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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 05.08.2005
Aktenzeichen: 4 A 10571/05.OVG
Rechtsgebiete: GG, BPersVG


Vorschriften:

GG Art. 5
BPersVG § 10
BPersVG § 10 Abs. 1
BPersVG § 10 Abs. 1 Satz 1
BPersVG § 10 Abs. 1 Satz 2
BPersVG § 10 Abs. 2
BPersVG § 28
BPersVG § 28 Abs. 1
BPersVG § 28 Abs. 1 Satz 1
BPersVG § 28 Abs. 1 Satz 2
BPersVG § 35
1. Die Verschwiegenheitspflicht nach § 10 Abs. 1 BPersVG dient auch dazu, die für eine sachorientierte Zusammenarbeit notwendige Vertrauensgrundlage unter den Personalratsmitgliedern zu bewahren.

2. Das kollegiale Vertrauen wird dann gänzlich untergraben, wenn das Verhalten eines Kollegen im Personalrat gerade zu dem Zweck offenbart wird, dass sich daraus nachteilige Folgen für das Personalratsmitglied ergeben.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

4 A 10571/05.OVG

In der Personalvertretungssache

wegen Ausschlusses aus dem Personalrat

hat der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz (Fachsenat für Personalvertretungssachen - Bund -) durch

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held ehrenamtlicher Richter Verwaltungsamtmann Disson ehrenamtlicher Richter kaufmännischer Angestellter Hauck ehrenamtliche Richterin Angestellte Köhler ehrenamtlicher Richter Verwaltungsoberamtsrat Rohr

auf die Anhörung der Beteiligten am 5. August 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 20. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der antragstellende örtliche Personalrat begehrt den Ausschluss eines seiner Mitglieder. Er wirft ihm vor, im Zusammenhang mit der Wahl eines Gruppensprechers das Wahlverhalten eines anderen Personalratsmitglieds nach außen getragen und damit seine Verschwiegenheitspflicht verletzt zu haben.

Im Bereich ... wurden in der Zeit vom 10. bis 12. Mai 2004 die Personalratswahlen durchgeführt. Die konstituierende Sitzung des örtlichen Personalrats fand am 17. Mai 2004 statt. Hierbei wurden auch die Gruppensprecher gewählt. Die Gruppe der Angestellten besteht aus fünf Mitgliedern. Drei dieser Mitglieder gehören der Gewerkschaft "ver.di", zwei weitere Mitglieder der "Freien Liste ' G...'" an. Zu den Mitgliedern der Gewerkschaft "ver.di" zählt u.a. H....

Bei der Wahl zur Sprecherin der Angestelltengruppe wurde mit 3:2 Stimmen Frau G... gewählt, Gegenkandidatin war Frau T..., die Listenführerin der Gewerkschaft "ver.di". Über die neu gewählten Mitglieder des örtlichen Personalrats einschließlich ihrer Gruppen- und Listenzugehörigkeit wurde ebenso wie über das Ergebnis der Wahl der Gruppensprecher und die Zusammensetzung des Vorstandes des Personalrats im Intranet der Behörde informiert. Am 24. Mai 2004 stellten die drei ver.di-Mitglieder innerhalb der Gruppe der Angestellten den Antrag, Frau G... als Gruppensprecherin abzuwählen. In der anschließend stattfindenden Abstimmung wurde der Antrag mit 3:2 Stimmen abgelehnt.

Am 7. Juni 2004 suchte der Beteiligte zu 1) Herrn A, den Vorgesetzten von Herrn H..., auf und sprach ihn auf die Abstimmungen innerhalb der Gruppe der Angestellten an. Der Beteiligte zu 1) teilte dabei mit, er sei davon überzeugt, dass Herr H... gegen seine Fraktion gestimmt habe. Im Anschluss an dieses Gespräch hielt Herr A Rücksprache mit Herrn H.... Am 8. Juni 2004 offenbarte Herr H..., das er am 17. und 24. Mai 2004 für Frau G... gestimmt habe.

