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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 11.08.2008
Aktenzeichen: 2 C 11333/07.OVG
Rechtsgebiete: GemO, LFAG


Vorschriften:

GemO § 67
GemO § 67 Abs. 1
GemO § 67 Abs. 2
GemO § 67 Abs. 3
GemO § 67 Abs. 3 Satz 1
GemO § 67 Abs. 3 Satz 2
GemO § 67 Abs. 4
GemO § 72
LFAG § 26
LFAG § 26 Abs. 2
LFAG § 26 Abs. 2 Satz 1

Entscheidung wurde am 09.02.2009 korrigiert: die Entscheidung wurde aufgrund eines Berichtigungsbeschlusses komplett ersetzt
1. Ein im Sinne des § 67 Abs. 3 Satz 1 GemO dringendes öffentliches Interesse an der Übernahme der Fremdenverkehrsförderung durch die Verbandsgemeinde besteht dann, wenn Ortsgemeinden ihrer Aufgabenverantwortung nicht (mehr) gerecht werden, die Wahrnehmung der Aufgabe auf der Ebene der Verbandsgemeinde aber dem jedenfalls weit überwiegenden Teil der Ortsgemeinden einen nennenswerten Vorteil bringen wird.

2. Hat die Verbandsgemeinde die Zuständigkeit für die Fremdenverkehrsförderung nicht gemäß § 67 Abs. 3 GemO wirksam von den Ortsgemeinden übernommen, kann sie für die Wahrnehmung dieser Aufgabe keine Sonderumlage im Sinne des § 26 Abs. 2 LFAG erheben.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 C 11333/07.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Kommunalrechts

hier: Normenkontrollantrag gegen Sonderumlagesatzung

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. August 2008, an der teilgenommen haben

Präsident des Oberverwaltungsgerichts Prof. Dr. Meyer Richter am Oberverwaltungsgericht Stamm Richter am Oberverwaltungsgericht Steinkühler

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung einer Sonderumlage zur Finanzierung der Aufgabenwahrnehmung Fremdenverkehrsförderung vom 6. Juli 2007 und § 5 b der Haushaltssatzung der Antragsgegnerin für das Jahr 2008 vom 21. Februar 2008 werden für unwirksam erklärt.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerinnen, eine verbandsgemeindeangehörige Stadt und zwei Ortsgemeinden, wenden sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen die Satzung der Antragsgegnerin, einer Verbandsgemeinde, über die Erhebung einer Sonderumlage zur Finanzierung der Aufgabenwahrnehmung Fremdenverkehrsförderung - Sonderumlagesatzung - und die insoweit in der Haushaltssatzung 2008 - Haushaltssatzung - festgelegten Umlagemerkmale.

Durch Beschluss vom 1. März 2007 hat der Rat der Antragsgegnerin gemäß § 67 Abs. 3 Gemeindeordnung - GemO - die Aufgabe der Fremdenverkehrsförderung von den Ortsgemeinden übernommen. Der Aufgabenübernahme haben 11 der 21 verbandsgemeindeangehörigen Gemeinden mit 4.985 von 8.315 Einwohnern zugestimmt. Gegen den o.g. Beschluss des Verbandsgemeinderates haben die Antragstellerinnen sowie die Ortsgemeinden Malberg und Seinsfeld Widersprüche eingelegt, die bisher nicht beschieden sind.

Entsprechend dem Verbandsgemeinderatsbeschluss vom 1. März 2007 hat die Antragsgegnerin durch Sonderumlagesatzung vom 6. Juli 2007 einen Anteil von 20 % der Kosten der Fremdenverkehrsförderung übernommen und im Übrigen die Erhebung einer Sonderumlage beschlossen. Als Merkmale zur Verteilung der Umlage werden in § 5 b der Haushaltssatzung zu 1/3 die Einwohnerzahl und zu 2/3 die Anzahl der Gästebetten festgelegt.

