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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 21.01.2005
Aktenzeichen: 2 A 11761/04.OVG
Rechtsgebiete: BeamtVG, StVO


Vorschriften:

BeamtVG § 31
BeamtVG § 37
BeamtVG § 37 Abs. 1
BeamtVG § 37 Abs. 1 Satz 1
BeamtVG § 37 Abs. 2
BeamtVG § 39
BeamtVG § 39 Abs. 1
StVO § 25
StVO § 25 Abs. 1 Satz 3
StVO § 25 Abs. 1
Die Aufnahme eines Verkehrsunfalls durch einen Polizeibeamten in der Nacht und auf einer Bundesstraße, die aufgrund ihres Ausbauzustandes hohe Geschwindigkeiten zulässt, kann im Einzelfall mit einer besonderen Lebensgefahr im Sinne von § 37 Abs. 1 BeamtVG verbunden sein.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 A 11761/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Besoldung und Versorgung

hier: Feststellung eines qualifizierten Dienstunfalls

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2005, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held Richter am Oberverwaltungsgericht Bonikowski Richterin am Oberverwaltungsgericht Stengelhofen ehrenamtliche Richterin pharm.-techn. Assistentin Balthasar ehrenamtlicher Richter Leitender Angestellter Emrich

für Recht erkannt:

Tenor:

Das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2004 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier wird abgeändert und der Beklagte verpflichtet festzustellen, dass es sich bei dem Unfall des verstorbenen Polizeihauptkommissars B. um einen qualifizierten Dienstunfall im Sinne von § 37 BeamtVG handelt.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist die Witwe des an den Folgen eines Dienstunfalls verstorbenen Polizeihauptkommissars B. Sie begehrt mit ihrer Klage die Feststellung, dass das Unfallereignis die Voraussetzungen eines sog. qualifizierten Dienstunfalls erfüllt.

Ihr verstorbener Ehemann nahm am Abend des 15. März 2001 gegen 22:35 Uhr bei leichtem Nieselregen auf der von Trier nach Bitburg verlaufenden Bundesstraße B 257 (E 29) zwischen den Orten Niederweis und Alsdorf einen Wildunfall auf, bei dem ein Pkw beschädigt worden war. Die Bundesstraße beschreibt im Unfallstellenbereich in Richtung Alsdorf bei leicht ansteigender Wegstrecke eine lang gezogene leichte Rechtskurve und weist einschließlich Seitenstreifen eine Gesamtfahrbahnbreite von ca. 11,2 Meter auf. Zum Zeitpunkt der Unfallaufnahme stand das beschädigte Fahrzeug unbeleuchtet auf dem rechten Seitenstreifen in Richtung Bitburg. Zur Absicherung der Unfallstelle stellten der verstorbene Ehemann der Klägerin und ein weiterer Polizeibeamter, Polizeikommissar R., ihr Fahrzeug gegen die Fahrtrichtung und mit eingeschaltetem Abblend- und Blaulicht sowie mit eingeschalteter Warnblinkanlage vor dem beschädigten Fahrzeug zur Hälfte auf dem Seitenstreifen ab. Gegen 23:00 Uhr befand sich der verstorbene Ehemann der Klägerin zwischen dem Streifenwagen und dem beschädigten Fahrzeug, als ein aus Richtung Trier kommendes Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von ca. 115 - 130 Stundenkilometer gegen die rechte Leitplanke und das etwa zur Hälfte auf dem Seitenstreifen stehende Polizeifahrzeug prallte. Durch die Wucht des Zusammenstoßes wurde der Streifenwagen in Fahrtrichtung Bitburg geschleudert, der auf der Straße stehende Ehemann der Klägerin erfasst und so schwer verletzt, dass er nach längerem Wachkoma am 6. November 2003 an den Folgen seiner Verletzungen verstarb.

Der Unfallverursacher hatte zum Zeitpunkt des Unfalls eine Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille. Nach den Feststellungen des - noch am Unfalltag herangezogenen - Sachverständigen P. in seinem Gutachten vom 6. September 2001 sei das eingeschaltete Blaulicht des Streifenwagens für den Verkehr aus Richtung Trier aus ca. 1.200 m Entfernung sichtbar und das Polizeifahrzeug als solches auf eine Entfernung von 700 m zu erkennen gewesen.

