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Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 21.03.2006
Aktenzeichen: 2 A 11274/05.OVG
Rechtsgebiete: HochSchG, StudKVO
Vorschriften:
HochSchG § 70 | |
HochSchG § 70 Abs. 1 | |
HochSchG § 70 Abs. 3 | |
HochSchG § 70 Abs. 4 | |
HochSchG § 70 Abs. 4 Satz 1 | |
HochSchG § 70 Abs. 8 | |
StudKVO § 14 | |
StudKVO § 14 Abs. 3 | |
StudKVO § 14 Abs. 4 | |
StudKVO § 6 | |
StudKVO § 6 Abs. 1 | |
StudKVO § 6 Abs. 2 |
2. Es verstößt nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, dass die Studiengebührenpflicht nach § 70 HochSchG in Verbindung mit der Studienkontenverordnung auch auf solche Studierende Anwendung findet, die ihr Studium vor In-Kraft-Treten dieser Regelungen begonnen haben.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
2 A 11274/05.OVG
In dem Verwaltungsrechtsstreit
wegen Studiengebühren
hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 21. März 2006, an der teilgenommen haben
Präsident des Oberverwaltungsgerichts Prof. Dr. Meyer Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Mildner Richterin am Oberverwaltungsgericht Stengelhofen ehrenamtlicher Richter Augenoptikermeister Gansauer ehrenamtliche Richterin Hausfrau Hagedorn
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 28. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung einer Studiengebühr ab dem Wintersemester 2004/2005.
Mit Bescheid vom 5. Juli 2004 zog die Beklagte den Kläger für die Fortsetzung seines Studiums im Studiengang Wirtschaftsmathematik zum Wintersemester 2004/2005 und für jedes weitere Semester zu einer Gebühr in Höhe von 650,-- € zuzüglich einer Gebühr in Höhe von 112,50 € für die Einschreibung in einem weiteren Studiengang heran. Nachdem der Kläger hiergegen Widerspruch eingelegt und die Beklagte festgestellt hatte, dass er zum Wintersemester 2004/2005 nur noch im Studiengang Wirtschaftsmathematik eingeschrieben war, erging unter dem 2. Februar 2005 - der Kläger befand sich nunmehr im 25. Fachsemester - ein weiterer Studiengebührenbescheid, durch den unter Aufhebung des Bescheides vom 5. Juli 2004 die Studiengebühr für das Wintersemester 2004/2005 und für jedes weitere Semester auf 650,-- € beschränkt wurde. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. April 2005 zurück.
Hinsichtlich des Sachverhalts im Übrigen nimmt der Senat gemäß § 130 b Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Bezug, dessen Feststellungen er sich in vollem Umfang zu Eigen macht.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit einem aufgrund der Beratung vom 28. Juni 2005 ergangenen Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Bescheid finde seine Rechtsgrundlage in § 70 des Hochschulgesetzes vom 21. Juli 2003 - HochSchG - (GVBl. S. 167) in Verbindung mit den Regelungen der Landesverordnung über die Einrichtung und Führung von Studienkonten - StudKVO - vom 26. Mai 2004 (GVBl. S. 344). Danach werde von eingeschriebenen Studierenden, denen kein ausreichendes Studienguthaben zur Verfügung stehe, beginnend mit dem Wintersemester 2004/2005 für jedes Semester eine Gebühr erhoben, die 650,-- € betrage. Das dem Kläger gewährte Studienguthaben sei aufgrund der für die bereits zurückgelegten Hochschulsemester vorzunehmenden Regelabbuchungen aufgebraucht gewesen. Die maßgeblichen Bestimmungen stünden mit höherrangigem Recht in Einklang. Der Gesetzgeber habe die für die Gebührenerhebung wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen. Die Gebühr diene der Abschöpfung der den Studierenden durch das Studium an der Hochschule gewährten Vorteile. Es reiche aus, dass die konkrete Gebührenhöhe im Rahmen der Studienkontenverordnung festgelegt worden sei. Hierzu sei der Verordnungsgeber befugt gewesen. Die Erhebung einer Studiengebühr stehe auch mit Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz - GG - in Einklang, der nicht den Anspruch auf ein kostenloses Studium umfasse. Insbesondere führe die streitige Gebührenregelung aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltung nicht dazu, dass einer Studienaufnahme unüberwindbare soziale Barrieren entgegenstünden. Es sei gerechtfertigt, durch Einführung von Studienkonten die Studierenden zu einem zügigen Studium anzuhalten. Die Einführung der Studiengebührenpflicht zum Wintersemester 2004/2005 auch für diejenigen Studierenden, die ihr Studium bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufgenommen hatten, verstoße nicht gegen das Vertrauensschutzprinzip. Ihr Vertrauen, das bisherige Studienverhalten werde ohne gebührenrechtliche Auswirkungen bleiben, könne nicht als schutzwürdig erachtet werden. Die Einführung von Studiengebühren für Langzeitstudenten sei lange öffentlich diskutiert worden. Seit In-Kraft-Treten des Hochschulgesetzes zum 1. September 2003 habe zudem festgestanden, dass ab dem Wintersemester 2004/2005 die Erhebung von Studiengebühren beabsichtigt war. Dem Kläger sei es daher möglich gewesen, sein Studienverhalten entsprechend einzurichten. Er habe nicht damit rechnen dürfen, von der Gebührenpflicht ausgenommen zu werden.
