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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 21.01.2003
Aktenzeichen: 6 A 10564/02
Rechtsgebiete: LMBG, NLV, EGRL, EGVO


Vorschriften:

LMBG § 17
LMBG § 17 Abs. 1
LMBG § 17 Abs. 1 Nr. 5
LMBG § 17 Abs. 1 Nr. 5 b
NLV § 5
NLV § 6
EGRL 2000/13
EGVO 258/97
EGVO 1139/98
EGVO 49/2000
Das Verbot irreführender Kennzeichnungen von Lebensmitteln gilt auch im Anwendungsbereich der Neuartigen Lebensmittel und Lebensmittelzutaten-Verordnung (NLV).

Die Angabe "ohne Gentechnik" i.S.d. § 5 NLV stellt nicht nur Anforderungen an die materielle Beschaffenheit eines Lebensmittels, sondern auch an die Gentechnikfreiheit der Verfahren zu dessen Erzeugung, Lagerung und Weiterbehandlung.

Hebt sich ein Erzeugnis hinsichtlich verfahrensmäßiger Vorkehrungen von anderen, inhaltlich ebenfalls gentechnikfreien Produkten ab, ist die Angabe "ohne Gentechnik" keine Werbung mit einer Selbstverständlichkeit.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 A 10564/02.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Lebensmittelrechts

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2003, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Hehner Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Beuscher Richter im Nebenamt Prof. Dr. Robbers ehrenamtliche Richterin Hausfrau Hirsch ehrenamtlicher Richter Industriekaufmann Glatter

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. November 2001 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz - 5 K 695/01.KO - wird festgestellt, dass die Klägerin in der Kennzeichnung des von ihr in Verkehr gebrachten Basmati-Reises aus Indien den Zusatz "ohne Gentechnik" verwenden darf, wenn die Voraussetzungen der §§ 5, 6 Neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten-Verordnung vorliegen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, eine Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin importiert und vertreibt unter anderem einen in Indien angebauten Basmati-Reis aus kleinbäuerlicher Produktion, der auf der Verpackung mit dem Aufkleber "ohne Gentechnik" gekennzeichnet ist. Im Rahmen der Lebensmittelkontrolle wurde dies vom Beklagten als irreführend beanstandet: Zwar hätten sich keine Hinweise auf gentechnisch veränderte Bestandteile in dem Reis gefunden, die Angabe "ohne Gentechnik" sei jedoch zur Täuschung des Verbrauchers geeignet, weil mit einer Selbstverständlichkeit geworben werde; in der EU befinde sich nämlich ohnehin kein gentechnisch veränderter Reis im Handel.

Hinsichtlich des seinem Urteil im Übrigen zugrundeliegenden Sachverhalts nimmt der Senat gemäß § 130 b Satz 1 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug, dessen tatsächliche Feststellungen er sich in vollem Umfang zu Eigen macht.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage, soweit es sie für zulässig hielt, im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin könne die begehrte Feststellung, die Kennzeichnung ihres Basmati-Reises mit dem Aufkleber "ohne Gentechnik" sei unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, nicht beanspruchen. In der EU dürfe gentechnisch veränderter Reis nicht in den Verkehr gebracht werden, weil eine Zulassung dafür weder beantragt noch erteilt worden sei. Beim Durchschnittsverbraucher, der dies nicht wisse, könne durch den Packungsaufkleber "ohne Gentechnik" der Irrtum erweckt werden, der von der Klägerin vertriebene Reis weise Eigenschaften auf, über die nicht jeder Reis, der in der EU vertrieben werde, verfüge. Der Aufkleber dürfe auch nicht mit einem erläuternden Hinweis auf die Rechtslage verwendet werden.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter. Da der von ihr vertriebene Basmati-Reis alle Voraussetzungen des Lebensmittelrechts für nicht gentechnisch veränderte Lebensmittel erfülle, dürfe sie mit dem Packungsaufdruck "ohne Gentechnik" werben. Mit dieser Kennzeichnung habe der Verordnungsgeber gerade einen "parallelen Markt" gentechnikfreier Produkte unabhängig davon ermöglichen wollen, ob gentechnisch veränderte Lebensmittel bereits zugelassen seien oder nicht. Im Übrigen stelle der Aufdruck "ohne Gentechnik" keine Werbung mit Selbstverständlichkeiten dar. Denn der Verbraucher in Deutschland könne nicht sicher sein, dass kein gentechnisch veränderter Reis in der EU in den Handel gebracht werde. Außerdem beziehe sich die Kennzeichnung "ohne Gentechnik" nicht nur auf die Beschaffenheit des Endprodukts, sondern zertifiziere ein Überwachungsverfahren. Die Klägerin unternehme besondere Anstrengungen, um sicherzustellen, dass Gentechnik weder bei der Düngung der Pflanzen noch bei der Lagerung des Getreides oder dem Transport zum Einsatz komme.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren Klageanträgen erster Instanz zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die verwaltungsgerichtliche Entscheidung und bekräftigt seine Auffassung, die Klägerin werbe mit einer Selbstverständlichkeit, wenn sie ihren Basmati-Reis mit dem Aufkleber "ohne Gentechnik" versehe. Es sei zwar zutreffend, dass diese Kennzeichnung verfahrensbezogen verstanden werden müsse und damit über die Gentechnikfreiheit der Zutaten hinaus reichende Anforderungen an ein Lebensmittel stelle. Ein solcher Verfahrensbezug könne der Aufmachung des Basmati-Reises der Klägerin aber nicht entnommen werden. Insbesondere fehle jeder Hinweis beispielsweise auf den Nichteinsatz von gentechnisch veränderten Hilfsstoffen. Demgegenüber werde in der Packungsaufschrift der Kampf der Navdanya-Stiftung, der sich die Erzeuger des Reises angeschlossen hätten, gegen genetische Veränderungen von Pflanzen und Saatgut hervorgehoben, so dass nach dem Gesamteindruck der Aufmachung unberechtigte Angstgefühle beim Verbraucher geweckt würden.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Gerichtsakte und den vorgelegten Verwaltungsvorgängen des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Anders als das Verwaltungsgericht kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass die Klage mit dem Hauptantrag begründet ist. Auf die hilfsweise geltend gemachten Begehren braucht daher nicht eingegangen zu werden.

