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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 20.11.2008
Aktenzeichen: 7 A 10562/08.OVG
Rechtsgebiete: LAbwAG, AbwAG


Vorschriften:

LAbwAG § 6
LAbwAG § 6 Abs. 1
LAbwAG § 6 Abs. 2
LAbwAG § 6 Abs. 5
LAbwAG F: 1993 § 6 Abs. 5
AbwAG § 10
AbwAG § 10 Abs. 3
Die Verrechnung einer Abwasserabgabe für das Einleiten von Niederschlagswasser mit Investitionsaufwendungen nach § 6 Abs. 5 LAbwAG in der bis zur Änderung durch Gesetz vom 2. März 2006 geltenden Fassung (jetzt § 6 Abs. 6 LAbwAG) setzt voraus, dass für die von der Maßnahme betroffene Einleitung bereits eine Abwasserabgabe gezahlt worden ist.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 A 10562/08.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Abwasserabgabe

hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 20. November 2008, an der teilgenommen haben

Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Holl Richter am Landgericht Hildner ehrenamtliche Richterin Hauswirtschaftsmeisterin Kämmerer ehrenamtlicher Richter Kaufmann Geiger

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 7. April 2008 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Verrechnung von Aufwendungen für die Herstellung von Regenwasserkanälen mit ihrer für die Jahre 1994 und 1995 geschuldeten Niederschlagswasserabgabe.

Zum Gebiet der Klägerin gehört die Ortsgemeinde Merzweiler. Im Jahr 1995 wurden dort Regenwasserkanäle erstmalig in Betrieb genommen. Zuvor verfügte die Ortsgemeinde über keine leitungsgebundene Entwässerung, sondern über Klärgruben, für welche die Klägerin zu einer Kleineinleiterabgabe veranlagt wurde. Eine Niederschlagswasserabgabe wurde für diese Ortsgemeinde hingegen nicht erhoben.

Die Klägerin leitet aus verschiedenen Einleitungsstellen ihrer zur Kläranlage Lauterecken führenden Mischwasserkanalisation und aus Regenwasserkanälen Niederschlagswasser in Gewässer ein. Hierfür zog sie der Beklagte mit Bescheid vom 6. November 1997 in Gestalt des Abhilfebescheids vom 7. Dezember 2006 und mit Bescheid vom 10. Dezember 1998 zu einer Abwasserabgabe von 27.609,45 € für das Jahr 1994 und von 15.338,75 € für das Jahr 1995 heran. Mit Schreiben vom 20. November 1997 und 22. Dezember 1998 beantragte die Klägerin, Aufwendungen in Höhe von insgesamt 65.123,35 € für die Herstellung der Regenwasserkanäle in der Ortsgemeinde Merzweiler mit den für 1994 und 1995 festgesetzten Niederschlagswasserabgaben zu verrechnen.

Mit Bescheid vom 28. Februar 2007 lehnte der Beklagte die beantragte Verrechnung ab. Zur Begründung führte er aus, die Verrechnung einer Niederschlagswasserabgabe mit Aufwendungen für eine erstmalige Herstellung von Kanälen sei nach § 6 Abs. 5 des Landesabwasserabgabengesetzes (LAbwAG) nicht möglich, da bislang in der Ortsgemeinde Merzweiler keine Abgabe für Niederschlagswasser angefallen sei.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin am 12. Oktober 2007 Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen: Die von ihr errichtete Regenwasserkanalisation, die wasserrechtlich zugelassen sei und entsprechend dieser Zulassung betrieben werde, diene der Abgabefreiheit nach § 6 Abs. 1 LAbwAG, sodass die Ablehnung der Verrechnung § 6 Abs. 5 LAbwAG widerspreche.

Das Verwaltungsgericht hat sich der Auslegung des § 6 Abs. 5 LAbwAG durch den Beklagten angeschlossen und die Klage durch das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. April 2008 ergangene Urteil abgewiesen.

Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung ergänzt und vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen: Auch die erstmalige Herstellung einer Einrichtung diene der Erfüllung der Voraussetzung für die Abgabefreiheit nach § 6 Abs. 1 oder 2 LAbwAG. Sowohl Absatz 1 als auch Absatz 2 des § 6 LAbwAG stelle auf die Gesamteinrichtung ab und differenziere lediglich im Hinblick auf die Tatbestände zwischen Misch- und Trennkanalisation. Bei der Frage der Abgabenerhebung bzw. der Verrechnungsmöglichkeit sei - auch bei einer einzelnen Investitionsmaßnahme i.S.d. § 6 Abs. 5 LAbwAG - maßgeblich auf die Erfüllung der Voraussetzungen für die Abgabefreiheit in Bezug auf die Gesamteinrichtung abzustellen. Dass die der Verrechnung zugrunde liegende Investitionsmaßnahme in der Vergangenheit von der Abwasserabgabepflicht erfasst gewesen sein müsse, verlange das Gesetz nicht. Insofern sei gleichermaßen anerkannt, dass die kommunalen Gebietskörperschaften Investitionen, die der Herbeiführung der Abgabefreiheit dienten, mit allen von ihnen für den Zeitraum von drei Jahren vor der Inbetriebnahme der Einrichtung für Niederschlagswassereinleitungen geschuldeten Abwasserabgaben verrechnen könnten und somit auch eine Verrechnung mit Einleitungen zulässig sei, auf deren Abgabefreiheit eine zu verrechnende Maßnahme keinen Einfluss habe. Da die gesetzliche Regelung eindeutig sei, bedürfe es insoweit keiner Auslegung nach Sinn und Zweck der Verrechnungsmöglichkeit durch Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung. Gleichfalls nicht zu überzeugen vermöge der Verweis des Verwaltungsgerichts auf § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG und die daran anknüpfenden Ausführungen zu Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Die Beschränkung der Verrechnungsmöglichkeit auf Fälle, in denen bereits eine Abwasserabgabe gezahlt werde, komme auch deshalb nicht in Betracht, weil diese Abgabe erst seit dem Jahr 1994 erhoben werde. Schließlich müsse die jüngste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 26. Juni 2008 - 7 C 2.08 -) zu § 10 Abs. 4 AbwAG berücksichtigt werden.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 17. April 2008 sowie unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 28. Februar 2007 und des Widerspruchsbescheids vom 19. September 2007 den Beklagten zu verpflichten, ihre Aufwendungen für die Herstellung von Regenwasserkanälen zur Ableitung von Niederschlagswasser in der Ortsgemeinde Merzweiler mit der für das Jahr 1994 in Höhe von 27.609,45 € und für das Jahr 1995 in Höhe von 15.338,75 € festgesetzten Niederschlagswasserabgabe zu verrechnen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hierzu ergänzt und vertieft auch er sein bisheriges Vorbringen.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich dahingehend geäußert, dass er die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung teile.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verrechnung ihrer Aufwendungen für die Herstellung von Niederschlagswasserkanälen in der Ortsgemeinde Merzweiler mit den vom Beklagten für die Jahre 1994 und 1995 festgesetzten Niederschlagswasserabgaben (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Nach § 7 Abs. 2 des Abwasserabgabengesetzes (AbwAG) können die Länder bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Einleitung von Niederschlagswasser ganz oder zum Teil abgabefrei bleibt. Hiervon hat Rheinland-Pfalz durch § 6 des Landesabwassergesetzes - LAbwAG - Gebrauch gemacht. Die Möglichkeit der Verrechnung von bestimmten Investitionsaufwendungen mit Abgaben für das Einleiten von Niederschlagswasser richtet sich im hier maßgeblichen Zeitraum nach § 6 Abs. 5 LAbwAG in der bis zu seiner Änderung durch das Gesetz vom 2. März 2006 (GVBl. S. 97) geltenden Fassung (im Folgenden: § 6 Abs. 5 LAbwAG a.F.). Nach dessen Satz 1 gilt: Werden Einrichtungen errichtet oder erweitert, die zur Erfüllung der Voraussetzungen für die Abgabefreiheit nach § 6 Abs. 1 oder 2 LAbwAG dienen, so können die für die Errichtung oder Erweiterung entstandenen Aufwendungen mit der für die in den drei Jahren vor der vorgesehenen Inbetriebnahme der Einrichtung insgesamt für das Einleiten von Niederschlagswasser aus der Kanalisation geschuldeten Abgabe verrechnet werden.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