Gegen das Urteil hat der Kläger die vom Senat zuvor zugelassene Berufung eingelegt, zu deren Begründung er im Wesentlichen geltend macht: Der Gesetzgeber habe den mit der Gebührenerhebung verfolgten Zweck zu unbestimmt umschrieben. Möglicherweise verfolge er mit der Gebührenerhebung auch eine Lenkungswirkung, die eine höhere Gebühr rechtfertigen könne als die bloße Abschöpfung in Anspruch genommener Nutzungsvorteile. Eine entsprechend eindeutige Festlegung müsse der Gesetzgeber selbst treffen. Dieser habe im Übrigen die Einführung der Gebührenpflicht zum Wintersemester 2004/2005 in das Ermessen des Verordnungsgebers gestellt. Die Studierenden hätten aber nicht damit rechnen müssen, dass eine Gebührenpflicht bereits zwei Wochen nach Verabschiedung der einschlägigen Verordnung in Kraft treten würde. Auch habe sich gemäß § 70 Abs. 3 HochSchG die Gebührenerhebung an den Studien- und Prüfungsleistungen zu orientieren, die die Studierenden in Anspruch nähmen. Die Regelung gestatte offensichtlich eine flexible Gestaltung des Studiums. Hierauf habe er vertrauen dürfen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 28. Juni 2005 den Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Beratung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, ist der angefochtene Studiengebührenbescheid der Beklagten vom 2. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2005 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er findet seine Rechtsgrundlage in § 70 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1 HochSchG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 StudKVO. Danach wird von Studierenden, die ihr Studienkonto aufgebraucht haben, ohne das Studium erfolgreich abzuschließen, für jedes Semester eine Gebühr von 650,-- € erhoben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, was keiner weiteren Darlegung bedarf.
Darüber hinaus verstoßen die zur Anwendung gelangten Regelungen nicht gegen höherrangiges Recht.Die Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers für gebührenrechtliche Regelungen im Bereich der Hochschulen folgt aus Art. 70 Abs. 1 GG. Dem Bund ist es hingegen gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG verwehrt, die Gesetzgebung der Länder durch Rahmenvorschriften etwa auf den Grundsatz der Gebührenfreiheit des Studiums zu verpflichten. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb die Nichtigkeit der dahingehenden Regelung des § 27 Abs. 4 des Hochschulrahmengesetzes in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 8. August 2002 (BGBl. I S. 3138) festgestellt (BVerfGE 112, 226).