Die Klägerin hat Anspruch auf die Feststellung, dass der von ihr vertriebene Basmati-Reis mit dem Aufkleber "ohne Gentechnik" vertrieben werden darf, wenn die Voraussetzungen der §§ 5 und 6 der Verordnung zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten und über die Kennzeichnung von Erzeugnissen aus gentechnisch veränderten Sojabohnen und gentechnisch verändertem Mais sowie über die Kennzeichnung ohne Anwendung gentechnischer Verfahren hergestellter Lebensmittel (Neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten-Verordnung) in der Fassung der Neubekanntmachung vom 14. Februar 2000 (BGBl. I S. 123 m.sp.Ä.- NLV -) erfüllt sind. Eine solche Kennzeichnung darf zwar nicht zur Täuschung geeignet sein (1.). Der im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Aufkleber "ohne Gentechnik" ist aber - anders als das Verwaltungsgericht angenommen hat - nicht irreführend (2.).

1.

In dem angefochtenen Urteil ist zutreffend ausgeführt worden, dass die Angabe "ohne Gentechnik" als Werbung mit einer Selbstverständlichkeit trotz Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 5, 6 NLV eine Irreführung darstellen kann. Denn die allgemeinen Vorschriften des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes i.d.F.d.B. vom 9. September 1997 (BGBl. I S. 2296 - LMBG -) über das Verbot irreführender Kennzeichnungen von Lebensmitteln gelten auch im Anwendungsbereich der NLV (Krohn, ZLR 1998, 257 [258]; Streinz, ZLR 1998, 53 [62]). Die Bestimmung des § 17 Abs. 1 Nr. 5 b LMBG verbietet zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen über die Herkunft der Lebensmittel, ihre Menge, ihr Gewicht, über den Zeitpunkt der Herstellung oder Abpackung, über ihre Haltbarkeit oder über sonstige Umstände, die für ihre Bewertung mitbestimmend sind. Diese gesetzliche Regelung könnte hier allenfalls aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen unanwendbar sein. Dies ist indessen nicht der Fall. Vielmehr ist § 17 Abs. 1 Nr. 5 b LMBG auszulegen im Lichte der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl. L 109 S. 29). Deren gesonderte Umsetzung in nationales Recht wurde mit der Begründung unterlassen, der Inhalt der Richtlinie sei in § 17 Abs. 1 Nr. 5 b LMBG bereits enthalten (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Kommentar, Stand: 07/2001, C 100, § 17 Abs. 1 Nr. 5 Rz. 213 b). Art. 2 Abs. 1 Buchst. a) iii) der Richtlinie 2000/13/EG verbietet u. a. eine Etikettierung, die geeignet ist, den Käufer irrezuführen, und zwar insbesondere, indem zu verstehen gegeben wird, dass das Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel über dieselben Eigenschaften verfügen. Etwas hiervon Abweichendes kann nicht dem 10. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten (ABl. L 43 S. 1) entnommen werden, wonach nichts den Lieferanten daran hindern kann, den Verbraucher auf der Etikettierung eines Lebensmittels oder einer Lebensmittelzutat davon zu unterrichten, dass das betroffene Erzeugnis kein neuartiges Lebensmittel im Sinne dieser Verordnung darstellt oder dass die in Art. 1 Abs. 1 angegebenen Verfahren zur Herstellung eines neuartigen Lebensmittels in der Herstellung dieses Lebensmittels oder dieser Lebensmittelzutat nicht angewandt wurden. In ähnlicher Weise formuliert ist der 20. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 1139/98 des Rates vom 26. Mai 1998 über Angaben, die zusätzlich zu den in der Richtlinie 79/112/EWG aufgeführten Angaben bei der Etikettierung bestimmter, aus genetisch veränderten Organismen hergestellter Lebensmittel vorgeschrieben sind (ABl. L 159 S. 4). Danach berührt diese Verordnung nicht das Recht des Herstellers, in der Etikettierung seiner Produkte andere als in dieser Verordnung festgelegte Angaben zu machen (z.B. über das Nichtvorhandensein von Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten aus genetisch verändertem Soja und Mais bzw. über das Vorhandensein solcher Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, wenn dies nicht mit wissenschaftlichen Mitteln, aber auf anderem Wege nachgewiesen werden kann). Solche gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften vorangestellte Erwägungsgründe enthalten selbst keine Regelung; ihr Inhalt ist (nur) für die Auslegung der betroffenen Rechtsvorschrift von Bedeutung (vgl. Streinz, a.a.O., S. 61). Für die Zulässigkeit einer im Einzelfall irreführenden Kennzeichnung "ohne Gentechnik" ist diesen Erwägungsgründen nichts zu entnehmen. Im Übrigen knüpft § 5 NLV nach der amtlichen Begründung (BR-Drucks. 551/98 vom 5. Juni 1998, Begründung zu Art. 1 Nr. 3) an den 10. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 258/97 an, ist also gerade die vom nationalen Gesetzgeber daraus gezogene Konsequenz. Wie dieser Begründung des weiteren entnommen werden kann, lässt § 5 NLV die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften zum Schutz des Verbrauchers vor Täuschung und Irreführung, auch durch eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten, ausdrücklich unberührt.

2.

Die Kennzeichnung des von der Klägerin vertriebenen Basmati-Reises, der von Kleinbauern, die sich der Navdanya-Stiftung angeschlossen haben, erzeugt ist, mit dem Aufdruck "ohne Gentechnik" stellt unter den Voraussetzungen der §§ 5, 6 NLV keine Werbung mit einer Selbstverständlichkeit dar (a) und ist auch im Übrigen nicht irreführend (b).

a) Die Bestimmung des § 17 Abs. 1 Nr. 5 b LMBG verbietet - wie bereits erwähnt - zur Täuschung geeignete Bezeichnungen. Dazu zählen auch inhaltlich richtige Aufmachungen, die den Adressaten unter Hervorhebung einer Produkteigenschaft, die nur scheinbar etwas Besonderes ist, täuschen (Krohn, a.a.O. S. 269). Beim Verbraucher kann dadurch der Eindruck entstehen, das mit einer bestimmten Eigenschaft beworbene Erzeugnis unterscheide sich insofern von vergleichbaren Produkten auf dem Markt. Wer beispielsweise eine gesetzlich vorgeschriebene Produkteigenschaft besonders betont, wirbt mit einer Selbstverständlichkeit (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O. C 100 § 17 Rz 262 f.). Zulässig ist demgegenüber die Hervorhebung des Besonderen (Feldmann, ZLR 1997, 493 [499]. Nach diesen Maßstäben weist der von der Klägerin verwendete Aufkleber "ohne Gentechnik" nicht auf eine selbstverständliche Eigenschaft ihres Basmati-Reises hin, obwohl gentechnisch veränderter Reis in der Europäischen Union nicht zugelassen ist und sich deshalb solcher Reis nicht in nennenswertem Umfang im Handel befinden dürfte. Der von der Klägerin vertriebene Reis hebt sich, wenn sämtliche Voraussetzungen der §§ 5, 6 NLV erfüllt werden, im Hinblick auf verfahrensmäßige Vorkehrungen, die die Kennzeichnung "ohne Gentechnik" rechtfertigen, von anderen derartigen Erzeugnissen ab.