Mit Bescheid vom 10. Juli 2001 erkannte der Beklagte den Unfall als Dienstunfall an. Eine Anerkennung als sog. qualifizierter Dienstunfall wurde mit der Begründung abgelehnt, für den verstorbenen Ehemann der Klägerin habe trotz der eingetretenen schwersten Verletzungen keine besondere Lebensgefahr vorgelegen.

Der Unfallverursacher wurde durch Urteil des Amtsgerichts Bitburg vom 14. März 2002 wegen fahrlässiger Körperverletzung und Trunkenheit im Verkehr zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt.

Die Klägerin hat nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens in Vollmacht für ihren Ehemann Klage erhoben, die sie nach seinem Tod als Alleinerbin fortführt. Sie hat vorgetragen, dass sich ihr verstorbener Ehemann auf der besonders schnell befahrbaren Bundesstraße bei der Unfallaufnahme in besonderer Lebensgefahr befunden habe. Die Unfallaufnahme sei vergleichbar mit dem Aufenthalt auf einer Bundesautobahn, bei dem die Rechtsprechung das Vorliegen eines sog. qualifizierten Dienstunfalls bereits anerkannt habe. Ein vergleichbares Gefährdungspotential habe auch hier vorgelegen, weil die Bundesstraße an der Unfallstelle aufgrund des Ausbauzustandes Geschwindigkeiten erlaube, die denen auf einer Bundesautobahn entsprächen. Dieser Streckenabschnitt sei für Geschwindigkeitsübertretungen polizeibekannt; es handele sich um eine regional bekannte "Rennstrecke". Selbst wenn man dem nicht folge, sei ihr eine höhere Unfallversorgung zuzuerkennen, weil ihr verstorbener Ehemann einem rechtswidrigen Angriff des Unfallverursachers ausgesetzt gewesen sei. Denn dieser sei sich bewusst gewesen, dass er sich der Unfallstelle mit hoher Geschwindigkeit nähere und habe deshalb schwere Verletzungen der sich auf der Straße aufhaltenden Personen billigend in Kauf genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 10. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2003 zu verpflichten festzustellen, dass es sich bei dem Unfall des Verstorbenen Polizeihauptkommissars B. um einen qualifizierten Dienstunfall im Sinne von § 37 BeamtVG handelt.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat ausgeführt, dass sich der verstorbene Ehemann der Klägerin bei der Unfallaufnahme nicht in besonderer Lebensgefahr befunden habe. Wie das Amtsgericht Bitburg in seinem Strafurteil ausgeführt habe, sei es für den verstorbenen Ehemann der Klägerin nicht abzusehen gewesen, dass ein aus Richtung Trier kommender Verkehrsteilnehmer auf der schnurgeraden und breiten Strecke das mit Blaulicht und Warnblinklicht abgestellte Polizeifahrzeug für ein links entgegenkommendes Fahrzeug halten und dementsprechend falsch reagieren würde. Auch die Voraussetzungen eines rechtswidrigen Angriffs seien nicht gegeben, da kein Schädigungsvorsatz des Unfallverursachers zu erkennen sei. Nicht das fortgesetzte schnelle Fahren des Unfallverursachers habe den Unfall herbeigeführt, sondern sein unvorhersehbarer Versuch, die Unfallstelle rechts zu passieren.

Durch Urteil vom 5. Juli 2004 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es sich bei der in Rede stehenden Unfallaufnahme zwar um eine risikobehaftete Tätigkeit, aber gleichwohl um eine polizeiliche Routinemaßnahme gehandelt habe, bei der der Verlust des Lebens nicht nahe liegend gewesen sei. Insbesondere sei der Sachverhalt nicht mit der Unfallaufnahme auf einer Bundesautobahn vergleichbar, da sich das Gefahrenpotential auf einer Autobahn nicht allein aus der hohen Geschwindigkeit, sondern auch aus dem großen Verkehrsaufkommen sowie der hohen Frequenz der Fahrzeuge ergebe und zudem auf einer Bundesstraße - anders als bei Bundesautobahnen - kein Betretungsverbot für Fußgänger bestehe. Unfallursache sei allein die Fehlreaktion eines einzelnen Autofahrers gewesen, die als solche nicht typischerweise ein erhöhtes Gefährdungspotential hervorrufe und auch nicht vorherzusehen gewesen sei. Ein rechtswidriger Angriff auf den verstorbenen Ehemann der Klägerin habe gleichfalls nicht vorgelegen, da keine Anhaltspunkte für eine zielgerichtete, die gesundheitliche Integrität des Beamten beeinträchtigende Handlung des Unfallverursachers gegeben seien.

Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung hat die Klägerin ihre bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragene Rechtsauffassung vertieft. Sie weist nochmals darauf hin, dass sich die besondere Gefährdungslage für ihren Ehemann aufgrund der örtlich gehäuft auftretenden Geschwindigkeitsübertretungen und der dadurch hervorgerufenen erhöhten Unfallhäufigkeit ergeben habe. Es habe sich entgegen der Auffassung der Vorinstanz auch nicht um eine unvorhersehbare Fehlreaktion eines Einzelnen, sondern um das zielgerichtete Verhalten eines alkoholisierten Fahrzeugführers gehandelt, der sich bewusst einer vermeintlichen Polizeikontrolle habe entziehen wollen und hierfür gegebenenfalls auch lebensgefährliche Verletzungen der eingesetzten Beamten billigend in Kauf genommen habe.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2004 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Trier nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus, dass die Unfallstelle ausreichend abgesichert und der verstorbene Ehemann der Klägerin rechtzeitig für die sich nähernden Verkehrsteilnehmer wahrnehmbar gewesen sei. Der Streifenwagen sei überwiegend auf dem seitlichen Mehrzweckstreifen abgestellt gewesen, so dass eine Vorbeifahrt auf der Fahrbahn ohne weiteres möglich gewesen wäre. Des Weiteren habe sich der verstorbene Ehemann der Klägerin auf dem Mehrzweckstreifen aufgehalten. Dieser Aufenthalt sei nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises trotz der Alkoholisierung des Unfallverursachers nicht mit einem erhöhten Gefährdungsgrad verbunden. Die Situation sei insbesondere nicht mit einer Unfallaufnahme auf einer zweispurigen Bundesautobahn vergleichbar. Das gelte selbst dann, wenn auf dem Streckenabschnitt in der Vergangenheit wiederholt Unfälle aufgetreten seien, weil maßgeblich hierfür allenfalls die Kategorie von Verkehrsunfällen mit Fußgängerbeteiligung sein könnte. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei ihr verstorbener Ehemann keinem rechtswidrigen Angriff ausgesetzt gewesen, da das Verhalten des Unfallverursachers zwar als grob fahrlässig, jedoch nicht als vorsätzlich zu werten sei. Schließlich habe der Beamte die herannahende Gefahr allenfalls im letzten Augenblick erkannt, so dass er sein Leben auch nicht bewusst eingesetzt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Verwaltungsvorgänge (2 Hefte), die beigezogenen Strafakten der Staatsanwaltschaft Trier sowie die Stellungnahme der Polizeidirektion Trier vom 14. Januar 2005 verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen.

Die Klägerin kann vom Beklagten die - für die weitere Regelung ihrer Hinterbliebenenversorgung bedeutsame und deshalb zulässigerweise zur Entscheidung gestellte - Feststellung verlangen, dass ihr verstorbener Ehemann einen sog. qualifizierten Dienstunfall im Sinne von § 37 Abs. 1 Satz 1 Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG - in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung des Gesetzes vom 28. Juli 1972 (BGBl. I S. 1288), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Juni 1998 (BGBl. I S. 1666), erlitt. Diese und nicht die Neufassung der Vorschrift durch Art. 1 Nr. 25 des Versorgungsänderungsgesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3926) ist hier maßgeblich, weil die Frage, ob das Unfallereignis vom 15. März 2001 als qualifizierter Dienstunfall anzuerkennen ist, grundsätzlich nach dem Recht zu entscheiden ist, dass zum Zeitpunkt des Unfalls gegolten hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Januar 1969, BVerwGE 31, 170 [172]).