Die hiernach dem Land offen stehende Regelung des § 70 HochSchG entspricht in verfassungsrechtlicher Hinsicht den Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes. Dieser Grundsatz verlangt, dass staatliches Handeln in den grundlegenden Bereichen erst durch förmliches Gesetz legitimiert wird (BVerfGE 98, 218 [251]). Insbesondere ist der Gesetzgeber verpflichtet, im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen (BVerfGE 61, 260 [275]). Des Weiteren muss ein Gesetz, das eine Verordnungsermächtigung enthält, gemäß Art. 110 Abs. 1 Satz 2 der Landesverfassung - LV - Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen. Diesen Anforderungen wird § 70 HochSchG gerecht. In ihm ist geregelt, dass nach Aufbrauchen eines Studienkontos mit einem Studienguthaben von grundsätzlich 200 Semesterwochenstunden eine Gebührenpflicht eintritt, die ausnahmslos für alle Studenten gilt (§ 70 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 70 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 HochSchG). Des Weiteren sieht § 70 Abs. 8 HochSchG vor, dass auch für bei In-Kraft-Treten des Gesetzes bereits immatrikulierte Studierende ein Studienkonto eingerichtet wird, auf das die vor dem Wintersemester 2004/2005 in ihrem Studiengang studierten Semester anzurechnen sind. Die Studiengebührenpflicht beginnt frühestens zum Wintersemester 2004/2005. Damit hat der Gesetzgeber die für das Entstehen der Gebührenpflicht wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen. Darüber hinaus hat er in § 70 Abs. 6 HochSchG das fachlich zuständige Ministerium ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere, insbesondere zur Ausstattung und Abbuchung des Studienkontos, zur rückwirkenden Abbuchung von mit Einrichtung des Studienkontos bereits studierten Semestern, zum Hochschul- oder Studiengangwechsel, zur Kontenführung bei den Hochschule, zur Einräumung und Verwendung des Bonus und zur Altersgrenze, zur Höhe und Entrichtung der Gebühr, zur Berücksichtigung sozialer Belange und der Mitgliedschaft in Gremien der Hochschule sowie zur Vermeidung und zum Abbau geschlechtsspezifischer Nachteile zu regeln. Dadurch wird die dem Verordnungsgeber durch den Gesetzgeber eingeräumte Regelungsbefugnis im Sinne des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 LV hinreichend bestimmt.
Der Gesetzgeber hat auch die mit der Einführung der Gebührenpflicht verfolgten Gebührenzwecke in einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen gebotenen Weise verdeutlicht. Die zentrale Zulässigkeitsanforderung an nichtsteuerliche Abgaben, wie sie eine Studiengebühr darstellt, nämlich eine besondere sachliche Rechtfertigung, die den bloßen Einnahmeerzielungszweck ergänzt oder ersetzt, verlangt u.a., dass die Bemessung der Gebühr von zulässigen Gebührenzwecken getragen wird, die der Gesetzgeber bei der tatbestandlichen Ausgestaltung erkennbar verfolgt (BVerwGE 108, 1 [17 f.]). Diesem Erfordernis hat der Gesetzgeber Rechnung getragen. Der Regelung des § 70 HochSchG sind in einer für die Normadressaten eindeutigen Weise die zulässigen Gebührenzwecke des Ausgleichs von Vorteilen, die dem Einzelnen aufgrund einer öffentlichen Leistung zufließen, sowie der Verhaltenslenkung zu entnehmen.
Die Studiengebühr ist zum einen erkennbar als Benutzungsgebühr ausgestaltet, die dazu dient, den Wert der mit der Immatrikulation zur Verfügung gestellten Leistungen und Nutzungsmöglichkeiten jedenfalls teilweise abzuschöpfen. So soll sich die für jedes Semester vorzunehmende Abbuchung von dem auf einem Studienkonto eingerichteten Guthaben gemäß § 70 Abs. 3 Satz 2 HochSchG an den Studien- und Prüfungsleistungen orientieren, die die Studierenden von der Hochschule in Anspruch nehmen. Insoweit ist der Zusammenhang zwischen Gebührenerhebung und der Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung offenkundig. Zwar erfolgt gegenwärtig gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 StudKVO eine Regelabbuchung pro Semester, die ihrem Charakter nach nicht vom Umfang der tatsächlichen Inanspruchnahme konkreter Studien- und Prüfungsleistungen abhängt. Diese Ausgestaltung des Abbuchungsverfahrens ist jedoch nur für eine Übergangszeit vorgesehen, um die erforderliche Umorganisation der Prüfungsämter vornehmen zu können (LT-Drs. 14/2017 S. 103). Im Übrigen dient auch die Regelabbuchung jedenfalls dem Grunde nach einer Abschöpfung typischerweise in Anspruch genommener Vorteile. Insoweit ist ein Missverhältnis zwischen dem Regelverbrauch an Studienguthaben pro Semester und der Inanspruchnahme zur Verfügung gestellter öffentlicher Leistungen nicht erkennbar. Der Kläger hat solches auch nicht geltend gemacht. Er hat vielmehr selbst im Rahmen seiner Widerspruchsbegründung ausgeführt, dass er noch ausstehende mündliche Diplomprüfungen abzulegen und seine Diplomarbeit einzureichen beabsichtige. Beides ist ohne die Inanspruchnahme von Leistungen, die die Beklagte zur Verfügung stellt, nicht vorstellbar und damit dem Grunde nach einer Gebührenerhebung zugänglich.
