesen, dass der in seinem Fall maßgebliche Grenzwert möglicher Rentenleistungen aus dem von seiner früheren Ehefrau im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht überschritten werde. Das gehe aus der vom Beklagten eingeholten Auskunft der BfA deutlich hervor. Seine Versorgung dürfe auch nicht wegen möglicher Rehabilitationsleistungen für seine Tochter gekürzt werden. Selbst wenn, was derzeit völlig ungewiss sei, Leistungen zur Rehabilitation erforderlich werden sollten, wären sie jedenfalls nicht der aus dem Versorgungsausgleich stammenden Rentenanwartschaft zuzurechnen. Seine Tochter könne nämlich mögliche Maßnahmen der Kinderrehabilitation schon aus dem Versicherungskonto ihres bei der BfA rentenversicherten Stiefvaters verlangen, weil dieser sie in seinem Haushalt aufgenommen habe.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Februar 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Februar 2002 zu verpflichten, die Einbehaltung des Kürzungsbetrages gemäß § 57 BeamtVG einzustellen und die bis dahin einbehaltenen Kürzungsbeträge zu erstatten.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend zu seinem in den Verwaltungsentscheidungen zum Ausdruck gebrachten Rechtsstandpunkt hat er darauf verwiesen, dass eine zukünftige Änderung der Vermögensverhältnisse des Witwers mit der Folge des Wiederauflebens der Witwerrente nicht gänzlich ausgeschlossen werden könne. Daher könne eine Grenzwertberechnung erst am Ende des Leistungszeitraums vorgenommen werden. Darüber hinaus müssten auch mögliche Leistungen für Kinderrehabilitation zugunsten seiner Tochter einbezogen werden, auch wenn solche Maßnahmen derzeit nicht absehbar seien. Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung sei es nicht zwingend, dass mögliche Rehabilitationsmaßnahmen für seine Tochter dem Rentenversicherungsanspruch ihres Stiefvaters zuzuordnen wären.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch das aufgrund der Beratung vom 26. Juni 2003 ergangene Urteil abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht hinreichend sicher abzusehen, dass Leistungen, die aufgrund der zu Lasten des Klägers begründeten Rentenanwartschaften erbracht wurden und weiterhin erbracht werden, nicht den maßgeblichen Grenzbetrag übersteigen werden. Dieser Auffassung habe sich mittlerweile auch die BfA in einer zweiten Auskunft angeschlossen. Wie sich aus einem hierzu vorgelegten Merkblatt der BfA ergebe, habe die Tochter des Klägers auch keinen vorgehenden Anspruch auf Rehabilitationsleistungen aus dem Versicherungsverhältnis ihres Stiefvaters. Außerdem stehe nicht fest, dass die Tochter des Klägers weiterhin im Haushalt des Stiefvaters aufgenommen bleibe.

Seine - vom Senat zugelassene - Berufung begründet der Kläger wie folgt: es stehe derzeit nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass am Ende des Leistungsbezuges der Tochter im Jahre 2013 der Grenzbetrag möglicher Rentenleistungen überschritten werde. Es komme nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der hierfür maßgeblichen Vorschrift nur auf derzeit tatsächlich gewährte oder zumindest schon bewilligte Leistungen an die Hinterbliebenen seiner früheren Ehefrau an. Das Verwaltungsgericht argumentiere widersprüchlich, wenn es einerseits eine wieder auflebende Witwerrente des 2. Ehemannes seiner früheren Ehefrau als zu fern liegend vernachlässige, andererseits den ebenso fern liegenden Anspruch auf Gewährung von Rehabilitationsleistungen für seine Tochter berücksichtige.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des aufgrund der Beratung vom 26. Juni 2003 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Trier gemäß seinem Antrag erster Instanz zu erkennen.

hilfsweise,

festzustellen, dass ihm die ungekürzten Versorgungsbezüge ab dem 1. Januar 2000 zustehen, wenn sich künftig erweisen wird, dass sein Ruhegehalt im Hinblick auf mögliche Rentenleistungen an die Hinterbliebenen seiner früheren Ehefrau nicht gemäß § 57 BeamtVG zu kürzen ist

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist im Übrigen auf seine bereits erstinstanzlich gemachten Ausführungen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus dem Inhalt der zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie den vorgelegten Verwaltungsvorgängen des Beklagten, die sämtlich zum Gegenstand der Beratung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen, weil diese schon im Hauptantrag Erfolg hat. Einer Entscheidung über den - erstmals im Berufungsverfahren - hilfsweise gestellten Feststellungsantrag bedarf es von daher nicht.