Anfang Juli 2004 unterrichtete Herr A den Vorsitzenden des örtlichen Personalrats über das Gespräch mit dem Beteiligten zu 1) am 7. Juni 2004. Mit Schreiben vom 19. Juli 2004, beim Personalrat am 21. Juli 2004 eingegangen, unterrichtete Herr A den Vorsitzenden des örtlichen Personalrats schriftlich über das Vorstelligwerden des Beteiligten zu 1) bei ihm. In dem Schreiben heißt es, dass der Beteiligte zu 1) am 7. Juni 2004 auf den Vorhalt, es könne sich bei dem behaupteten Wahlverhalten von Herrn H... doch nur um Vermutungen handeln, sich seiner Sache ganz sicher gewesen sei und angedeutet habe, dass das Wahlverhalten von Herrn H... möglicherweise durch bestimmte Zusagen betreffend dessen berufliche Förderung "erkauft" worden sei. Er, Herr A, müsse aufpassen, dass Herrn H... keine Arbeiten übertragen würden, die nicht dessen Tätigkeitsdarstellung entsprächen. Abschließend äußerte Herr A die Auffassung, das Verhalten des Beteiligten zu 1) sei als Versuch zu werten, einen seiner Mitarbeiter bei ihm anzuschwärzen.

Noch am 21. Juli 2004 fand eine Sitzung des Vorstandes des örtlichen Personalrats zu dieser Angelegenheit statt. An dieser Sitzung nahm das der Gewerkschaft ver.di angehörende Vorstandsmitglied K... nicht teil. Herr K... wurde anlässlich einer zweiten Besprechung am 22. Juli mit dem Sachverhalt vertraut gemacht und gebeten, den Beteiligten zu 1) über die Angelegenheit, einschließlich des möglichen Antrags auf Ausschluss aus dem Personalrat, zu informieren, was am selben Tage noch geschah. Am 23. Juli 2004 sagte der Beteiligte zu 1) seine Teilnahme an der nächsten Sitzung des Personalrats am 26. Juli 2004 ab.

Am 26. Juli 2004 verhandelte der Personalrat unter Punkt 4 der Tagesordnung das Verhalten des Beteiligten zu 1) gegenüber Herrn A und fasste schließlich unter Ablehnung des Antrags des Mitglieds K... auf vorherige Anhörung des Beteiligten zu 1) den Beschluss, bei dem Verwaltungsgericht den Ausschluss des Beteiligten zu 1) nach § 28 Abs. 1 Satz 2 BPersVG zu beantragen.

Zur Begründung seines Begehrens hat der Antragsteller ausgeführt, dass der Beteiligte zu 1) seine gesetzlichen Pflichten grob verletzt habe. Mit seinen Äußerungen gegenüber Herrn A habe er in besonders verwerflicher Art und Weise gegen seine Pflichten verstoßen, da sie in der Absicht erfolgt seien, den Kollegen H... zu schädigen.

Der Beteiligte zu 1) ist dem entgegengetreten: Dem Antrag liege bereits kein wirksamer Beschluss des Personalrats zugrunde. Auch habe er seine Schweigepflicht nicht verletzt, sondern sich lediglich an Vermutungen beteiligt, die in der Behörde ohnehin angestellt worden seien. Jedenfalls sei die ihm vorgeworfene Pflichtverletzung nicht grob.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag durch Beschluss vom 20. Dezember 2004 stattgegeben und den Beteiligten zu 1) aus dem örtlichen Personalrat ausgeschlossen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beteiligte zu 1) grob gegen seine Geheimhaltungspflicht aus § 10 BPersVG verstoßen habe. Die Begriffe "Angelegenheiten und Tatsachen" seien umfassend zu verstehen und erstreckten sich auch auf die Vornahme von Spekulationen. Die strikte Verschwiegenheit der Mitglieder des Personalrats sei unverzichtbare Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit dieses Gremiums.

