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Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 07.09.2009
Aktenzeichen: 6 B 10883/09.OVG
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO
Vorschriften:
VwGO § 65 | |
VwGO § 65 Abs. 1 | |
ZPO § 72 |
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS
6 B 10883/09.OVG
In dem Verwaltungsrechtsstreit
wegen Erschließungsbeitrags
hier: Beiladung
hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 7. September 2009, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Mildner Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey Richterin am Oberverwaltungsgericht Brink
beschlossen:
Tenor:
Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 31. Juli 2009 werden die Rechtsanwälte A. in dem Verfahren 4 K 755/09.KO gemäß § 65 Abs. 1 VwGO beigeladen, da ihre rechtlichen Interessen durch die Entscheidung berührt werden.
Die Beiladung ist unanfechtbar (§ 65 Abs. 4 Satz 3 VwGO).
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet.
Gemäß § 65 Abs. 1 VwGO kann eine - einfache - Beiladung Dritter ausgesprochen werden, wenn deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden. Dies setzt nicht voraus, dass der beizuladende Dritte durch die Entscheidung tatsächlich in seinen Rechten beeinträchtigt wird. Vielmehr reicht es aus, wenn im Zeitpunkt der Beiladung die Möglichkeit besteht, die Entscheidung könne auf seine rechtlichen Interessen einwirken. Es genügt mithin, dass sich eine Rechtsposition des Beizuladenden durch das Unterliegen einer der Parteien verbessern oder verschlechtern könnte. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob diese Rechtsposition durch öffentliches oder bürgerliches Recht begründet wird (BVerwG, NJW 1982, 951 [952]). Gemessen hieran ist im vorliegenden Fall eine Beiladung der Rechtsanwälte A gemäß § 65 Abs. 1 VwGO geboten.
Die von dem Kläger angestrebte Beiladung dient dem Zweck, die sonst auf die Hauptbeteiligten des Verfahrens beschränkte Rechtskraftwirkung des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 121 VwGO) auf die Beizuladenden auszudehnen. Der Kläger will nämlich seine früheren Bevollmächtigten wegen von ihm behaupteter Beratungsfehler aus dem seinerzeitigen anwaltlichen Beratungsverhältnis in Regress nehmen. Eine solche Inanspruchnahme früherer anwaltlicher Bevollmächtigter wegen schlechter Beratung kann grundsätzlich das Vorliegen rechtlicher Interessen im Sinne des § 65 Abs. 1 VwGO rechtfertigen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 65 Rn. 10; Bier, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 17. Ergänzungslieferung 2008, § 65 Rn. 13).
Als möglichen zu ersetzenden Schaden wegen eines anwaltlichen Beratungsfehlers erachtet der Kläger u.a. den durch die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid von ihm geforderten Erschließungsbeitrag. Er geht davon aus, bei ordnungsgemäßer Beratung durch seine früheren Bevollmächtigten insbesondere im Rahmen des abgeschlossenen Umlegungsverfahrens wäre ungeachtet aktueller beitragsrechtlicher Verpflichtungen eine Beitragszahlung vermeidbar gewesen. Im Hinblick hierauf besteht ein rechtliches Interesse der Beizuladenden im Sinne des § 65 Abs. 1 VwGO, da sie je nach Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Streitverfahrens mit einer entsprechenden Schadenersatzforderung des Klägers rechnen müssen.
Insoweit hat der Verfahrensausgang daher Auswirkungen auf die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und den Beizuladenden.
Würde nämlich die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheids durch ein rechtskräftiges klageabweisendes Urteil bestätigt, wäre wegen dessen Bindungswirkung ein nachfolgender Schadensersatzprozess zwischen dem Kläger und den Beizuladenden präjudiziert. Die Beizuladenden könnten sich gegenüber dem Kläger nicht darauf berufen, der Beitragsbescheid der Beklagten sei rechtswidrig gewesen und dem Kläger allein hierdurch ein Schaden entstanden. In dieser Beschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten im nachfolgenden Zivilprozess als Folge der Bindungswirkung eines rechtskräftigen klageabweisenden Urteils liegt eine Verletzung subjektiver Rechte der Beizuladenden (vgl. BVerwG, NVwZ 1987, 970 [971]).
Würde hingegen der Kläger das von ihm verfolgte Prozessziel erreichen und der angefochtene Bescheid also aufgehoben, verbesserte sich die Rechtsposition der Beizuladenden gegenüber dem Kläger. Denn sie könnten aufgrund des anwaltlichen Beratungsvertrags jedenfalls insoweit nicht schadenersatzpflichtig werden, als durch verwaltungsgerichtliches Urteil rechtskräftig entschieden wäre, dass der Kläger keinen Erschließungsbeitrag zu zahlen braucht (BVerwG, NJW 1982, 951 [952]). Angesichts dessen ist davon auszugehen, dass die Beizuladenden durch die Entscheidung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in ihren rechtlichen Interessen im Sinne von § 65 Abs. 1 VwGO berührt sein können.
Demgegenüber greift auch die Erwägung des Verwaltungsgerichts nicht durch, das bloße Interesse des Klägers daran, im Falle eines für ihn ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits einen Schadenersatzanspruch gegenüber den Beizuladenden geltend machen zu können (vgl. § 72 ZPO), werde mangels der Zulässigkeit einer Streitverkündung im Verwaltungsprozess nicht geschützt. Dieser Einwand verkennt nämlich die Funktion der Beiladung im Verwaltungsprozess. Mit ihr hat die Verwaltungsgerichtsordnung nämlich ein Institut geschaffen, das gerade die Aufgaben u.a. der Nebenintervention und der Streitverkündung im Zivilprozess erfüllen soll (Eyermann/Schmidt, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 65 Rn. 1; Bier, in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 65 Rn. 2).
Auch entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, eine Nebenintervention gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 66 ff. ZPO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren für unzulässig zu erachten (Urteil vom 15. März 1988, Buchholz 451.29 Schornsteinfeger Nr. 31 S. 3 [6], und Beschluss vom 22. Dezember 2005, BeckRS 2006, 20302). Denn die Funktionen des zivilprozessualen Instituts der Nebenintervention würden im verwaltungsgerichtlichen Verfahren weitgehend von den Bestimmungen über die Beiladung wahrgenommen. Deren Regelungen gewährleisteten eine Beteiligung solcher Dritter, die am Ausgang des Verfahrens ein rechtliches Interesse hätten und würden ihnen zugleich ausreichende prozessuale Rechte geben. Diese Überlegungen treffen aber in gleicher Weise auf das Institut der Streitverkündung zu, welches in seinen rechtlichen Konsequenzen gemäß § 74 Abs. 3 i.V.m. § 68 ZPO ausdrücklich der Nebenintervention gleichgestellt ist (OVG RP, Beschluss vom 3. Juli 2008 - 3 B 10651/08.OVG -, veröffentl. in ESOVGRP sowie NVwZ-RR 2008, 846). Auch dessen Funktion wird daher im Verwaltungsprozess durch das Institut der Beiladung übernommen.
Ende der Entscheidung
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