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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 25.08.2003
Aktenzeichen: 2 A 10588/03.OVG
Rechtsgebiete: VwGO, SchulG


Vorschriften:

VwGO § 43 Abs. 1
VwGO § 43 Abs. 2
SchulG § 10 a Abs. 3 Satz 1
SchulG § 10 a Abs. 4 Satz 2
SchulG § 56 Abs. 1 Satz 1
SchulG § 56 Abs. 4 Satz 2
Landkreise und kreisfreie Städte sind nicht verpflichtet, für die Beförderung der Schüler von Ganztagsschulen in offener Form an den Nachmittagen Schulbusse einzusetzen und die damit verbundenen Kosten zu tragen. Eine derartige über § 56 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 1 SchulG in seiner bisherigen Fassung hinausgehende Verpflichtung bedarf einer ausdrücklichen Regelung durch den Gesetzgeber.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Schülerbeförderung

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. August 2003, an der teilgenommen haben

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2003 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Trier - 1 K 909/02.TR - die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Beförderungspflicht des Beklagten bei Ganztagsschulen in offener Form.

Die Klägerin ist Trägerin der F. Grund- und Hauptschule I., die zum Schuljahr 2001/2002 ab der 5. Klasse als Regionale Schule eingerichtet und zugleich zu einer Ganztagsschule in offener Form erweitert wurde. Außerdem ist sie Trägerin der Grundschule in B., deren Erweiterung zu einer Ganztagsschule in offener Form geplant ist.

Vor der Erweiterung der Grund- und Regionalen Schule I. zu einer Ganztagsschule in offener Form hatten sowohl die Klägerin als auch die Schulleitung den Beklagten ersucht, von montags bis donnerstags die flächendeckende Beförderung der Schüler an den Nachmittagen sicherzustellen, da öffentliche Verkehrsverbindungen nicht bestünden. Der Beklagte lehnte dies unter Hinweis auf eine fehlende gesetzliche Verpflichtung ab. Er handelte jedoch mit der Moselbahn GmbH die Bedingungen für die Einrichtung zusätzlicher Fahrten bestehender Buslinien bzw. die Einrichtung neuer Buslinien am Nachmittag aus. Die damit verbundenen Kosten wurden im Schuljahr 2001/2002 von der Klägerin vorfinanziert und nach der zum Schuljahr 2002/2003 erfolgten Erweiterung der Grund- und Regionalen Schule I. zu einer Ganztagsschule in verpflichtender Form vom Beklagten übernommen.

Die Klägerin hat vor allem mit Blick auf die geplante Erweiterung der Grundschule in B. zu einer Ganztagsschule in offener Form, zu deren Einzugsbereich mehrere Ortsgemeinden gehören, die am Nachmittag von öffentlichen Verkehrsmitteln unzulänglich erschlossen werden, die vorliegende Feststellungsklage erhoben. Ihr Feststellungsinteresse ergebe sich aus ihrer Funktion als Schulträgerin. In dieser Funktion setze sie sich für den verstärkten Ausbau von Ganztagsschulen ein, wobei sie der Erweiterung einer Schule zu einer Ganztagsschule in offener Form allerdings nur unter der Voraussetzung zustimmen könne, dass die Beförderung der Schüler nach Schulschluss am Nachmittag sichergestellt sei. Letzteres sei Aufgabe des Beklagten. Dieser sei auch bei Ganztagsschulen in offener Form nach § 56 Abs. 4 Satz 2 SchulG zum Einsatz von Schulbussen verpflichtet, soweit zumutbare öffentliche Verkehrsverbindungen nicht vorhanden seien. Weder der Gesetzeswortlaut noch der Wille des Gesetzgebers stünden einer Anwendung dieser Vorschrift bei Ganztagsschulen in offener Form entgegen. Für eine Beförderungspflicht spreche vor allem der Gesichtspunkt der Chancengleichheit. Die Schüler, denen am Nachmittag kein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung stehe, dürften gegenüber solchen Schülern, die am Schulstandort wohnten oder deren Wohnort von einem öffentlichen Linienbus angefahren werde, nicht benachteiligt werden.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die nach § 56 Abs. 4 Satz 2 SchulG als Sollvorschrift bestehende Verpflichtung des Beklagten, für den Transport von Grund- und Hauptschülern Schulbusse einzusetzen, soweit zumutbare öffentliche Verkehrsverbindungen nicht bestehen, auch den durch die Einrichtung von Ganztagsschulen in offener Form entstehenden zusätzlichen Beförderungsbedarf am Nachmittag umfasst,