Der Kläger kann verlangen, dass der Festsetzungsbescheid der Oberfinanzdirektion Koblenz vom 28. März 2000, mit dem ihm seine Versorgungsbezüge wegen des durchgeführten Versorgungsausgleichs um den sich aus § 57 Abs. 2 und 3 BeamtVG ergebenden Betrag gekürzt wurden, abgeändert wird (1.). Die dieses Begehren ablehnenden Bescheide des Beklagten vom 4. und 21. Februar 2002 sind rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Darüber hinaus sind ihm die bis zu diesem Zeitpunkt um den Kürzungsbetrag geminderten Versorgungsbezüge zu erstatten (2.).

1. Anspruchsgrundlage für das Änderungsbegehren des Klägers ist § 1 Abs. 1 LVwVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwVfG. Nach der letztgenannten Vorschrift hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen einen unanfechtbaren Verwaltungsakt aufzuheben oder abzuändern, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (und - wie hier - keine Anhaltspunkte für einen eine Ermessensentscheidung erfordernden Fall vorliegen). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Gegenüber dem bindend gewordenen Festsetzungsbescheid vom 28. März 2000 ist in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die im Zeitpunkt seines Erlasses vorgelegen haben, durch den Tod der ausgleichsberechtigten früheren Ehefrau des Klägers am 15. August 2001 und damit nachträglich eine erhebliche Änderung eingetreten. Seit diesem Zeitpunkt ist der Beklagte verpflichtet, die Versorgungsbezüge des Klägers rückwirkend ohne die zuvor gemäß § 57 BeamtVG erfolgte Kürzung nach Durchführung eines Versorgungsausgleichs zu zahlen.

Die mit dem Tod der Ausgleichsberechtigten eingetretene Änderung der Sach- oder Rechtslage folgt aus § 4 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich - VAHRG - vom 21. Februar 1983 (BGBl. I S. 105). Nach Absatz 1 der Regelung wird die Versorgung des Ausgleichsverpflichteten oder seiner Hinterbliebenen nicht aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn ein Versorgungsausgleich gemäß § 1587b Abs. 1 oder 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durchgeführt worden ist und der Berechtigte vor seinem Tod keine Leistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhalten hat. Gemäß § 4 Abs. 2 VAHRG gilt dies auch dann, wenn der Berechtigte gestorben ist und aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht Leistungen gewährt wurden oder werden, die insgesamt zwei Jahresbeträge einer auf das Ende des Leistungsbezuges berechneten Regelaltersrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten aus dem erworbenen Anrecht nicht übersteigen. Die letztgenannte Voraussetzung ist vorliegend gegeben.

§ 4 Abs. 2 VAHRG (und nicht Absatz 1 der Vorschrift) ist maßgebend, wenn - wie hier - nicht dem Ausgleichsberechtigten, sondern seinen Hinterbliebenen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht Leistungen gewährt wurden oder werden (vgl. Urteil des Senats vom 7. November 1985, NJW-RR 1986, 373; VGH München, Urteil vom 15. Mai 1996, DÖD 1997, 201). Derartige Leistungen aus den abgeleiteten Rentenanwartschaften, die durch das Familiengericht Trier am 8. November 1988 auf dem Versicherungskonto der früheren Ehefrau des Klägers begründet worden sind, hat die BfA ausweislich ihrer Auskunft vom 27. Dezember 2001 dem Witwer der Verstorbenen bis zum 30. November 2001 - durch Zahlung einer Witwerrente - erbracht, und sie gewährt diese - in Form einer Halbwaisenrente - auch derzeit noch an die Tochter des Klägers.

Aufgrund dieser Leistungen wird jedoch der - zwischen den Beteiligten nicht streitige - Grenzbetrag nach § 4 Abs. 2 VAHRG in der Höhe von 14.316,24 DM (= 7.319,78 €) nicht überschritten. Die BfA führt vielmehr aus, dass die (im Hinblick auf die Witwerrente) gezahlten bzw. (hinsichtlich der Halbwaisenrente) bewilligten und laufenden Leistungen bis zum Jahre 2013, in dem die Tochter des Klägers ihr 27. Lebensjahr vollendet und ein Anspruch auf Gewährung von Halbwaisenrente spätestens entfällt, maximal 10.819,26 DM (= 5.531,80 €) ausmachen werden. In einem solchen Fall, in dem nach gegenwärtigem Erkenntnisstand absehbar ist, dass die bislang erbrachten zusammen mit den bereits bewilligten (laufenden) Leistungen aus dem Konto der verstorbenen Ausgleichsberechtigten den Grenzbetrag nach § 4 Abs. 2 VAHRG nicht übersteigen werden, hat der ausgleichsverpflichtete Versorgungsempfänger einen Anspruch auf ungekürzte Auszahlung seiner Versorgungsbezüge. Dies ist sachlich gerechtfertigt durch die Erwägung, dass eine Kürzung der Versorgungsbezüge nach erfolgter Ehescheidung ihre Berechtigung verliert, wenn aus dem Versorgungsausgleich keine oder nur unwesentliche Leistungen des Dienstherrn (in Form der Erstattung an den Träger der Rentenversicherung) erbracht werden. Die Unverhältnismäßigkeit einer Kürzung ergibt sich in diesem Fall daraus, dass diese rein vorsorglich bis zum 27. Lebensjahr eines Hinterbliebenen des ausgleichsberechtigten früheren Ehepartners vorgenommen würde, obwohl derzeit nicht damit zu rechnen ist, dass wegen dieser Leistungen die durch § 4 Abs. 2 VAHRG definierte Geringfügigkeitsgrenze überschritten wird.

