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Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 22.04.2009
Aktenzeichen: 7 A 11361/08.OVG
Rechtsgebiete: AufenthG, VwGO
Vorschriften:
AufenthG § 54 | |
AufenthG § 54 Nr. 1 | |
AufenthG § 55 | |
AufenthG § 55 Abs. 2 | |
AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 2 | |
VwGO § 114 | |
VwGO § 114 Satz 2 |
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
7 A 11361/08.OVG
In dem Verwaltungsrechtsstreit
wegen Ausweisung und Aufenthaltserlaubnis (Kosovo)
hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. April 2009, an der teilgenommen haben
Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Holl Richter am Oberverwaltungsgericht Wolff ehrenamtliche Richterin Hausfrau Bastian ehrenamtliche Richterin Betriebswirtin Bocklet
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 18. August 2008 werden der Bescheid des Beklagten vom 19. Juli 2006 und der dazu ergangene Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 29. März 2007 aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, den Kläger wegen des geltend gemachten Anspruchs auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis neu zu bescheiden.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge haben der Kläger zu 1/4 und der Beklagte zu 3/4 zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet und erstrebt die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis. Er ist am 1. Februar 1984 geboren und stammt aus dem ehemaligen Jugoslawien (Kosovo). Seine Einreise erfolgte 1994 zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern. In dem angestrengten Asylverfahren wurde ihm zusammen mit diesen der Flüchtlingsstatus nach § 51 Abs. 1 AuslG zuerkannt. Aufgrund dessen erhielt er erstmals im Januar 1996 eine Aufenthaltsbefugnis, die zuletzt bis zum 25. Januar 2005 verlängert wurde und aufgrund des Inkrafttretens des Zuwanderungsgesetzes als Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen fort galt. Die Anerkennung als Flüchtling wurde zwar mit Bescheid vom 5. Mai 2004 widerrufen und gleichzeitig wurde festgestellt, dass kein Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG a.F. vorläge. Auch wurde die dagegen gerichtete Klage mit Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 10. August 2004 - 7 K 1808/04.KO - rechtskräftig abgewiesen. Aufgrund eines rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrags für die Aufenthaltsbefugnis, der im Verlauf des Jahres 2005 auf einen Antrag auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis umgestellt wurde, erhielt der Kläger indessen unter dem 25. November 2005 eine Aufenthaltserlaubnis, die zunächst auf den 24. Mai 2006 befristet wurde. Zugleich wurde ein Ausweisersatzpapier ausgestellt.
Mit Urteil des Landgerichts K. vom 17. Mai 2006 - 2020 Js 639/06-3 Ks - wurde der Kläger wegen einer versuchten gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung aufgrund von Trunkenheit in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie einer gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung aufgrund von Trunkenheit in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Der Kläger hatte in W. an Silvester 2005 zusammen mit seinem Bruder eine Discothek besucht und war in der Neujahrsnacht in angetrunkenem Zustand wegen ungebührlichen Benehmens auch gegenüber weiblichen Bedienungen mit einem Hausverbot belegt worden. Nachdem er von einem Bekannten den Autoschlüssel ausgehändigt erhalten hatte, um auf dem Parkplatz vor der Discothek im Wagen zu warten, begann er schließlich, auf dem Parkplatz umherzufahren, wobei er einmal auf Personen zufuhr, die ihm noch ausweichen konnten, sodass nur eine leichte Verletzung entstand, während es ein weiteres Mal dazu kam, dass er eine junge Frau überrollte und mehrere Meter unter dem Fahrzeugboden mit sich schleifte, die infolge Übelkeit auf dem Parkplatz zusammengebrochen war und sich vor dem herannahenden Auto nicht mehr wie andere in der Nähe befindliche Personen in Sicherheit bringen konnte. Die betroffene Person trug dabei erhebliche Verletzungen davon, sodass bei unglücklichem Ausgang auch ihr Leben hätte bedroht sein können.