Den gegen die Sonderumlagesatzung und § 5 b der Haushaltssatzung gestellten Normenkontrollantrag begründen die Antragstellerinnen im Wesentlichen damit, dass bereits der Beschluss der Antragsgegnerin über die Aufgabenübernahme rechtswidrig sei. Insbesondere bestehe kein dringendes öffentliches Interesse an der Übernahme der Fremdenverkehrsförderung, weil die Ortsgemeinden durch die Erfüllung dieser Aufgabe bisher nicht überfordert worden seien. Des Weiteren bringe die Wahrnehmung der Tourismusförderung durch die Antragsgegnerin den Ortsgemeinden keine abgrenzbaren eigenen Vorteile im Sinne des § 26 Abs. 2 Landesfinanzausgleichsgesetz - LFAG -. Unter die Fallgruppen, in denen die Erhebung einer Sonderumlage von der Rechtsprechung als gerechtfertigt angesehen worden sei, falle die Fremdenverkehrsförderung nicht. Darüber hinaus führe die Aufgabenübernahme zu keiner Entlastung der Ortsgemeinden, weil es sich bei der Fremdenverkehrsförderung um eine freiwillige Aufgabe handele, zu deren Erfüllung sie nicht verpflichtet seien. Schließlich sei die Haushaltssatzung unwirksam, weil die Umlagemerkmale nicht geeignet seien, Vorteile der Ortsgemeinden abzugelten. Geringen Gewerbesteuereinnahmen, die aus dem Tourismus herrührten, stünden erheblich höhere Umlagebeträge gegenüber.

Die Antragstellerinnen beantragen,

die Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung einer Sonderumlage zur Finanzierung der Aufgabenwahrnehmung Fremdenverkehrsförderung vom 6. Juli 2007 und § 5 b der Haushaltssatzung der Antragsgegnerin für das Jahr 2008 vom 21. Februar 2008 für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Normenkontrollantrag abzulehnen.

Soweit er sich gegen § 1 Abs. 1 Sonderumlagesatzung richte, sei der Antrag bereits unzulässig, weil diese Vorschrift lediglich die deklaratorische Feststellung der Aufgabenübernahme und damit keine eigenständige Regelung enthalte. Im Übrigen sei die Zuständigkeitsübernahme durch wirksamen Verwaltungsakt erfolgt. Das gemäß § 67 Abs. 3 GemO zu fordernde dringende öffentliche Interesse ergebe sich aus der jahrelangen Wahrnehmung der Fremdenverkehrsförderung auf Verbandsgemeindeebene und der Höhe der hierfür aufzubringenden finanziellen Mittel. Die von § 26 Abs. 2 LFAG geforderten Vorteile der Ortsgemeinden durch die Aufgabenwahrnehmung bestünden in den jeweils unterschiedlich hohen Gewerbesteuereinnahmen und der Befreiung von einer Aufgabe, die sie ansonsten selbst zu erfüllen hätten. Die Umlagemerkmale seien für die Bemessung der Vorteile aus der Fremdenverkehrsförderung geeignet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten und die Stellungnahmen des Ministeriums des Innern und für Sport sowie des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag gegen die Sonderumlagesatzung und § 5 b der Haushaltssatzung der Antragsgegnerin, über den der Senat nunmehr zu entscheiden hat, nachdem der den Beteiligten dringend nahegelegte Vergleich nicht zustande kam, ist zulässig (I.) und hat Erfolg (II.).

I. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist der Normenkontrollantrag insgesamt, also auch hinsichtlich des § 1 Abs. 1 Sonderumlagesatzung, zulässig.

Nach dieser Vorschrift hat die Antragsgegnerin aufgrund des § 67 Abs. 3 GemO von den Ortsgemeinden die Aufgabe der Fremdenverkehrsförderung als eigene Angelegenheit übernommen. Selbst wenn es sich hierbei lediglich um eine deklaratorische Feststellung handeln sollte, begründet sie den Rechtsschein einer wirksamen Aufgabenübernahme als Voraussetzung für die Erhebung einer Sonderumlage. Deshalb sind die Antragstellerinnen auch insoweit gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - antragsbefugt.

