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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 15.07.2004
Aktenzeichen: 6 B 10891/04.OVG
Rechtsgebiete: GG, WRV


Vorschriften:

GG Art. 2
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 92
GG Art. 140
WRV Art. 137
WRV Art. 137 Abs. 3
Eine Religionsgemeinschaft unterliegt nicht der staatlichen Gerichtsbarkeit, soweit es um die inhaltlichen und verfahrensmäßigen Regelungen zur Wahl der Gemeindeleitung und zur Überprüfung der Einhaltung solcher Bestimmungen geht. Fragen staatlichen Rechts werden auch insoweit nicht aufgeworfen, als eine Auseinandersetzung um die Gültigkeit einer solchen Wahl die Handlungsfähigkeit der Religionsgemeinschaft als einer Körperschaft des öffentlichen Rechts beeinträchtigt. Auch die Übernahme von im öffentlichen Interesse liegenden Integrationsaufgaben und der Umstand, dass die Gemeindeleitung mit der Verwaltung staatlicher Finanzzuwendungen betraut ist, heben den Streit um die Ordnungsmäßigkeit einer Wahl nicht aus dem Internum der Glaubensgemeinschaft in den Bereich staatlichen Rechts.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

6 B 10891/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Kirchenrechts

hier: einstweilige Anordnung

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 15. Juli 2004, an der teilgenommen haben

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Mainz vom 10. Mai 2004 - 7 L 438/04.MZ - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2000,- € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die mit ihr dargelegten Gründe, auf die sich gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - die Prüfung beschränkt, führen nicht zu einem von dem angefochtenen Beschluss abweichenden Ergebnis.

Wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, unterliegt die Antragsgegnerin nicht der staatlichen Gerichtsbarkeit, soweit ihr verfassungsrechtlich gewährleistet ist, ihre inneren Angelegenheiten eigenständig zu ordnen und zu gestalten. Dieses Recht zur Selbstbestimmung umfasst auch die inhaltlichen und verfahrensmäßigen Regelungen zur Wahl der Gemeindeleitung und zur Überprüfung der Einhaltung solcher Bestimmungen. Da im vorliegenden Zusammenhang im Streit steht, ob die gemeindeinternen Satzungsbestimmungen bei der Wahl der bzw. des Vorsitzenden der Antragsgegnerin am 18. April 2004 beachtet oder aber verletzt wurden, handelt es sich um eine Streitigkeit, die nicht nach Maßgabe staatlichen Rechts zu entscheiden ist. Aufgrund der Justizgewährungspflicht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 92 GG) sind die Gerichte zur Entscheidung aller Rechtsfragen berufen, deren Beantwortung sich nach staatlichem Recht richtet (BVerfG, Beschluss vom 18. September 1998, NJW 1999, 349 <350>; BVerwG, Urteile vom 30. Oktober 2002, BVerwGE 117, 145 = NJW 2003, 2112 und vom 28. Februar 2002, Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 67 S. 10; BGH, Urteil vom 11. Februar 2000, NJW 2000, 1555). Aus der staatlichen Justizgewährungspflicht ergibt sich nicht die Befugnis der staatlichen Gerichte, über kircheninterne Maßnahmen zu entscheiden. Dementsprechend sind Streitigkeiten zwischen dem Vorstand und einzelnen Mitgliedern der Gemeinde, die nicht durch Beschlussfassung der Mitgliederversammlung erledigt werden, nach § 30 der Satzung der Antragsgegnerin dem Schiedsgericht des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden von Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorzulegen. Deshalb gibt der vorliegende Rechtsstreit keine Veranlassung zur Erörterung der Frage, ob die Exemtion von der staatlichen Gerichtsbarkeit sich auch auf die Einhaltung der "fundamentalen Grundsätze der staatlichen Rechtsordnung" durch kirchliche Stellen bezieht (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2004 - 2 BvR 496/01- mit Sondervotum der Richterin Lübbe-Wolff, veröffentlicht unter: http://www.bverfg.de/entscheidungen/, sowie BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2002, BVerwGE 117, 145 = NJW 2003, 2112 und BGH, Urteil vom 28. März 2003, BGHZ 154, 306 = NJW 2003, 2097). Anders als die Beschwerde meint, werden im vorliegenden Zusammenhang auch nicht insoweit Fragen staatlichen Rechts aufgeworfen, als die Auseinandersetzung um die Gültigkeit der Wahl der bzw. des Vorsitzenden der Antragsgegnerin vom 18. April 2004 die Handlungsfähigkeit der Antragsgegnerin als einer Körperschaft des öffentlichen Rechts beeinträchtigt. Abgesehen davon, dass die uneingeschränkte Handlungsfähigkeit der Antragsgegnerin durch eine Entscheidung des Schiedsgerichts wiederhergestellt werden kann, ist der Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft Mittel zur Entfaltung der Religionsfreiheit; er soll die Eigenständigkeit und die Unabhängigkeit der Religionsgemeinschaft unterstützen, sie aber nicht bei der Ordnung ihrer inneren Angelegenheiten zu einem Handeln in den Formen und mit den Mitteln des öffentlichen Rechts befähigen (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2002, BVerwGE 117, 145 = NJW 2003, 2112). Auch die von der Antragsgegnerin übernommene Aufgabe der Integration jüdischer Kontingentflüchtlinge aus Osteuropa, die zweifellos im öffentlichen Interesse liegt, und der Umstand, dass die Gemeindeleitung der Antragsgegnerin auch mit der Verwaltung staatlicher Finanzzuwendungen betraut ist, heben den Streit um die Ordnungsmäßigkeit der Wahl vom 18. April 2004 nicht aus dem Internum der Glaubensgemeinschaft in den Bereich staatlichen Rechts.

Nach alledem war die Beschwerde der Antragstellerin mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 20 Abs. 3 GKG in der hier noch anwendbaren Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975.

Ende der Entscheidung

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