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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 21.01.2004
Aktenzeichen: 6 A 11743/03.OVG
Rechtsgebiete: VwGO, GewO


Vorschriften:

VwGO § 124a
VwGO § 124a Abs. 4
VwGO § 124a Abs. 4 S. 4
GewO § 14
GewO § 14 Abs. 8
GewO § 14 Abs. 8 S. 1
GewO § 14 Abs. 8 S. 2
LPresseG § 4
LPresseG § 4 Abs. 1
Wird ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch geltend gemacht, der auf ein künftiges Ereignis bezogen ist, muss ein besonderes, d.h. gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzbedürfnis vorliegen (vgl. BVerwGE 82, 76). Eine vorbeugende Unterlassungsklage ist nicht zulässig, wenn zwar Rechtsverletzungen bereits erfolgt, weitere aber nicht zu besorgen sind (im Anschluss an BVerwGE 34, 69 und BVerwGE 64, 298). Stellt eine Körperschaft des öffentlichen Rechts klar, dass sie die maßgeblichen Rechtsvorschriften künftig einhalten wird, kann von einer Wiederholungsgefahr im Allgemeinen nicht ausgegangen werden.

Als Rechtsgrundlage für die Übermittlung von Daten aus der Gewerbeanzeige an einen Journalisten, einen Rechtsanwalt und eine gemäß §§ 1896 ff. BGB zur Betreuerin bestellte Person kommt § 14 Abs. 8 Satz 2 GewO unter den dort normierten Voraussetzungen in Betracht.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

6 A 11743/03.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Gewerberecht (Weitergabe personenbezogener Daten)

hier: Zulassung der Berufung

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 21. Januar 2004, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Hehner Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Beuscher

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 12. September 2003 - 7 K 681/03.NW - zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 4.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Keiner der angeführten Zulassungsgründe ist in einer den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - genügenden Weise dargelegt worden.

Dies gilt zunächst für die geltend gemachte Grundsatzbedeutung, die nach dem Zulassungsantrag der Frage zukommen soll, "wie weit eine sog. Negativauskunft gehen kann". Damit ist weder die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage noch dargetan, dass sie über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Auslegung und Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat.

An der hinreichenden Darlegung fehlt es aber auch insoweit, als sich der Kläger auf die Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 4 und 5 VwGO stützt und sodann unter den Gliederungspunkten I. und II. eine Reihe von Einwänden gegen das angefochtene Urteil formuliert, ohne sie jedoch einem der zuvor pauschal genannten Zulassungsgründe eindeutig zuzuordnen. Das Darlegungserfordernis verlangt jedoch, dass sich der Zulassungsantrag mit Blick auf den bezeichneten Zulassungsgrund konkret mit der das angefochtene Urteil tragenden Begründung auseinandersetzt. Die mit dem Darlegungserfordernis und dem gleichzeitig eingeführten Anwaltszwang (§ 67 Abs. 1 VwGO) bezweckte Entlastung des Rechtsmittelgerichts würde nicht erreicht, wenn das Gericht gehalten wäre, aus einer Reihe von - wie hier - ohne konkreten Bezug auf einen Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO erhobenen Einwendungen diejenigen Darlegungen herauszusuchen, die die im Zulassungsantrag lediglich zusammenfassend bezeichneten Zulassungsgründe betreffen könnten, und sie einzelnen Zulassungsgründen zuzuordnen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom 7. März 1997 -10 B 10670/97.OVG - und vom 31. Mai 2001 - 6 A 11870/00.OVG -).

Soweit der Kläger ausdrücklich rügt, das angefochtene Urteil weiche von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Februar 1990 (DVBl 1990, 707 ff.) ab, in dem es um den Anspruch auf Auskunft gegenüber einer Verfassungsschutzbehörde geht, bezeichnet er keinen entscheidungstragenden Rechtssatz dieses Urteils, der im Widerspruch zu einem ebensolchen des verwaltungsgerichtlichen Urteils steht. Die Divergenzrüge genügt damit dem Darlegungserfordernis nicht.

Ebenso wenig lässt sich dem Zulassungsantrag, der eine Beweisaufnahme darüber vermisst, ob seitens der Beklagten auch telefonische Auskünfte erteilt wurden, ein Verfahrensfehler im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO entnehmen, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Einer Beweiserhebung über diese Frage bedurfte es nämlich nicht, da das Verwaltungsgericht insoweit eine Wiederholungsgefahr - wie noch auszuführen ist - zutreffend verneint hat.

