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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 21.01.2005
Aktenzeichen: 2 A 11800/04.OVG
Rechtsgebiete: LBG, BeamtVG, BGB


Vorschriften:

LBG § 56 Abs. 1 Satz 1
LBG § 56 Abs. 3
LBG § 56 a
LBG § 57
LBG § 61
LBG § 87 Satz 1
BeamtVG § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3
BeamtVG § 69 d Abs. 3
BGB § 839 Abs. 3
Zum Schadensersatzanspruch wegen verspäteter Sachentscheidung über die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 A 11800/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Beamtenrechts (Schadensersatz)

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2005, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held Richter am Oberverwaltungsgericht Bonikowski Richterin am Oberverwaltungsgericht Stengelhofen ehrenamtliche Richterin pharm.-techn. Assistentin Balthasar ehrenamtlicher Richter Leitender Angestellter Emrich

für Recht erkannt:

Tenor:

Das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. August 2004 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier wird abgeändert und der Beklagte unter Aufhebung seiner Bescheide 26. Juni und 4. September 2003 sowie des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2003 verpflichtet, den Kläger so zu stellen, als wäre seine Versetzung in den Ruhestand noch im Jahr 2001 erfolgt.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Schadensersatz für Minderungen seines Ruhegehalts, die er wegen seiner erst nach dem 1. Januar 2002 erfolgten Versetzung in den Ruhestand hinzunehmen hat.

Der Kläger war als Steuerhauptsekretär (Besoldungsgruppe A 8) beim Finanzamt beschäftigt. Mit Bescheid vom 23. August 1999 bewilligte der Beklagte dem Kläger antragsgemäß Teilzeitbeschäftigung mit zwei Drittel der regelmäßigen Wochenarbeitszeit im sog. Blockmodell. Die Teilzeitbeschäftigung sollte am 1. Oktober 1999 beginnen und am 30. September 2002 enden. In den ersten zwei Dritteln des Bewilligungszeitraums sollte der Kläger die volle Arbeitszeit Dienst leisten und im letzten Drittel vom Dienst freigestellt werden (sog. Sabbatjahr).

Nach Beginn der Teilzeitbeschäftigung erkrankte der Kläger am 28. September 2000 und leistete bis zu seiner Pensionierung Ende April 2003 keinen Dienst. Am 30. Mai 2001 fand eine amtsärztliche Untersuchung des Klägers statt. Das Gesundheitsamt bescheinigte dem Kläger im Gesundheitszeugnis vom 29. Juni 2001 eine schwere depressive Erkrankung. Er sei wegen der Schwere des Krankheitsbildes zur Erfüllung der Dienstpflichten eines Steuerhauptsekretärs dauernd unfähig und auch für eine anderweitige Verwendung nicht geeignet. Eine Besserung seines Zustandes sei nicht absehbar, für die nächsten sechs Monate mit Sicherheit aber auszuschließen.

Am 17. Juli 2001 legte der Vorsteher des Finanzamtes auf Veranlassung der Oberfinanzdirektion Koblenz dem Kläger daraufhin nahe, die Versetzung in den Ruhestand zu beantragen. Dem kam der Kläger noch am selben Tag nach. Nachdem der Vorsteher des Finanzamtes als unmittelbarer Dienstvorgesetzter auf Grund des amtsärztlichen Gutachtens die Dienstunfähigkeit festgestellt hatte, erbat die Oberfinanzdirektion Koblenz mit Schreiben vom 26. Juli 2001 die Einwilligung des Ministeriums der Finanzen, welche unter Hinweis auf die Freistellung von der aktiven Dienstleistung während des anstehenden Sabbatjahrs und den Grundsatz der Rehabilitation vor Versorgung verweigert wurde. Dieser Argumentation schloss sich die Oberfinanzdirektion Koblenz im Folgenden an und lehnte mit Bescheid vom 15. November 2001 das Zurruhesetzungsgesuch des Klägers ab. Der Kläger sei aktuell nicht dienstpflichtig und könne sich während der Freistellungsphase in vollem Maße der Wiederherstellung seiner Gesundheit und Dienstfähigkeit widmen. Ein Erfolg der gegenwärtig von ihm wahrgenommenen ambulanten fachärztlichen und psychotherapeutischen Behandlung sei nicht ausgeschlossen. Wegen des Vorrangs der Rehabilitation sei es daher angezeigt, den Verlauf dieser Maßnahme abzuwarten.

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Oberfinanzdirektion Koblenz mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2002 mit der Begründung zurück, dass es gegenwärtig keiner Entscheidung über die Dienstunfähigkeit oder eine anderweitige Verwendung des Klägers bedürfe. Das hiergegen eingeleitete Klageverfahren wurde nach der Versetzung des Klägers in den Ruhestand, welche auf Grund einer erneuten, im Anschluss an das Sabbatjahr vorgenommenen amtsärztlichen Untersuchung erfolgte, übereinstimmend für erledigt erklärt.

