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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 17.11.2003
Aktenzeichen: 5 A 11564/03.OVG
Rechtsgebiete: LPersVG, TzBfG


Vorschriften:

LPersVG § 74
LPersVG § 74 Abs. 2
LPersVG § 74 Abs. 2 Satz 8
LPersVG § 78
LPersVG § 78 Abs. 2
LPersVG 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
LPersVG § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
TzBfG § 14
TzBfG § 14 Abs. 2
Zur Mitbestimmung des Personalrats bei der Befristung des Arbeitsverhältnisses (§ 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2).
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

5 A 11564/03.OVG

In der Personalvertretungssache

wegen Mitbestimmung bei der Einstellung

hier: Zulassung der Berufung

hat der 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz (Fachsenat für Personalvertretungssachen - Land -) aufgrund der Beratung vom 17. November 2003, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Holl Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 8. Juli 2003 wird abgelehnt.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 4.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Beachtlichkeit der Zustimmungsverweigerung des Klägers zur befristeten Einstellung einer Kinderpflegerin. Im November 2002 bat der Beklagte um Zustimmung zum Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses bis Ende Juli 2003 auf der Grundlage von § 14 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG). Als Begründung wurde "Befristung für Elternteilzeit von Frau G..." angegeben. Mündlich wurde die Wahl der Rechtsgrundlage damit begründet, dass danach bei Nichteignung die Vertragsauflösung leichter falle. Der Kläger lehnte die erbetene Zustimmung mit dem Hinweis ab, dass es sich um eine sachlich begründete Befristung handele und der Vertrag deshalb allein auf der Grundlage der Sonderregelung (SR) 2 y BAT "Einstellung aus sachlichem Grund" zu schließen sei. In einer ergänzenden Stellungnahme führte der Kläger aus, dass in einem solchen Fall ein Vorrang zugunsten der für die Beschäftigten günstigeren allgemeinen Befristungsmöglichkeit nach SR 2 y BAT bestehe. Da im Übrigen in anderen Fällen innerhalb der Kindertagesstätten die Einstellungen ebenfalls allein nach SR 2 y BAT vorgenommen würden und Gründe für eine Abweichung im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht worden seien, sei der Personalrat jedenfalls aus diesem Grunde zur Zustimmungsverweigerung berechtigt. Der Beklagte sah die geltend gemachten Verweigerungsgründe als unbeachtlich und damit das Mitbestimmungsverfahren als beendet an. Das Verwaltungsgericht stellte auf die daraufhin erhobene Klage fest, dass der Beklagte durch den Abbruch des Mitbestimmungsverfahrens das Mitbestimmungsrecht des Klägers verletzt habe. Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung.

II.

Der Zulassungsantrag hat in der Sache keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO nicht vorliegen.

An der Richtigkeit der Auffassung des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf, weil bereits aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstandes ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens hinreichend sicher beurteilt werden kann, dass die Berufung ohne Erfolg bleiben müsste. Auch nach Auffassung des Senats war die Zustimmungsverweigerung durch den Kläger nicht unbeachtlich mit der Folge, dass sein Mitbestimmungsrecht durch den Abbruch des Verfahrens verletzt worden ist. Das Ergebnis der rechtlichen Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils erweist sich damit nicht als offen, so dass eine Zulassung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht in Betracht kommt (vgl. OVG Rh-Pf, Beschluss vom 20. November 2000, NVwZ 2001, 933 [934]; Seibert, in: Sodan/Zeekow, VwGO, § 124 Rdnr. 154; Happ, in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl., 2000, § 124 Rdnr. 67).

Das Verwaltungsgericht hat zunächst zutreffend ausgeführt, dass die Zustimmungsverweigerung auch ohne gesetzliche Bestimmung der dafür zugelassenen Gründe im Personalvertretungsgesetz für Rheinland-Pfalz dann nicht beachtlich ist mit der Folge der Zustimmungsfiktion gemäß § 74 Abs. 2 Satz 8 LPersVG, wenn die von der Personalvertretung angegebenen Gründe offensichtlich außerhalb der Mitbestimmung liegen. Dem Personalrat ist es nicht gestattet, von einer Mitbestimmungsbefugnis ohne inhaltlichen Bezug zu einem von der Maßnahme berührten gesetzlichen Mitbestimmungstatbestand Gebrauch zu machen. An einem derartigen Bezug fehlt es, wenn die vom Personalrat angeführten Gründe sich dem gesetzlichen Mitbestimmungstatbestand, dessen Inhalt sowie insbesondere dem Sinn und Zweck des gesetzlichen Mitbestimmungserfordernisses offensichtlich nicht mehr zuordnen lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. September 1995, NVwZ 1997, 76; Beschluss des Senats vom 23. September 1998 - 5 A 11801/98.OVG -).