Voraussetzung für die Gewährung einer erhöhten Unfall-Hinterbliebenenversorgung ist, dass der Ehemann der Klägerin bei der Ausübung einer Diensthandlung, mit der für ihn eine besondere Lebensgefahr verbunden war, sein Leben eingesetzt hat, infolge dieser Gefährdung einen Dienstunfall erlitt (§ 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG) und an den Folgen des Unfalls verstorben ist (§ 39 Abs. 1 BeamtVG). Innerhalb des Systems der dienstunfallrechtlichen Versorgungsregelungen setzt § 37 BeamtVG zunächst einen - vom Beklagten hier anerkannten - Dienstunfall im Sinne von § 31 BeamtVG voraus und sieht lediglich für diejenigen Dienstunfälle, die durch zusätzliche Merkmale gekennzeichnet sind, ein erhöhtes Unfallruhegehalt bzw. eine entsprechende Unfall-Hinterbliebenenversorgung vor.

Ein solcherart "qualifizierter" Dienstunfall liegt dann vor, wenn der Beamte wegen der Dienstausübung einer gesteigerten Gefährdungslage ausgesetzt ist. Qualifizierendes Merkmal nach § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ist, dass die dienstliche Verrichtung nach den Umständen des konkreten Falles objektiv eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Gefährdung des Lebens in sich birgt (1) und der Beamte sich subjektiv dieser spezifischen Gefährdung bei der Dienstverrichtung bewusst ist (2). Der Betreffende muss sich mit anderen Worten einer besonderen Lebensgefahr um der Vornahme einer von ihm auch als lebensgefährlich erkannten Diensthandlung willen bewusst ausgesetzt haben. Sein Leben setzt ein, wer die Lebensgefahr erkennt und trotzdem - unter Hintanstellung der eigenen Rettung - die Diensthandlung fortsetzt, obwohl ihm ein Entkommen noch möglich ist. Sinn und Zweck des erhöhten Unfallruhegehalts ist die dienstunfallrechtliche Abgeltung eines "Sonderopfers", das der Beamte erlitten hat, weil er in einer dienstlich bedingt besonders gefährlichen Situation zu Schaden gekommen ist. Geschützt wird die Dienstausübung, von der der Beamte nicht deshalb absehen soll, weil er befürchten muss, wegen seiner dienstlichen Tätigkeit mit besonderen Gefährdungslagen konfrontiert zu werden, deretwegen er oder seine Hinterbliebenen im Fall eines Unfalls Nachteile im Rahmen der Unfall- bzw. Hinterbliebenenversorgung hinnehmen müssten (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 1991, Schütz, Entscheidungssammlung zum Beamtenrecht, ES/C II 3.5 Nr. 3 sowie Urteil vom 08. Oktober 1998, NVwZ-RR, 1999, 324; Urteil des Senats vom 19. Dezember 1997, DVBl. 1998, 1091; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. Januar 1991, Schütz, Entscheidungssammlung zum Beamtenrecht, ES/C II 3.5 Nr. 2; siehe auch Tz. 37.1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BeamtVG vom 3. November 1980, GMBl. S. 742, ber. GMBl. 1982, S. 355).

(1) In objektiver Hinsicht sind im Wesentlichen zwei Fallgruppen zu unterscheiden: Unter einer Diensthandlung mit dem von § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG vorausgesetzten Gefährdungspotential ist zunächst eine Dienstverrichtung zu verstehen, der typischerweise eine besondere, über das übliche Maß der Lebens- oder Gesundheitsgefährdung hinausgehende Gefahr innewohnt, bei der der Verlust des Lebens bei ihrer Vornahme wahrscheinlich oder nahe liegend ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. November 1999, IÖD 2000, 95). Dies wird beispielsweise angenommen für die Rettung eingeschlossener Menschen aus brennenden Gebäuden durch Feuerwehrbeamte, die Entschärfung von Sprengkörpern durch Feuerwerker und die Verfolgung bewaffneter Verbrecher durch Polizeibeamte (vgl. HessVGH, Urteil vom 5. November 1986, ZBR 1987, 215; GKÖD-Wilhelm, § 37 BeamtVG Rn. 8; Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Stand Oktober 2003, § 37 BeamtVG Rn. 15). Ob eine Diensthandlung in diesem Sinne mit einer besonderen Lebensgefahr für den Beamten behaftet ist, lässt sich aber auch in diesen Fällen nicht generell, sondern regelmäßig nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. August 1993 - 2 B 67.93 - juris-dokument; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. Januar 1991, a. a. O.).