Hinzu kommt, dass dieser Ausnahmefall grundsätzlich nur dann eintritt, wenn aus der früheren Ehe des geschiedenen Versorgungsempfängers Kinder hervorgegangen sind. Denn nur bei diesen steht das Ende des Leistungsbezuges wegen der nach § 48 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Teil VI (SGB VI) nur bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres möglichen Bewilligung von Halbwaisenrenten fest. Würden Kürzungen von Versorgungsbezügen nach erfolgter Ehescheidung selbst dann vorgenommen, wenn feststeht, dass aufgrund des absehbaren Endes der Bezugsdauer und der konkreten Höhe der Renten der Grenzbetrag des § 4 Abs. 2 VAHRG nicht überschritten wird, wären in sachlich nicht gerechtfertigter Weise gerade diese Ruhestandsbeamten gegenüber den kinderlos geschiedenen Versorgungsempfängern im Nachteil. Dies ist mit dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, die in erster Linie eine Versorgung der früheren Ehepartner untereinander sicherstellen soll, nur schwer vereinbar.

Die vom Beklagten nach der entsprechenden Auskunft der BfA vom 26. Februar 2003 als möglich erachteten und deshalb berücksichtigten Leistungen für Kinderrehabilitation ("Sonstige Leistungen zur Teilhabe" gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI) müssen demgegenüber außer Betracht bleiben:

Dabei spricht schon viel dafür, dass derartige Leistungen, so sie denn in Zukunft überhaupt in Anspruch genommen werden müssten, jedenfalls nicht "aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht" geschuldet würden und deshalb einer Berücksichtigung im Rahmen des § 4 Abs. 2 VAHRG entgegenstehen. Aufgrund der zu ähnlich gelagerten Fällen ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liegt nämlich dann keine "Leistung" im Sinne von § 4 VAHRG vor, wenn diese nicht aus den im Vorsorgungsausgleich zugesplitteten Anwartschaften, sondern aufgrund eines eigenen Rechts des Begünstigten gewährt werden (vgl. BSG, Urteil vom 14. Mai 1996, NZS 1996, 628; Schmalhofer, BeamtVG, Erl. 5 zu § 4 VAHRG Anm. 4). Ob letzteres hier der Fall ist, kann nach den vorliegenden Auskünften der BfA nicht zweifelsfrei geklärt werden. Zwar spricht viel für die Annahme, dass mögliche Aufwendungen der BfA zur Erfüllung des Anspruches der Tochter des Klägers auf Gewährung einer Rehabilitationsmaßnahme nicht auf dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht beruhen würden. Denn sie könnte schon aus dem Versicherungsverhältnis ihres Stiefvaters ein Recht auf ermessensfehlerfreie Sachentscheidung über einen Antrag auf Gewährung einer solchen Maßnahme haben. Andererseits hängt diese Verfahrensweise nach der vom Senat eingeholten ergänzenden Auskunft der BfA vom 30. April 2004 von der auch weiterhin bestehenden Zugehörigkeit zum Haushalt des Stiefvaters und ggf. auch von seinem Einverständnis mit einer solchen Verfahrensweise ab.