II. Der Normenkontrollantrag ist begründet. Die Sonderumlagesatzung der Antragsgegnerin zur Finanzierung der Fremdenverkehrsförderung und § 5 b der Haushaltssatzung für das Jahr 2008, in dem die Umlagemerkmale festgelegt wurden, sind rechtswidrig und deshalb unwirksam.

Gemäß § 72 GemO in Verbindung mit § 26 Abs. 2 Satz 1 LFAG kann neben der allgemeinen Verbandsgemeindeumlage eine Sonderumlage erhoben werden, soweit eine von der Verbandsgemeinde wahrgenommene Aufgabe den Ortsgemeinden in unterschiedlichem Umfang Vorteile bringt. Im vorliegenden Fall scheitert die Erhebung der Sonderumlage bereits daran, dass die Antragsgegnerin die Fremdenverkehrsförderung nicht rechtmäßig von den Ortsgemeinden übernommen hat und die Umlage deshalb nicht der Finanzierung einer von ihr wahrgenommenen Aufgabe dient. Zwar hat der Rat der Antragsgegnerin am 1. März 2007 die Übernahme der Fremdenverkehrsförderung beschlossen. Jedoch ist dieser Beschluss wegen des hiergegen anhängigen Widerspruchs der Ortsgemeinde Seinsfeld für den Senat nicht bindend (1.). Die demnach mögliche rechtliche Überprüfung ergibt, dass die gemeinsame Erfüllung der Fremdenverkehrsförderung nicht im dringenden öffentlichen Interesse im Sinne des § 67 Abs. 3 GemO liegt und die Aufgabenübernahme folglich rechtswidrig ist (2.).

1. Der Beschluss vom 1. März 2007 kann vom Senat auf seine Rechtmäßigkeit überprüft werden. Nach der Rechtsprechung des früher für das Kommunalrecht zuständigen 7. Senats (OVG RP, Urteil vom 20. Januar 1987 - 7 A 35/86 -) ist die Übernahme einer Aufgabe der Ortsgemeinden durch die Verbandsgemeinde als Verwaltungsakt anzusehen. Ein Verwaltungsakt entfaltet unabhängig von seiner Bestandskraft allein aufgrund seiner Existenz grundsätzlich Tatbestandswirkung. Danach sind u.a. die Gerichte an die Tatsache gebunden, dass der Verwaltungsakt erlassen wurde und wirksam ist (Kopp/Schenke, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 43 Rn. 18). Die Bindungswirkung entfällt allerdings, wenn die Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts nach § 80 Abs. 1 VwGO aufgeschoben ist (Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rn. 23). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt, weil die Widersprüche der Antragstellerinnen sowie der Ortsgemeinden Malberg und Seinsfeld noch anhängig sind. Da sie gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung haben, kommt dem Verbandsgemeinderatsbeschluss vom 1. März 2007 keine Tatbestandswirkung im o.g. Sinne zu. Deshalb kann der Senat seine Rechtmäßigkeit im vorliegenden Verfahren prüfen. Von einer Aussetzung des Normenkontrollverfahrens gemäß § 94 VwGO bis zur Entscheidung über die Rechtsbehelfe (Widerspruch und gegebenenfalls Klage) der Ortsgemeinde Seinsfeld sieht der Senat ab.

