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Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 28.11.2008
Aktenzeichen: 2 A 10909/08.OVG
Rechtsgebiete: BVO, BeamtVG
Vorschriften:
BVO § 1 | |
BVO § 1 Abs. 1 | |
BVO § 1 Abs. 1 Nr. 4 | |
BVO § 1 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 | |
BVO § 12b | |
BVO § 12b Abs. 1 | |
BeamtVG § 18 | |
BeamtVG § 18 Abs. 2 | |
BeamtVG § 18 Abs. 2 Nr. 2 |
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
2 A 10909/08.OVG
In dem Verwaltungsrechtsstreit
wegen Beihilfe
hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 28. November 2008, an der teilgenommen haben
Präsident des Oberverwaltungsgerichts Prof. Dr. Meyer Richter am Oberverwaltungsgericht Bonikowski Richter am Oberverwaltungsgericht Steinkühler ehrenamtlicher Richter Landrat a.D. Schrader ehrenamtliche Richterin Schönheitspflegerin Stoffel
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 22. Juli 2008 wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand:
Der Kläger war der Lebensgefährte der im April 2007 verstorbenen Landesbeamtin R. und ist deren Erbe. Er ist zudem Begünstigter einer Sterbegeldversicherung, die die Verstorbene zu seinen Gunsten abgeschlossen hatte und aus der er eine Versicherungsleistung in Höhe von 15.867,-- € erhielt. Die Krankenversicherung der Frau R. erstattete dem Kläger für deren Behandlungskosten 2.612,67 €.
Dieser beantragte am 22. Mai sowie am 14. Juni 2007 bei der Oberfinanzdirektion Koblenz - Zentrale Besoldungs- und Versorgungsstelle (ZBV) - die Gewährung von Beihilfe für die Behandlungs- und die Bestattungskosten seiner Lebensgefährtin. Die ZBV lehnte die Anträge mit Bescheid vom 9. Juli 2007, korrigiert durch Bescheid vom 9. August 2007, unter Verweis auf § 12b Abs. 1 Beihilfenverordnung - BVO - ab. Danach müsse sich der Kläger auf seinen Beihilfeanspruch die Leistungen der Kranken- sowie der Sterbegeldversicherung anrechnen lassen. Diese aber überstiegen die geltend gemachten beihilfefähigen Aufwendungen in Höhe von insgesamt 8.956,22 €.
In seinem hiergegen erhobenen Widerspruch stellte der Kläger klar, er beantrage im Rahmen der Beihilfe lediglich die Erstattung der Behandlungs-, nicht aber auch die der Begräbniskosten in Höhe von 3.730,96 €. In der Sache führte er aus, die Sterbegeldversicherung könne nicht auf Aufwendungen angerechnet werden, die seine Lebensgefährtin noch selbst beglichen habe und für die der Beklagte im Falle einer Geltendmachung durch Frau R. uneingeschränkt beihilfepflichtig gewesen wäre. Die Versicherung diene der Deckung der Beerdigungs-, nicht jedoch der medizinischen Behandlungskosten. Weder § 12b BVO noch die hierzu erlassenen Verwaltungsvorschriften enthielten Anhaltspunkte für eine Verrechnung der Leistungen einer solchen Risikolebensversicherung mit dem Beihilfeanspruch.
Den Widerspruch wies die ZBV mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2008 zurück. Der Beihilfeanspruch sogenannter "anderer Personen" sei ein neuer, selbständiger und kein vererbter ursprünglicher Anspruch des verstorbenen Beihilfeberechtigten. Hierdurch solle diesem die Sorge genommen werden, Dritte nach seinem Tod in unangemessener Höhe mit den Kosten der Krankheit und der Beerdigung zu belasten. Die Regelung diene hingegen nicht dazu, das Erbe ungeschmälert zu erhalten. Die Sterbegeldversicherung habe wie jede andere Risikolebensversicherung das Ziel, das durch den Tod eintretende finanzielle Risiko abzusichern. Diese Intention sei mit derjenigen der beihilferechtlichen Regelungen identisch und rechtfertige deshalb die Anrechnung.