Mit Schreiben vom 19. Mai 2003 stellte der Kläger den Antrag, seine Ruhegehaltsminderung schadensersatzrechtlich auszugleichen.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat er die vorliegende Klage erhoben. Der Beklagte habe fürsorgewidrig die sachliche Entscheidung über die Dienstunfähigkeit bis zum Ende des Sabbatjahres hinausgeschoben, obwohl ausweislich der amtsärztlichen Begutachtung bereits im Juni 2001 Dienstunfähigkeit vorgelegen habe. Ein sachlicher Grund für diese Vorgehensweise sei nicht gegeben. Insbesondere die Freistellung von der aktiven Dienstleistung während des Sabbatjahres rechtfertige das Zuwarten nicht. Sie diene allein dem Ausgleich der in Vorleistung erbrachten Arbeitszeit. Dem Grundsatz der Rehabilitation vor Versorgung werde durch die gesetzlich geregelte Möglichkeit einer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis bei später wiedererlangter Dienstfähigkeit hinreichend Rechnung getragen. Bei pflichtgemäßem Handeln wäre er noch 2001 in den Ruhestand zu versetzen und damit der mit Beginn des Jahres 2002 eingetretene Versorgungsabschlag zu vermeiden gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

die Bescheide des Beklagten vom 26. Juni 2003 und 4. September 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2003 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihn besoldungsrechtlich so zu stellen, als ob er auf seinen Antrag vom 17. Juli 2001 noch im Jahre 2001 in den Ruhestand versetzt worden sei.

Der Beklagte ist dem unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens entgegen getreten.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Schadensersatz. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den Kläger auf seinen Antrag hin nicht schon im Jahr 2001 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt habe. Der Beklagte sei vielmehr berechtigt gewesen, diese Entscheidung bis zum Ende des Sabbatjahres hinauszuschieben. Aufgrund der fehlenden aktuellen Dienstpflicht des Klägers habe während der Freistellungsphase keine Veranlassung für die im Hinblick auf die Dienstunfähigkeit erforderliche Prognoseentscheidung bestanden. Letztere habe der Kläger mit Rücksicht auf den Schutzzweck der §§ 56, 57 Landesbeamtengesetz - LBG - auch nicht unmittelbar aufgrund des Fürsorgeprinzips verlangen können.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.

Der Kläger beantragt,

das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. August 2004 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier abzuändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Verwaltungsvorgänge (3 Hefte) sowie die Gerichtsakte 1 K 526/02.TR verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ausgleich der durch § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 69 d Abs. 3 Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG - bedingten Minderung seines Ruhegehalts. Denn der Beklagte hat schuldhaft die ihm dem Kläger gegenüber obliegende Fürsorgepflicht verletzt (1) und dadurch in zurechenbarer Weise einen Schaden verursacht (2), dessen Ersatz der Kläger auch vom Beklagten verlangen kann (3).

(1) Nach § 87 Satz 1 LBG hat der Dienstherr "für das Wohl des Beamten ... zu sorgen". Diese Pflicht zur Fürsorge ist grundlegender Bestandteil des zwischen Beamten und Dienstherrn bestehenden Dienst- und Treueverhältnisses. Für den Dienstherrn begründet sie auch die Sorge dafür, schon im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit Anträge der Beamten im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten wohlwollend und zügig zu behandeln (vgl. auch § 10 Satz 2 VwVfG/§ 1 Abs. 1 LVwVfG). Eine zeitnahe Sachbehandlung bzw. -entscheidung schuldet der Dienstherr seinen Beamten insbesondere in den Fällen, in denen ihnen, wie hier angesichts anstehender - und der für die Zurruhesetzung zuständigen Behörde bekannten - Änderungen im Versorgungsrecht und zu beachtender Stichtagsregelungen, durch Zeitablauf absehbar Nachteile drohen, die bei fürsorglicher Verfahrensweise ohne weiteres vermeidbar wären (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. Oktober 2002 - 2 A 11303/02.OVG - NVwZ-RR 2003, 517 und Beschluss vom 14. Oktober 2003 - 2 A 11123/03.OVG -).

Diese Pflicht hat der Beklagte gegenüber dem Kläger verletzt, indem er die (abschließende) Sachentscheidung über den Mitte Juli 2001 gestellten Antrag des Klägers auf Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand trotz Vorliegens ausreichender Erkenntnismittel bis zum Ende der Freistellungsphase hinausgeschoben hat. Ein sachlicher Rechtfertigungsgrund für diese Vorgehensweise besteht nicht.