Neben den vorstehend dargestellten "gefahrgeneigten" Tätigkeiten kann auch eine ihrer Art nach nicht generell besonders gefährliche Dienstverrichtung im Einzelfall aufgrund besonderer Bedingungen - etwa schlechte Witterung, unzureichend gewordene körperliche oder psychische Verfassung oder erkannte Mängel in der Ausrüstung oder Ausbildung - mit einer erhöhten Lebensgefahr verbunden sein (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. November 1999, Schütz, ES/C II 3.7 Nr. 2; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 2. Oktober 2002 - 1 A 4954/00 - juris-dokument [LS]). Im Hinblick auf die hier in Rede stehende Aufnahme von Verkehrsunfällen durch Polizeibeamte hat der Senat bereits festgestellt, dass eine solche Dienstverrichtung auf einer Landesstraße regelmäßig ohne besondere Lebensgefahr möglich ist, sie gleichwohl aber bei Auftreten widriger äußerer Umstände im konkreten Einzelfall ein erhöhtes Gefährdungspotenzial im Sinne von § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG aufweisen kann (vgl. Urteil des Senats vom 16. Januar 1998, IÖD 1998, 185). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Ausgehend hiervon lag für den verstorbenen Ehemann der Klägerin wegen der besonderen Umstände am Unfalltag und -ort in objektiver Hinsicht eine besondere Lebensgefahr vor.

Diese besonderen Umstände ergeben sich aus der Gesamtsituation, die auf der Bundesstraße B 257 zwischen Bitburg und Irrel, insbesondere zwischen den Ortschaften Alsdorf und Niederweis, im Zeitpunkt des Unfallgeschehens vorgelegen hat. Die im Berufungsverfahren eingeholte Auskunft der Polizeidirektion Trier vom 14. Januar 2005 macht deutlich, dass es sich bei der B 257 um eine stark frequentierte und deshalb großzügig ausgebaute Transitstrecke zwischen dem Großherzogtum Luxemburg und der Bundesautobahn A 60 handelt, die aufgrund ihres Ausbauzustandes mit einer Fahrbahnbreite von über 11 Meter und dem Vorhandensein von Ortsumgehungen insbesondere zu verkehrsarmen Zeiten hohe Geschwindigkeiten zulässt. Nicht zuletzt wegen des fast geraden Streckenverlaufs und des guten Ausbauzustandes sind in diesem Bereich in der Vergangenheit überdurchschnittlich häufig Unfälle, auch mit tödlichem Ausgang, aufgetreten. Bei den u. a. deswegen verstärkt durchgeführten Geschwindigkeitsüberprüfungen sind Maximalwerte von über 180 Stundenkilometer gemessen worden. Im Durchschnitt wurden Übertretungen mit Geschwindigkeiten festgestellt, die den auf einer Bundesautobahn gefahrenen durchaus entsprechen (zwischen 120 und 140 Stundenkilometer). Zu dieser abstrakten Gefährlichkeit kommt hinzu, dass sich der Unfall zur Nachtzeit ereignete und eine Sichtbeeinträchtigung durch die regennasse Fahrbahn bestand, da die Zeugen L. und H. im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren eine Blendwirkung durch die regennasse Fahrbahn angegeben haben (Bl. 39 und 139 der Strafakte). Angesichts dieser Rahmenbedingungen hatte zwar das Aufstellen des Polizeifahrzeugs eine gewisse - und mit den vorhandenen Mitteln allein mögliche - Absicherung der Unfallstelle und damit des Arbeitsbereichs der Polizeibeamten bewirkt. Diese Sicherungsmaßnahme hatte aber die gerade auf diesem Streckenabschnitt vorhandene Gefahr durch ein mit hoher Geschwindigkeit herannahendes Fahrzeug nicht wesentlich gemildert. Maßgeblich hierfür ist nicht etwa der Umstand, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin tatsächlich tödlich verletzt wurde, sondern die bei höheren Geschwindigkeiten erheblich gesteigerte Gefahr, sei es durch die zeitlich eingeschränkte Möglichkeit zur Korrektur von Fehlverhalten oder durch die deutliche Erhöhung von Verletzungsfolgen. Damit ist eine Situation umschrieben, die abstrakt den Verlust des Lebens als nicht fern liegend erscheinen lässt.

