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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 17.04.2009
Aktenzeichen: 6 B 10261/09.OVG
Rechtsgebiete: KapVO, VergVOZVS


Vorschriften:

KapVO § 16
VergVOZVS § 9
VergVOZVS § 10
Ausgangspunkt der Schwundberechnung ist grundsätzlich der Anfangsbestand einer jeden Semesterkohorte, also die Zahl der tatsächlich aufgenommenen Studienanfänger. Bleibt diese Zahl jedoch hinter der in der Hochschul-Zulassungszahl-Verordnung für das 1. Fachsemester festgesetzten Zulassungszahl zurück, stellt diese Zulassungszahl den Anfangsbestand dar. Sie ist um die Anzahl der Studierenden zu erhöhen, die ihre Studienzulassung außerhalb der normativ festgesetzten Kapazität aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung erlangen.

Die Schwundberechnung muss nicht getrennt für endgültige sowie für vorläufige Studienplätze durchgeführt werden und auch nicht nach Vollstudienplätzen sowie nach Teilstudienplätzen differenzieren.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

6 B 10261/09.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Zulassung zum Studium

hier: einstweilige Anordnung

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 17. April 2009, an der teilgenommen haben Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Zimmer Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Beuscher

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Mainz vom 11. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2500,- € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die mit ihr dargelegten Gründe, auf die sich gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO die Prüfung beschränkt, führen nicht zu einem von dem angefochtenen Beschluss abweichenden Ergebnis. Der Antragsteller kann im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Zuweisung des von ihm begehrten Teilstudienplatzes nicht verlangen.

Zwar ist die Berechnung des Schwundausgleichsfaktors geringfügig zu korrigieren. Der anzusetzende Wert von 0,9776 erhöht jedoch die Semesterkapazität nach der personellen Ausstattung von 197,42 Studienplätzen nur auf 201,94 Studienplätze und damit - wie schon durch das Verwaltungsgericht festgestellt - auf 202 Studienplätze. Dies ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Erwägungen:

Nach § 16 Kapazitätsverordnung - KapVO - ist die Studienanfängerzahl zu erhöhen, wenn zu erwarten ist, dass wegen Aufgabe des Studiums oder Fachwechsels oder Hochschulwechsels die Zahl der Abgänge an Studenten in höheren Fachsemestern größer ist als die Zahl der Zugänge. Mit diesem Schwundausgleich soll verhindert werden, dass Ausbildungskapazität dadurch ungenutzt bleibt, dass sich die Anzahl der Studierenden im Laufe des Studiums vermindert und das Lehrangebot nicht mehr in dem Umfang nachgefragt wird, in dem es der Kapazitätsberechnung für das 1. Fachsemester zugrunde gelegt wurde. Zu einem solchen Ausgleich besteht - wie dem Wortlaut des § 16 KapVO bereits zu entnehmen ist - nur Veranlassung, wenn die Zahl der Abgänge an Studenten in höheren Fachsemestern nicht durch Zugänge in gleichem Umfang ausgeglichen wird. Soweit also eine derartige "Auffüllverpflichtung" besteht und jeweils zeitnah erfüllt wird, bedarf es eines Schwundausgleichs nach § 16 KapVO nicht. Ob sich die Zahl der Abgänge statistisch als Schwund niederschlägt oder ob dies nicht der Fall ist, weil mittlerweile "aufgefüllt" wurde, kann von der Wahl des Stichtags abhängen, zu dem die Bestandsdaten erhoben werden. Es ist Sache der Hochschule, einen Stichtag für jedes Sommer- und für jedes Wintersemester zu bestimmen, der der Intention des § 16 KapVO, Ausbildungskapazität nicht ungenutzt zu lassen, Rechnung trägt.

