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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 27.08.2003
Aktenzeichen: 6 D 11153/03.OVG
Rechtsgebiete: StudStV, KapVO


Vorschriften:

StudStV Art. 7
StudStV Art. 7 Abs. 1
StudStV Art. 7 Abs. 1 S. 2
StudStV Art. 7 Abs. 1 S. 3
StudStV Art. 7 Abs. 2
StudStV Art. 7 Abs. 2 S. 1
KapVO § 5
KapVO § 5 Abs. 1
KapVO § 2
KapVO § 2 Abs. 2
KapVO § 2 Abs. 2 S. 1
KapVO § 2 Abs. 2 S. 2
Auch bei semesterweiser Festsetzung der Zulassungszahlen für zulassungsbeschränkte Studiengänge ist die jährliche Aufnahmekapazität maßgeblich für eine erschöpfende Nutzung der Ausbildungsmöglichkeiten. Im Wintersemester innerhalb der festgesetzten Zulassungszahl unbesetzt gebliebene Studienplätze sind im nachfolgenden Sommersemester kapazitätserhöhend zu berücksichtigen.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

6 D 11153/03.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Zulassung zum Studium der Medizin

hier: einstweilige Anordnung

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 27. August 2003, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Hehner Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Beuscher Richterin am Verwaltungsgericht Meyer

beschlossen:

Tenor:

Unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 30. Juni 2003 - 15 M 749/03.KO - ergeht folgende einstweilige Anordnung:

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Antragstellerin auf Antrag vorläufig zum Studium der Medizin im 1. vorklinischen Semester zuzulassen, und zwar unter folgenden Voraussetzungen:

a) Der Antrag muss bis zum 15. September 2003 einschließlich bei der Antragsgegnerin eingegangen sein.

b) Dem Antrag ist eine eidesstattliche Versicherung des Inhalts beizufügen, dass die Antragstellerin an keiner Hochschule in der Bundesrepublik Deutschland im Studiengang Medizin oder in einem anderen Studiengang mit Zulassungsbeschränkung (Hauptfach) endgültig oder vorläufig eingeschrieben ist.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Antragsgegnerin.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2000,- € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin, die ausdrücklich auch darauf gestützt ist, dass nicht alle Studienplätze innerhalb der festgesetzten Kapazität besetzt sind, hat Erfolg. Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Antragsgegnerin verpflichtet wird, sie zum Studium der Medizin im 1. vorklinischen Semester zuzulassen.

Nach Abschluss des Vergabeverfahrens sind noch drei Studienplätze innerhalb der festgesetzten Kapazität verfügbar. Die festgesetzte Ausbildungskapazität für das erste vorklinische Semester ist trotz der zum Sommersemester 2003 nach Angaben der Antragsgegnerin erfolgten 228 Immatrikulationen noch nicht erschöpft. Denn es ist - wie der nachfolgenden Begründung entnommen werden kann - maßgeblich auf die jährliche Aufnahmekapazität von 448 Plätzen abzustellen, die sich aus 222 Studienplätzen (Zulassungszahl für das Wintersemester 2002/2003), weiteren 222 Studienplätzen (Zulassungszahl für das Sommersemester 2003) und zusätzlichen vier Studienplätzen zusammensetzt, die die Antragsgegnerin der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) nachgemeldet hat. Nach Angaben der Antragsgegnerin im Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 19. August 2003 sind im Wintersemester 2002/2003 insgesamt 217, im Sommersemester 2003 - teilweise aufgrund einer "Überbuchung" durch die ZVS - 228 Einschreibungen erfolgt, mithin drei weniger als es der jährlichen Aufnahmekapazität von 448 Studienplätzen entsprochen hätte. Da der einstweilige Rechtsschutzantrag auch auf Zuteilung eines Studienplatzes innerhalb der festgesetzten Kapazität gerichtet ist, das Begehren zeitgerecht geltend gemacht wurde und weniger Bewerber als freie Plätze vorhanden sind, erübrigt sich ein Losverfahren i.S.d. § 27 Abs. 1 VergabeverordnungZVS.