hilfsweise

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die von ihr übernommenen Kosten für die Einrichtung weiterer Buslinien im Zusammenhang mit der Einrichtung einer Ganztagsschule in offener Form an der Regionalen Schule in I. im Schuljahr 2001/2002 zu erstatten.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat an seiner Auffassung festgehalten, dass er bei Ganztagsschulen in offener Form nach § 56 Abs. 4 Satz 2 SchulG nicht zum Einsatz von Schulbussen verpflichtet sei. Diese Pflicht sei vielmehr auf den Pflichtunterricht beschränkt. Ein solcher finde an Ganztagsschulen in offener Form am Nachmittag nicht statt. Etwas anderes lasse sich auch nicht daraus herleiten, dass er mit der Erweiterung der Grund- und Regionalen Schule I. zu einer Ganztagsschule in verpflichtender Form die erforderlichen Kosten für die zusätzlichen öffentlichen Verkehrsverbindungen am Nachmittag übernommen habe. Im Unterschied zu einer Ganztagsschule in offener Form sei nämlich bei einer Ganztagsschule in verpflichtender Form die Einrichtung zusätzlicher Busfahrten bzw. -linien planbar, da für deren Schüler die Anmeldung zu der nachmittäglichen Betreuung verpflichtend sei.

Das Verwaltungsgericht hat der mit dem Hauptantrag verfolgten Feststellungsklage stattgegeben. Diese sei statthaft. Die Frage der Schülerbeförderung bei Ganztagsschulen in offener Form betreffe auch die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und dem Beklagten. Die Klägerin setze sich für die Erweiterung der Grundschule in B. zu einer Ganztagsschule in offener Form ein und könne beanspruchen, dass der Beklagte ihre Bemühungen nicht dadurch behindere, dass er seiner Beförderungspflicht nach § 56 Abs. 4 Satz 2 SchulG nicht nachkomme und dadurch gegen seine Mitwirkungspflicht nach § 59 SchulG verstoße. Die Klägerin habe ein berechtigtes Interesse an der vorbeugenden Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage. Denn es dürfe ihr nicht zugemutet werden, über ihre Zustimmung und die Bereitstellung von Personal für die außerunterrichtliche Betreuung zu entscheiden, ohne die Akzeptanz dieser Schulform bei Eltern und Schülern hinreichend sicher abschätzen zu können. Diese werde aber maßgeblich von den zur Verfügung gestellten Beförderungsmöglichkeiten am Nachmittag abhängen. Die aufgeworfene Grundsatzfrage sei im Übrigen lediglich eine Vorfrage etwaiger Erstattungsansprüche, sodass die Möglichkeit einer Leistungsklage der Feststellungsklage nicht entgegenstehe. Die Feststellungsklage habe auch in der Sache Erfolg. Die begehrte Feststellung finde ihre Rechtsgrundlage in § 56 Abs. 4 Satz 2 SchulG. Weder der Gesetzeswortlaut noch der sich aus den Gesetzesmaterialien ergebende Wille des Gesetzgebers schlössen ein Normverständnis aus, nach dem der Träger der Schülerbeförderung grundsätzlich auch bei Ganztagsschulen in offener Form zum Einsatz von Schulbussen verpflichtet sei, soweit zumutbare öffentliche Verkehrsverbindungen nicht bestünden. Für eine derartige Verpflichtung spreche insbesondere die gesetzliche Konzeption des § 10 a Abs. 1 SchulG. Danach bildeten der Unterricht und die außerunterrichtliche Betreuung eine pädagogische und organisatorische Einheit. Der durch den Nachmittagsunterricht ausgelöste und der durch die außerunterrichtliche Betreuung bedingte Beförderungsbedarf könnten nicht unterschiedlich behandelt werden. Dass die Bereitstellung von Schulbussen oder die Kostenübernahme für zusätzliche öffentliche Verkehrsmittel für den Beklagten im Einzelfall unzumutbar sein könne, ändere an dessen grundsätzlicher Verpflichtung nichts.

Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, mit der er erstmals die Zulässigkeit der Feststellungsklage bestreitet. Die Klägerin sei an dem streitigen Beförderungsverhältnis selbst nicht beteiligt. Eigene Rechte der Klägerin hingen von der begehrten Feststellung nicht ab. Im Übrigen wiederholt und vertieft der Beklagte sein bisheriges Vorbringen.