Diese Betrachtungsweise wird bestätigt durch den Verweis in § 70 Abs. 4 Satz 2 auf § 14 Abs. 6 HochSchG. Danach stehen den Hochschulen die erzielten Gebühreneinnahmen ebenso wie Entgelte für die Inanspruchnahme von Personal, Sachmitteln und Einrichtungen für die Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung. In beiden Fällen handelt es sich um Einnahmen, die als Gegenleistung für die konkrete Inanspruchnahme von Hochschulleistungen und -einrichtungen erzielt worden sind und deshalb den Hochschulen zur - jedenfalls teilweisen - Abdeckung entstandener Kosten verbleiben sollen. Der beabsichtigte Zweck, Nutzungsvorteile abzuschöpfen, wird auch auf diese Weise deutlich.
Ebenso erkennbar ist die Absicht des Gesetzgebers, eine begrenzte Verhaltenssteuerung der Studierenden zu bewirken. Durch die Einrichtung eines Studienguthabens in Verbindung mit dem Einsetzen einer Gebührenpflicht nach Verbrauch des Guthabens ist ein offenkundiger Anreiz geschaffen worden, ein Studium zeitgerecht zu beenden. Dieses gesetzgeberische Motiv ist in der Gesetzesbegründung ausdrücklich offen gelegt worden (LT-Drs. 14/2017, a.a.O.). Es ist daher nicht zu beanstanden, dass sich die Bemessung der Gebühr auch an der Verfolgung dieses Zwecks orientiert.
Auch das durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Recht zur freien Wahl der Ausbildungsstätte (BVerfGE 33, 303 [336]) steht einer Gebührenregelung, wie sie § 70 HochSchG in Verbindung mit der Studienkontenverordnung festschreibt, nicht entgegen. Insbesondere ergibt sich aus dem Grundrecht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte kein allgemeiner Anspruch auf die Kostenfreiheit des gewählten Studiums (BVerwGE 102, 142 [146 f.]; 115, 32 [36 f.]). Dies gilt auch im Hinblick auf den durch Art. 39 Abs. 5 Satz 1 LV garantierten Zugang zum Hochschulstudium (VerfGH Rh-Pf, AS 32, 74 [79]). Zwar ist der Staat als Träger der Hochschule von Verfassungs wegen gehalten, die erforderlichen Hochschuleinrichtungen bereitzustellen, soweit ihm dies unter Berücksichtigung der übrigen Gemeinschaftsbelange möglich ist, um das gewährleistete Zugangsrecht nicht faktisch leer laufen zu lassen. Die Entscheidungen in Bezug auf Förderungsleistung des Staates für den allgemeinen Lebensunterhalt der Studierenden wie auch im Hinblick auf die kostenlose Zurverfügungstellung der Hochschuleinrichtungen sind dadurch aber nicht bereits abschließend verfassungsrechtlich vorgegeben. Sie obliegen vielmehr dem Gesetzgeber, der sie unter gerechter Abwägung der übrigen Belange der Gemeinschaft zu treffen hat. Der Gesetzgeber darf daher bei seinen Überlegungen auch berücksichtigen, dass die Inanspruchnahme staatlicher, von der Gesamtheit der Steuerpflichtigen finanzierter Einrichtungen durch einen eingeschränkten Nutzerkreis im Interesse gerechter Lastenverteilung in aller Regel eine Gebührenpflicht auslöst (VerfGH Rh-Pf, a.a.O., [80]). Dies gilt jedenfalls dann, wenn allen dazu Befähigten ein Studium ermöglicht und eine Sonderung der Studierenden nach den Besitzverhältnissen der Eltern verhindert wird (BVerwGE 115, 32 [37]).
Gemessen daran ist die getroffene Entscheidung für die Gebührenpflicht so genannter Langzeitstudenten nicht zu beanstanden. Dies folgt bereits daraus, dass der Gesetzgeber ein Studium für die 1,75-fache Dauer der Regelstudienzeit von der Gebührenpflicht freigestellt und darüber hinaus mit der durch § 70 Abs. 6 Satz 1 HochSchG verpflichtend vorgegebenen Regelung zur Einräumung und Verwendung eines Bonusguthabens (§ 10 StudKVO) sowie zur Berücksichtigung sozialer Belange (§ 14 Abs. 5 StudKVO) schützenswerte Interessen der Studierenden hinreichend berücksichtigt hat. Eine in dem beschriebenen Sinne unüberwindliche soziale Barriere wird mit der hier streitigen Gebührenregelung ersichtlich nicht errichtet. Der Kläger macht dies auch nicht geltend.
