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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 06.03.2008
Aktenzeichen: 7 A 11276/07.OVG
Rechtsgebiete: AufenthG, StAG


Vorschriften:

AufenthG § 27
AufenthG § 27 Abs. 1a
AufenthG § 27 Abs. 1a Nr. 1
AufenthG § 28
AufenthG § 28 Abs. 1
AufenthG § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
StAG § 4
StAG § 4 Abs. 1
Zwar erwirbt ein nichteheliches Kind einer ausländischen Mutter auch durch eine von einem deutschen Staatsangehörigen bewusst wahrheitswidrig in rechtsmissbräuchlicher Absicht erklärte Vaterschaftsanerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit. Seine Mutter, die mit dem anerkennenden Mann kollusiv zusammengewirkt hat, um sich und dem Kind den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, erhält aber nach § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG keine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 A 11276/07.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Aufenthaltserlaubnis (Ghana)

hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. März 2008, an der teilgenommen haben

Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Wolff Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Stahnecker ehrenamtlicher Richter Bankkaufmann Kauer ehrenamtliche Richterin Hotelier Kauth

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin, eine 1970 geborene ghanaische Staatsangehörige, begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

Sie reiste zusammen mit ihrem Sohn A. nach Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Am 12. Juli 2002 gebar sie ihr zweites Kind B.. Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 29. Juli 2002 gab sie an, am 7. Juli 2002 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik eingereist zu sein. Der Vater des Kindes B. sei ein Europäer, der irgendwann einmal in Ghana gewesen sei. Sie selbst sei vorher noch nie in Deutschland gewesen. Der Asylantrag wurde durch Bescheid des Bundesamtes vom 2. August 2002 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Ihr hiergegen gestellter Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 28. August 2002 abgelehnt, ihre Klage blieb ebenfalls ohne Erfolg (Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 18. Juni 2003).

Am 22. November 2002 erkannte der deutsche Staatsangehörige J., geboren 1947, mit Zustimmung der Klägerin die Vaterschaft für das Kind B. an und gab mit ihr eine gemeinsame Sorgerechtserklärung ab.

Unter dem 8. Januar 2003 beantragte die Klägerin für sich und ihren Sohn A. die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Zur Begründung verwies sie darauf, dass sie mit dem deutschen Staatsangehörigen J. "ein leiblich Kind" habe. Das Kind sei deutscher Staatsangehöriger, so dass sie als ausländischer Elternteil Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis habe.

Da der Beklagte aufgrund des zeitlichen Ablaufs den Verdacht hegte, Herr J. sei nicht der leibliche Vater, stellte er gegen ihn und die Klägerin Strafanzeige. Bei seiner Beschuldigtenvernehmung durch die Polizei am 14. April 2003 räumte Herr J. ein, nicht der Vater des Kindes B. zu sein. Er habe die Klägerin über einen Bekannten, Herrn M., kennengelernt. Dieser habe ihn zusammen mit der Klägerin und dem Kind in seiner Wohnung aufgesucht und ihn gefragt, ob er das Kind anerkennen könne, die Klägerin hätte Schwierigkeiten mit ihrer Aufenthaltsgenehmigung. Er sei damit einverstanden gewesen. Es sei verabredet worden, dass er im Gegenzug das Erziehungs- oder Kindergeld beantragen und behalten solle. Den Antrag habe er aber nie gestellt. Er habe auch nie Geschlechtsverkehr mit der Klägerin gehabt. Seit Januar 2002 sei er mit einer togoischen Staatsangehörigen verheiratet, von der er aber seit etwa Februar 2003 getrennt lebe.

Auf Vorhalt der Aussage von Herrn J. erklärte die Klägerin gegenüber dem Jugendamt des Beklagten am 27. Mai 2003, nur Herr J. komme als Vater ihres Kindes in Betracht und sonst niemand. Sie sei bereits im Oktober 2001 in Deutschland gewesen und habe geschlechtliche Beziehungen zu Herrn J. unterhalten. In Ghana sei sie noch nicht schwanger gewesen. Eine Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung komme für sie nicht in Betracht, weil für sie feststehe, dass Herr J. der Vater des Kindes sei.

Im Rahmen des gegen die Klägerin, Herrn J. und Herrn M. geführten Strafverfahrens gab die Klägerin in der Hauptverhandlung vom 22. Juni 2004 vor dem Amtsgericht C. an, sie wisse nicht, wer der Vater ihres Kindes sei. Mit Herrn J. habe sie Geschlechtsverkehr gehabt. Während der gesetzlichen Empfängniszeit habe sie auch andere sexuelle Bekanntschaften gehabt. Seit Oktober 2001 habe sie mit Herrn J. zusammengelebt. Etwa Anfang 2003 habe sie sich von Herrn J. getrennt. Dieser müsse der Vater des Kindes sein.