Der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Trier vom 20. Februar 2003 - 1 K 909/02.TR - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens das angegriffene Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungsvorgänge (3 Hefte) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Das Verwaltungsgericht hätte die Klage insgesamt abweisen müssen, denn die Klägerin kann weder die mit ihrem Hauptantrag verfolgte Feststellung verlangen (1) noch steht ihr der hilfsweise geltend gemachte Erstattungsanspruch zu (2).

1. Die Feststellungsklage scheitert allerdings nicht schon an mangelnder Zulässigkeit. Insbesondere fehlt es nicht an einem streitigen Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Ein solches ist zu bejahen, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits überschaubaren Sachverhalt streitig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1996 - BVerwG 8 C 19.94 -, BVerwGE 100, 262 [264] m.w.N.). Das ist vorliegend der Fall. Die Klägerin hat mit der Feststellungsklage einen konkreten Sachverhalt unterbreitet. Sie will in Bezug auf die in ihrer Trägerschaft stehende Grundschule in B., die mit ihrer Zustimmung nach § 10 a Abs. 4 Satz 2 des Schulgesetzes - SchulG - vom 6. November 1974 (GVBl. S. 487), zuletzt geändert durch Gesetz vom 6. März 2003 (GVBl. S. 38) zu einer Ganztagschule in offener Form erweitert werden soll, festgestellt wissen, ob der Beklagte nach § 56 Abs. 4 Satz 2 SchulG grundsätzlich zum Einsatz von Schulbussen bzw. zur Kostenübernahme für zusätzliche öffentliche Verkehrsverbindungen am Nachmittag verpflichtet ist. Denn nach dem geltenden Fahrplan werden nicht alle zum Einzugsbereich der Grundschule gehörenden Ortsgemeinden am Nachmittag von einem öffentlichen Linienbus angefahren und der Beklagte hat bereits in Bezug auf die im Schuljahr 2001/2002 als Ganztagsschule in offener Form geführte Regionale Schule I. eine entsprechende Verpflichtung abgelehnt.

Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht ferner nicht entgegen, dass die Klägerin an einem etwaigen nach § 56 Abs. 4 Satz 2 SchulG begründeten Beförderungsverhältnis selbst nicht beteiligt ist. Das festzustellende Rechtsverhältnis muss nicht unmittelbar zwischen den Parteien des Feststellungsprozesses bestehen. Gegenstand der Feststellungsklage kann auch ein Rechtsverhältnis zwischen einer Partei des Rechtsstreits und einem Dritten sein. Voraussetzung ist, dass von diesem Rechtsverhältnis eigene Rechte der Klägerin abhängen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 1984 - BVerwG 7 B 187.84 -, NVwZ 1985, 112 [113] sowie Urteil vom 27. Juni 1997 - BVerwG 8 C 23.96 -, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 128; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. September 1975 - 2 A 109/75 -, AS 14, 79 [86 f.]). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Verpflichtung zum Einsatz von Schulbussen berührt die Klägerin in ihrer Rechtsstellung als Schulträgerin (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1 SchulG). Als solche hat sie das in Art. 27 Abs. 2, 28 Satz 2 LV verankerte und in § 59 SchulG einfachgesetzlich näher umschriebene Recht - unter Berücksichtigung des Elternwillens - an der Planung und Organisation des Schulwesens mitzuwirken, wobei ihr dieses Mitwirkungsrecht auch im Sinne einer wehrfähigen subjektiven Rechtsposition anvertraut ist. Mit ihrer Zustimmung zur Erweiterung einer bestehenden Schule zu einer Ganztagschule in offener Form macht die Klägerin von diesem Recht Gebrauch. Kommt es infolge ihrer Zustimmung zur Einrichtung der Ganztagsschule hat sie die Kosten für die außerunterrichtlich eingesetzten Betreuungskräfte (§§ 10 a Abs. 3 Satz 2, 61 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 SchulG) sowie für den erhöhten Sachbedarf, insbesondere für die Einrichtungen zur Versorgung der Schüler außerhalb der Unterrichtszeit sowie für deren Verpflegung zu tragen (§§ 61 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1, 62 Abs. Abs. 2 Nrn. 2 und 5 SchulG). Mit Rücksicht auf ihre begrenzten finanziellen Mittel ist die Zustimmung für die Klägerin entsprechend der haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit damit in der Regel nur vertretbar, wenn die mit dem Ganztagsangebot verbundenen (Mehr-)Kosten in einem angemessenen Verhältnis zur Ausnutzung des Angebots stehen. Letztere wird in dem mit öffentlichen Verkehrsverbindungen schwach ausgestatteten ländlichen Raum entscheidend davon abhängen, dass die Beförderung der Schüler nach Beendigung der Nachmittagsveranstaltungen gewährleistet ist. Da anzunehmen ist, dass der Beklagte in Zukunft an seiner ablehnenden Auffassung zum Einsatz von Schulbussen bei Ganztagsschulen in offener Form festhalten wird, kann ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der alsbaldigen Klärung dieser Rechtsfrage gegenüber dem Beklagten mithin nicht verneint werden. Aus demselben Grund erweist es sich auch nicht als zumutbar, die Klägerin auf einen nachträglichen Rechtsschutz zu verweisen.