Das Verwaltungsgericht hat ferner zutreffend dargelegt, dass das von dem Kläger in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Auswahl der Rechtsgrundlage bei der Befristung eines Arbeitsverhältnisses und die hierzu geltend gemachten Verweigerungsgründe nicht offensichtlich außerhalb des Mitbestimmungstatbestandes in § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LPersVG liegen. Der durch das Personalvertretungsgesetz vom 8. Dezember 1992 (GVBl S. 333) eingeführte § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LPersVG hat die Mitbestimmungsbefugnisse der Personalvertretung deutlich erweitert. Nach dem Personalvertretungsgesetz vom 5. Juli 1977 (GVBl, S. 213) war die Mitbestimmung ebenso wie im heutigen Personalvertretungsrecht des Bundes und vieler anderer Bundesländer nur bei der "Einstellung" eröffnet (vgl. § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LPersVG n.F.). Dieser Mitbestimmungstatbestand bezieht sich nur auf die Eingliederung der einzustellenden Person, die von ihr auszuübende Tätigkeit und - bei Angestellten und Arbeitern - auf deren Eingruppierung, hingegen nicht auf Art und Inhalt des zu begründenden Beschäftigungsverhältnisses. Einzelvertragliche Abreden betreffend die Befristung des Arbeitsvertrages unterliegen danach nicht der Mitbestimmung bei Einstellungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. September 1995, a.a.O.).

Diese Einschränkung der Mitbestimmungsbefugnis hat der Landesgesetzgeber mit § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LPersVG aufgegeben und das Mitbestimmungsrecht - ähnlich dem LPersVG NRW 1984 - auch auf die inhaltliche Ausgestaltung von Arbeitsverhältnissen erstreckt (so: Ruppert, PersVG, § 78, Rdnr. 169; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT-Kommentar, Bd. 5, SR 2 y, Anm. 24.1). Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung besteht der Zweck der Mitbestimmung bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen zum einen darin, dem Personalrat ein Mitprüfungsrecht einzuräumen, ob die beabsichtigte Befristung den Grundsätzen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle genügt und mithin wirksam ist. Darüber hinaus soll dem Personalrat auch ein Mitentscheidungsrecht zukommen, ob selbst beim Vorliegen eines sachlichen Grundes im Interesse des Arbeitnehmers von einer Befristung des Arbeitsverhältnisses abgesehen werden kann (so: OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 1997, PersR 1997, 368; BAG, Urteil vom 8. Juli 1998, PersR 1998, 483 - ebenfalls zu § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LPersVG NRW -; LAG Rh-Pf, Urteil vom 28. Februar 2001, NZA-RR 2002, 166 - zu § 78 Abs. 2 Nr. 2 LPersVG Rh-Pf -).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung, die als solche auch von dem Beklagten gebilligt wird (vgl. S. 2 des Klageerwiderungsschriftsatzes), bewegt sich der Kläger mit den von ihm für die Zustimmungsverweigerung angeführten Gründen nicht offensichtlich außerhalb des Mitbestimmungstatbestandes des § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LPersVG. Die dem Personalrat zuerkannte Befugnis, die Voraussetzungen für eine Befristungsabrede mit zu überprüfen, erstreckt sich notwendig auch auf die hierfür herangezogene Rechtsgrundlage, im vorliegenden Fall also auf § 14 Abs. 2 TzBfG. Soweit der Kläger die Anwendbarkeit dieser Rechtsgrundlage bezweifelt und seine Zustimmungsverweigerung zunächst damit begründet hat, bei Vorliegen eines Sachgrundes (hier der Vertretung einer anderen Erzieherin) sei zwingend ein Arbeitsverhältnis allein nach den Sonderregelungen (SR) 2 y BAT zu vereinbaren, teilt der Senat allerdings die Bedenken des Beklagten, dass den tarifvertraglichen Bestimmungen eine solche Vorrangregelung zu entnehmen ist. Die Protokollnotiz Nr. 6 zu Nr. 1 SR 2 y BAT erlaubt ohne nähere Einschränkung, dass abweichend von der Protokollnotiz Nr. 1 (Zeitverträge nur bei Vorliegen sachlicher Gründe) Arbeitsverträge nach § 14 Abs. 2 und 3 TzBfG begründet werden können. Die Befristungsmöglichkeit ohne sachlichen Grund nach Protokollnotiz Nr. 6 zu Nr. 1 SR 2 y BAT i.V.m. § 14 Abs. 2 TzBfG ist also zu der Befristungsmöglichkeit nach Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2 y BAT hinzugetreten. Hierdurch sollten auch für den öffentlichen Dienst zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten erschlossen werden, wie das Bundesarbeitsgericht in dem vom Kläger zitierten Urteil vom 27. September 2000 (BAGE 95, 377) erläutert hat. Ein Anreiz für mehr Beschäftigung wird aber schon dadurch erreicht, dass die bislang verlangten Voraussetzungen für den Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses nicht mehr geprüft, ermittelt und dargelegt werden müssen, selbst wenn sie tatsächlich vorliegen sollten. Würde man das Gebrauchmachen von der Ermächtigung in Protokollnotiz Nr. 6 zu Nr. 1 SR 2 y BAT von der (negativen) Voraussetzung abhängig machen, dass tatsächlich keine sachlichen Gründe für eine Befristung vorliegen, würde dies dem erkennbaren Zweck dieser Regelung zuwider laufen.