2. Die Übernahme der Fremdenverkehrsförderung erfüllt nicht die Anforderungen des § 67 Abs. 3 Satz 1 GemO. Danach kann die Verbandsgemeinde weitere Selbstverwaltungsaufgaben der Ortsgemeinden übernehmen, soweit deren gemeinsame Erfüllung im dringenden öffentlichen Interesse liegt. Ein solches Interesse, das in Übereinstimmung mit den vom Senat beim Ministerium des Innern und für Sport sowie beim Gemeinde- und Städtebund eingeholten Stellungnahmen nur unter engen Voraussetzungen bejaht werden kann (a.), besteht an der Übernahme der Fremdenverkehrsförderung durch die Antragsgegnerin nicht (b.).

a) Zwar sieht es der Senat durchaus als sinnvoll an, die Aufgabe der Fremdenverkehrsförderung auf der Ebene der Verbandsgemeinde wahrzunehmen, da sich der Tourismus seit Bildung der Verbandsgemeinden Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre stark gewandelt hat. Reichten vor mehr als 30 Jahren örtliche Angebote aus, um Gäste anzusprechen, erwartet der Tourist heute im Allgemeinen eine touristische Infrastruktur, die großräumig ist. Hierauf muss sich die kommunale Fremdenverkehrsförderung einstellen, um die wirtschaftlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, die der Tourismus bietet. Deshalb sind touristische Einrichtungen erforderlich, die über das Gebiet der in Rheinland-Pfalz meist kleinen Ortsgemeinden hinausreichen. Des Weiteren bedarf es einer ortsübergreifenden Werbung und Vermittlung der touristischen Dienstleistungen. Hierfür ist ein Fremdenverkehrsbüro mit hauptamtlichen Kräften erforderlich, dessen Unterhaltung die Leistungsfähigkeit der einzelnen Ortsgemeinden in der Regel übersteigt.

Jedoch hat der Gesetzgeber bislang der Verbandsgemeinde die Zuständigkeit für die Fremdenverkehrsförderung nicht durch eine Erweiterung des Zuständigkeitskatalogs des § 67 Abs. 1 und 2 GemO übertragen. Die der Antragsgegnerin demnach nicht bereits kraft Gesetzes eingeräumte Zuständigkeit für die Fremdenverkehrsförderung kann nicht gemäß § 67 Abs. 3 GemO begründet werden, weil diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach (aa.) und mit Blick auf die derzeitige Gesetzeslage sowie die materiell-rechtlichen Auswirkungen des Aufgabenverlustes auf die Ortsgemeinden (bb.) eng auszulegen ist.

aa) Für die Übernahme von Selbstverwaltungsaufgaben der Ortsgemeinden durch die Verbandsgemeinde hat der Gesetzgeber nach § 67 Abs. 3 Satz 1 GemO nicht jegliches Bedürfnis ausreichen lassen, sondern ein dringendes und damit besonders gewichtiges öffentliches Interesse gefordert. Demnach kann die Verbandsgemeinde die Zuständigkeit für weitere Selbstverwaltungsaufgaben der Ortsgemeinden nur im Ausnahmefall übernehmen.

bb) Das bereits nach dem Wortlaut enge Verständnis des § 67 Abs. 3 Satz 1 GemO folgt auch aus der derzeitigen gesetzlichen Aufgabenzuweisung an die Verbandsgemeinde einerseits und die Ortsgemeinden andererseits sowie aus den materiell-rechtlichen Auswirkungen des Zuständigkeitswechsels.

Nach § 67 Abs. 1 und 2 GemO nimmt die Verbandsgemeinde nur bestimmte, abschließend aufgezählte Selbstverwaltungsaufgaben der Ortsgemeinden wahr. Für die übrigen Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises bleiben die Ortsgemeinden zuständig. Damit hält die Gemeindeordnung an der grundsätzlichen Allzuständigkeit der Ortsgemeinden fest. Deshalb kann im Allgemeinen nur der Gesetzgeber Zuständigkeiten der Ortsgemeinden auf die Verbandsgemeinde verlagern, indem er den Aufgabenkatalog des § 67 Abs. 1 und 2 GemO erweitert. Wegen dieses Vorrangs einer gesetzlichen Zuständigkeitszuweisung ist die Verbandsgemeinde im Zusammenwirken mit der Mehrheit der Ortsgemeinden gemäß § 67 Abs. 3 GemO nur ausnahmsweise befugt, eine weitere Selbstverwaltungsaufgabe der Ortsgemeinden zu übernehmen.