Zur Begründung der hiergegen eingelegten Beschwerde trägt der Beteiligte zu 1) im Wesentlichen vor: Dem Antrag liege kein wirksamer Beschluss des Personalrats zugrunde. Es fehle bereits an einer ordnungsgemäßen Ladung unter rechtzeitiger Mitteilung der Tagesordnung. Darüber hinaus sei der Sachverhalt vom Vorsitzenden unzureichend dargelegt und ermittelt worden. Zu Unrecht sei er nicht angehört worden. In der Sache liege eine Verletzung der Schweigepflicht nicht vor. Das Ergebnis der Abstimmung sei offenkundig gewesen. Daran hätten sich vielfältige Diskussionen innerhalb der Behörde angeschlossen, wobei mehrfach der Kollege H... als vermutlicher Abweichler genannt worden sei. Indem er sich an diesen Vermutungen beteiligt habe, habe er keinerlei Umstände offenbart, die ihm gerade bei seiner Personalvertretungstätigkeit bekannt geworden seien. Das von dem Verwaltungsgericht vertretene, auch Vermutungen einschließende Verständnis der Geheimhaltungspflicht führe zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung des Rechts auf Meinungsfreiheit. Jedenfalls liege ein grober Verstoß gegen seine gesetzlichen Pflichten nicht vor. Die von dem Verwaltungsgericht geäußerten Befürchtungen für eine ordnungsgemäße Zusammenarbeit innerhalb der Personalvertretung seien abwegig. Die Tätigkeit der Kollegen sei durch die §§ 35 BPersVG (Nichtöffentlichkeit der Sitzungen) und § 47 BPersVG (Kündigungsschutz) hinreichend geschützt.

Der Beteiligte zu 1) beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 20. Dezember 2004 den Antrag auf Ausschluss aus dem örtlichen Personalrat zurückzuweisen,

hilfsweise,

die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Nach seiner Auffassung ist der Beschluss vom 26. Juli 2004 wirksam zustande gekommen. Der Ablauf der Sitzungen entspreche langjähriger Praxis und den Regelungen in §§ 11 und 13 der Geschäftsordnung. Die Sitzungsleitung durch den Vorsitzenden sei nicht zu beanstanden, der Sachverhalt ausführlich erforscht worden. In der Sache habe das Verwaltungsgericht zu Recht eine grobe Verletzung der Verschwiegenheitspflicht festgestellt. Von dem Gegenstand der Verlautbarungen gegenüber Herrn A habe der Beteiligte zu 1) auch bei seiner Personalvertretungstätigkeit erfahren. Denn diese Tätigkeit sei Basis für die Äußerungen gewesen. Mit seinem Verhalten habe der Beteiligte zu 1) erreichen wollen, dass sein Kollege H... wegen illoyalen Verhaltens berufliche Nachteile erfahre.

Der Beteiligte zu 2) hat von einer Stellungnahme abgesehen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen A. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 5. August 2005 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Beteiligten zu 1) zu Recht aus dem örtlichen Personalrat ausgeschlossen. Auch der Senat ist, gerade nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, der Auffassung, dass der Beteiligte zu 1) seine gesetzlichen Pflichten grob verletzt hat. Zur Begründung kann auf die zutreffenden Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2004 verwiesen werden. Lediglich im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen führt der Senat ergänzend aus:

1. Der Antrag auf Ausschluss des Beteiligten zu 1) aus dem Personalrat ist zulässig. Der Antragsteller ist hierzu nach § 28 Abs. 1 Satz 2 Bundespersonalvertretungsgesetz - BPersVG - antragsbefugt. Dem Antrag liegt auch ein wirksamer Beschluss des Personalrats zugrunde. Nur im Falle der Unwirksamkeit der vorausgehenden Beschlussfassung könnte die Zulässigkeit des Antrags bezweifelt werden.

Die von dem Beteiligten zu 1) geltend gemachten Verfahrensfehler sind, soweit sie überhaupt vorliegen, nicht so schwerwiegend, dass sie die Unwirksamkeit des Personalratsbeschlusses vom 26. Juli 2004 zur Folge haben. Da das Personalvertretungsrecht keine Regelung der Folgen von Verfahrensmängeln der vom Beteiligten zu 1) geltend gemachten Art enthält und das Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - auf die Rechtsstellung und Tätigkeit der Personalvertretungsorgane jedenfalls nicht unmittelbar anwendbar ist, muss hinsichtlich der Folgen von Verfahrensfehlern auf allgemeine Grundsätze zurückgegriffen werden. Danach kann in entsprechender Anwendung des in § 44 VwVfG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens die Nichtigkeit von Beschlüssen von Personalvertretungen nur bei besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehlern angenommen werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Oktober 1986, NVwZ 1987, 230 und juris).

