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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 09.12.2005
Aktenzeichen: 6 B 11634/05.OVG
Rechtsgebiete: GewO, LStrG, GG


Vorschriften:

GewO § 68
GewO § 68 Abs. 2
GewO § 69
GewO § 69 Abs. 1
LStrG § 39
GG Art. 14
GG Art. 14 Abs. 1
Zu den Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs gegen die Platzierung eines Weihnachtsmarktstands in 2,75 m Abstand vor dem Schaufenster eines Ladengeschäfts in einer Fußgängerzone.

Der grundgesetzlich geschützte Anliegergebrauch schützt nicht vor Beeinträchtigungen der verkehrlichen Kommunikationsmöglichkeiten, die sich aus der besonderen örtlichen Lage, in die das Grundstück hineingestellt ist, und einer situationsbedingten Vorbelastung ergeben.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

6 B 11634/05.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Marktrechts

hier: einstweilige Anordnung

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 9. Dezember 2005, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Hehner Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Beuscher

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Mainz vom 25. November 2005 - 6 L 897/05.MZ - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, allerdings mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt, weil sich die Antragstellerin weder auf einen Anordnungsanspruch berufen kann noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss verwiesen. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, führt nicht zu einer Abänderung dieses Beschlusses.

Die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs gegen die Platzierung eines Imbissstands in 2,75 m Abstand vor dem Ladengeschäft der Antragstellerin sind nicht dargelegt. Diese Entscheidung der Antragsgegnerin erfolgte in Ausführung der gewerberechtlichen Festsetzung des W.... Weihnachtsmarkts gemäß §§ 69 Abs. 1, 68 Abs. 2 Gewerbeordnung; sie verstößt nicht gegen den rechtlich geschützten Anliegergebrauch der Antragstellerin.

Soweit das Beschwerdevorbringen darauf gestützt ist, die aufgestellte Weihnachtsmarktbude mit geschlossener Rückseite leite den Kundenstrom zu deren offener Vorderseite und halte ihn damit vom Schaufensterangebot der Antragstellerin fern, wird weder eine Verletzung straßenrechtlicher Anliegerbefugnisse noch ein Eingriff in den verfassungsrechtlich geschützten Anliegergebrauch ersichtlich.

Der landesstraßenrechtliche Anliegergebrauch vermittelt den Anliegern einer Straße, wie in § 39 Abs. 1 Landesstraßengesetz - LStrG - geregelt ist, keinen Anspruch darauf, dass die Straße nicht eingezogen, umgestuft oder verändert wird. In § 39 Abs. 2 und 3 LStrG ist im Einzelnen festgelegt, welche Ansprüche der Anlieger hat, sofern die Zufahrten oder Zugänge seines Grundstückes auf Dauer bzw. für längere Zeit unterbrochen werden oder ihre Benutzung erheblich erschwert wird. Daraus ergibt sich, dass die Änderung einer bestimmten Lenkung von Fußgängerbewegungen, die sich wirtschaftlich nachteilig für einen Anlieger auswirken kann, den straßenrechtlichen Anliegergebrauch nicht verletzt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Februar 1996 - 1 A 10464/95.OVG -, veröffentlicht in ESOVGRP).