Dies ändert jedoch nichts daran, dass auch ohne Annahme einer zwingenden Vorrangregelung beim Vorliegen sachlicher Befristungsgründe eine Wahlmöglichkeit besteht, auf welcher Rechtsgrundlage das Arbeitsverhältnis vereinbart werden soll. Der Kläger hat seine Zustimmungsverweigerung im vorliegenden Fall neben dem Argument des rechtlich zwingenden Vorrangs zu Gunsten einer Regelung nach SR 2 y BAT zusätzlich damit begründet, dass er die von dem Beklagten gewählte Rechtsgrundlage jedenfalls für nicht angemessen hält. Er hat dies mit den nachteiligen Regelungen eines Vertragsabschlusses nach Protokollnotiz Nr. 6 zu Nr. 1 SR 2 y BAT i.V.m. § 14 Abs. 2 TzBfG (zwingende Probezeit mit Kündigungsmöglichkeit) und mit der bisherigen Praxis in anderen Fällen (Vertragsabschluss allein nach SR 2 y BAT) begründet (vgl. die erläuternde Stellungnahme des Klägers vom 17. Dezember 2002). Mit diesem Einwand des Klägers und der damit verbundenen Absicht im Interesse der Arbeitnehmer auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses Einfluss zu nehmen, bewegt er sich im Rahmen der Mitbestimmungsbefugnisse, wie sie ihm nach der oben dargestellten Rechtsprechung zuerkannt worden sind. Die von ihm genannten Zustimmungsverweigerungsgründe liegen jedenfalls nicht offensichtlich außerhalb des Mitbestimmungstatbestandes gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LPersVG. Dem steht schließlich nicht entgegen, dass die bei der Stadt M... gebildete Einigungsstelle in einem anderen Verfahren entschieden hat, dass dem Personalrat ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Rechtsgrundlage für eine befristete Einstellung nicht zusteht. Der Beschluss der Einigungsstelle vom 26. September 2002 vermochte insofern keine abschließende Klärung herbeizuführen. Eine offensichtliche Einschränkung der Mitbestimmungsbefugnisse des Personalrats hinsichtlich der Wahl der Rechtsgrundlage ist auch dem von dem Beklagten zitierten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. November 1995 (PersR 1996, 155) nicht zu entnehmen. Denn die dort getroffene Feststellung, dem Personalrat solle keine Einflussnahme auf den Inhalt des Arbeitsvertrages eröffnet werden, ist auf den Mitbestimmungstatbestand "Einstellung" bezogen, kann also nicht auf die vom Landesgesetzgeber bewusst vorgenommene Erweiterung des Mitbestimmungsrechts auch auf die Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht übertragen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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