Selbst wenn man dem Zusammenhang der Einwände des Klägers entnimmt, er mache im Wesentlichen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung geltend, ist der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht gegeben. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis die Unterlassungsklage zu Recht abgewiesen. Denn sie ist unzulässig. Auch bei einer Unterlassungsklage muss die Maßnahme, deren Unterlassung begehrt wird, zu einer Rechtsverletzung führen können (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. Oktober 1994, NVwZ-RR 1995, 342, auch veröffentlicht in ESOVGRP). Mit dem vom Kläger ausdrücklich gestellten Antrag, die Beklagte zu verpflichten, in Zukunft keine Auskünfte über personenbezogene gespeicherte Daten über ihn, insbesondere über seine geschäftlichen Aktivitäten, an Privatleute mitzuteilen, konnte die Klage unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt uneingeschränkt zum Erfolg führen. Denn § 14 Abs. 8 Gewerbeordnung - GewO - ermächtigt die Beklagte unter dort näher geregelten Voraussetzungen zu Auskünften aus der Gewerbeanzeige auch an Private. Diese Vorschrift geht nach § 2 Abs. 7 Satz 1 Landesdatenschutzgesetz - LDSG - den dort geregelten allgemeinen Datenschutzbestimmungen vor. Eine Rechtsverletzung des Klägers durch eine künftige Auskunft ist demzufolge nur denkbar, wenn die Beklagte die maßgeblichen Rechtsvorschriften missachten würde.

Aber auch mit dem Begehren, der Beklagten aufzugeben, es in Zukunft zu unterlassen, rechtswidrige Auskünfte über den Kläger zu erteilen, fehlt es an der Zulässigkeit der Klage. Wird ein solcher öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch geltend gemacht, der auf ein künftiges Ereignis ausgerichtet ist, muss ein besonderes, d.h. gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzbedürfnis vorliegen (BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1989, BVerwGE 82, 76 = NJW 1989, 2272). Ein berechtigtes Interesse an einem vorbeugenden Rechtsschutz kann nicht anerkannt werden, solange sich noch nicht mit dafür erforderlicher Bestimmtheit übersehen lässt, welche Maßnahmen drohen oder unter welchen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen sie ergehen werden (BVerwG, Urteil vom 19. März 1974, BVerwGE 45, 99). Sind aber Rechtsverletzungen bereits erfolgt und weitere zu besorgen, ist eine vorbeugende Unterlassungsklage gegeben; der Rechtsschutz wäre ungenügend, wenn auch in diesen Fällen erst nach Eintritt einer Rechtsverletzung nur festgestellt werden könnte, dass ein Anspruch auf Unterlassung dieser Rechtsverletzung bestanden habe (BVerwG, Urteil vom 26. September 1969, BVerwGE 34, 69, und Urteil vom 17. Dezember 1981, BVerwGE 64, 298 [300]).

Nach diesen Maßstäben fehlt es hier am Rechtsschutzinteresse für eine Unterlassungsklage. Da nicht ersichtlich ist, dass die Beklagte künftig generell oder in ganz bestimmter Weise Auskunft über Daten des Klägers aus der Gewerbeanzeige unter Verletzung von Rechtsvorschriften an Private geben wird, könnte das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers nur unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr angenommen werden. Dies setzt voraus, dass das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung in der Vergangenheit von der Beklagten missachtet wurde und weitere Rechtsverletzungen drohen. Unabhängig davon, ob die Beklagte in den drei vom Kläger angeführten Fällen der Auskunftserteilung in jeder Hinsicht rechtmäßig gehandelt hat, kann nicht von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Die Beklagte hat im vorliegenden Verfahren mehrfach klargestellt, dass sie Auskunftsersuchen (auch in der Zukunft) nur schriftlich beantwortet, dabei das jeweils erforderliche Interesse des Gesuchstellers prüft und personenbezogene Daten nicht ungefragt übermittelt. Diese Erklärung der Beklagten als einer Körperschaft des öffentlichen Rechts genügt, um eine Verletzung des Rechts des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung nicht als konkret bevorstehend anzusehen. Soweit der Bundesgerichtshof (Urteil vom 27. Mai 1986, NJW 1986, 2503, und Urteil vom 30. Oktober 1998, BGHZ 140, 1 = NJW 1999, 356) von einer tatsächlichen Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr spricht, wenn ein rechtswidriger Eingriff bzw. erhebliche Belästigungen in der Vergangenheit erfolgt sind, betrifft dies lediglich den Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -. Für den öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch lässt sich dieser Rechtsprechung nichts entnehmen.