Nach der Legaldefinition des § 56 Abs. 1 Satz 1 LBG liegt Dienstunfähigkeit vor, wenn der Beamte wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Insoweit ist auf das dem Beamten zuletzt übertragene abstrakt-funktionelle Amt abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2004 - BVerwG 2 C 27.03 - Jurisdokument). Die Unfähigkeit zur Erfüllung der Amtspflichten ist schon dann eine dauernde, wenn es sich nicht nur um einen vorübergehenden, sondern um einen Zustand von längerer Dauer handelt, für den in absehbarer Zeit keine Besserung zu erwarten steht. Es ist demnach also nicht erforderlich, dass die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit ausgeschlossen ist, die Dienstunfähigkeit also wahrscheinlich lebenslang bestehen bleibt (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. November 1954 - 2 A 30/54.OVG - AS 4, 63 [65]). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist dabei der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Der Dienstherr muss nach den ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln die Überzeugung gewinnen, dass der Beamte in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht im Stande sein wird, seine Dienstpflichten zu erfüllen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 1997 - BVerwG 2 C 7.97 - BVerwGE 105, 267 [269 ff.]).

Die danach zur Beurteilung der Dienst(un)fähigkeit des Klägers erforderlichen Tatsachen waren bereits Mitte 2001 vollumfänglich ermittelt. In ihrem unter dem 29. Juni 2001 erstellten Gutachten stellte die Amtsärztin des zuständigen Gesundheitsamtes fest, dass der Kläger an einer schweren depressiven Erkrankung litt, aufgrund deren er den Anforderungen seines abstrakt-funktionellen Amtes als Steuerhauptsekretär zum damaligen Zeitpunkt nicht gewachsen war. Eine Besserung seines Zustandes war nach Aussage der Amtsärztin nicht absehbar, für die nächsten sechs Monate mit Sicherheit aber auszuschließen. Des Weiteren war der Kläger nach Ansicht der Amtsärztin auf absehbare Zeit auch für eine anderweitige Verwendung gesundheitlich nicht geeignet. Diesem aussagekräftigen, positiven Gutachten ist die für die Ruhestandsversetzung zuständige Oberfinanzdirektion nicht entgegen getreten. Sie sah sich im Gegenteil aufgrund dieses Gutachtens sogar veranlasst, dem Kläger selbst die Beantragung der Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand nachdrücklich anzuraten. Vor diesem Hintergrund stellt es mit Blick auf die dem Kläger aus der Neufassung des § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BeamtVG zum 1. Januar 2002 drohende Ruhegehaltseinbuße keine überzogene Anforderung an den Fürsorgegedanken dar, über das Zurruhesetzungsgesuch in den verbleibenden 5 1/2 Monaten bis zur Rechtsänderung in der Sache abschließend zu entscheiden. Dies gilt vorliegend umso mehr, als die für die Entscheidung zuständige Behörde dem Kläger durch ihr vorangegangenes Verhalten einen begründeten Anlass für die Annahme gegeben hat, dass sie die Frage der Dienstunfähigkeit für entscheidungsreif ansieht und ein weiteres Zuwarten nicht (mehr) für erforderlich hält.

Eine Ausnahme von der Pflicht zur zügigen Sachbehandlung bzw. -entscheidung bestand insbesondere nicht deshalb, weil der Kläger während des am 1. Oktober 2001 beginnenden Sabbatjahres aktuell nicht dienstpflichtig war.

Die aktuelle Fähigkeit bzw. Verpflichtung zur Erfüllung der Dienstpflichten ist für die Entscheidung über die Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ohne Belang. Diese basiert vielmehr - wie oben dargelegt - auf einer zukunftsbezogenen Prognose. Maßgeblich ist allein, ob der Beamte in absehbarer Zukunft gesundheitlich in der Lage sein wird, seinen Dienstpflichten (wieder) nachzukommen. Das Fehlen einer aktuellen Dienstpflicht ist dabei die Regel. Denn Beamte, die von Amts wegen oder auf Antrag krankheitsbedingt in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden, sind typischerweise (und so auch hier) vor und während des Zurruhesetzungsverfahrens krankgeschrieben und infolgedessen von der aktuellen Dienstpflicht befreit. Dies hat aber grundsätzlich keinen Einfluss auf den Ablauf des Verfahrens. Vielmehr ist auch in diesen Fällen ohne vermeidbare zeitliche Verzögerungen eine aktuelle Prognose zu erstellen. Insbesondere darf nicht bis zum Abschluss einer etwaigen ärztlichen Behandlung zugewartet werden. Dementsprechend erfolgt namentlich auch bei Eintritt einer dauernden Erkrankung im Rahmen der Altersteilzeit im Blockmodell ohne Rücksicht auf die Freistellungsphase eine zeitnahe Versetzung in den (vorzeitigen) Ruhestand (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28. April 2004 - 10 A 10058/04.OVG - NVwZ-RR 2005, 50; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2002 - BVerwG 2 A 2.01 - NVwZ-RR 2003, 371). Es ist kein sachlicher Grund gegeben, die Freistellung von der Dienstleistung während des Sabbatjahres anders zu behandeln. Teilzeitbeschäftigte Beamte mit ungleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit haben demnach in gleicher Weise wie teilzeitbeschäftigte Beamte mit gleichmäßiger Reduzierung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit oder vollzeitbeschäftigte Beamte, die krankheitsbedingt den Anforderungen ihres Amtes auf Dauer nicht mehr gewachsen sind, einen Anspruch auf zügige und zeitnahe Entscheidung in der Sache.