Die Angabe "ohne Gentechnik" stellt nicht nur Anforderungen an die materielle Beschaffenheit eines Lebensmittels, sondern auch an die Gentechnikfreiheit der Verfahren zu dessen Erzeugung, Lagerung und Weiterbehandlung. Dies folgt bereits aus der Formulierung des § 5 NLV, dessen Satz 1 mit den Worten beginnt:

"Soll ein Lebensmittel mit einer Angabe in den Verkehr gebracht werden, die auf die Herstellung des Lebensmittels ohne Anwendung gentechnischer Verfahren hindeutet, darf dies nur mit der Angabe 'ohne Gentechnik' geschehen und nur, wenn ......." Wenn danach die Kennzeichnung "ohne Gentechnik" auf "die Herstellung des Lebensmittels ohne Anwendung gentechnischer Verfahren hindeutet", hängt die Verwendung dieser Kennzeichnung neben der inhaltlichen Beschaffenheit eines Lebensmittels zusätzlich von einer formellen Voraussetzung ab, nämlich der Beachtung verfahrenstechnischer Anforderungen. Gentechnisch veränderte Organismen dürfen während des gesamten Erzeugungsprozesses eines in dieser Weise gekennzeichneten Lebensmittels nicht eingesetzt worden sein (vgl. Loosen, ZLR 2000, 434 [456]). Werden bei der Erzeugung pflanzlicher Lebensmittel aber Düngemittel, Pflanzenschutzmittel oder Vorratsschutzmittel verwendet, die aus gentechnisch veränderten Organismen bestehen oder aus solchen hergestellt sind, ist die Angabe "ohne Gentechnik" unzulässig (Zipfel/Rathke, a.a.O. C 151 § 5 Rz 16). Dementsprechend wird für die Auslobung der "Gentechnikfreiheit" gefordert, dass nicht nur der Inverkehrbringer selbst, sondern auch seine Vorlieferanten nachprüfbar unter Angabe der Produktions- und Lieferwege zusichern, keine "Gentechnik" eingesetzt zu haben (Streinz, a.a.O. S. 65). Bestätigt wird dieses Ergebnis durch § 5 Satz 2 NLV. Danach steht der Kennzeichnung "ohne Gentechnik" nicht entgegen, dass Bestandteile aus der gentechnischen Veränderung unbeabsichtigt und in unvermeidbaren Spuren im Laufe der Herstellung, des In-Verkehr-Bringens oder des Behandelns in ein Lebensmittel gelangt sind. Wenn demnach andere als unvermeidbare Spuren von gentechnisch verändertem Material nicht vorhanden sein dürfen, müssen verfahrensmäßige Vorkehrungen zur Vermeidung einer (unbeabsichtigten) "Vermischung" getroffen werden. In diesem Zusammenhang hat die Klägerin ausdrücklich vorgetragen, der von ihr vertriebene Basmati-Reis zeichne sich durch eine Besonderheit aus, die in der Angabe "ohne Gentechnik" zum Ausdruck komme. Sie lasse nicht nur ausschließlich "herkömmliche" Reissorten anbauen, sondern habe sich von ihren Vertragspartnern auch vorsorgende Maßnahmen gegen "Verunreinigungen" des Basmati-Reises mit gentechnisch veränderten Organismen beim Anbau, bei der Lagerung und dem Transport versprechen lassen. Dass der in der Europäischen Union im Übrigen auf dem Markt befindliche Reis in ähnlicher Weise unter Ausschluss von Vermischungen mit gentechnisch verändertem Material erzeugt, gelagert und transportiert wird, ist nicht ersichtlich. Man muss vielmehr beispielsweise von zufälligen "Kontaminationen" während des Anbaus, der Ernte, des Transports, der Lagerung und der Verarbeitung mit gentechnisch veränderten Organismen ausgehen, auch wenn die Verantwortlichen genetisch veränderte Sojabohnen oder genetisch veränderten Mais oder Produkte daraus nicht als Ausgangsprodukte für ihre Lebensmittelzutaten verwenden (vgl. 4. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 49/2000 der Kommission vom 10. Januar 2000 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1139/98, ABl. L 6 S. 13). Der Pressemitteilung des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft vom 6. Dezember 2002 ist darüber hinaus zu entnehmen, dass am 28. November 2002 eine neue gemeinschaftsrechtliche Kennzeichnungs-Regelung beschlossen wurde, wonach - sobald die neue Regelung in Kraft ist - Lebens- und Futtermittel, bei deren Herstellung absichtlich gentechnisch veränderte Bestandteile verwendet werden, auf jeden Fall mit einem Hinweis darauf gekennzeichnet werden müssen; technisch unvermeidbare oder zufällige gentechnisch veränderte Bestandteile in Lebens- oder Futtermitteln führen danach erst ab einer Menge von 0,9 Prozent zur Kennzeichnungspflicht. Im Vergleich mit einem ebenfalls legal auf dem europäischen Markt angebotenen, aber zufällig mit genetisch verändertem Material im Umfang von z.B. 0,8 Prozent versetzten Reis herkömmlicher Sorten verfügt der von der Klägerin vertriebene Basmati-Reis über einen verfahrensmäßigen Vorzug, wenn die Voraussetzungen der §§ 5, 6 NLV erfüllt sind.