Die dem Anlieger durch eine bestimmte Lenkung des Verkehrsstroms eröffnete Chance, einen besonderen wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen, zählt auch nicht zum grundgesetzlich geschützten Anliegergebrauch (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Februar 1996, a.a.O.; Beschluss vom 21.11.1995 - 1 B 13189/95.OVG -; Beschluss vom 3. Mai 2005, - 6 A 12064/04.OVG -, veröffentlicht in ESOVGRP). Wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend erläutert hat, umfasst dieses durch Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz - GG - in seinem Kernbereich eigentumsrechtlich gesicherte Anliegerrecht als subjektives Recht zwar den "Kontakt nach außen", also die Nutzung der Straße als Kommunikationsmittel, insbesondere durch an den vorbei fließenden Verkehr gerichtete Werbung (BVerwG, Urteil vom 29. April 1977, BVerwGE 54, 1 = NJW 1977, 1789). Ein Abwehrrecht gegen Beeinträchtigungen der verkehrlichen Kommunikationsmöglichkeiten steht dem Anlieger aber nur zu, wenn die angemessene Nutzung des Grundeigentums - wie sie sich unter Berücksichtigung der Rechtslage und der tatsächlichen Gegebenheiten als anerkennenswertes Bedürfnis ergibt - nicht mehr gewährleistet ist (BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999, GewArch 1999, 374 = NVwZ 1999, 1341). Der Anlieger hat also keinen grundrechtlichen Anspruch auf den Fortbestand verkehrlicher Umstände, die für eine bestimmte Grundstücksnutzung von besonderem Vorteil sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1983, DÖV 1984, 426). Insbesondere wird der Anlieger nicht vor Erschwernissen des Zugangs zur Straße bewahrt, die sich aus der besonderen örtlichen Lage und einer situationsbedingten Vorbelastung ergeben, in die das Grundstück hineingestellt ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. September 1990, NVwZ 1991, 358; BVerwG, Urteile vom 20. Mai 1987, NJW 1988, 432, und vom 8. September 1993, BVerwGE 94, 136 = GewArch 1994, 214). In dem angefochtenen Beschluss ist in diesem Zusammenhang schon ausgeführt worden, dass das Ladengeschäft der Antragstellerin durch seine Lage in einer innerstädtischen Fußgängerzone insoweit vorgeprägt und latent belastet ist, als mit in einer solchen Geschäftslage typischen Veranstaltungen - wie einem Weihnachtsmarkt - gerechnet werden muss.

Eine hiervon abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Beschwerde, eine solche Belastung habe bisher nicht bestanden; vielmehr sei der Weihnachtsmarkt erstmals bis zum Ladengeschäft der Antragstellerin in die Fußgängerzone ausgedehnt worden. Die dargestellte Vorprägung war nämlich unabhängig davon vorhanden, ob sie sich schon in früheren Jahren für das Ladengeschäft der Antragstellerin aktualisiert hatte und zu einer tatsächlichen Beeinträchtigung geworden war. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Kammerbeschluss vom 11. September 1990 (a.a.O.) deutlich gemacht, dass Chancen und Verdienstmöglichkeiten durch Art. 14 Abs. 1 GG ebenso wenig geschützt sind wie Vorteile, die sich aus dem bloßen Fortbestand einer günstigen Rechtslage ergeben.

Ein Abwehrrecht der Antragstellerin wegen von ihr angenommener erhöhter Einbruchgefahr infolge der Errichtung des Marktstandes vor dem Schaufenster ist mit der Beschwerde zwar behauptet worden. Die Antragstellerin hat jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass ein solches erhöhtes Risiko trotz der Beauftragung eines Sicherheitsdienstes durch die Antragsgegnerin besteht.

Gleiches gilt für den erforderlichen Anordnungsgrund. Auch hinsichtlich der befürchteten Einnahmeausfälle fehlt es an der Glaubhaftmachung. Obwohl die Antragstellerin im Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung bereits über die Erfahrungen des ersten Adventswochenendes mit einem verkaufsoffenen Sonntag verfügte, hat sie nicht einmal vorgetragen, dass - und gegebenenfalls in welcher Höhe - es zu einem Umsatzrückgang gegenüber dem Vorjahr gekommen ist. Eine zwar angekündigte, aber nicht vorgelegte Bestätigung des Steuerberaters, wonach im Schmuckgewerbe "der in Relation gesehene überwiegende Umsatz derzeit vor den Weihnachtsfeiertagen getätigt wird", kann die befürchteten Einnahmeausfälle nicht belegen.

Die Beschwerde war nach alledem mit der sich aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Da die Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, werden ihre außergerichtlichen Kosten nicht als erstattungsfähig anerkannt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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