Außerdem bewirkt die Aufgabenübernahme materiell-rechtlich einen erheblichen Eingriff in das kommunale Selbstverwaltungsrecht der Ortsgemeinden, die gegen den Zuständigkeitswechsel gestimmt haben. Denn sie können die von der Verbandsgemeinde übernommene Aufgabe nicht mehr selbst erfüllen. Diese Rechtsbeeinträchtigung ist von zusätzlichem Gewicht, wenn es sich bei der entzogenen Aufgabe - wie bei der Fremdenverkehrsförderung - um eine freiwillige Selbstverwaltungsangelegenheit handelt. In diesem Fall ist den Ortsgemeinden nämlich ferner die Entscheidung darüber genommen, von einer Wahrnehmung der ihnen bisher zustehenden Aufgabe abzusehen. Über den Aufgaben- und Entscheidungsverlust hinaus sind die Ortsgemeinden des Weiteren in finanzieller Hinsicht von der Zuständigkeitsübernahme durch die Verbandsgemeinde betroffen. Sie werden zu den Kosten der Aufgabenerfüllung entweder über die allgemeine Verbandsgemeindeumlage oder - wenn die Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 LFAG vorliegen - über eine Sonderumlage herangezogen, ohne selbst unmittelbar an den Entscheidungen über die Wahrnehmung der Aufgabe beteiligt zu sein. Auch deshalb kann die Verbandsgemeinde eine Selbstverwaltungsaufgabe der Ortsgemeinden nur unter engen Voraussetzungen, nämlich erst bei einem dringenden öffentlichen Interesse, übernehmen. Erst dann ist zudem die relativ niedrige formelle Hürde des § 67 Abs. 3 Satz 2 GemO, der den Zuständigkeitsübergang bereits bei einfacher Mehrheit ermöglicht, hinnehmbar.

Bei der demnach gebotenen engen Auslegung des § 67 Abs. 3 Satz 1 GemO liegt das dringende öffentliche Interesse an der Erfüllung einer Selbstverwaltungsaufgabe der Ortsgemeinden durch die Verbandsgemeinde nicht bereits dann vor, wenn sie zweckmäßig ist. Vielmehr muss sich die Notwendigkeit der Aufgabenwahrnehmung auf der Ebene der Verbandsgemeinde aufdrängen, weil der Verbleib der Aufgabe bei den Ortsgemeinden, einschließlich der Befugnis von ihrer Wahrnehmung abzusehen, praktisch nicht mehr vertretbar ist. Ein solcher Fall liegt vor, falls Ortsgemeinden ihrer Aufgabenverantwortung - hier auf dem Gebiet des Fremdenverkehrs - nicht (mehr) gerecht werden, die Wahrnehmung der Aufgabe durch die Verbandsgemeinde aber dem jedenfalls weit überwiegenden Teil der Ortsgemeinden einen nennenswerten Vorteil bringen wird.

b) Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, liegt die gemeinsame Erfüllung der Fremdenverkehrsförderung durch die Antragsgegnerin nicht im Sinne des § 67 Abs. 3 Satz 1 GemO im dringenden öffentlichen Interesse. Bei der Beurteilung, ob diese Voraussetzung vorliegt, kommt den kommunalen Gremien ein Einschätzungsspielraum zu (vgl. OVG RP, Urteil vom 28. Februar 2007 - 2 C 11426/06.OVG -, veröffentlicht in ESOVG), den die Antragsgegnerin und die der Aufgabenübernahme zustimmenden Ortsgemeinden bei ihrer Beschlussfassung überschritten haben.