Die Einführung eines Studienkontensystems mit Anfall einer Studiengebührenpflicht bei Erschöpfung des Studienguthabens zum Wintersemester 2004/2005 verletzt darüber hinaus nicht das aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG folgende Vertrauensschutzprinzip. Der Gesetz- und Verordnungsgeber war nicht verpflichtet, die vorliegenden Übergangsregelungen weiter zu fassen.
Das am 1. September 2003 in Kraft getretene Hochschulgesetz sowie die zum 25. Juni 2004 in Kraft getretene Studienkontenverordnung bewirken keine Rechtsfolgen für einen Zeitraum vor ihrer Verkündung ("echte" Rückwirkung). Ihr Anwendungsbereich ist ausschließlich in die Zukunft gerichtet. Die Gebührenpflicht nach § 70 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1 HochSchG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 StudKVO entstand grundsätzlich erstmals für im Wintersemester 2004/2005 Studierende (§ 14 Abs. 4 StudKVO). Dies gilt in gleicher Weise für Studierende, die bei In-Kraft-Treten der Regelung bereits an einer Hochschule immatrikuliert gewesen sind.
Allerdings knüpft der Gebührentatbestand hinsichtlich seiner Voraussetzung, dass kein ausreichendes Studienguthaben zur Verfügung steht, an Rechtsbeziehungen an, die in der Vergangenheit begründet wurden und noch nicht abgeschlossen sind ("unechte" Rückwirkung). Denn gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StudKVO werden von den zum Wintersemester 2004/2005 eingerichteten Studienkonten auch hinsichtlich der Studierenden, die vor dem Wintersemester 2004/2005 ein Studium begonnen hatten, für jedes abgeleistete Fachsemester Abbuchungen vorgenommen. Eine solche "unechte" Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig. Etwas anderes gilt nur dann, wenn bei der gebotenen Abwägung zwischen dem enttäuschten Vertrauen des Betroffenen auf den Fortbestand der bisherigen Regelung und der Bedeutung der Neuregelung für das Wohl der Allgemeinheit den Interessen des Betroffenen ein höheres Gewicht einzuräumen ist (BVerwGE 115, 32 [48]). Dies trifft hier nicht zu.
Der Gesetzgeber hatte ein berechtigtes Interesse daran, die mit dem Gesetz verfolgten Zwecke, nämlich die jedenfalls teilweise Abschöpfung eingeräumter Nutzungsvorteile sowie die beabsichtigte verhaltenslenkende Wirkung, möglichst bald zur Geltung zu bringen. Insbesondere ist es ein legitimes Anliegen, gerade auch den Kreis der aktuell bei In-Kraft-Treten der Regelung vorhandenen Langzeitstudierenden durch die absehbare Gebührenpflicht dazu zu bewegen, ihr Studium zügig abzuschließen. Demgegenüber ist das Vertrauen solcher Studierender darauf, ein gebührenfrei begonnenes überlanges Studium ohne eine Gebührenbelastung beenden zu können, nicht schutzwürdig. Die Betroffenen wurden auch nicht überraschend und ohne Übergangsregelung mit der Gebührenpflicht konfrontiert. Das Studienkontenmodell wurde in seinen Grundzügen durch den zuständigen Minister für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur bereits Anfang November 2001 der Öffentlichkeit vorgestellt. Es schloss sich eine intensive öffentliche Diskussion an, die insbesondere im hochschulpolitischen Raum und unmittelbar an den Hochschulen selbst stattfand. Der Gesetzentwurf wurde im März 2003 im Landtag Rheinland-Pfalz eingebracht; das Gesetz trat schließlich zum 1. September 2003 in Kraft (§ 158 Abs. 1 HochSchG). Ab diesem Zeitpunkt stand dem Kläger bis zur erstmaligen Erhebung einer Gebühr zum Wintersemester 2004/2005 gemäß § 14 Abs. 4 StudKVO ein einjähriger Zeitraum zur Verfügung, um sein Studium - er befand sich damals bereits im 22. Fachsemester - abzuschließen. Konkrete Gründe, weshalb dieser Übergangszeitraum nicht ausreichend sein sollte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Auf individuelle Besonderheiten konnte ohnehin mit der Bonusregelung des § 10 StudKVO bzw. der Härtefallregelung des § 14 Abs. 5 StudKVO angemessen reagiert werden.