Da die Schwundquote eine zu erwartende tatsächliche Veränderung des Bestands der Studierenden zum Ausdruck bringen soll, um dadurch rechnerisch frei werdende Ausbildungskapazität zu ermitteln, ist Ausgangspunkt der Schwundberechnung grundsätzlich der Anfangsbestand einer jeden Semesterkohorte, also die Zahl der tatsächlich aufgenommenen Studienanfänger (vgl. VGH B-W, NC 9 S 1792/08, juris). Bleibt diese Zahl jedoch hinter der in der Hochschul-Zulassungszahl-Verordnung festgesetzten Zulassungszahl des 1. vorklinischen Semesters zurück, stellt diese Zulassungszahl den Anfangsbestand dar (vgl. HessVGH, Fa 11 G 117/91 T, juris; Bahro/Berlin, Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. 2003, Rn. 6 zu § 16 KapVO). Denn der Schwundausgleich dient - wie bereits ausgeführt - dem Ziel, die vorhandene Kapazität möglichst vollständig zu nutzen. Deshalb ist die für das 1. Fachsemester festgesetzte Zulassungszahl gegebenenfalls um die Studierenden zu erhöhen, die ihre Studienzulassung außerhalb der normativ festgesetzten Kapazität aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung erlangen (vgl. Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, 2003, Rn. 264; a.A. BayVGH, 7 CE 06.10152, juris). Sie sind für das Semester zu verbuchen, auf das sich ihre Zulassung bezieht. Das gilt auch, wenn dieses Semester bereits vergangen ist, eine Teilnahme an den Lehrveranstaltungen dieses Semesters, nach dessen Rechtsverhältnissen die Zulassung erfolgte, also nicht (mehr) in Betracht kommt. In diesem Fall ist eine nachträgliche Korrektur der fraglichen Bestandszahl vorzunehmen.

Allerdings ist die festgesetzte Zulassungszahl rückwirkend nicht ohne Weiteres um die Studienplätze zu erhöhen, die im Rahmen einer gerichtlichen Berechnung der tatsächlichen Kapazität zwar ermittelt, nicht aber einzelnen Studienbewerbern zugewiesen wurden, weil beispielsweise mehr verschwiegene Studienplätze vorhanden waren als Antragsteller bzw. Beschwerdeführer. Nur soweit die Hochschule eine gerichtliche Kapazitätsermittlung zum Anlass nimmt, zusätzlich zu den gerichtlich ausgesprochenen Zulassungen weitere Studienplätze nachträglich für das Bewerbungssemester zu vergeben, sind sie der maßgeblichen Bestandszahl für dieses Semester zuzuschlagen. Denn die Hochschule ist rechtlich nicht gehindert, im Interesse der vollständigen Nutzung der vorhandenen Ausbildungskapazität in dieser Weise vorzugehen (vgl. Bahro/Berlin, a.a.O., Rn. 3 zu § 27 VergabeverordnungZVS). Allerdings ist sie dazu nicht verpflichtet. Die Verpflichtung der Hochschule zur kapazitätserschöpfenden Zulassung geht grundsätzlich nicht über dasjenige hinaus, was in der jeweiligen Hochschul-Zulassungszahl-Verordnung festgesetzt ist und ihr gegebenenfalls zusätzlich durch gerichtliche Entscheidung im Einzelfall aufgegeben wird. Aus den Bestimmungen der §§ 9, 10 Abs. 6 und 7 VergabeverordnungZVS, die lediglich nach Ablauf des Vergabe-, des Auswahl- und des Nachrückverfahrens "noch verfügbare" und "wieder verfügbare" Studienplätze betreffen, lässt sich nicht ableiten, die Hochschule müsse die im Rahmen einer gerichtlichen Berechnung der tatsächlichen Kapazität zwar ermittelten, nicht aber einzelnen Antragstellern bzw. Beschwerdeführern zugewiesenen Plätze an Studienbewerber verteilen, die an den gerichtlichen Verfahren nicht beteiligt waren. Auch das Bundesverfassungsgericht (1 BvR 344/73, BVerfGE 39, 258, juris) hat im Zusammenhang mit der Pflicht zur vollen Nutzung von Kapazitätsreserven ausgeführt, dass sich in einem Prozess um ungenutzte, also verschwiegene Studienplätze nur noch die klagenden Bewerber und der Ausbildungsträger gegenüber stehen, während nichtklagende Bewerber an einem solchen Verfahren unbeteiligt sind. Dementsprechend ist nach der Rechtsprechung des Senats (6 D 11965/02.OVG, NVwZ-RR 2003, 502, juris, ESOVGRP) ein Studienplatz, den die Hochschule über die festgesetzte Zulassungszahl und eine zulässige Überbuchung (vgl. 6 D 11152/05.OVG, juris, ESOVGRP) hinaus an einen Bewerber vergibt, der keinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt hatte, in der Regel nicht auf die im gerichtlichen Verfahren ermittelte Kapazität anzurechnen. Auch wenn demnach einem gerichtlichen Antragsteller bzw. Beschwerdeführer eine solche Studienplatzvergabe nicht als kapazitätserschöpfend entgegen gehalten werden kann, muss sie nicht auch im Rahmen eines Schwundausgleichs unberücksichtigt bleiben.