Gemessen daran erweist sich der Umstand, dass beim Antragsteller entsprechend langjähriger Praxis und in Übereinstimmung mit §§ 11 Abs. 1 und 13 Abs. 1 der Geschäftsordnung keine Ladung zu den regelmäßig montags stattfindenden Sitzungen und deshalb auch keine Vorabmitteilung der Tagesordnung - wie in § 34 Abs. 2 Satz 3 BPersVG vorgesehen - erfolgt waren, nicht als schwerwiegender Fehler. Denn alle Mitglieder des Personalrats haben sich in der Sitzung am 26. Juli 2004 mit der Behandlung des Tagesordnungspunktes 4 einverstanden erklärt (vgl. zu diesem Gesichtspunkt der Zustimmung der Personalratsmitglieder: BVerwG, a.a.O.; Fischer-Goeres, GKÖD, Bd. V, K 37, Rdnr. 43a). Das Unterbleiben einer Anhörung des Beteiligten zu 1) vor der Beschlussfassung des Personalrats erweist sich ebenfalls nicht als schwerwiegender Fehler. Das Personalvertretungsgesetz schreibt eine solche Anhörung nicht vor (vgl. Fischer-Goeres, a.a.O., K 28, Rdnr. 39; Lorenzen, u.a. BPersVG, § 28 Rdnr. 17). Eine solche Anhörung erscheint auch nicht zwingend, weil die Beschlussfassung des Personalrats nur vorbereitenden Charakter für die vom Gesetz dem Gericht überantwortete Sachverhaltsaufklärung und Entscheidungsfindung hat. Rechtliches Gehör wird dem betroffenen Personalratsmitglied vor Gericht gewährt. Wegen des bloß vorbereitenden Charakters des Personalratsbeschlusses im Rahmen des Ausschlussverfahrens nach § 28 BPersVG kann die Unwirksamkeit der Entscheidungsfindung des Personalrats auch nicht aus möglichen Defiziten der Sachverhaltsaufklärung bzw. -darstellung durch den Vorsitzenden des Personalrats begründet werden, wurde doch ansonsten der Streit um die Begründetheit des Ausschlussantrags in die Zulässigkeit verlagert werden. Ein schwerwiegender Fehler in der Beschlussfassung des Personalrats könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn dem Ausschlussantrag keinerlei Aussprache zu den rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen nach § 28 Abs. 1 BPersVG vorausgegangen wäre. Hiervon kann im vorliegenden Fall indes in keiner Weise die Rede sein.

2. Der Ausschlussantrag ist auch begründet. Die gesetzlichen Voraussetzungen für das Begehren des Antragstellers liegen vor. Der Beteiligte zu 1) hat seine gesetzlichen Pflichten so grob verletzt, dass sein Ausschluss aus dem örtlichen Personalrat gerechtfertigt ist (§ 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BPersVG).

Ein grober Verstoß gegen personalvertretungsrechtliche Pflichten liegt vor, wenn er von solchem Gewicht ist, dass er das Vertrauen in eine künftig ordnungsgemäße Amtsführung zerstört oder zumindest schwer erschüttert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. April 2004, ZfPR 2004, 229).

a) Zu den gesetzlichen Pflichten eines Personalratsmitglieds gehört insbesondere die Schweigepflicht. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BPersVG haben Personen, die Aufgaben oder Befugnisse nach diesem Gesetz wahrnehmen, über die ihnen dabei bekannt gewordenen Angelegenheiten und Tatsachen stillschweigen zu bewahren. Bei der Verschwiegenheitspflicht handelt es sich um eine Hauptpflicht des Personalvertretungsrechts (vgl. Faber, in: Lorenzen, a.a.O., § 10, Rdnr. 1). Sie bezweckt den Schutz verschiedener Interessen: Zum einen geht es um die Vertraulichkeit der dem Personalrat mitgeteilten oder bekannt gewordenen Informationen über Beschäftigte oder über die Dienststelle. Daneben dient die Verschwiegenheitspflicht aber auch dem Zweck, die Funktionsfähigkeit des Personalrats selbst zu gewährleisten. Um eine offene Diskussion innerhalb der Personalvertretung zu ermöglichen, muss unter den Mitgliedern die Gewissheit herrschen, dass Inhalt und Ablauf der - nicht öffentlichen - Personalratssitzungen nicht nach außen getragen werden (vgl. Bieler, ZfPR 1995, 62 [63]). Die Pflicht zur Verschwiegenheit ergänzt die Nichtöffentlichkeit der Personalratssitzungen (§ 35 BPersVG) in notwendiger Weise.