Der Grundsatz der Subsidiarität (§ 43 Abs. 2 VwGO) steht der Zulässigkeit der Feststellungsklage ebenfalls nicht entgegen. Die Feststellungsklage bietet im vorliegenden Fall den effektiveren Rechtsschutz. Die frühzeitige grundsätzliche Klärung der Beförderungspflicht verhindert, dass die Klägerin, die sich erklärtermaßen für den verstärkten Ausbau von Ganztagsschulangeboten einsetzt, gezwungen wird, eine Vielzahl von Klagen auf Erstattung erbrachter Vorleistungen zu erheben, in denen die begehrte Feststellung zudem nur als eine nicht der Rechtskraft fähige Vorfrage zu entscheiden wäre.

Die Feststellungsklage ist allerdings unbegründet. Der Beklagte ist nach § 56 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 1 SchulG nicht verpflichtet, zur Deckung des durch die Einrichtung einer Ganztagsschule in offener Form verursachten zusätzlichen Beförderungsbedarfs am Nachmittag Schulbusse einzusetzen und die hiermit verbundenen Kosten zu tragen. Dahingehende Rechtspflichten finden weder im Wortlaut der in Bezug genommenen Vorschriften eine hinreichende Stütze (a), noch können sie im Wege der Gesetzesauslegung hieraus abgeleitet werden (b). Zu ihrer Begründung bedürfte es vielmehr einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (c).

(a) Nach dem Wortlaut des Gesetzes obliegt es den Landkreisen und kreisfreien Städten als Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung für die Beförderung der im Land wohnhaften Schüler u.a. zu den in ihrem Gebiet gelegenen Grund- und Hauptschulen zu sorgen, wenn diesen der Schulweg ohne Benutzung eines Verkehrsmittels nicht zumutbar ist. Für den Fall, dass zumutbare öffentliche Verkehrsverbindungen nicht bestehen, sollen sie diese Aufgabe durch den Einsatz von Schulbussen erfüllen. Dieser Wortlaut gibt für die vorliegend zu beantwortende Frage aber nichts her. Dass in § 56 Abs. 1 Satz 1 SchulG von der Beförderung zur Schule die Rede ist, könnte zwar bedeuten, dass die Beförderungspflicht an der Schule als Organisationseinheit anknüpft und damit als eine einschränkungslos für alle Einrichtungen des staatlichen Schulwesens geltende Pflicht zu begreifen ist. Andererseits wird die Beförderungspflicht zu den in § 6 Abs. 3 SchulG abschließend aufgeführten Schularten in Beziehung gesetzt. Dies könnte im Sinne einer gegenständlichen Begrenzung auf einen deutlich engeren Anwendungsbereich zu verstehen sein. Die grammatikalische Auslegung des Gesetzeswortlauts erweist sich daher insgesamt als indifferent.

b) Auch der hiernach in die Gesetzesauslegung einzubeziehende Zweck und die Entstehungsgeschichte der Vorschriften gebieten nicht, den Träger der Schülerbeförderung bei Ganztagsschulen in offener Form als verpflichtet anzusehen, Schulbusse einzusetzen. Die teleologische und historische Auslegung sprechen sogar eher gegen ein derartiges Normverständnis. Denn sie ergeben, dass sich die Ganztagsschule in offener Form wesentlich von dem gesetzgeberischen Leitbild der aus öffentlichen Mitteln finanzierten Schülerbeförderung unterscheidet.

