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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 10.05.2004
Aktenzeichen: 3 B 10619/04.OVG
Rechtsgebiete: LDG, LBG


Vorschriften:

LDG § 45
LDG § 45 Abs. 1
LDG § 45 Abs. 1 Satz 1
LDG § 45 Abs. 2
LDG § 72
LDG § 90
LDG § 90 Abs. 1
LDG § 91
LDG § 91 Abs. 1
LDG § 107
LDG § 107 Abs. 1
LDG § 107 Abs. 1 Nr. 4
LDG § 107 Abs. 2
LDG § 114
LDG § 115
LBG § 41
LBG § 41 Abs. 1
LBG § 41 Abs. 1 Satz 1
LBG § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
LBG § 41 Abs. 1 Nr. 2
LBG § 85
LBG § 85 Abs. 1
LBG § 214
LBG § 214 Satz 2
1. Bei dem Antrag auf Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 107 Abs. 2 LDG handelt es sich um einen besonderen Rechtsbehelf, über den im Beschlussverfahren zu entscheiden ist.

2. Die Vorschriften über die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung der Dienstbezüge gelten für die Beamten auf Probe und auf Widerruf entsprechend.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

3 B 10619/04.OVG

In der Disziplinarsache

wegen Disziplinarrecht

hier: Verfall einbehaltender Bezüge

hat der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 10. Mai 2004, an der teilgenommen haben Präsident des Oberverwaltungsgerichts Prof. Dr. Meyer Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held Richter am Oberverwaltungsgericht Bonikowski beschlossen:

Tenor:

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Trier vom 11. März 2003 wird der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Gründe:

I.

Nachdem der Verdacht aufgetreten war, dass der als Polizeibeamter zur Anstellung im Dienst des Landes Rheinland-Pfalz stehende Antragsteller sich wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz strafbar gemacht hatte, wurde gegen ihn mit Verfügung vom 2. November 2001 ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Mit Verfügung vom 19. Dezember 2001 wurde er vorläufig des Dienstes enthoben und die Einbehaltung eines Drittels seiner monatlichen Dienstbezüge angeordnet. In der Begründung hieß es, dass die eingeleiteten Ermittlungen voraussichtlich zur Entlassung des Beamten gemäß § 41 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes - LBG - führten. Die Vorschriften über die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen (§ 45 des Landesdisziplinargesetzes - LDG -) seien entsprechend auf Probebeamte anwendbar.

Im Urteil des Amtsgerichts Idar-Oberstein vom 14. Januar 2003 wurde festgestellt, dass sich der Antragsteller wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 18 Fällen, teilweise in Tateinheit mit unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln, schuldig gemacht habe. Unter Anwendung von Jugendstrafrecht wurde ihm eine Verwarnung erteilt und aufgegeben, 200 Stunden unentgeltlichen Sozialdienst abzuleisten.

Mit Bescheid vom 26. März 2003 wurde die Entlassung des Antragstellers wegen mangelnder Bewährung gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBG zum 30. Juni 2003 verfügt. Mit weiterer Verfügung vom 13. Juni 2003 wurde der Antragsteller gemäß § 40 LBG auf eigenen Antrag mit Ablauf des 22. Juni 2003 entlassen.

Durch Bescheid vom 5. September 2003 wurde das Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller eingestellt und ferner angeordnet, dass die gemäß § 45 Abs. 2 LDG einbehaltenen Bezüge verfallen seien, weil aufgrund der strafrichterlich festgestellten Taten die Voraussetzungen für eine Entlassung nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBG vorlägen. Diese Handlungen hätten bei einem Beamten auf Lebenszeit mindestens die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge zur Folge gehabt.

Mit dem daraufhin gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Antragsteller geltend gemacht, dass die Feststellung nach § 107 Abs. 1 Nr. 4 LDG zu Unrecht erfolgt sei. Die Entlassung sei gerade nicht nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBG, sondern nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBG erfolgt. Bei den ihm vorgeworfenen Handlungen habe es sich um einmalige und wesensfremde Verfehlungen gehandelt, die nicht automatisch die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBG erfüllten. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 11. März 2004 die Anordnung über den Verfall der einbehaltenen Bezüge aufgehoben, weil es schon für die Einbehaltung der Bezüge an einer Rechtsgrundlage fehle.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Sie ist nach § 90 Abs. 1 LDG statthaft und auch innerhalb der vorgeschriebenen Frist eingereicht worden. Der Senat entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss (§ 91 Abs. 1 LDG).