Aus diesem Grunde ist der Gegenstand der Schweigepflicht in § 10 Abs. 1 Satz 1 BPersVG weit gefasst und erstreckt sich auf die dem Personalrat bei seiner Personalvertretungstätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten und Tatsachen. Er geht damit über den Schutz des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses im Sinne von § 79 Betriebsverfassungsgesetz oder den Schutz des Geheimnisses im Sinne von § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und § 353 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB hinaus. Nach übereinstimmender Kommentarliteratur werden die Begriffe "Angelegenheiten und Tatsachen" in einem umfassenden Sinn verstanden. Darunter fallen nicht nur feststehende Sachverhalte, Daten und Fakten, sondern auch komplexe Vorgänge, eingeschlossen Meinungsäußerungen, Spekulationen und Werturteile (vgl. Fischer-Goeres, a.a.O., § 10, Rdnr. 8; Faber, a.a.O., § 10 Rdnr. 13; Ibertz/Widmaier, BPersVG, 10. Aufl. 2004, § 10 Rdnr. 9; Bieler, a.a.O., S. 63). Zu den der Schweigepflicht unterliegenden Gegenständen gehört vor allem auch das Abstimmungsverhalten von Mitgliedern im Personalrat (vgl. Fischer-Goeres, a.a.O., Rdnr. 10; Ibertz/Widmaier, a.a.O., Rdnr. 12; Bieler, ebenda). Die so umschriebene Verschwiegenheitspflicht nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BPersVG schränkt als allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG das Grundrecht des Personalratsmitglieds auf freie Meinungsäußerung in verhältnismäßiger Art und Weise ein (vgl. Faber, a.a.O., Rdnr. 3).

b) Der Beteiligte zu 1) hat gegen diese Schweigepflicht verstoßen. Er hat sich über das Abstimmungsverhalten eines Personalratskollegen innerhalb des Personalrats, das der Verschwiegenheitspflicht unterliegt, gegenüber Außenstehenden geäußert.

Zunächst war das Abstimmungsverhalten von Herrn H... - anders als das Gesamtergebnis der Abstimmung innerhalb der Gruppe - nicht offenkundig im Sinne von § 10 Abs. 2 BPersVG. Des Weiteren war der Beteiligte zu 1) bei seinen Äußerungen gegenüber dem Zeugen A am 7. Juni 2004 nicht gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz BPersVG deshalb von seiner Schweigepflicht befreit, weil der Zeuge A Mitglied im Gesamtpersonalrat ist. Denn danach entfällt die Schweigepflicht nur "gegenüber dem Gesamtpersonalrat". Der Zeuge A - ohnehin nur Ersatzmitglied im Gesamtpersonalrat - ist hier indessen nicht als Teil des Gesamtpersonalrats im Rahmen dessen Zuständigkeit für eine bestimmte Angelegenheit angesprochen worden (vgl. zu dieser Voraussetzung: Fischer-Goeres, a.a.O., K 10, Rdnr. 16; Faber, a.a.O., § 10 Rdnr. 30; Ilbertz/Widmaier, a.a.O., § 10, Rdnr. 17d), sondern vielmehr als der Vorgesetzte des Personalratsmitglieds H.... Dies ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats erwiesen. Der Zeuge hat ausgesagt, dass der Beteiligte zu 1) das Gespräch mit ihm gerade wegen seiner Funktion als Vorgesetzter von Herrn H... gesucht habe (vgl. S. 3 des Sitzungsprotokolls). Der Beteiligte zu 1) hat dies im Laufe der Befragung selbst bestätigt (vgl. S. 6 des Sitzungsprotokolls).