Leitbild dieser Schülerbeförderung bilden die Einrichtungen des öffentlichen Schulwesens, durch deren Besuch die staatliche Schulpflicht erfüllt werden kann und die typischerweise auf die Sicherstellung einer schulischen Grundversorgung ausgerichtet sind. Die Grundüberlegung ist dabei, dass entsprechend dem staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag (Art. 7 GG, Art. 27 LV) und der zu seiner Konkretisierung in § 44 Abs. 1 SchulG geregelten allgemeinen Schulpflicht möglichst allen jungen Menschen - ungeachtet ihrer individuellen Begabungen und Leistungen - ein Mindestmaß an Bildung und Ausbildung zu vermitteln ist. Deshalb übernimmt der Staat die Schülerbeförderungskosten zu diesen Einrichtungen, damit sichergestellt ist, dass jedes schulpflichtige Kind seiner Schulpflicht nachkommen und das Angebot der schulischen Grundversorgung für sich nutzen kann. Gleichzeitig wird der Staat damit im Gemeinwohlinteresse tätig. Die Erfüllung der Schulpflicht ist dabei traditionell als "Bringschuld" zu begreifen. Aus diesem Grund obliegt es grundsätzlich den Eltern, für einen Transport zu und von der Schule zu sorgen und die damit verbundenen Kosten als Teil des allgemeinen Lebensführungsaufwandes zu tragen. In Übereinstimmung damit wurden die Beförderungskosten ursprünglich von der öffentlichen Hand auch nicht erstattet. Erst Mitte der 60er Jahre wurde die aus öffentlichen Mitteln finanzierte Schülerbeförderung als eine auf die regelmäßigen Bedürfnisse aller Schüler abgestellte Standardeinrichtung geschaffen. Auslöser war die Neuorganisierung des Volksschulwesens, bei der in großem Umfang insbesondere auf dem Land Schulen und Klassenstufen zusammengelegt wurden, wodurch sich der Schulweg für eine Vielzahl von Schülern zum Teil erheblich verlängerte. Um nicht die Eltern mit den dadurch entstehenden Kosten zu belasten, entschied der Gesetzgeber, dass die durch die Zusammenlegung veranlassten Kosten vom Land übernommen wurden. In der Folgezeit wurde diese gesetzliche Verpflichtung dahingehend erweitert, dass das Land allgemein die Kosten für die Beförderung von Schülern zur zuständigen Grund- und Hauptschule zu tragen hatte, soweit es unzumutbar war, den Schulweg ohne die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels zurückzulegen. Hinsichtlich der anderen (weiterführenden) Schularten war es dem Land mit Rücksicht auf die begrenzten finanziellen Möglichkeiten dagegen anfangs nur gestattet, die Eltern von den Kosten der notwendigen Beförderung im Wege einer freiwilligen Leistung nach Maßgabe des Haushaltsplanes freizustellen. Denn der Gesetzgeber maß dem Besuch derartiger Bildungseinrichtungen zunächst keine gemeinwohlbestimmte Notwendigkeit bei. Erst mit der Übertragung der Aufgabe der Schülerbeförderung auf die Landkreise und kreisfreien Städte als Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung wurde der gesetzlich geförderte Kreis um die Schüler der Realschulen und der Klassenstufen 5 bis 10 der Gymnasien erweitert, allerdings mit der Maßgabe, dass diesen die Belastung mit einem Eigenanteil bleibt. Darin lag zugleich die gesetzliche Feststellung, dass auch der Besuch der weiterführenden Schulen aus Gründen des Gemeinwohls gefordert ist, insbesondere soweit dadurch die allgemeine Schulpflicht erfüllt wird (s. dazu bereits OVG Rh.-Pf., Urteil vom 15. Mai 1990 - 7 A 139/89 -, AS 23, 49 [51 ff.] und den diesbezüglichen Nichtzulassungsbeschluss des BVerwG vom 22. Oktober 1990 - BVerwG 7 B 128.90 -, Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 105). Im Ergebnis stellt sich die in § 56 SchulG geregelte staatlich finanzierte Schülerbeförderung damit als ein System der gestuften Lastenübernahme dar, die jeweils ihre Rechtfertigung in einem vom Gesetzgeber ausdrücklich anerkannten schulischen Bedürfnis findet. Die aus der Gesetzesgeschichte deutlich werdende schrittweise Entlastung der Eltern ändert freilich nichts daran, dass es vom Grundsatz her ihre Aufgabe bleibt, die Beförderung ihrer Kinder zur Schule faktisch und wirtschaftlich sicherzustellen. Bei diesem Normverständnis sind die katalogartig ausgeformten einzelnen Übernahmetatbestände nicht im Wege der Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts erweiterbar.