Das Verwaltungsgericht hat über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu Recht in einem selbständigen Beschlussverfahren eigener Art und nicht in einem Klageverfahren nach §§ 72 ff. LDG entschieden. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass sich der Gesetzgeber durch die Formulierung des Rechtsbehelfs in § 107 Abs. 2 LDG als "Antrag auf Entscheidung des Verwaltungsgerichts" für einen besonderen, von dem Klageverfahren nach §§ 72 ff. LDG abweichenden Rechtsbehelf entschieden hat (vgl. Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, § 40 Rn. 4). Da es sich bei der Entscheidung nach § 107 Abs. 1 Nr. 4 LDG über den Verfall der einbehaltenen Bezüge um eine bloße Annexentscheidung nach Abschluss des Disziplinarverfahrens und nach Beendigung des Beamtenverhältnisses handelt, sollte mit § 107 Abs. 2 LDG gerichtlicher Rechtsschutz zwar nicht ausgeschlossen, jedoch in einem zügigen und der zu treffenden Sachentscheidung angemessenen Verfahren ermöglicht werden. Hierfür spricht nicht zuletzt der in der Amtlichen Begründung zum Gesetzentwurf enthaltene Hinweis auf die nach früherem Recht insofern bestehende Rechtsschutzmöglichkeit (vgl. LT-Drucks. 13/2315, S. 82). Nach § 110 Abs. 3 des Dienstordnungsgesetzes vom 20. Juni 1974 - DOG - konnte die Feststellungsentscheidung entsprechend dem heutigen § 107 Abs. 1 Nr. 4 LDG ebenfalls durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung in einem Beschlussverfahren überprüft werden (§ 31 Abs. 4 und 6 DOG). Die nach damaligem Verfahrensrecht (§ 31 Abs. 6 Satz 1 DOG) ebenso wie nach heutigem Recht gegebene Möglichkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bietet hinreichend Gelegenheit zu einer sachangemessenen Verfahrensweise. Im vorliegenden Fall waren und sind Gründe für die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung weder dargetan noch ersichtlich.

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Der Antragsgegner hat zu Recht die Voraussetzungen für den Verfall der einbehaltenen Bezüge festgestellt und sich hierzu auf eine entsprechende Anwendung von § 107 Abs. 1 Nr. 4 LDG berufen.

a) Zwar hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass weder § 107 Abs. 1 Nr. 4 LDG noch die Bestimmung über die Einbehaltung von Dienstbezügen in § 45 Abs. 2 LDG nach ihrem Wortlaut auf die Rechtsverhältnisse der Beamten auf Probe zugeschnitten sind. Sowohl bei der Entscheidung über die Einbehaltung der Bezüge als auch bei der Entscheidung über deren Verfall wird darauf abgestellt, ob die Entfernung aus dem Dienst (bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts) voraussichtlich oder tatsächlich gerechtfertigt wäre. Diese Disziplinarmaßnahme findet auf Probebeamte indes keine Anwendung (§ 114 LDG). Für Probebeamte kommt bei Vorliegen erheblicher Dienstvergehen vielmehr die Entlassung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen in Betracht. Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBG kann der Beamte auf Probe entlassen werden, wenn er eine Handlung begeht, die bei einem Beamten auf Lebenszeit mindestens die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte. Darüber hinaus kommt noch die Entlassung wegen mangelnder Bewährung in Betracht (§ 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBG).

Dass im Wortlaut des § 45 Abs. 1 und 2 LDG im Unterschied zur bundesrechtlichen Regelung in § 38 Abs. 1 und 2 des Bundesdisziplinargesetzes - BDG - die Rechtsverhältnisse der Beamten auf Probe oder auf Widerruf keinen Niederschlag gefunden haben, schließt jedoch nicht aus, § 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 sowie § 107 Abs. 1 Nr. 4 LDG entsprechend auch auf diese Beamtengruppen anzuwenden. Hierfür spricht, dass die Interessenlage insofern bei Beamten auf Lebenszeit wie bei Beamten auf Probe und auf Widerruf gleich ist und der gesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen ist, dass eine solche entsprechende Anwendung ausgeschlossen sein sollte (vgl. zu den Voraussetzungen der Analogie: Wolff/ Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl., § 28 III und IV).

Mit der Regelung über die Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge ist bezweckt, einen Ausgleich zwischen dem allgemein bestehenden Alimentationsanspruch und der Forderung nach einem tatsächlichen Erdienen der Bezüge zu schaffen (vgl. Köhler/Ratz, BDG-Kommentar, 3. Aufl. 2003, § 40 Rn. 1). Diese Interessenlage trifft auf Probebeamte, deren Rechtsstellung ohnehin schwächer ausgestaltet ist als diejenige von Lebenszeitbeamten, gleichermaßen zu. Im Unterschied zum Verwaltungsgericht misst der Senat dem Umstand, dass das Landesdisziplinargesetz von 1998 bei den Sonderregelungen über die Beamten auf Probe und auf Widerruf keine Anordnung über die entsprechende Geltung des § 45 Abs. 2 LDG enthält, keine entscheidungserhebliche Bedeutung bei. Zwar sieht § 113 Abs. 1 Satz 3 des Dienstordnungsgesetzes von 1974 eine solche entsprechende Anwendung ausdrücklich vor, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat. Das Fehlen dieser Regelung im neuen Recht rechtfertigt indes nicht den Schluss, der Gesetzgeber habe auf die Übernahme dieser Regelung bewusst verzichtet und im neuen Recht die entsprechende Anwendung der Regelungen über die Einbehaltung von Dienstbezügen auf Probe- bzw. Widerrufsbeamte ausschließen wollen. Vielmehr spricht alles dafür, dass es sich insofern lediglich um ein redaktionelles Versehen im Gesetzgebungsverfahren gehandelt hat (so Gansen, a.a.O., § 38 Rn. 15; im Ergebnis ebenso: Grabendorff/Arend/Müller/Pitzer, LBG-Kommentar, § 41, Anm. 1 [2]). Hätte der Gesetzgeber eine solche für das Rechtsverhältnis der Beamten auf Probe und auf Widerruf wesentliche Rechtsänderung vornehmen wollen, so hätte hierzu eine entsprechende Erläuterung in der Amtlichen Begründung erwartet werden dürfen. Eine solche Erläuterung fehlt indessen. Zu § 115 LDG heißt es lediglich kurz, die Vorschrift folge der Regelung des § 113 DOG (vgl. LT-Drucks. 13/2315, S. 83).