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass die gesetzliche Regelung des § 70 Abs. 8 Satz 3 HochSchG lediglich die Möglichkeit einräumte, die Studiengebührenpflicht frühestens zum Wintersemester 2004/2005 einzuführen, und erst durch die zum 25. Juni 2004 in Kraft getretene Studienkontenverordnung die Begründung einer Gebührenpflicht konkret erfolgte. Angesichts der aufgezeigten Vorgeschichte musste er bei In-Kraft-Treten des Hochschulgesetzes in Rechnung stellen, der Verordnungsgeber werde von der ihm eingeräumten Befugnis umgehend Gebrauch machen. Ein schützenswertes Vertrauen darauf, der Verordnungsgeber werde hiervon absehen, nachdem nach intensiver politischer Diskussion die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen worden waren, ist nicht gegeben. Für ein solches Verhalten gab es keine tatsächlichen Anhaltspunkte.
Der Kläger kann sich zur Begründung seiner Auffassung auch nicht auf das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. März 2001 - 7 B 00.1551 - stützen. Die der genannten Entscheidung zugrunde liegende Rechtslage unterscheidet sich von der im vorliegenden Fall maßgeblichen Gesetzeslage grundlegend. Die damalige bayerische Regelung, die die Erhebung einer Zweitstudiengebühr betraf, war u.a. dadurch gekennzeichnet, dass das Gesetz Spielraum dafür ließ, Studenten, die sich bereits im Zweitstudium befanden, überhaupt von der Gebührenpflicht auszunehmen. Diese Situation ist mit derjenigen des Klägers nicht vergleichbar, da seine grundsätzliche Gebührenpflicht als Langzeitstudent nach der Bestimmung des § 70 HochSchG außer Frage stand. Lediglich der Zeitpunkt des erstmaligen Entstehens der dem Grunde nach gegebenen Gebührenpflicht war noch nicht endgültig festgelegt. Insoweit musste der Kläger aber aus den dargelegten Gründen mit einer unmittelbaren Umsetzung rechnen. Im Übrigen hat auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil die Schutzwürdigkeit des Vertrauens von Langzeitstudenten auf eine fortbestehende Gebührenfreiheit ihres Studiums in Zweifel gezogen.
Schließlich kann sich der Kläger auch nicht auf die Bestimmung des § 70 Abs. 3 HochSchG berufen, die nach seiner Ansicht eine flexible Studiengestaltung ohne vorgegebene zeitliche Festlegung ermöglichen soll. Die lediglich als Soll-Vorschrift ausgestaltete Regelung wird durch die jedenfalls für einen Übergangszeitraum zulässige Regelabbuchungssystematik des § 6 Abs. 1 und 2 StudKVO konkretisiert, die zu einer Gebührenpflicht des Klägers führt. Dieser befand sich bei In-Kraft-Treten des Hochschulgesetzes im 22. Fachsemester, d.h. weit jenseits des doppelten Umfangs der in seinem Studiengang bestehenden Regelstudienzeit von neun Semestern. Angehörige der Gruppe von Studenten in einer vergleichbaren Studiensituation mussten aber ohne weiteres damit rechnen, von jedweder Gebührenregelung - ungeachtet ihrer konkreten Ausgestaltung durch die Studienkontenverordnung - erfasst zu werden. Zwingende schützenswerte Belange, soweit sie über den Regelungsbereich der bereits angesprochenen Bonus- bzw. Härtefallregelung hinausgehen, sind nicht ersichtlich.
Schließlich ist die mit dem Hochschulgesetz und der Studienkontenverordnung eingeführte Studiengebühr auch in ihrer Höhe von 650,-- € sachlich gerechtfertigt. Die Gebühr bewegt sich ersichtlich unterhalb der durchschnittlichen Kosten, die auch in besonders kostengünstigen Studiengängen durch das zur Verfügung gestellte Ausbildungs- und Leistungsangebot der jeweiligen Hochschule verursacht werden. Bedenken hiergegen sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 4.550,-- € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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