Ungeachtet dessen verkennt der Kläger den Umfang der Ermächtigung des § 14 Abs. 8 GewO. In den drei von ihm angeführten Fällen, in denen die Beklagte - ohne das erforderliche Interesse des Anfragenden zu prüfen - Einzelheiten, nach denen zum Teil angeblich nicht einmal gefragt worden war, an Private übermittelt haben soll, beurteilt sich die Rechtmäßigkeit der Auskunftserteilung nicht allein nach § 14 Abs. 8 Satz 1 GewO. Danach dürfen (auch) nicht-öffentlichen Stellen aus der Gewerbeanzeige Name, betriebliche Anschrift und angezeigte Tätigkeit des Gewerbetreibenden übermittelt werden, wenn der Auskunftsbegehrende ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der Daten glaubhaft macht. Unter diesen Voraussetzungen durfte die Beklagte beispielsweise auf die Anfrage nach der Firma W.... die Auskunft geben, dass der Kläger unter dieser Einzelfirma einen Autoleasingbetrieb gewerbepolizeilich angemeldet hat. Als Rechtsgrundlage für die Übermittlung von Daten aus der Gewerbeanzeige an einen Journalisten, einen Rechtsanwalt und eine gemäß §§ 1896 ff. BGB zur Betreuerin bestellte Person ist darüber hinaus § 14 Abs. 8 Satz 2 GewO anzusehen. Nach dieser Bestimmung ist die Übermittlung weiterer - als der in § 14 Abs. 8 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 GewO aufgeführten - Daten aus der Gewerbeanzeige zulässig, wenn der Auskunftsbegehrende ein rechtliches Interesse, insbesondere zur Geltendmachung von Rechtsansprüchen, an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Gewerbetreibenden überwiegt. Es hat also in solchen Fällen eine Abwägung zwischen dem Interesse des Auskunftsbegehrenden und demjenigen des Gewerbetreibenden stattzufinden (vgl. hierzu die Begründung zum Gesetzentwurf in BT-Drucksache 12/5826 S. 17), wobei das Interesse, nicht verklagt zu werden, nicht schutzwürdig ist (Tettinger/Wank, GewO, 6. Aufl. 1999, § 14 Rdnr 131; Marcks in: Landmann/Rohmer, GewO, Bd. 1, Stand Mai 2003, § 14 Rdnr. 86). Diese Abwägung kann zu dem Ergebnis führen, dass beispielsweise die Wohnanschrift des Gewerbetreibenden, die Namen der vertretungsberechtigten Personen sowie eines früheren Betriebsinhabers, die Eintragung in die Handwerksrolle und die Erteilung einer für den Gewerbebetrieb erforderlichen Erlaubnis mitgeteilt werden. Wenn ein Auskunftsbegehrender aufgrund der ihm erteilten Informationen um Angaben aus weiteren Gewerbeanzeigen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten bittet, ist ebenfalls eine Abwägung vorzunehmen, bei der anderweitige Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung eines Gewerbetreibenden berücksichtigt werden dürfen. Dabei kann eine Rolle spielen, dass das Datenschutzinteresse beispielsweise einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die gemäß § 7 Abs. 1 GmbH-Gesetz zwingend zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden ist, durch die Regelung des § 9 Abs. 1 Handelsgesetzbuch gemindert ist, wonach jeder "zu Informationszwecken" Einsicht in das Handelsregister nehmen kann. Voraussetzung der Auskunft nach § 14 Abs. 8 Satz 2 GewO ist jedoch, dass ein rechtliches Interesse, das über das in § 14 Abs. 8 Satz 1 GewO verlangte berechtigte Interesse hinausgeht, geltend gemacht wird. Als rechtliches Interesse in diesem Sinn nennt das Gesetz selbst beispielhaft die Geltendmachung von Rechtsansprüchen. Diesem Zweck diente das Auskunftsbegehren sowohl des Rechtsanwalts E.... als auch der amtlich bestellten Betreuerin, die sich in Verfolgung fremder Abwehransprüche gegen den Kläger bzw. dessen Gesellschaften an die Beklagte gewandt haben. Auch für die Nachfrage des Fernsehjournalisten gilt nichts anderes. Dabei kann allerdings wohl keine Rolle spielen, dass er Mitarbeiter einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt war. Sein über ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 14 Abs. 8 Satz 1 GewO hinausgehendes "rechtliches Interesse" (§ 14 Abs. 8 Satz 2 GewO) ergibt sich aus seinem in § 4 Abs. 1 Landespressegesetz - LPresseG - normierten Informationsanspruch. Danach sind die Behörden verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen, wenn nicht Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 LPresseG) oder ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG). Um ein rechtliches Interesse i.S.d. § 14 Abs. 8 Satz 2 GewO glaubhaft zu machen, ist weder die Vorlage einer Vollmacht noch der Bestellung zur Betreuerin zwingend erforderlich. Insbesondere setzt die Glaubhaftmachung in diesem Sinne nicht die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung im Sinne des § 294 Zivilprozessordnung - ZPO - voraus. Vielmehr genügt jede in sich schlüssige Darstellung des Interesses (Tettinger/Wank, a.a.O. § 14 Rdnr. 128; Marcks, a.a.O. § 14 Rdnr. 85).

Nach alledem war der Zulassungsantrag mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1 und 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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