Die Maßgeblichkeit der jährlichen Aufnahmekapazität mit der Folge, dass im Wintersemester innerhalb der festgesetzten Zulassungszahl unbesetzt gebliebene Studienplätze im nachfolgenden Sommersemester zusätzlich zur Kapazität des Sommersemesters zu vergeben sind, ergibt sich aus dem Landesgesetz zu dem Staatsvertrag zwischen den Ländern über die Vergabe von Studienplätzen vom 8. März 2000 (GVBl. S. 79), mit welchem dem Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen vom 24. Juni 1999 - StV - zugestimmt wurde, und der Landesverordnung über die Kapazitätsermittlung, die Curricularnormwerte und die Festsetzung von Zulassungszahlen vom 5. September 1979 (GVBl. S. 284 m.sp.Ä. - KapVO -). In Art. 7 Abs. 1 Sätze 2 und 3 StV ist festgelegt, dass die Zulassungszahl als die Zahl der von der einzelnen Hochschule höchstens aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber in einem Studiengang auf der Grundlage der jährlichen Aufnahmekapazität festgesetzt wird. Zulassungszahlen dürfen nach Art. 7 Abs. 1 Satz 3 StV nur für einen bestimmten Zeitraum, höchstens für die Dauer eines Jahres, festgesetzt werden. Zulassungszahlen sind so festzusetzen, dass nach Maßgabe der haushaltsrechtlichen Vorgaben und unter Berücksichtigung der räumlichen und fachspezifischen Gegebenheiten eine erschöpfende Nutzung der Ausbildungskapazität erreicht wird (Art. 7 Abs. 2 Satz 1 StV). Dem entsprechend bestimmt § 2 Abs. 2 Satz 1 KapVO, dass der Festsetzung der Zulassungszahl die jährliche Aufnahmekapazität zugrunde liegt. Bei Studiengängen, für die während eines Jahres Bewerber an mehreren Vergabeterminen aufgenommen werden, wird die jährliche Aufnahmekapazität auf die einzelnen Vergabetermine aufgeteilt (§ 2 Abs. 2 Satz 2 KapVO). Diese Vorschriften machen ebenso wie § 5 Abs. 1 KapVO und § 6 KapVO deutlich, dass im Interesse der erschöpfenden Nutzung der Ausbildungsmöglichkeiten (vgl. hierzu Bahro/Berlin, Hochschulzulassungsrecht, 4. Aufl. 2003, Art. 7 StV, Rz. 7 ff.) zunächst die jährliche Aufnahmekapazität ermittelt und auf dieser Grundlage die Zulassungszahlen festgesetzt werden. Dabei kann, wenn sowohl zum Winter- als auch zum Sommersemester Studierende für das erste Fachsemester eingeschrieben werden, die Jahresaufnahmezahl aufgeteilt werden oder aber eine getrennte Festsetzung der Zulassungszahlen für Winter- und Sommersemester erfolgen, wie dies der rheinland-pfälzischen Praxis entspricht. Eine solche "semestrale" Festsetzung der Zulassungszahlen ändert indessen nichts an der Maßgeblichkeit der jährlichen Aufnahmekapazität (so ausdrücklich für Studienplätze außerhalb der festgesetzten Kapazität: OVG Hamburg, Beschluss vom 12. Oktober 2000 - 3 Nc 51/00 - und Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, 2003, Rz 392 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung). Auch der VGH Mannheim (Beschluss vom 16. August 1999, NVwZ 1999, 1357), nach dessen Auffassung Studienplätze für das erste Fachsemester, die in einem Wintersemester frei geblieben sind, im nachfolgenden Sommersemester nicht für Studienbewerber für das (dann) erste Semester zur Verfügung stehen, räumt ein, dass auch einer "semestralen" Festsetzung der Zulassungszahlen eine auf ein Studienjahr bezogene Kapazitätsermittlung zugrunde liegt. Bestimmt sich aber die Zahl der verfügbaren Studienplätze trotz semesterweiser Studienplatzvergabe nach der Aufnahmekapazität im gesamten Studienjahr, so kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 22. Dezember 1989, NVwZ-RR 1990, 349) für den durch Art. 12 Abs. 1 GG gebotenen Zustand der erschöpfenden Kapazitätsnutzung allein darauf an, ob die Zulassungszahlen für beide Semester des Studienjahres zusammen der ermittelten Jahresaufnahmekapazität entsprechen. Allerdings darf die Ermittlung der Aufnahmequote für den zweiten Vergabetermin des Studienjahres (Sommersemester) durch Abzug der zum ersten Vergabetermin (Wintersemester) vergebenen Studienplätze von der Jahresaufnahmequote nicht zu einem die Funktionsfähigkeit des Lehrbetriebs gefährdenden Ungleichgewicht der Semesteraufnahmequoten führen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 1989, NVwZ-RR 1990, 349). Eine solche Folge ist vorliegend angesichts der Zulassung von zwei weiteren Studienanfängern nicht zu befürchten.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 20 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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