Dem lässt sich nicht erfolgreich entgegenhalten, dass sich die Situation auf der B 257 nicht mit der allgemeinen Gefahrensituation auf einer Bundesautobahn vergleichen lasse. Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass auf einer Bundesautobahn wegen des Fehlens einer vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit und des regelmäßig erhöhten Verkehrsaufkommens ein besonders hohes Gefährdungspotenzial eher vorliegen kann. Eine hiermit vergleichbare Gefährdungslage kann aber im Einzelfall auch dann eintreten, wenn der Beamte dienstlich verpflichtet ist, eine Bundesstraße zur Nachtzeit und fernab jeder Bebauung im ländlichen Bereich zu betreten. Ermöglicht dann der gute Ausbauzustand der Bundesstraße hohe Geschwindigkeiten, sieht sich ein Beamter durchaus einer - der Situation auf einer Bundesautobahn vergleichbaren - Lebensgefahr ausgesetzt, zumal dann, wenn er sich auf oder an der Fahrbahn aufhält, ohne auf den Verkehr achten zu können.

Richtig ist insofern zwar, dass auf einer Bundesstraße kein absolutes Betretungsverbot wie auf Bundesautobahnen besteht. Gleichwohl nimmt auch hier der Verordnungsgeber eine vergleichbare Gefährdungslage an, ist einem Fußgänger doch das Betreten einer Bundesstraße außerhalb geschlossener Ortschaften grundsätzlich nur unter den in § 25 Abs. 1 Satz 3 Straßenverkehrsordnung - StVO - vorgeschriebenen Verhaltensmaßregeln (Gehen am linken Fahrbahnrand) erlaubt. Diesen verordnungsrechtlichen Vorgaben beim Betreten der Bundesstraße konnte der verstorbene Ehemann der Klägerin indes wegen der Notwendigkeit der (weiteren) Absicherung der Unfallstelle während der Unfallaufnahme von vornherein nicht nachkommen. Der vom Senat befragte Polizeikommissar R. hat hierzu ausgeführt, dass er seinen Kollegen noch kurz vor der Kollision im Streifenwagen gesehen habe. Da der verstorbene Ehemann der Klägerin unmittelbar danach auf der Straße gehend vom Pkw des Unfallverursachers erfasst wurde, lässt dies nur den Schluss zu, dass er sich auf dem Weg vom Streifenwagen zu dem nach dem Wildunfall liegen gebliebenen Pkw befunden hat. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin nach wie vor mit der Unfallaufnahme beschäftigt war und das mit weit überhöhter Geschwindigkeit herannahende Fahrzeug des Unfallverursachers - entgegen den Vorgaben des § 25 Abs. 1 Satz 3 StVO - im "Rücken" hatte.

Hinzu kommt, dass auf einer breit ausgebauten Bundesstraße für einen mit der Absicherung einer Unfallstelle und Unfallaufnahme beschäftigten Polizeibeamten wegen der fehlenden Trennung des Verkehrs weitaus geringere Ausweichmöglichkeiten als etwa auf dem Seitenstreifen der Autobahn bestehen. Das Gefährdungspotenzial ist jedenfalls dann erhöht, wenn bei einer Unfallaufnahme aufgrund der Konzentration des Beamten auf die Unfallaufnahme und die Sicherung der Unfallstelle keine Möglichkeit besteht, den Verkehr zu beobachten und sich gegebenenfalls durch einen rechtzeitigen Sprung auf die Seite in Sicherheit zu bringen. Nach alledem ist festzustellen, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin während der Unfallaufnahme einer erhöhten Gefährdung seines Lebens ausgesetzt war. Die objektiven Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 BeamtVG liegen aus diesen Gründen vor.