Gemessen an diesen leitbildprägenden normativen Vorstellungen entfernt sich die Ganztagsschule in offener Form so weit von dem gesetzgeberischen Orientierungsmaßstab der derzeitigen Regelung, dass es nicht gerechtfertigt ist, sie in gegenständlicher Hinsicht von der staatlich finanzierten Schülerbeförderung als erfasst anzusehen.

Nach der Konzeption des Gesetzgebers korrespondiert das nachmittägliche Angebot an Ganztagsschulen in offener Form nicht mit einem gemeinwohlbestimmten schulischen Bedürfnis. Es dient weder der Erfüllung der Schulpflicht noch ist es Ausdruck des staatlichen Erziehungsauftrages. Stattdessen knüpft es - auch nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers (vgl. Amtl. Begr. des Gesetzesentwurfs der Landesregierung, LT-Drucks. 11/4973, S. 5) - an den vor allem infolge gesellschaftlicher Veränderungen in Familie und Arbeitswelt zunehmenden Bedarf, Schüler auch während des Nachmittags in schulischer Obhut zu behalten, an. Dementsprechend stellt es ein über den tradierten staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag hinausgehendes Zusatzangebot dar, das typischerweise eine auf die jeweiligen Interessen, Neigungen und Begabungen abgestimmte individuelle Förderung der einzelnen Schüler ermöglicht. Das zeigt sich bereits daran, dass nach § 10 a Abs. 4 Satz 2 SchulG für die Erweiterung einer bestehenden Schule zu einer Ganztagsschule in offener Form - insbesondere im Unterschied zu einer Ganztagsschule in verpflichtender Form - gerade kein schulisches Bedürfnis maßgebend ist. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die Entscheidung, eine nachmittägliche Betreuung anzubieten, in die sachliche Zuständigkeit des jeweiligen Schulleiters und nicht der für die Feststellung der schulischen Erfordernisse verantwortlichen staatlichen Schulbehörde gelegt hat. Außerdem sieht § 10 a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SchulG vor, dass trotz Anmeldung kein Schüler verpflichtet ist, an der außerunterrichtlichen Betreuung teilzunehmen.

(c) Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass § 56 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 1 SchulG derzeit keine tragfähige Grundlage für die Verpflichtung des Beklagten bietet, den Eltern die grundsätzlich ihnen im Rahmen der gesetzlichen Unterhaltspflicht obliegende Aufgabe abzunehmen, für die Beförderung ihrer Kinder am Ende des Schultages von der Ganztagsschule in offener Form nach Hause zu sorgen. Damit bleiben zunächst diese in der Pflicht. Verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich insoweit namentlich mit Blick auf das Recht der Eltern auf freie Schulwahl (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 27 Abs. 1 LV) oder das Recht der Kinder auf Bildung (Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 24 Satz 1 LV) nicht (vgl. z.B.: BVerwG, a.a.O., m.w.N.). Der Gesetzgeber ist gleichwohl berechtigt, die Eltern auch von dieser Aufgabe und den damit verbundenen Kosten zu Lasten der öffentlichen Hand freizustellen. Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang dies geschehen soll, bedarf jedoch einer ausdrücklichen und klaren gesetzlichen Übernahmeregelung. Dies gebietet nicht nur das oben dargelegte Verteilungsprinzip, sondern insbesondere auch das verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstverwaltungsrecht der kommunalen Gebietskörperschaften (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 49 LV). Letzteres gilt bezüglich der Landkreise und kreisfreien Städte als Träger der Schülerbeförderung um so mehr, als diese im Unterschied zu den Schulträgern nach der derzeitigen Gesetzeslage keine Möglichkeit hätten, die Kostenlast abzuwenden. Denn für die auf der örtlichen Ebene der Schulleitung zu treffende Organisationsentscheidung über die Erweiterung einer Schule zu einer Ganztagsschule in offener Form ist nach § 10 a Abs. 4 Satz 2 SchulG - neben der Anhörung der Gesamtkonferenz und des Schulelternbeirates - gegenwärtig nur die Zustimmung des Schulträgers erforderlich.

2. Die von der Klägerin im Hilfsantrag erhobene Leistungsklage - über die das Verwaltungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, nicht zu entscheiden hatte - ist aus den dargelegten Gründen ebenfalls unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 22.000 € festgesetzt (§§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 1 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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