Das Verfahren gegen Herrn J. wurde abgetrennt. Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 6. August 2004 wurde gegen ihn eine Geldstrafe festgesetzt wegen eines Vergehens nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG, weil er gemeinschaftlich handelnd mit der Klägerin unrichtige Angaben gemacht habe, um für sie eine Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung zu beschaffen.

In der weiteren Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht C. vom 6. Dezember 2005 ließ die Klägerin über ihre damalige Verfahrensbevollmächtigte erklären, sie sei im Oktober 2001 nach Deutschland eingereist. Sie habe Herrn J. getroffen, der ihr die Heirat versprochen habe. Sie habe mit ihm zusammengelebt. Er habe sie zur Prostitution gezwungen.

Am 17. Mai 2006 ließ die Klägerin schließlich in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht C. über ihren Verfahrensbevollmächtigten erklären, Herr J. habe sie in seiner Wohnung aufgenommen und ihr die Ehe versprochen. Alsbald habe sie jedoch festgestellt, dass er mit ihr nur Geld habe verdienen wollen, indem er sie anderen Männern angeboten habe. Er habe für das Kind B. die Vaterschaft anerkennen wollen. Bei der Vaterschaftsanerkennung sei sie der Meinung gewesen, es handele sich um eine Erklärung, der Inhalt sei ihr nicht bewusst gewesen. Im Juli 2002 habe sie sich in staatliche Hände begeben, weil sie schwanger gewesen sei. Sie sei davon ausgegangen, dass Herr J. sie nach der Geburt des Kindes heiraten werde.

Im selben Termin wurde Herr J. als Zeuge vernommen, der im Wesentlichen seine gegenüber der Polizei gemachten Angaben wiederholte.

Mit Urteil vom 17. Mai 2006 verurteilte das Amtsgericht C. die Klägerin wegen eines Vergehens nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG zu einer Geldstrafe, weil sie gemeinschaftlich mit dem Zeugen J. unrichtige Angaben gemacht habe, um für sich und ihren Sohn eine Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung zu beschaffen. Hiergegen legte sie Berufung ein und ließ über ihren Verfahrensbevollmächtigten mitteilen, sie habe zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Jugendamt erklärt, Herr J. sei der leibliche Vater ihres Sohnes B.. Sie sei davon ausgegangen, die Erklärung von Herrn J. bedeute eine Legalisierung ihres Sohnes, die nach deutschem Recht zulässig sei. Herr J. könne als weiße Person offensichtlich nicht der Vater des Kindes B. sein, dessen Eltern beide schwarzer Hautfarbe sein müssten. Sie sei sich darüber im Klaren, dass Herr J. nicht der leibliche Vater sei. Das Strafverfahren wurde mit Beschluss des Landgerichts K. vom 2. August 2006 nach § 153 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StPO eingestellt.

Unter dem 28. September 2006 beantragte die Klägerin erneut die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft mit ihrem Kind B.. Über diesen Antrag hat der Beklagte bislang nicht entschieden.

Ihre auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25. Juni 2007 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin erfülle zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Der Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis stehe jedoch der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Klägerin entgegen. Ihr Vorbringen, sie habe keine bewusst wahrheitswidrigen Angaben gemacht, sie sei davon ausgegangen, Herr J. wolle sie heiraten und die Anerkennung diene der zulässigen "Legalisierung" ihres Sohnes, sei eine reine Schutzbehauptung.