Der Kläger hat unter Vertiefung seiner Ausführungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren Klage erhoben und beantragt,
ihm Beihilfe in gesetzlicher Höhe zu den von ihm getragenen Krankheitskosten für Frau R. zu bewilligen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Zwar sei die Sterbegeldversicherung grundsätzlich geeignet, den Beihilfeanspruch zu verkürzen. Bei ihr handele es sich um eine "sonstige Leistung" im Sinne des § 12b Abs. 1 BVO, weil sie der Absicherung von Beerdigungskosten und damit von beihilfefähigen Aufwendungen diene. Vorliegend scheide eine Anrechnung jedoch aus, weil die Versicherung nicht zur Deckung der vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für Behandlungskosten bestimmt sei. Zudem spreche der Wortlaut des § 12b Abs. 1 Satz 2 BVO von zu gewährenden Leistungen und indiziere damit, dass diese einem Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Leistendem und Empfänger entspringen müssten. Ein solches Verhältnis bestehe aber gegenüber der Versicherung nicht. Entgegen des früheren - weiteren - Wortlauts der beihilferechtlichen Anrechnungsvorschriften müsse sich der Kläger daher nicht auf die Leistungen der Sterbegeldversicherung verweisen lassen. Zwar liege die Gewährung der Beihilfe im Ermessen des Beklagten; vorliegend seien jedoch keine Gründe ersichtlich, die eine Versagung rechtfertigen könnten.
Der Beklagte macht mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung ergänzend zu seinen bisherigen Ausführungen geltend, nach der Begleichung der Bestattungskosten verbleibende Gelder aus der Sterbegeldversicherung erhöhten das Erbe und bewirkten eine zumindest teilweise Freistellung von den Kosten der Krankenbehandlung. Nach dem Willen des Verordnungsgebers sollten derartige "Erträge" aus dem Sterbefall zur Deckung der entstandenen und an sich beihilfefähigen Aufwendungen eingesetzt werden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 22. Juli 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil unter Aufrechterhaltung seines erstinstanzlichen Vortrags und führt aus, der vermeintliche Wille des Verordnungsgebers habe keinen Niederschlag im Wortlaut der Beihilfeverordnung gefunden. Auf die Sterbegeldversicherung könne ebenso wenig zurückgegriffen werden wie auf eine Kapitallebensversicherung oder sonstige Vermögenswerte des Nachlasses. Der Beklagte lehne sich zu Unrecht an die Rechtsprechung zum Sterbegeld nach § 18 Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG - an.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Verwaltungsvorgänge (1 Heft) verwiesen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hätte den Beklagten nicht verpflichten dürfen, dem Kläger Beihilfe zu den Krankenkosten von Frau R. zu bewilligen. Ihm steht kein derartiger Anspruch zu. Der Beklagte hat sich bei der Auslegung der beihilferechtlichen Vorschriften zu Recht an den für die Berechnung des Sterbegeldes entwickelten Grundsätzen orientiert und folglich den Antrag des Klägers durch Bescheide vom 9. Juli und 9. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 2008 ermessensfehlerfrei abgelehnt. Die vorgenannten Verwaltungsakte sind deshalb rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).
Gemäß der - auch bei einer etwaigen Nichtigkeit der Ermächtigungsgrundlage des § 90 Abs. 1 Landesbeamtengesetz fortgeltenden (vgl. BVerwG, IÖD 2008, 246) - Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 BVO kann im Todesfalle des Beihilfeberechtigten anderen Personen als dem hinterbliebenen Ehegatten oder den (Stief-)Kindern Beihilfe gewährt werden, soweit sie beihilfefähige Aufwendungen aus Anlass der Krankheit oder des Todes des verstorbenen Beihilfeberechtigten bezahlt haben; sind sie dessen Erben, so gilt dies auch für die Krankheitsaufwendungen des Erblassers, die von diesem bezahlt worden sind.