Das Abstimmungsverhalten von Herrn H... bei der Wahl der Gruppensprecherin für die Angestellten sowie bei der eine Woche später stattfindenden Entscheidung über den Antrag auf Abwahl der Gruppensprecherin gehört zu den Gegenständen, über die ein Personalratskollege Stillschweigen zu wahren hat. Zwecks Aufrechterhaltung der kollegialen Vertrauensgrundlage unter den gewählten Personalratsmitgliedern ist es unabdingbar, dass das Verhalten einzelner innerhalb dieses Gremiums nicht nach außen dringt. Nur hierdurch kann vermieden werden, dass von dritter Seite unzulässig Druck auf die gewählten Personalräte ausgeübt wird und dadurch die am gesetzlichen Auftrag orientierte Sacharbeit der Personalvertretung beeinträchtigt wird. Gänzlich wird das kollegiale Vertrauen dann untergraben, wenn das Verhalten eines Kollegen im Personalrat gerade zu dem Zweck offenbart wird, dass sich daraus nachteilige Folgen für das Personalratsmitglied ergeben.

Wegen des Zwecks der Verschwiegenheitspflicht, gerade auch die kollegiale Vertrauensgrundlage im Personalrat zu schützen und zu bewahren, erstreckt sie sich auch auf Vermutungen. Dies gilt selbst dann, wenn die gleichen Vermutungen auch im Kreise von Beschäftigten, die nicht Mitglieder des Personalrats sind, angestellt werden. Den dahingehenden Beweisangeboten des Beteiligten zu 1) brauchte deshalb nicht nachgegangen zu werden. Denn es macht einen entscheidenden Unterschied, ob unbeteiligte Dritte aufgrund des öffentlich bekannt gemachten Ergebnisses der Personalrats- und Gruppenvertreterwahlen Vermutungen über das Abstimmungsverhalten der Mitglieder einer bestimmten Liste anstellen oder ob dies von einem Angehörigen der von dem Schweigegebot geschützten Gruppe geschieht. Denn das Mitglied des Personalrats verfügt regelmäßig über Hintergrundwissen, weshalb die von ihm geäußerte Vermutung eine höhere Glaubwürdigkeit erfährt. Dies zeigt sich hier etwa in der Sicherheit, mit der der Beteiligte zu 1) seine Vermutung über das Abstimmungsverhalten seines Kollegen H... gegenüber dessen Vorgesetzten geäußert hat. Der Beteiligte zu 1) hat darüber hinaus konkret belegt, dass die von ihm geäußerte Vermutung zumindest auch auf Umständen und Informationen beruhte, die er bei seiner Personalvertretungstätigkeit - also "dabei" im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 BPersVG - erfahren hatte. In der zur Antragserwiderung im Verfahren des Eilrechtsschutzes vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 16. August 2004 hat er nämlich die Hintergründe für seine Vermutung wie folgt offenbart:

"Zu dieser Vermutung gelangte ich aufgrund des Umstands, dass Herr H... eine für den 24.5.2004 geplante - und bereits gegenüber Personalratsmitgliedern bekannt gegebene - Dienstreise nicht antrat und entgegen der zunächst angekündigten Absicht doch zu der Sitzung vom 24.5.2004 erschien." (Bl. 80 GA)

Diese Darlegung des Beteiligten zu 1) belegt eindrücklich, dass Vermutungen von Personalratsmitgliedern über das Abstimmungsverhalten ihrer Kollegen ein deutlich anderes Gewicht haben als die von Beschäftigten außerhalb der Personalvertretung angestellten Spekulationen und mit diesen deshalb nicht gleichgesetzt werden können.