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung macht die Klägerin geltend: Selbst die bewusst wahrheitswidrige Anerkennung der Vaterschaft führe nicht zu deren Unwirksamkeit. Die deutsche Staatsangehörigkeit ihres Kindes B. sei daher von jedermann, auch von der Ausländerbehörde zu beachten. Ihre Berufung auf die deutsche Staatsangehörigkeit ihres Kindes sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Sie sei von Anfang an davon ausgegangen, dass mit der Vaterschaftsanerkennung lediglich beabsichtigt gewesen sei, den Sohn B. als Kind ihres beabsichtigten Ehepartners zu legalisieren. Rechtsmissbrauch könne ihr auch deshalb nicht vorgeworfen werden, weil der von ihr geltend gemachte Anspruch aus der Rechtsposition ihres Sohnes resultiere, die dieser ohne eigenes Zutun völlig rechtmäßig aufgrund der in Deutschland geltenden Rechtslage erworben habe. Ihr komme aus Art. 6 GG das Recht zu, ihren Sohn zu fördern, und zwar wie jedes andere deutsche Kind auch. Diese Fördermöglichkeit werde ihr durch die Vorenthaltung einer Aufenthaltserlaubnis genommen, da sie als lediglich geduldete Ausländerin Beschränkungen im Hinblick auf die Wahl ihres Aufenthaltsortes, die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und die Teilnahme an unentgeltlichen Sprachkursen zum Zwecke der Integration unterliege. Dadurch würden auch die grundrechtlich geschützten Positionen ihres Sohnes als deutscher Staatsangehöriger verletzt, insbesondere sein Recht auf Betreuung durch seine Mutter aus Art. 6 GG und sein Recht auf Freizügigkeit, und gegen das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG gegenüber anderen Kindern mit deutscher Staatsangehörigkeit verstoßen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. Juni 2007 den Beklagten zu verpflichten, ihr eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er weist darauf hin, dass der Aufenthalt der Klägerin aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit ihres Kindes B. weiterhin geduldet werde, eine Abschiebung sei nicht vorgesehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die vorgelegten Behördenakten einschließlich der Akte der Staatsanwaltschaft K. - 2030 Js 11369/03 - verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG sind allerdings erfüllt. Nach dieser Bestimmung ist die Aufenthaltserlaubnis dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat.

Die Klägerin ist die sorgeberechtigte Mutter des am 12. Juli 2002 in Deutschland geborenen Kindes B., das seitdem im Bundesgebiet lebt. Mit der Vaterschaftsanerkennung durch den deutschen Staatsangehörigen J. hat das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit erworben.

Nach § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG - erwirbt ein Kind durch die Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil Deutscher ist. Ist dies nur der Vater und ist zur Begründung der Abstammung nach den deutschen Gesetzen die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erforderlich, so bedarf es zur Geltendmachung des Erwerbs einer wirksamen Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft. Da Herr J. im Zeitpunkt der Geburt des Kindes nicht mit der Klägerin verheiratet war, bedurfte es gemäß § 1592 BGB zur Begründung der Vaterschaft der Anerkennung oder gerichtlichen Feststellung. Herr J. hat die Vaterschaft für das Kind B. am 22. November 2002 gegenüber dem Jugendamt mit Zustimmung der Klägerin als Mutter anerkannt.

Diese Vaterschaftsanerkennung ist wirksam. Nach § 1598 Abs. 1 BGB ist eine Anerkennung nur unwirksam, wenn sie den Erfordernissen der §§ 1594 ff. BGB nicht genügt. Dafür ist hier nichts ersichtlich. Insbesondere bedarf es seit der Kindschaftsrechtsreform im Jahre 1998 nicht mehr der Zustimmung des Kindes, das hierfür von Amts wegen einen Pfleger erhalten hatte (vgl. §§ 1600c, 1706 Nr. 1 BGB in der bis zum 30. Juni 1998 geltenden Fassung). Da die Aufzählung der Unwirksamkeitsgründe in § 1598 Abs. 1 BGB abschließend ist, führt selbst eine bewusst wahrheitswidrige Vaterschaftsanerkennung nicht zu deren Unwirksamkeit (vgl. Diederichsen, in: Palandt, BGB, 67. Auflage 2008, § 1598 Rn. 2 m.w.N.). Der Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 1 StAG ist zu entnehmen, dass im Staatsangehörigkeitsrecht die gleichen Maßstäbe geltend sollen wie im Familienrecht (vgl. BT-Drs. 12/4450, S. 36). Folglich ist selbst eine bewusst wahrheitswidrige, in rechtsmissbräuchlicher Absicht erklärte Vaterschaftsanerkennung auch staatsangehörigkeitsrechtlich als wirksam anzusehen, solange sie nicht erfolgreich angefochten ist (insoweit im Ergebnis ebenso HessVGH, Beschluss vom 5. Juli 2005 - 9 ZU 364/05 -, juris, Rn. 6 f.; OVG LSA, Beschlüsse vom 1. Oktober 2004 - 2 M 441/04 - und vom 25. August 2006 - 2 M 228/06 -, juris). Die Vaterschaftsanerkennung für das Kind B. ist nie angefochten worden. Ein Anfechtungsrecht einer Behörde bei einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung soll im Übrigen zwar nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung eingeführt werden (vgl. BT-Drs. 16/3291), besteht aber derzeit nicht.