Nach alledem erlaubt auch das neue Recht eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Einbehaltung von Dienstbezügen auf die Beamten auf Probe und auf Widerruf. Danach können bei diesen Beamten die monatlichen Dienstbezüge entsprechend § 45 Abs. 2 LDG einbehalten werden, wenn voraussichtlich auf deren Entlassung nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBG erkannt werden wird. Die Feststellung nach § 107 Abs. 1 Nr. 4 LDG hat zu erfolgen, wenn die Entlassung nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBG gerechtfertigt gewesen wäre.

b) Der Antragsgegner hat im vorliegenden Fall zu Recht festgestellt, dass bei dem Antragsteller die Entlassung gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBG gerechtfertigt gewesen wäre. Dass die Entlassung zunächst auf der Grundlage von § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBG verfügt worden ist, um (im Interesse des Antragstellers, wie der Antragsgegner erläutert hat) eine fristgebundene Beendigung des Beamtenverhältnisses zu ermöglichen (§ 41 Abs. 2 LBG), hindert nicht, im Rahmen des § 107 Abs. 1 Nr. 4 LDG die Voraussetzungen für eine Entlassung nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBG zu prüfen und festzustellen.

Wie vom Antragsgegner bereits zutreffend dargelegt, hat der Antragsteller ein erhebliches Dienstvergehen begangen. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Idar-Oberstein vom 14. Januar 2003 (§ 16 Abs. 1 LDG) hat er sich im Zeitraum Frühjahr 1999 bis Oktober 2001 wiederholt wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (18 Fälle), teilweise in Tateinheit mit unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln, schuldig gemacht. Bei diesem außerdienstlichen Verhalten handelt es sich deshalb um ein schweres Dienstvergehen, weil es in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt eines Polizisten und das Ansehen der Polizeibeamten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§§ 85 Abs. 1, 214 Satz 2 LBG). Der Polizeibeamte unterliegt wegen seines besonderen Auftrags zur Abwehr von Gefahren und zur Verfolgung Straftaten auch im außerdienstlichen Bereich einer besonders strengen Verpflichtung. Hiermit ist es nicht vereinbar, wenn ein Polizeibeamter - auch außerhalb des Dienstes - gegen Strafvorschriften verstößt, die wichtige Gemeinschaftsbelange schützen sollen und deren Verhinderung und Aufklärung ihm dienstlich anvertraut sind, wie dies bei den Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes der Fall ist. Der Senat hat deshalb in einem Fall, in dem sich ein Polizeibeamter auf Lebenszeit wiederholt des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln schuldig gemacht und einen engen Kontakt zum Milieu der Drogenlieferanten gepflegt hatte, die Entfernung aus dem Dienst als gerechtfertigte Disziplinarmaßnahme gewertet (vgl. Urteil vom 30. Juni 2003, NVwZ-RR 2003, 877). Selbst wenn im vorliegenden Fall zugunsten des Antragstellers Milderungsgründe zu berücksichtigen sind, wie seine Bevollmächtigten im Verfahren erster Instanz vorgetragen haben, und deshalb die für Lebenszeitbeamte schärfste Disziplinarmaßnahme sich als unverhältnismäßig erweisen sollte, so liegen doch jedenfalls die Voraussetzungen dafür vor, bei einem Beamten auf Lebenszeit auf die zwei Stufen niedrigere Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge zu erkennen (vgl. § 3 Abs. 1 LDG). Damit sind jedoch die Voraussetzungen für die Entlassung eines Beamten auf Probe nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBG erfüllt. Da sich zudem die von dem Antragsgegner verfügte Einbehaltung von lediglich einem Drittel statt der nach § 45 Abs. 2 LDG möglichen Hälfte der monatlichen Dienstbezüge als verhältnismäßig erweist, ist auch insofern die hier angegriffene Feststellung nach § 107 Abs. 1 Nr. 4 LDG rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 100 Abs. 1 Satz 1 LDG.



Ende der Entscheidung

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