Die Frage, ob Rehabilitationsleistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht geschuldet würden, kann aber letztlich dahinstehen. Denn diese sind für die Beantwortung der Frage nach den Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 VAHRG schon deshalb nicht maßgeblich, weil sie hier bislang weder bewilligt noch gezahlt worden sind. Der Ausgleichsberechtigte hat aber nur dann "Leistungen erhalten" (§ 4 Abs. 1 VAHRG), bzw. sie "wurden oder werden" ihm (oder seinen Hinterbliebenen) gewährt im Sinne von § 4 Abs. 2 VAHRG, wenn sie ihm auch tatsächlich erbracht oder zumindest durch Verwaltungsakt individualisiert bewilligt worden sind. Das bloße Vorliegen einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage genügt insofern nicht. Daher kommt es bei Anwendung von § 4 VAHRG nicht darauf an, was der Ausgleichsberechtigte oder seine Hinterbliebenen bis zum Leistungsende nach dem Gesetz möglicherweise beanspruchen könnten; maßgeblich ist allein, was bis dahin geleistet oder zumindest rechtswirksam bewilligt worden ist (vgl. BayVGH, Urteil vom 18. März 1992, ZBR 1992, 382; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. September 1991, Schütz, BeamtR ES/C III 2 Nr. 14 und - für den umgekehrten Fall, dass Leistungen auch in der den Grenzbetrag überschreitenden Höhe "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" feststehen: HessVGH, Urteil vom 11. September 1996, Schütz, BeamtR ES/C III 2 Nr. 29).

Da die Tochter des Klägers aber bislang "Sonstige Leistungen zur Teilhabe" gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI weder beantragt, noch bewilligt oder erhalten hat, hat der Kläger gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwVfG einen Anspruch auf Abänderung des für die Höhe seiner Versorgung maßgebenden Festsetzungsbescheides vom 28. März 2000. Denn dem Anspruch des Klägers auf Versorgung kann nicht mehr entgegengehalten werden, dass Anwartschaften auf das Versicherungskonto seiner früheren Ehefrau übertragen worden sind. Zwar werden diese Berechtigungen nicht zurück übertragen. Gemäß § 4 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 VAHRG darf jedoch die Versorgung des Ausgleichsverpflichteten (als Ganzes) nicht mehr aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt werden. Das bedeutet, dass ihm die Versorgung in der Höhe zu zahlen ist, die sich ergibt, wenn die Übertragung der Rentenanwartschaften auf seine frühere Ehefrau außer Betracht bleibt. Die auf seinen hierauf gerichteten Antrag ergangenen Verwaltungsentscheidungen, mit denen der Beklagte die beantragte Teilaufhebung dieses Bescheides ablehnte, sind aus diesen Gründen rechtswidrig.

2. Die vom Kläger mit seinem Schreiben vom 23. August 2001 zugleich beantragte Erstattung des bislang aufgrund des Versorgungsausgleichs einbehaltenen Teils seines Ruhegehalts, die ihre Rechtsgrundlage in dem in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten sog. öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch findet und deren Geltendmachung analog § 113 Abs. 4 VwGO mit der Verpflichtungsklage verbunden werden darf (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage, § 113 Rdnr. 177), ist gleichfalls begründet, da die Einbehaltung eines Teils seiner Versorgungsbezüge - wie vorstehend dargelegt - mit der materiellen Rechtslage nicht in Einklang stand. Auf die Erstattung sind jedoch, ebenso wie bei der künftigen Neufestsetzung der monatlichen Versorgungsbezüge, die bereits bewilligten bzw. laufenden Leistungen an die Hinterbliebenen seiner früheren Ehefrau anzurechnen (§ 4 Abs. 2, 2. Halbsatz VAHRG).

In diesem Zusammenhang wird ergänzend darauf hingewiesen, dass es dem Beklagten unbenommen bleibt, bei einer sich zu Lasten des Klägers ändernden Sachlage, in der namentlich die an seine Tochter erbrachten Leistungen - etwa wegen einer zwischenzeitlich erfolgten Beantragung, Bewilligung oder Zahlung von Leistungen für Kinderrehabilitation - den Grenzbetrag des § 4 Abs. 2 VAHRG übersteigen, seinerseits das Verfahren mit dem Ziel einer Kürzung der Versorgungsbezüge wieder aufzugreifen (vgl. §§ 52 BeamtVG, 48 VwVfG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG genannten Art nicht vorliegen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren beider Rechtszüge auf 13.495,79 € festgesetzt (§ 17 Abs. 3 und 4 GKG). Maßgebend ist danach der dreifache Jahresbetrag der monatlichen Kürzung der Versorgungsbezüge des Klägers (590,71 DM = 302,03 €) zzgl. der bei Einreichung der Klage fälligen Rückstände (Januar 2000 bis März 2002 = 27 Monate; insgesamt also 63 Monate). Hiervon sind die nach Auskunft der BfA bislang geleisteten und bis zum Jahre 2013 noch zu leistenden Renten in Höhe von (10.819,26 DM =) 5.531,80 € abzuziehen.

Ende der Entscheidung

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