Die Vorschrift korrespondiert damit in mehrfacher Hinsicht mit der Regelung des § 18 Abs. 2 Nr. 2 BeamtVG (vgl. BVerwGE 16,68 [71 f.]; BVerwG, NVwZ 1983, 225 [226]). Danach ist - soweit keine überlebenden Ehegatten oder Abkömmlinge vorhanden sind - sonstigen Personen, die die Kosten der letzten Krankheit oder der Bestattung getragen haben, bis zur Höhe ihrer Aufwendungen Sterbegeld zu gewähren. Sowohl die beihilfe- als auch die sterberechtliche Regelung dienen folglich der einheitlichen Erstattung der Behandlungs- und der Beerdigungskosten. Anders als bei unmittelbaren Angehörigen, deren Ansprüche aufgrund der auch ihnen gegenüber bestehenden Fürsorgepflicht des Dienstherrn keine Beschränkung erfahren, sind sie Ausdruck einer nachwirkenden Fürsorge dem Verstorbenen gegenüber. Sie bezwecken daher nicht die vorläufige wirtschaftliche Sicherung der Hinterbliebenen oder die ungeschmälerte Erhaltung des Nachlasses, sondern sollen dem Beamten lediglich die Sorge nehmen, andere nach seinem Tod mit den Kosten der Behandlung und der Beerdigung zu belasten (vgl. BVerwGE 11, 340 [341]; 16, 68 [69]; 50, 292 [299]).
In der Rechtsprechung zu § 18 BeamtVG ist deshalb anerkannt, dass ein Sterbegeldanspruch ausgeschlossen ist, soweit dem Anspruchsberechtigten kostendeckende Leistungen aus einer Kranken- oder Sterbegeldversicherung zugeflossen und ihm bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise folglich keine Aufwendungen entstanden sind. In dem Umfang, in welchem der Betroffene derartige Leistungen erhalten hat, wird seine Belastung verneint, ohne danach zu differenzieren, ob das Sterbegeld zur Deckung der Behandlungs- und/oder der Bestattungskosten begehrt wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, NVwZ-RR 1999, 656). Diese Einschränkung des Leistungsanspruchs ist nicht allein Folge des - im Vergleich zu den unmittelbaren Angehörigen - geringeren Fürsorgemaßstabes. Sie ist vielmehr auch einer Vermeidung von Überkompensationen zu Lasten der öffentlichen Hand geschuldet.
Ihre beihilferechtliche Konkretisierung erfahren diese Grundsätze in § 12b Abs. 1 Satz 1 BVO, dem zufolge die Beihilfe in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 BVO zusammen mit Sterbe- und Bestattungsgeldern sowie sonstigen Leistungen, die zur Deckung der Aufwendungen bestimmt sind, die tatsächlich entstandenen Aufwendungen nicht übersteigen darf. Sinn und Zweck der Regelung, über die realen Kosten hinausgehende Erstattungsleistungen möglichst lückenlos auszuschließen, stehen einer engen Auslegung ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen entgegen (so schon zum heutigen § 12b Abs. 2 Satz 1 BVO: OVG RheinlandPfalz, NVwZ-RR 1995, 685). Vielmehr gebietet es der einander entsprechende Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 BVO ("Aufwendungen ... bezahlt") und des § 18 Abs. 2 Nr. 2 BeamtVG ("Kosten ... getragen") sowie die gemeinsame Intention der beihilfe- und der sterbegeldrechtlichen Vorschriften sowohl hinsichtlich der Art der zu erstattenden Kosten wie auch in Bezug auf den Grund des Erstattungsanspruchs, die zum Sterbegeldanspruch entwickelten Grundsätze auf das Beihilferecht zu übertragen. Nur so kann im Übrigen ein Wertungswiderspruch vermieden werden, der andernfalls dadurch entstünde, dass ein Sterbegeldanspruch zwar einerseits wegen anzurechnender Leistungen Dritter ausgeschlossen wäre, sich hierdurch jedoch andererseits der Beihilfeanspruch mangels eines zu verrechnenden Sterbegeldes erhöhen würde und damit - trotz gleicher Intention von Sterbegeld und Beihilfe - die Beschränkung des Sterbegeldanspruchs leerliefe. Auf den Beihilfeanspruch anderer Personen anzurechnen sind daher alle Leistungen, die zur Absicherung der mit dem Todesfall verbundenen Aufwendungen und finanziellen Risiken dienen und die deshalb dazu führen, dass dem Anspruchsberechtigten nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise keine Kosten entstanden sind.
