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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 11.03.2005
Aktenzeichen: 6 D 10132/05.OVG
Rechtsgebiete: UG, HochSchG, KapVO, HLehrVO


Vorschriften:

UG § 57
HochSchG § 47
KapVO § 7
KapVO § 7 Abs. 2
KapVO § 7 Abs. 3
KapVO § 8
KapVO § 8 Abs. 1
KapVO § 10
KapVO § 10 S. 1
KapVO § 10 S. 3
KapVO § 11
HLehrVO § 1
Mit dem Kapazitätserschöpfungsgebot ist vereinbar, dass die Lehrveranstaltungen nebenberuflich an der Universität tätiger habilitierter Wissenschaftler, denen die Lehrbefugnis (venia legendi) verliehen wurde (insbesondere Privatdozenten und außerplanmäßige Professoren), nicht als Lehrauftragsstunden i.S.d. § 10 KapVO in die Kapazitätsermittlung einbezogen werden
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

6 D 10132/05.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Zulassung zum Studium der Medizin

hier: einstweilige Anordnung

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 11. März 2005, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Hehner Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Beuscher

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 11. Januar 2005 - 15 M 2921/04.KO - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2500,- € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die mit ihr dargelegten Gründe, auf die sich gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - die Prüfung beschränkt, führen nicht zu einem von dem angefochtenen Beschluss abweichenden Ergebnis.

Soweit die Beschwerde Deputatsermäßigungen beanstandet, bleibt der Senat bei seiner in dem angefochtenen Beschluss zitierten Bewertung. Die Beschwerdebegründung enthält keine Gesichtspunkte, die zu einer Änderung dieser Rechtsprechung Anlass geben. Insbesondere sind die den Herren A...., B.... und C.... gewährten Deputatsreduzierungen nicht zur Studienberatung gewährt worden.

Anders als der Antragsteller meint, mussten "im Bereich der klinischen Medizin vorhandene Überhänge" an Lehrkapazität nicht zu Gunsten der Lehreinheit Vorklinische Medizin kapazitätserhöhend berücksichtigt werden. Abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin im Einzelnen dargetan hat, dass die behaupteten ungenutzten personellen Ressourcen nicht bestehen, ist (mit Ausnahme von Dienstleistungen i.S.d. § 11 Kapazitätsverordnung - KapVO -) eine Übertragung von Ausbildungskapazität von einer Lehreinheit auf eine andere kapazitätsrechtlich nicht vorgesehen. Durch § 7 Abs. 3 KapVO wird der Studiengang Medizin in mehrere Lehreinheiten aufgeteilt und damit gleichzeitig eine Trennung zwischen dem vorklinischen und dem klinischen Ausbildungspersonal angeordnet. Denn eine Lehreinheit wird in § 7 Abs. 2 Satz 1 KapVO als eine für Zwecke der Kapazitätsermittlung abgegrenzte fachliche Einheit definiert, die ein Lehrangebot bereitstellt. Da nach § 7 Abs. 2 Satz 2 KapVO die Lehreinheiten so abzugrenzen sind, dass die zugeordneten Studiengänge die Lehrveranstaltungsstunden möglichst weitgehend bei einer Lehreinheit nachfragen, soll die Ausbildung in der Lehreinheit Vorklinische Medizin "möglichst weitgehend" durch Vorkliniker erfolgt. Lehrveranstaltungen durch Lehrpersonen der klinischen Lehreinheiten können die Kapazität im vorklinischen Studienabschnitt nur in Form von Dienstleistungen nach § 11 KapVO erhöhen.