Die Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen ist indes nach § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen.

Diese Bestimmung ist durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union - Richtlinienumsetzungsgesetz - vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970), das am 28. August 2007 in Kraft getreten ist, in das Aufenthaltsgesetz eingefügt worden. Bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ist grundsätzlich insoweit auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen, als es um die Frage geht, ob aus Rechtsgründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder versagt werden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 - 1 C 43.06 -, juris, Rn. 13 st. Rspr.). Mangels besonderer Übergangsregelungen ist danach der rechtlichen Beurteilung das Aufenthaltsgesetz in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes zugrunde zu legen.

Nach § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG wird ein Familiennachzug nicht zugelassen, wenn feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.

Während die erste Alternative dieser Vorschrift ("Ehe") den Fall der sogenannten Scheinehe betrifft, ist die zweite Alternative ("Verwandtschaftsverhältnis") sowohl auf sogenannte Zweck- oder Scheinadoptionen als auch auf missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen - sogenannte Scheinvaterschaften - anwendbar (vgl. die Hinweise des Bundesministeriums des Innern vom 2. Oktober 2007 zum Richtlinienumsetzungsgesetz, Teil I. H. I. 1. S. 46 f. Rn. 183; Breitkreutz/Franßende la Cerda/Hübner, ZAR 2007, 381). Missbräuchlich ist die Vaterschaftsanerkennung, wie § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG zu entnehmen ist, wenn sie ausschließlich erklärt wird, um dem Nachziehenden den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, sie also weder zur Anerkennung der biologischen Vaterschaft erfolgt noch einer sozialfamiliären Vater-Kind-Beziehung dient. Dabei lassen sich im Wesentlichen zwei Fallgruppen feststellen: Zum einen der Fall, dass ein ausländischer Mann ohne gesicherten Aufenthalt die Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten Deutschen (oder einer Ausländerin mit gesichertem Aufenthalt) anerkennt. Zum anderen der Fall, dass ein deutscher Mann die Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten ausländischen Mutter ohne gesicherten Aufenthalt anerkennt (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft, BT-Drs. 16/3291, S. 1 und 9 f.). Auf beide Fallgruppen findet § 27 Abs. 1a AufenthG Anwendung. Denn in beiden Fällen wird ein Verwandtschaftsverhältnis, nämlich zwischen dem anerkennenden Vater und dem Kind, begründet, um dem Nachziehenden, das heißt im ersten Fall dem anerkennenden ausländischen Mann selbst und im zweiten Fall der ausländischen Mutter des Kindes und dem Kind - das durch den damit verbundenen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit allerdings aus dem Anwendungsbereich des Aufenthaltsgesetzes ausscheidet - den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Dies steht auch nicht im Widerspruch zur oben dargelegten Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung im Familien- und Staatsangehörigkeitsrecht. Denn auch im Ausländerrecht wird nicht der Status des Kindes als deutsches Kind in Frage gestellt. § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG regelt insoweit nur, ob bei einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung Dritte, entweder der anerkennende Mann selbst oder die Mutter, die in kollusiver Weise mit dem anerkennenden Mann handelt, einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis haben.

Eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung in dem dargelegten Sinne liegt hier vor.

Die Vaterschaftsanerkennung durch Herrn J. für das Kind B. erfolgte nicht zur Anerkennung der biologischen Vaterschaft. Herr J. hat stets erklärt, nicht der Vater des Kindes zu sein. Dies hat letztlich auch die Klägerin selbst, die sich zunächst gegenteilig geäußert hatte, eingeräumt.