Zwar spricht vieles dafür, dass die Ortsgemeinden im Bereich der Antragsgegnerin eine Fremdenverkehrsförderung, die den heutigen Ansprüchen gerecht wird, wegen ihrer geringen Leistungsfähigkeit nicht ordnungsgemäß wahrnehmen können (vgl. II. 2. a.). Jedoch bringt die Erledigung dieser Aufgabe durch die Antragsgegnerin nicht dem weit überwiegenden Teil der Ortsgemeinden einen nennenswerten, absehbaren Vorteil. Nach den Werbebroschüren der Tourist-Information Kyllburger Waldeifel kommt dem Tourismus in lediglich elf der 21 Ortsgemeinden eine beachtliche Bedeutung zu. Nur dort sind öffentliche und private Einrichtungen wie Sehenswürdigkeiten, Hotels, Pensionen, Ferienhäuser und -wohnungen, Gaststätten, Campingplätze und Golfplätze vorhanden, die auf den Fremdenverkehr ausgerichtet sind. Sehenswürdigkeiten gibt es in sechs Ortsgemeinden (Neidenbach, Malberg, Kyllburg, St. Thomas, Oberkail und Gransdorf). In Burbach besteht die Gelegenheit Golf zu spielen. Hotels, Pensionen, Ferienhäuser und -wohnungen sowie ein Campingplatz befinden sich in fünf der genannten Gemeinden sowie in vier weiteren Ortsgemeinden (Seinsfeld, Zendscheid, Balesfeld und Neuheilenbach). Folglich beschränken sich Werbung und Vermittlung touristischer Dienstleitungen durch die Tourist-Information Kyllburger Waldeifel (abgesehen von Ausflugszielen außerhalb des Gebiets der Antragsgegnerin) auf diese Ortsgemeinden. Demgegenüber kommt dem Tourismus in den übrigen zehn Ortsgemeinden keine beachtliche Bedeutung zu. Dort sind nach den von der Antragsgegnerin vorgelegten Broschüren keine Einrichtungen vorhanden, die bei einer typisierenden Betrachtung Touristen in nennenswertem Umfang anziehen.

Hat demnach nur knapp die Hälfte und damit nicht der weit überwiegende Teil der Ortsgemeinden von der Wahrnehmung der Fremdenverkehrsförderung durch die Antragsgegnerin einen nennenswerten, absehbaren Vorteil, liegt die gemeinsame Erfüllung dieser Selbstverwaltungsaufgabe schon deshalb und vor dem Hintergrund der derzeitigen gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen Verbandsgemeinde und Ortsgemeinden nicht gemäß § 67 Abs. 3 Satz 1 GemO im dringenden öffentlichen Interesse. Deshalb ist der Beschluss der Antragsgegnerin vom 1. März 2007 über die Übernahme der Fremdenverkehrsförderung rechtswidrig.

Dieses Ergebnis führt zu keiner nicht mehr hinnehmbaren Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten der Antragsgegnerin und der Ortsgemeinden, die ein Interesse an einer gemeinsamen Fremdenverkehrsförderung haben. Denn gemäß § 67 Abs. 4 GemO können diese Ortsgemeinden der Antragsgegnerin mit deren Zustimmung die Fremdenverkehrsförderung zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung übertragen, ohne dabei die Rechte der Ortsgemeinden zu beeinträchtigen, die vom Fremdenverkehr keinen nennenswerten Vorteil haben. Außerdem besteht die Möglichkeit, einen Zweckverband für die Erfüllung dieser Aufgabe zu bilden.

Hat die Antragsgegnerin die Fremdenverkehrsförderung demnach nicht rechtmäßig von den Ortsgemeinden übernommen, fehlt es ihr an der Zuständigkeit für die Erfüllung dieser Aufgabe. Bereits aus diesem Grund scheidet die Erhebung einer Sonderumlage aus. Die Sonderumlagesatzung und § 5 b Haushaltssatzung sind deshalb unwirksam

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 709, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 45.000,-- € (15.000,-- € je Antragstellerin) festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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