(2) Des Weiteren war dem verstorbenen Ehemann der Klägerin bei seiner Diensthandlung das Bestehen dieser besonderen Gefahrenlage auch bewusst. Die hierin liegende zusätzliche subjektive Voraussetzung des § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, wonach der Beamte "sein Leben einzusetzen" hat, ist nicht so zu verstehen, dass der Betreffende sichere Gewissheit über den unmittelbar drohenden Eintritt des Todes haben müsste. Es ist also nicht zu fordern, dass ein Beamter gleichsam "sehenden Auges" in den Tod geht. Eine derart weit reichende Kenntnis vom weiteren Ablauf des Geschehens ist weder dem Wortlaut der Vorschrift zu entnehmen noch aus rechtssystematischen Gesichtspunkten oder nach Sinn und Zweck der Regelung erforderlich.

Eingesetzt wird das Leben nicht nur, wenn - wie beim sog. "Himmelfahrtskommando" - kaum eine Aussicht besteht, heil davon zu kommen, sondern auch, wenn der Beamte trotz erheblicher Lebensgefahr darauf vertrauen kann, dass ihm nichts zustoßen werde. Der Beamte muss sich der lebensgefährlichen Lage, in der er sich begibt, wenigstens ganz allgemein bewusst sein; die Gefahren im Einzelnen braucht er nicht zu kennen (so auch: BVerwG, Urteil vom 12. April 1978, Buchholz § 141 a BBG, Nr. 4; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 2. Oktober 2002, a. a. O.; HessVGH, Urteil vom 5. November 1986, a. a. O.; GKÖD/Wilhelm, § 37 BeamtVG, Rn. 10; Schütz/Maiwald, a.a.O., Rn. 21). Bestätigt wird diese Auslegung dadurch, dass der Gesetzgeber zwischenzeitlich das Erfordernis des bewussten Lebenseinsatzes nach der Neufassung des § 37 BeamtVG durch Art. 1 Nr. 25 Versorgungsänderungsgesetz 2001 hat entfallen lassen (vgl. hierzu: Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Kommentar zum BBG/BeamtVG, Stand Dezember 2003, § 37 BeamtVG, Rn. 8 a).

Im hier zu entscheidenden Fall sind äußere Umstände (Tz. 37.1.1 der Verwaltungsvorschrift zu § 37 BeamtVG) erkennbar, dass der verunglückte Beamte mit der Möglichkeit gerechnet hat, während der Unfallaufnahme von einem mit überhöhter Geschwindigkeit herannahenden Pkw erfasst zu werden. Dies hat die Anhörung von Polizeikommissar E. in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2005 deutlich gemacht. Er hat anschaulich von einem Vorfall während einer Unfallaufnahme auf demselben Streckenabschnitt der B 257 berichtet, bei dem sich sein Kollege B. erst "in letzter Sekunde" vor einem heranrasenden Fahrzeug in Sicherheit bringen konnte. Trotz dieser ihm allgemein bekannten Gefährlichkeit des Aufenthalts auf der Bundesstraße hat der verstorbene Ehemann der Klägerin seinen Dienst, wie es von ihm als Polizeibeamter zu erwarten war, pflichtgemäß verrichtet, den Wildunfall aufgenommen und die Unfallstelle zur Vermeidung weiterer Gefährdung von Personen abgesichert. Dass er dabei sicherlich die Hoffnung hatte, es werde ihm selbst schon nichts passieren, kann dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch von daher nicht entgegen gehalten werden.

Da die Klage bereits wegen des Vorliegens eines qualifizierten Dienstunfalls nach § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG Erfolg hat, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob der verstorbene Ehemann der Klägerin einem rechtswidrigen Angriff des Unfallverursachers im Sinne von § 37 Abs. 2 BeamtVG ausgesetzt war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10 und 711 Satz 1 Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO oder § 127 Nr. 1 Beamtenrechtsrahmengesetz bzw. § 219 Abs. 1 LBG vorliegen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren beider Rechtszüge auf 17.124,84 € festgesetzt. Maßgebend hierfür ist das mit der Klage verfolgte wirtschaftliche Interesse der Klägerin an einer höheren Hinterbliebenenversorgung. Diese macht nach den Angaben des Beklagten monatlich einen Unterschiedsbetrag in Höhe von 475,69 € aus und ist für das auf die künftige Hinterbliebenenversorgung gerichtete Feststellungsbegehren in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 72 Nr. 1 Gerichtskostengesetz in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718) auf den dreifaachen Jahresbetrag anzusetzen.

Ende der Entscheidung

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