Die Schwundberechnung muss nicht getrennt für endgültige sowie für vorläufige Studienplätze durchgeführt werden und auch nicht nach Vollstudienplätzen sowie nach Teilstudienplätzen differenzieren. Der Senat hat im Verfahren 6 E 10844/08 ausgeführt, dass die aufgrund gerichtlicher Entscheidung vorläufig zum Studium zugelassenen Studierenden nicht wegen ihres angeblich atypischen Schwundverhaltens in einer gesonderten Statistik zu erfassen sind (vgl. aber VGH B-W, NC 9 S 1792/08, juris). Die jeweilige Bestandszahl muss neben den Vollstudienplätzen auch die (auf die vorklinische Ausbildung beschränkten) Teilstudienplätze enthalten. Zwar spricht viel für die Annahme, dass Inhaber von Teilstudienplätzen in besonderer Weise bemüht sind, auf einen Vollstudienplatz zu wechseln und insofern ein anderes "Schwundverhalten" zeigen als Studierende, die einen Vollstudienplatz inne haben (vgl. hierzu Zimmerling/Brehm, a.a.O., Rn. 267 f.). Dieses Verhalten dokumentiert sich jedoch in Bestandszahlen höherer Semester, die niedriger liegen als es der Fall wäre, wenn ausschließlich Inhaber von Vollstudienplätzen erfasst würden. Eine auf Teilstudienplätze beschränkte Schwundberechnung (vgl. hierzu VGH B-W, NC 9 S 24/02, juris) ist auch angesichts des Zwecks des Schwundausgleichs nicht angezeigt, der - wie bereits ausgeführt - in der möglichst vollständigen Nutzung der vorhandenen Kapazität besteht. Denn der Inhaber eines Teilstudienplatzes nimmt ebenso viel vorklinische Ausbildungskapazität in Anspruch wie ein Studierender, der über einen Vollstudienplatz verfügt.

Nach diesem Maßstab sind hinsichtlich des 1. vorklinischen Semesters in die Schwundberechnungstabelle für das Sommersemester 2005 die Bestandszahl 161 und für das Wintersemester 2005/2006 die Bestandszahl 192, die mit der Hochschul-Zulassungszahl-Verordnung II/2005 festgesetzt wurde, einzustellen. Selbst wenn man - entsprechend der Berechnung der Antragsgegnerin vom 14. Dezember 2006 - für das Wintersemester 2006/2007 von 186 Studierenden ausgeht und für das 2. vorklinische Semester die in der Beschwerdebegründung genannten Bestandszahlen zugrunde legt, errechnet sich eine durchschnittliche Übergangsquote für die Vorklinik von 0,9776. Die Bestandszahl 161 für das Sommersemester 2005 ergibt sich aus der Addition der tatsächlichen Belegung (159) mit den beiden vom Senat zusätzlich zugewiesenen Studienplätzen. Anders als mit der Beschwerde vorgetragen, erhöht sich diese Bestandszahl trotz der Kapazitätsberechnung des Senats im Verfahren 6 D 11152/05.OVG (ESOVGRP, juris) nicht auf 191. Soweit die Antragsgegnerin - wie im Schriftsatz vom 11. Dezember 2008 erläutert - diesen sich auf das Sommersemester 2005 beziehenden Beschluss zum Anlass genommen hat, 30 weitere Studienbewerber im Wintersemester 2005/2006 und im Sommersemester 2006 zuzulassen, bleibt dies ohne Auswirkungen auf die Bestandszahl des Sommersemesters 2005. Die Beschwerde weist zwar zu Recht darauf hin, dass ein tatsächlich zu verzeichnender Schwund im Übergang vom Sommersemester 2005 zum Wintersemester 2005/2006 dadurch mehr als nur kompensiert wird. Weil dadurch aber gleichzeitig die vorhandene Ausbildungskapazität umfassend genutzt wird, ist ein Schwundausgleich insoweit nicht veranlasst.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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