Die Vaterschaftsanerkennung diente auch nicht einer sozial-familiären Vater-Kind-Beziehung. Dies ergibt sich aus der glaubhaften Aussage von Herrn J.. Er hat sowohl bei seiner Vernehmung als Beschuldigter durch die Polizei als auch als Zeuge gegenüber dem Amtsgericht C. angegeben, die Klägerin, mit der er nie geschlechtliche Beziehungen gehabt habe, über einen Bekannten, Herrn M., kennengelernt zu haben. Er habe mit den beiden auf deren Wunsch vereinbart, die Vaterschaft für das Kind anzuerkennen, damit die Klägerin in Deutschland bleiben könne. Im Gegenzug habe er das Erziehungs- oder Kindergeld beantragen und behalten dürfen, was er aber nicht getan habe, - so gegenüber der Polizei - bzw. "auch einmal 100,00 €" erhalten - so gegenüber dem Amtsgericht -. Der Senat sieht keinen Anlass, an der Glaubhaftigkeit dieser Aussage zu zweifeln. Dafür spricht zunächst, dass seine Angaben in der Beschuldigtenvernehmung am 14. April 2003 und in der Zeugenvernehmung am 17. Mai 2006 in den wesentlichen Punkten übereinstimmen. Der Umstand, dass er den Erhalt von 100,00 € bei seiner Beschuldigtenvernehmung nicht erwähnt hat, ist demgegenüber nur von untergeordneter Bedeutung und vermag an dem stimmigen Gesamteindruck nichts zu ändern. Vor allem spricht für die Glaubhaftigkeit seiner Aussage, dass er sich damit selbst belastet und der Gefahr der Strafverfolgung ausgesetzt hat. So wurde gegen ihn aufgrund seiner Aussage mit rechtskräfigem Strafbefehl des Amtsgerichts C. vom 6. August 2004 eine Geldstrafe wegen eines Vergehens nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG festgesetzt, weil er gemeinschaftlich handelnd mit der Klägerin unrichtige Angaben gemacht habe, um für sie eine Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung zu beschaffen.

Soweit die Klägerin demgegenüber erklärt hat, ihr sei der Inhalt der von Herrn J. abgegebenen Vaterschaftsanerkennungserklärung nicht bewusst gewesen bzw. sie sei davon ausgegangen, er wolle sie heiraten und die Anerkennung diene der zulässigen "Legalisierung" ihres Sohnes, handelt es sich nach Überzeugung des Senats um eine reine Schutzbehauptung, die ihr nicht abgenommen werden kann. Dies hat das Verwaltungsgericht bereits im Einzelnen zutreffend dargelegt, so dass auf dessen Ausführungen zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. Der Senat teilt insbesondere die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass die Klägerin ihr Vorbringen mehrfach gewechselt hat, um so die Erfolgsaussichten des Verfahrens, das sie gerade betreibt, vermeintlich zu fördern.

Weder die gesetzliche Regelung des § 27 Abs. 1a AufenthG noch deren Anwendung auf den vorliegenden Fall verstößt gegen Art. 6 GG.

Zwar entfalten die staatliche Pflicht zum Schutz der Familie und das Elternrecht (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG) aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen, die einer Trennung der Klägerin von ihrem deutschen Kind, solange es minderjährig ist, entgegenstehen können (vgl. BVerfGE 80, 81; BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats NVwZ 2000, 59), so dass ihre Abschiebung aus rechtlichen Gründen unmöglich sein und ihr daher ein Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG zustehen kann. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist jedoch nicht eine Abschiebung der Klägerin oder deren Androhung, sondern allein der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die Ausländerbehörde des Beklagten hat im Übrigen im Berufungsverfahren ausdrücklich erklärt, dass die Klägerin aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit ihres Kindes weiterhin geduldet werde, eine Abschiebung sei nicht vorgesehen. Aus dem Schutz der Familie und dem Elternrecht nach Art. 6 Abs. 1 und 2 GG folgt auch keine Verpflichtung des Staates, in Fällen einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung, bei der - wie hier - die Kindsmutter kollusiv mit dem die Anerkennung erklärenden Mann zusammenwirkt, eine Aufenthaltserlaubnis zu gewähren, die weitergehende Rechte als eine bloße Duldung vermittelt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 6 Abs. 4 GG, wonach jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft hat. Diese Vorschrift enthält nicht nur einen Auftrag an den Gesetzgeber (vgl. BVerfGE 32, 273), sondern auch eine für den gesamten Bereich des privaten und öffentlichen Rechts verbindliche verfassungsrechtliche Wertentscheidung, der bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Gesetzesrechts Rechnung zu tragen ist (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2005, 2383). Aus Art. 6 Abs. 4 GG lässt sich jedoch nicht herleiten, dass der Staat eine rechtsmissbräuchliche Vaterschaftsanerkennung mit einer Aufenthaltserlaubnis für die kollusiv mit dem Mann zusammenwirkende Mutter "belohnen" muss.