Die Verletzung der Schweigepflicht nach § 10 Abs. 1 BPersVG ist dem Beteiligten zu 1) auch vorwerfbar. Er hat den Zeugen A vorsätzlich über seine Vermutungen betreffend das Abstimmungsverhalten seines Kollegen H... unterrichtet. Dabei hätte ihm bewusst sein müssen, dass es ihm als Personalratsmitglied zum Zwecke der Erhaltung der kollegialen Vertrauensgrundlage innerhalb der Personalvertretung verboten war, sich an den innerhalb der Behörde angestellten Spekulationen zu beteiligen. Dies gilt erst recht insofern, als der Beteiligte zu 1) diese Vermutungen noch über den Kreis der daran Beteiligten hinausgetragen hat.

c) Der Beteiligte zu 1) hat seine gesetzlichen Pflichten auch grob im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 BPersVG verletzt. Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht stellt regelmäßig eine solch grobe Pflichtverletzung dar (vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 14. November 2001, ZfPR 2002, 172). Wie oben bereits dargelegt, handelt es sich bei der Schweigepflicht nach § 10 BPersVG um eine Hauptpflicht des Personalvertretungsrechts, weil sie tragende Grundlage für eine offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit der Mitglieder des Personalrats ist.

Die Würdigung der hier vorliegenden Umstände rechtfertigt nach einhelliger Auffassung des Senats keine abweichende Entscheidung. Im Gegenteil ist aufgrund der Beweisaufnahme erwiesen, dass der Beteiligte zu 1) das der Schweigepflicht unterliegende Abstimmungsverhalten seines Kollegen H... nicht nur als solches nach außen getragen hat, sondern dies vielmehr in der Absicht geschehen ist, dass dieses Verhalten nicht ohne nachteilige Folgen für den Kollegen H... bleibt. Nur so ist zu erklären, dass der Beteiligte zu 1) den Zeugen A nachdrücklich gewarnt hat, berufliche Förderungen von Herrn H... zu unterlassen. Die hierzu getätigten Aussagen des Zeugen A sind glaubhaft. Der Beteiligte zu 1) hat sie im Kern nicht angegriffen. Die Anwesenheit des Zeugen in der Sitzung des Verwaltungsgerichts steht der Verwertbarkeit der Aussage nicht entgegen (vgl. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach u.a., ZPO-Kommentar, 63. Aufl. 2005, § 394 Rdnr. 5). Mit diesem Verhalten hat der Beteiligte zu 1) erkennbar eine Zurückhaltung des Zeugen bei beruflichen Fördermaßnahmen zugunsten seines Mitarbeiters H..., wenn nicht beabsichtigt, so doch jedenfalls billigend in Kauf genommen. Wenn der Beteiligte zu 1) darauf hinweist, man müsse auch die Hintergründe - des Verhaltens seines Kollegen H..., aber auch schon das vorausgehende Verhalten des früheren ver.di-Mitglieds G... - mit in die Betrachtung einbeziehen, so vermag dies das Verhalten des Beteiligten zu 1) nicht zu rechtfertigen. Als Mitglied des Personalrats unterliegt er einer besonderen Pflichtenstellung, die sein Recht auf Meinungsäußerung ebenso einschränkt wie seine Befugnis zu gewerkschaftlicher Auseinandersetzung. Dies bedeutet nicht, dass ihm diese Freiheit gänzlich genommen wird. Soweit jedoch Gegenstände betroffen sind, die um der sachorientierten und vertrauensvollen Zusammenarbeit im Personalrat willen der Verschwiegenheit unterliegen, hat sich ein Mitglied des Personalrats Zurückhaltung aufzuerlegen. Diese elementare Verpflichtung eines Personalratsmitglieds hat der Beteiligte zu 1) in grober Weise verletzt.

3. Die Rechtsbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen. Insbesondere weist die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung auf, da sie auf der Beurteilung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles beruht und ihr keine verallgemeinerungsfähigen Rechtsfragen zugrunde liegen. So hat auch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass sich allgemeine Rechtssätze darüber, unter welchen Umständen ein Personalratsmitglied schuldhaft seine Geheimhaltungspflicht grob verletzt und deshalb aus dem Personalrat auszuschließen ist, nicht aufstellen lassen. Dies könne jeweils nur auf der Grundlage der konkreten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Januar 1992, Buchholz 250, § 28 BPersVG Nr. 4 und juris).



Ende der Entscheidung

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