In § 6 Abs. 1 und 2 LAbwAG wird - unter bestimmten Voraussetzungen - Befreiung von der Niederschlagsabwasserabgabe gewährt. Das Ziel einer solchen Befreiung kann nicht erreicht werden, wenn keine Niederschlagsabwasserabgabe im Bereich der zu errichtenden oder zu erweiternden Einrichtung erhoben wird. Das bedeutet umgekehrt, dass eine Verrechnung nur in Betracht kommt, sofern die Errichtung oder Erweiterung der Einrichtung zum Wegfall einer Pflicht zur Niederschlagsabwasserabgabe führt. Somit kommt eine Verrechnung vorliegend nicht in Betracht, da die Errichtung der Niederschlagswasserkanalisation in der Ortsgemeinde Merzweiler nicht der Erfüllung der Voraussetzungen für die Abgabefreiheit nach § 6 Abs. 1 oder 2 LAbwAG diente. Vor der Errichtung fiel nämlich für die Einleitungen der Ortsgemeinde keine Niederschlagswasserabgabe an. Die Kleineinleiterabgabe wurde für Schmutzwassereinleitungen erhoben (vgl. § 8 AbwAG, § 7 LAbwAG).

Eine erweiternde, den Fall der Klägerin erfassende Auslegung des § 6 Abs. 5 LAbwAG a.F. lässt sich weder aus der Entstehungsgeschichte noch aus Sinn und Zweck der Bestimmung herleiten.

§ 6 Abs. 5 LAbwAG in der hier maßgeblichen Fassung wurde durch das Gesetz vom 24. September 1993 (GVBl. S. 473) eingeführt. Auch der Gesetzgeber hatte hierbei ersichtlich das Bild des Wegfalls einer bestehenden Niederschlagswasserabgabepflicht vor Augen. Nach der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs sollte nämlich für die Einleiter, welche nicht die Anforderungen an die Abgabefreiheit für Niederschlagswasser erfüllen, die Möglichkeit geschaffen werden, Aufwendungen für neue oder erweiterte Einrichtungen zur Herbeiführung der Abgabefreiheit mit der Abgabe für die Niederschlagswassereinleitung zu verrechnen (vgl. LT-Drs. 12/3087 S. 11).