Die Leistungen der Sterbegeldversicherung sind folglich unabhängig davon mit dem Beihilfeanspruch zu verrechnen, ob lediglich die Erstattung der Behandlungsoder auch der Beerdigungskosten beantragt wird. Zwar dient eine solche Versicherung vorrangig der Deckung der Aufwendungen für die Bestattung. Sie ist hierauf jedoch nicht beschränkt. Vielmehr verbleibt dem Begünstigten der über die Begräbniskosten hinausgehende Teil der Versicherungssumme zur freien Verfügung. Umgekehrt ist die Sorge des Beamten, andere nach seinem Tod mit den Behandlungs- und Beerdigungskosten zu belasten, unbegründet, soweit die Leistungen aus der Sterbegeldversicherung nicht nur die Kosten der Beerdigung, sondern darüber hinaus auch diejenigen der medizinischen Versorgung abdecken.
Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts steht der Berücksichtigung der Sterbegeldversicherung nicht entgegen, dass § 12b Abs. 1 BVO von zu gewähre nden Leistungen spricht. Hieraus folgt - wie sich aus § 12b Abs. 2 BVO ergibt, der u. a. von den "gewährten Leistungen einer Krankenversicherung" spricht - keine Notwendigkeit eines Über-/Unterordnungsverhältnisses zwischen Leistendem und Empfänger.
Vorliegend hat der Beklagte die hier geltend gemachten krankheitsbedingten Aufwendungen mit 5.225,26 € sowie die Kosten des Sterbefalls mit 3.730,96 € berechnet. Darüber hinausgehende Belastungen hat der Kläger nicht geltend gemacht. Dem stehen Leistungen der Kranken- sowie der Sterbegeldversicherung in Höhe von insgesamt 18.479,67 € gegenüber mit der Folge, dass der Beihilfeanspruch gemäß § 12b Abs. 1 BVO ausgeschlossen ist.
Soweit der Kläger anführt, der Beklagte sei im Falle einer Geltendmachung der Behandlungskosten durch Frau R. uneingeschränkt beihilfepflichtig gewesen, steht dies einer Anrechnung gleichfalls nicht entgegen. Die unterschiedlichen Erstattungsregelungen sind sachlich gerechtfertigt aufgrund der insoweit unterschiedlichen Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Die "anderen Personen" erhalten Beihilfen allein aufgrund einer nachwirkenden Fürsorgepflicht gegenüber dem verstorbenen Beamten und nicht deshalb, weil auch ihnen gegenüber eine Fürsorgepflicht zu erfüllen wäre. Dass es insoweit zuweilen von zufälligen Umständen abhängt, ob der Beamte noch vor seinem Tode die Beihilfe und damit der Erbe einen entsprechend größeren Nachlass erhält, muss hingenommen werden. Der Eintritt verschiedener Rechtsfolgen ist sachlich gerechtfertigt, weil nur eine dem Beamten noch selbst zufallende Beihilfe die ihm gegenüber bestehende Fürsorgepflicht des Dienstherrn erfüllt (vgl. BVerwGE 16, 68 [72]).
Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 Zivilprozessordnung.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 Beamtenrechtsrahmengesetz genannten Art nicht vorliegen.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird zugleich auch für das erstinstanzliche Verfahren auf 2.612,63 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 3, § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz).
Ende der Entscheidung
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