Die Beschwerde dringt auch nicht mit ihren Einwänden gegen den Ansatz von (nur) vier Semesterwochenstunden als Lehrverpflichtung befristet beschäftigter wissenschaftlicher Mitarbeiter durch. Das Verwaltungsgericht hat hierzu unter Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 11. November 2004 (NJW 2005, 457) die entscheidenden Gesichtspunkte dargelegt, auf die zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verwiesen wird. Insbesondere benennen die von der Antragsgegnerin vorgelegten Anträge auf befristete Beschäftigung die Sachgründe, auf die die jeweilige Befristung gestützt wurde. Entweder ist die wissenschaftliche Weiterqualifizierung des Mitarbeiters oder die Beschäftigung auf einer haushaltsrechtlich befristeten Stelle erwähnt. Selbst wenn man dennoch Zweifel an der Wirksamkeit der Befristungen hegt, werden diese durch eine ergänzende Vertragsauslegung beseitigt, die unter diesen Umständen notwendig ist, weil die Verträge, die nach dem Willen der Vertragschließenden eine Befristung enthalten sollten, durch die Nichtigerklärung des 5. HRGÄndG lückenhaft geworden sind (vgl. Preis, NJW 2004, 2782 <2785> und Löwisch, NZA 2004, 1065 <1067>). Ob eine Regelungslücke besteht und wie die Vertragspartner sie bei deren Kenntnis unter angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben geschlossen hätten, ist durch eine an objektiven Maßstäben orientierte Bewertung des Inhalts der getroffenen Vereinbarungen und der aus ihnen abgeleiteten Rechtsfolgen zu ermitteln. Die ergänzende Vertragsauslegung führt im vorliegenden Zusammenhang auf der Grundlage der Angaben der Antragsgegnerin, an denen zu zweifeln der Senat keine Veranlassung hat, zu dem Ergebnis, dass die Befristung des jeweiligen Beschäftigungsverhältnisses von beiden Vertragspartnern zur Weiterqualifikation des jeweiligen Mitarbeiters bzw. wegen der haushaltsrechtlichen Befristung der Stelle gewollt war. Die Befristung hat außerdem im Antrag auf Einstellung ihren Niederschlag gefunden. Bei Kenntnis der Nichtigkeit des 5. HRGÄndG wäre die vereinbarte Befristung nach den unter solchen Umständen zu beachtenden arbeitsrechtlichen Förmlichkeiten dokumentiert und von den erleichterten Befristungsmöglichkeiten des 5. HRGÄndG kein Gebrauch gemacht worden. Ein unbefristetes Vertragsverhältnis zur Weiterbildung eines Mitarbeiters bzw. auf einer haushaltsrechtlich befristeten Stelle wäre nicht abgeschlossen worden.

Ohne Erfolg bleibt auch das Vorbringen der Beschwerde, die Lehrverpflichtung von "Alt-Habilitanden" sei bei der Kapazitätsberechnung zu berücksichtigen. Gemeint ist damit offensichtlich das Recht und die Pflicht zur Lehre von Habilitierten, insbesondere Privatdozenten und außerplanmäßigen Professoren i.S.d. § 57 des durch § 158 Abs. 2 Hochschulgesetz - HochSchG - außer Kraft gesetzten Universitätsgesetzes, denen die Lehrbefugnis (venia legendi) verliehen wurde. Da es sich dabei um nebenberuflich wissenschaftlich Tätige handelt, die keine "Stelle" innehaben, wird ihre Pflicht zur Lehre nicht von der Landesverordnung über die Lehrverpflichtung an den Hochschulen - HLehrVO - erfasst (vgl. § 47 HochSchG, § 1 HLehrVO, § 8 Abs. 1 KapVO). Ihre Lehrveranstaltungen könnten daher allenfalls als Lehrauftragsstunden i.S.d. § 10 KapVO in die Kapazitätsermittlung einbezogen werden. Das setzte voraus, dass die sich aus der Verleihung der Lehrbefugnis ergebende Lehrverpflichtung eine plan- und berechenbare Größe darstellte, die einigermaßen kontinuierlich und inhaltlich hinreichend konkretisiert zu erfüllen ist. Davon kann indessen nicht gesprochen werden. Die Inhaber der venia legendi haben das Recht, Lehrveranstaltungen auf denjenigen Gebieten abzuhalten, für die ihnen die Lehrbefugnis erteilt worden ist; an Vorgaben der Studienordnungen oder an die Verteilung der Pflichtlehrveranstaltungen auf die übrigen Lehrpersonen sind sie nicht gebunden (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1994, DVBl. 1994, 1359 = DÖV 1995, 112; Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rz 800). Ohne dass ihnen ein Lehrauftrag erteilt wird, haben sie weder eine dienstrechtliche Verpflichtung, überhaupt eine bestimmte Veranstaltung abzuhalten, noch die Pflicht, dies in jedem Semester oder sonst wie regelmäßig zu tun. Das Bundesverwaltungsgericht spricht deshalb lediglich von einer Obliegenheit (Urteil vom 22. Juni 1994, a.a.O.). Der Senat hält diese "Titellehre" für vergleichbar mit den freiwilligen und unentgeltlichen Lehrleistungen des Personals außeruniversitärer Forschungseinrichtungen, die gemäß § 10 Satz 3 KapVO bei der Kapazitätsermittlung unberücksichtigt bleiben. Dieser Auffassung steht das Kapazitätserschöpfungsgebot nicht entgegen. Denn es bezieht sich (lediglich) auf die mit öffentlichen Mitteln geschaffene Ausbildungskapazität (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 18. Juli 1972, BVerfGE 33, 303 (338 ff.) = NJW 1972, 1561; Urteil vom 8. Februar 1977, BVerfGE 43, 291 (325 ff.); Beschluss vom 3. Juni 1980, BVerfGE 54, 173 (191), Beschluss vom 8. Februar 1984, BVerfGE 66, 155 = DVBl 1984, 556 = NVwZ 1984, 571). Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 23. Juli 1987, NVwZ 1989, 360 = DVBl 1988, 393) entschieden, dass das Kapazitätserschöpfungsgebot dem Kapazitätsnormgeber freistellt, wie er sein Regelungsermessen in der Frage betätigt, ob und wieweit im Pflichtlehrbereich erbrachte Titellehre in die Lehrangebotsberechnung eingehen soll. Wörtlich heißt es in diesem Urteil:

"Es ist hochschulpolitisch wünschenswert, die Träger der Titellehre, nämlich Honorarprofessoren, außerordentliche Professoren und Privatdozenten, im Pflichtlehrbereich einzusetzen, weil damit Aspekte der Praxis und spezialisierter Forschung in die Lehre stärker Eingang finden. Die Hochschule läuft indessen Gefahr, daß dieser das Lehrangebot bereichernde Effekt geschmälert oder unterbunden wird, wenn die Titellehre einen in die Lehrangebotsberechnung eingehenden Faktor bildet. Der Hochschule wie dem Titelträger wird der Entschluß zu einem solchen Unterricht erleichtert, wenn davon ausgegangen werden kann, daß der Unterricht keinen Einfluß auf die Kapazitätsberechnung künftiger Semester hat. Zur Verbesserung der Chancen, Titelträger für die Pflichtlehre zu gewinnen, kommt der Vorzug größerer personeller Flexibilität hinzu, falls Titelträger in Vertretungsfällen kapazitätsneutral herangezogen werden können. Es ist demnach zumindest zweifelhaft, ob es dem Ziel bestmöglicher Ausnutzung der Ausbildungsressourcen aufs Ganze gesehen besser dient, falls Pflichtlehrleistungen von Titelträgern nur zulassungserheblich erbracht werden können. Es muß daher dem das Kapazitätserschöpfungsgebot einfachrechtlich ausformenden Normgeber überlassen werden zu entscheiden, welcher Lösung der Vorzug zu geben ist."

Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass ein auf die Ausschöpfung der vorhandenen Ausbildungsressourcen zielender Normgeber gute Gründe haben kann, die Titellehre im Pflichtlehrbereich anders zu behandeln als die von Lehrbeauftragten erbrachte Lehre (a.A. Bahro/Berlin, Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. 2003, § 10 KapVO, Rzn 9 f.; Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, 2003, Rz 174 ff. m.w.N.). Dem kann die Auffassung des früher für das Hochschulzulassungsrecht zuständigen 1. Senats des Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 31. Oktober 1983 - NC 1 B 772/82), wonach auch unentgeltlich erbrachte Lehrleistungen im Bereich der Pflichtlehre in die Kapazitätsberechnung einzubeziehen sind, schon deshalb nicht entgegen gehalten werden, weil seinerzeit die bereits erwähnte Regelung des § 10 Satz 3 KapVO über die freiwilligen und unentgeltlichen Lehrleistungen außeruniversitärer Forscher noch nicht bestand.

Soweit die Beschwerde die Berechnung der patientenbezogenen Kapazität nach §§ 14 Abs. 2 Nr. 4, 17 Abs. 1 KapVO kritisiert, verkennt sie, dass diese Berechnung gemäß § 17 Abs. 2 KapVO der Festsetzung der Zulassungszahl nur dann zugrunde zu legen ist, wenn ihr Ergebnis niedriger liegt als die Kapazitätsermittlung aufgrund der personellen Ausstattung (vgl. hierzu Bahro/Berlin, a.a.O. § 17 KapVO Rz 11). Das ist hier aber nicht der Fall. Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht keinen solchen Abzug wegen nicht ausreichender Patientenzahl vorgenommen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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