Abwasserabgabengesetz und Landesabwasserabgabengesetz sollen Gewässerschutzmaßnahmen anstoßen (vgl. BVerwG, NVwZ-RR 2004, 64 [65]). Niederschlagswasser nimmt meist, bevor es in ein Gewässer gelangt, Schadstoffe auf, die zu einer nicht unerheblichen Gewässerbelastung führen können. Dies gilt insbesondere, wenn das Niederschlagswasser zunächst befestigte Flächen erreicht, dort verschmutzt und sodann in Gewässer eingeleitet wird (vgl. Dahme, in: Sieder/Zeitler/Dahme, Wasserhaushaltsgesetz und Abwasserabgabengesetz, Stand: 1. Juni 2008, § 7 AbwAG Rn. 1). Hieran knüpft die - bereits im Abwasserabgabengesetz vom 13. September 1976 (BGBl. I S. 2721, berichtigt S. 3007) geregelte - Abgabe für das Einleiten von Niederschlagswasser an. Mit den Vorschriften über die Abgabefreiheit soll ein Anreiz zu einer ordnungsgemäßen Niederschlagswasserbehandlung geschaffen werden (vgl. Berendes, Das Abwasserabgabengesetz, 3. Auf. 1995, S. 119). Die Abgabefreiheit kann sich einerseits unmittelbar aus dem Abwasserabgabengesetz (vgl. § 7 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 4 AbwAG), andererseits über § 7 Abs. 2 AbwAG aus dem Landesrecht ergeben. Der Landesgesetzgeber sieht eine die Abgabefreiheit begründende Niederschlagswasserbehandlung als gegeben an, wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 oder 2 LAbwAG erfüllt sind. § 6 Abs. 5 LAbwAG a.F. soll diejenigen, die eine Niederschlagswasserabgabe schulden, dazu bewegen, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, indem die Verrechnung von Investitionsaufwendungen mit bestehenden Abgaben zugelassen wird. Eine vergleichbare Regelung enthält § 10 Abs. 3 AbwAG. Werden Abwasserbehandlungsanlagen errichtet oder erweitert, deren Betrieb eine Minderung der Fracht einer der bewerteten Schadstoffe und Schadstoffgruppen in einem zu behandelnden Abwasserstrom um mindestens 20 vom Hundert sowie eine Minderung der Gesamtschadstofffracht beim Einleiten in das Gewässer erwarten lassen, so können danach die für die Errichtung oder die Erweiterung der Anlage entstandenen Aufwendungen mit der für die in den drei Jahren vor der vorgesehenen Inbetriebnahme der Anlage insgesamt für diese Einleitung geschuldeten Abgabe verrechnet werden. Die Vorschrift beinhaltet ein sogenanntes Bauphasenprivileg (vgl. BVerwG, a.a.O.). Um das Investitionshindernis einer finanziellen Doppelbelastung auszuschließen, darf der Abgabepflichtige seine Aufwendungen mit Abwasserabgaben während einer auf drei Jahre geschätzten Bauzeit verrechnen, obschon die Einrichtung noch nicht in Betrieb genommen, also die erstrebte Verbesserung des Gewässerschutzes noch nicht wirksam ist. Von einer solchen Begünstigung wird nicht erfasst, wen - wie die Klägerin - lediglich die Investitionsaufwendungen treffen. § 6 Abs. 5 LAbwAG a.F ist an § 10 Abs. 3 AbwAG angelehnt und verfolgt das gleiche Ziel. Hierfür spricht auch der historische Kontext, aus dem heraus die Bestimmung hervorgegangen ist. Bei seiner Einführung im Jahr 1993 durfte der Landesgesetzgeber ein über § 10 Abs. 3 AbwAG hinausgehendes Regelungsbedürfnis deshalb sehen, weil es der von 1991 bis 1993 geltende Wortlaut des § 10 Abs. 3 AbwAG zweifelhaft erscheinen ließ, ob eine Verrechnung mit Abgaben für Niederschlagswasser möglich wäre (vgl. Dahme, a.a.O., § 10 AbwAG Rn. 45).

Der Lenkungsfunktion des Abwasserabgabenrechts könnte es zwar grundsätzlich unter Umständen entsprechen, Aufwendungen für Maßnahmen in den Verrechnungstatbestand einzubeziehen, die - wie im Fall der Klägerin - nicht zu einem Wegfall einer Abgabepflicht führen. Eine solche Privilegierung kann - angesichts seines klaren Wortlauts - § 6 Abs. 5 LAbwAG a.F. indessen nicht entnommen werden. Das Abwasserabgabenrecht dient im Übrigen weder der allgemeinen Investitionsförderung noch der Subventionierung von Aufwendungen für Maßnahmen, zu denen der Abgabenschuldner lediglich nach anderen gesetzlichen Regelungen verpflichtet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 ZPO.

Revisionsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 42.948,20 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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