Ferner rechtfertigt auch der Grundsatz der Rehabilitation und Weiterverwendung vor Versorgung rechtfertigt die Verschiebung der Entscheidung über die Dienstunfähigkeit bis zum Ende der Freistellungsphase nicht. Dieser Grundsatz soll vorzeitigen bzw. nicht gerechtfertigten Pensionierungen und damit einhergehenden finanziellen Belastungen der öffentlichen Haushalte entgegen wirken. Er findet seine spezialgesetzliche Ausformung in § 56 Abs. 3 LBG (anderweitige Verwendbarkeit), § 56 a LBG (begrenzte Dienstfähigkeit) sowie § 61 LBG (Wiederverwendung von Ruhestandsbeamten). Daneben ist kein Raum für eine unmittelbare Anwendung dieses Grundsatzes, zumal wenn wie hier die entscheidungserheblichen Tatsachen vollständig vorliegen. In diesen Fällen konkretisiert vielmehr die Vorschrift des § 61 LBG, wonach ein wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzter Beamter bei später wiedererlangter Dienstfähigkeit erneut in das Beamtenverhältnis berufen werden kann, den Vorrang der Rehabilitation und Weiterverwendung vor Versorgung abschließend.

Schließlich spricht auch der Zweck der Freistellungsphase gegen eine Verschiebung der Entscheidungspflicht. Die Freistellung von der Dienstleistung während des Sabbatjahres trägt allein dem Gedanken des Vorteilsausgleichs Rechnung. Durch den Freizeitausgleich im Sabbatjahr soll dem Beamten die während der Arbeitsphase in Vorleistung erbrachte Mehrarbeitszeit wertmäßig zu Gute gebracht werden (vgl. Grabendorff, LBG, Stand: September 2004, § 80 a Anm. 4).

Die verspätete Entscheidung über den Zurruhesetzungsantrag ist auch schuldhaft erfolgt. Der Beklagte trägt insoweit die materielle Beweislast (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Oktober 1977 - BVerwG 6 B 14.77 - Buchholz 232 § 79 Nr. 68 sowie Urteil vom 24. August 1961 - BVerwG 2 C 165.59 - BVerwGE 13, 17 [24 f.]). Entschuldigungsgründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

(2) Durch die Verletzung der ihm obliegenden Fürsorgepflicht hat der Beklagte den Schaden des Klägers in ihm zurechenbarer Weise verursacht. Bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten wäre der Kläger - wie vorstehend dargelegt - auf seinen Antrag vom 17. Juli 2001 hin bis zum Jahresende 2001 in Ruhestand versetzt und die mit dem 1. Januar 2002 eingetretene Ruhegehaltseinbuße vermieden worden.

(3) Dem Anspruch des Klägers auf Ersatz seiner Ruhegehaltsminderung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass er es versäumt hätte, den Schadenseintritt durch geeignete Rechtsmittel abzuwenden (§ 839 Abs. 3 BGB analog). Er hat gegen die ablehnende Entscheidung des Beklagten im Jahr 2001 rechtzeitig Widerspruch eingelegt, welcher erst nach dem In-Kraft-Treten der Gesetzesänderung beschieden wurde. Darüber hinaus war er mit Blick auf den Vorrang des Primärrechtschutzes nicht gehalten, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes darauf zu dringen, noch vor Ablauf des Jahres 2001 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt zu werden. Denn einem dahingehend gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - wäre wegen des statusändernden Charakters der Versetzung in den Ruhestand grundsätzlich das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegenzuhalten gewesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10 und 711 Satz 1 Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO oder § 127 Nr. 1 Beamtenrechtsrahmengesetz bzw. § 219 Abs. 1 LBG vorliegen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das erstinstanzliche Verfahren auf 15.131,87 € und für das Berufungsverfahren auf 15.436,-- € festgesetzt (§§ 52 Abs. 5 Satz 2, 40, 47 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 3 Satz 1, 72 Nr. 1 Gerichtskostengesetz in Verbindung mit dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit Nr. 10.2, NVwZ 2004, 1327)

Ende der Entscheidung

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