b) Zu einer Irreführung des Verbrauchers führt die Angabe "ohne Gentechnik" auch nicht etwa deshalb, weil die Klägerin auf der Packung nicht erläutert, das von ihr vertriebene Produkt zeichne sich durch besondere Sicherheitsvorkehrungen gegen Vermischungen mit gentechnisch veränderten Organismen bei Anbau, Lagerung und Transport aus. Solche zusätzlichen Angaben sind - soweit überhaupt zulässig - nicht erforderlich.

Wie in dem angefochtenen Urteil bereits zutreffend ausgeführt wurde, ist dem Wortlaut des § 5 Satz 1 NLV zu entnehmen, dass ein Lebensmittel, das mit einer Angabe in den Verkehr gebracht werden soll, die auf die Herstellung des Lebensmittels ohne Anwendung gentechnischer Verfahren hindeutet, nur mit der Angabe "ohne Gentechnik" gekennzeichnet werden darf. Erläuternde oder gar einschränkende Zusätze sind ebenso wenig erlaubt wie abweichende Formulierungen ( BR-Drs. 551/98, Änderungsbegründung zu Art. 1 Nr. 3; vgl. auch Okonek, ZLR 2000, 736; Krohn, a.a.O., S. 268; Loosen, a.a.O., S. 454). Selbst wenn man ergänzende Produkthinweise, die nicht im unmittelbaren optischen Zusammenhang mit der Angabe "ohne Gentechnik" stehen, für zulässig hält, sind sie nicht notwendig, um eine Irreführung des Verbrauchers auszuschließen. Aufklärender Hinweise auf normativ festgelegte Eigenschaften eines Lebensmittels bedarf es nämlich nicht (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O. C 100 § 17 Rz 264). Dementsprechend können ausdrücklich zugelassene Angaben auch dann nicht beanstandet werden, wenn die gesetzmäßige Bezeichnung tatsächlich zur Täuschung geeignet ist (Zipfel/Rathke, a.a.O. C 100 § 17 Rz 216). Eine Fehlvorstellung des Verbrauchers, der nicht weiß, dass die Kennzeichnung "ohne Gentechnik" neben inhaltlichen auch formellen Voraussetzungen unterliegt, ist deshalb rechtlich nicht von Bedeutung. Der Verbraucher, dessen Irrtum auf Unkenntnis der maßgebenden bezeichnungsrechtlichen Vorschriften beruht, wird nicht durch die ordnungsgemäße Kennzeichnung irregeführt.

Angesichts dessen könnte die Kennzeichnung "ohne Gentechnik" allenfalls bedenklich sein, wenn sie mit den weiteren auf der Packung befindlichen Erläuterungen zu den Bemühungen der Navdanya-Stiftung für den Erhalt traditioneller Reissorten und über ihren Kampf gegen die genetische Veränderung von Saatgut und Pflanzen nicht im Einklang stehen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Senat teilt die Auffassung des Beklagten nicht, nach dem Gesamteindruck der Aufmachung des von der Klägerin vertriebenen Basmati-Reises beziehe sich die Angabe "ohne Gentechnik" lediglich auf dessen "materielle" Freiheit von gentechnisch veränderten Organismen. Vielmehr erscheinen die Hinweise auf die erwähnten Bemühungen der Navdanya-Stiftung schon angesichts der optischen Hervorhebung der Angabe "ohne Gentechnik" als von nur untergeordneter Bedeutung.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revisionszulassung beruht auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Unter welchen Umständen die Angabe "ohne Gentechnik" eine Werbung mit einer Selbstverständlichkeit darstellt, ist grundsätzlich bedeutsam.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren im zweiten Rechtszug auf 5.797,79 € festgesetzt (§§ 13, 14 GKG).

Ende der Entscheidung

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