Das in Art. 11 GG gewährleistete Recht auf Freizügigkeit wird durch die Versagung der begehrten Aufenthaltserlaubnis ebenfalls nicht verletzt. Die Klägerin ist keine Deutsche und daher nicht Trägerin dieses Grundrechts. Ihr ist zwar einzuräumen, dass durch die räumliche Beschränkung ihres Aufenthalts als nach negativem Abschluss ihres Asylverfahrens bloß geduldete Ausländerin auf das Gebiet eines Bundeslandes (vgl. § 61 Abs. 1 i.V.m. § 60a Abs. 3 AufenthG) mittelbar auch ihr minderjähriger deutscher Sohn in seinen Möglichkeiten, sich im Bundesgebiet zu bewegen, faktisch berührt wird. Es kann aber dahinstehen, inwieweit im vorliegenden Verfahren der Klägerin eine etwaige Verletzung ihres deutschen Sohnes in seinem Grundrecht aus Art. 11 GG zu berücksichtigen wäre. Denn eine solche Grundrechtsverletzung liegt nicht vor. Allerdings können auch staatliche Maßnahmen, die eine mittelbare faktische Wirkung entfalten, Grundrechte beeinträchtigen. Liegt darin eine mittelbare zielgerichtete Beeinträchtigung des Grundrechts auf Freizügigkeit, ist deren Verfassungsmäßigkeit an Art. 11 GG zu messen (vgl. BVerfGE 110, 177 [191]). Für einen zielgerichteten Eingriff in das Freizügigkeitsrecht des deutschen Kindes der Klägerin ist indes nichts erkennbar. Der Ausschluss einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen nach § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG mit der Folge, dass die Mutter lediglich eine Duldung erlangen kann und der genannten räumlichen Beschränkung unterliegt, zielt nicht auf eine Beschränkung der Freizügigkeit ihres deutschen Kindes. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass ihr deutsches Kind wenn auch nicht faktisch, so doch rechtlich einen deutschen Vater hat, mit dem es sich von Rechts wegen frei im Bundesgebiet bewegen könnte. Wenn das Kind die Vorteile einer bewusst wahrheitswidrigen, in rechtsmissbräuchlicher Absicht abgegebenen, aber wirksamen Vaterschaftsanerkennung genießt - nämlich den Status als deutscher Staatsangehöriger mit dem damit verbunden Aufenthaltsrecht in Deutschland -, so muss es auch die Nachteile einer bloß rechtlich bestehenden, tatsächlich aber nicht gelebten Vaterschaft eines deutschen Staatsangehörigen in Kauf nehmen.

Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG liegt ebenfalls nicht vor. Der Sohn der Klägerin besitzt die gleichen Rechte wie andere Kinder deutscher Staatsangehörigkeit. Die unterschiedliche Behandlung seiner Mutter gegenüber deutschen Müttern minderjähriger Deutscher beruht auf ihrer Staatsangehörigkeit. Die Staatsangehörigkeit gehört nicht zu den in Art. 3 Abs. 3 GG aufgezählten unzulässigen Unterscheidungsmerkmalen (vgl. BVerfGE 51, 1 [30]), insbesondere nicht zu den Merkmalen Herkunft und Heimat (Heun, in: Dreier, GG, 2. Auflage 2004, Art. 3 Rn. 30 f. m.w.N.). Soweit die Klägerin gegenüber anderen ausländischen Müttern minderjähriger Deutscher - etwa in Bezug auf die Wahl des Aufenthalts oder die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit - ungleich behandelt wird, beruht dies allein auf dem ihr vorwerfbaren missbräuchlichen Verhalten. Dies ist nicht nach Art. 3 Abs. 3 GG unzulässig und stellt auch eine hinreichende sachliche Rechtfertigung im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG dar.

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 25 Abs. 5 AufenthG ist nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Gegenständlich ist das Begehren der Klägerin auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beschränkt, wie sie sich aus Abschnitt 6 des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes ergibt. Denn der Streitgegenstand einer Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wird bestimmt und begrenzt durch die Aufenthaltszwecke, aus denen der Ausländer seinen Anspruch herleitet (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2007, a.a.O., Rn. 12). Im vorliegenden Verfahren stützt die Klägerin ihr Klagebegehren in tatsächlicher Hinsicht auf familiäre Gründe, wie sie in Abschnitt 6 des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes normiert sind. Eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 gemäß dem Abschnitt 5 des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes ist hiervon nicht umfasst.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Insbesondere kommt der Sache keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu, nachdem der Gesetzgeber mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 - und damit auch erst nach den oben genannten, von der vorliegenden Entscheidung im Ergebnis abweichenden Beschlüssen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt - in § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG eine gesetzliche Regelung für Fälle der missbräuchlichen Begründung eines Verwandtschaftsverhältnisses eingeführt hat.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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