Einschließlich der Untersuchungshaft befand sich der Kläger zur Verbüßung der verhängten Strafe seit dem 1. Januar 2006 bis Oktober 2008 in Haft. Seinen unter dem 22. Juni 2006 gestellten Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 19. Juli 2006 ab; gleichzeitig wurde der Kläger ausgewiesen und ihm die Abschiebung aus der Haft heraus angedroht. Zur Begründung ist im Wesentlichen angeführt, der Kläger unterliege wegen der begangenen Straftat der Regelausweisung nach § 54 Nr. 1 AufenthG. Gründe eines besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 AufenthG lägen nicht vor. Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis komme wegen der mangelnden Sicherung des Lebensunterhalts sowie wegen des Vorliegens des Ausweisungsgrundes nicht in Betracht. Auch eine Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 25 Abs. 5 AufenthG scheide aus, weil die Ausreise nicht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich sei. Schließlich sei die Erteilung auch schon wegen der sich aus § 11 Abs. 1 AufenthG ergebenden Sperrwirkung der Ausweisung ausgeschlossen.
Der dagegen gerichtete Widerspruch blieb ohne Erfolg und wurde mit Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 29. März 2007 zurückgewiesen. Insbesondere wurde das Vorliegen eines Ausnahmefalls i.S.d. § 54 Nr. 1 AufenthG von der Regelausweisung mit der Erwägung verneint, dass der Kläger ohne Schulabschluss und abgeschlossene Berufsausbildung geblieben, in seinem Alter nicht mehr auf die Hilfe der Familie angewiesen und ihm eine Rückkehr in den Kosovo zumutbar sei, insbesondere auch weil er bis zu seinem zehnten Lebensjahr dort gelebt und die Muttersprache erlernt habe. Auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei allenfalls noch unter dem Gesichtspunkt des § 25 Abs. 5 AufenthG in Betracht zu ziehen, scheide aber aus, da in diesem Fall weder tatsächliche noch rechtliche Ausreisehindernisses erkennbar seien. Unabhängig davon würde einer begünstigenden Ermessensentscheidung bereits § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wegen des vorliegenden Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 1 AufenthG entgegenstehen.
Mit der dagegen erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, die Ausweisung sei rechtswidrig und ihm stehe ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu; er habe den überwiegenden Teil seines Lebens aufgrund der Flüchtlingsanerkennung rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland verbracht, seine Eltern, drei Schwestern sowie zwei Brüder lebten hier, er habe zunächst ab 1995/96 die vierte Grundschulklasse in B. besucht, von 1996 bis 2001 die Förderschule in W. und habe von 2003 bis 2006 auf der Grundlage einer Arbeitsgenehmigung als Zeitungszusteller gearbeitet. Nach der Haftentlassung stehe ihm eine Arbeitsstelle bei einer Gartenbaufirma in Aussicht. Bei der Straftat sei zu berücksichtigen, dass es sich hinsichtlich der Folgen um einen tragischen Vorfall gehandelt habe, den er bereut habe; er weise hinsichtlich seiner Persönlichkeit an sich keine Neigung zu Gewalttätigkeiten auf. Bei dem Vorgang habe eine Rolle gespielt, dass er angetrunken gewesen sei, obwohl er sonst keine Neigung zum Alkohol habe. Unter diesen gesamten Umständen seien seine Ausweisung und die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis unverhältnismäßig.
Das Verwaltungsgericht hat dem Beklagten im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Gelegenheit gegeben, eine Ermessensentscheidung über die Ausweisung des Klägers nachzuholen. Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2008 hat dieser davon Gebrauch gemacht und insoweit ergänzt: Es sei zwar nicht zu erkennen, dass vorliegend - gemessen an der bisherigen Rechtsprechung - ein Ausnahmefall mit Blick auf die Regelausweisungstatbestände vorliege. Indessen werde die Entscheidung hilfsweise auf eine Ermessensausübung gestützt: Auch insoweit sei die Ausweisung gerechtfertigt. Als wesentliche Umstände seien insoweit die Schwere der begangenen Straftaten, die besondere familiäre Situation und die Bezüge des Klägers zu dem Staat seiner Staatsangehörigkeit zu berücksichtigen. Darüber hinaus müssten auch die bisherige Integration und die zukünftigen Integrationschancen in den Blick genommen werden. Der Kläger habe wenig für sein berufliches Fortkommen getan; in der Zeit seines rechtmäßigen Aufenthalts sei er insgesamt dreimal strafrechtlich in Erscheinung getreten, zuletzt mit der durch das Landgericht K. geahndeten Tat, bei der er vorsätzlich gehandelt und mehrfach versucht habe, Menschen mit einem Pkw anzufahren. Das Opfer, das er schließlich überfahren habe, habe schwerwiegende gesundheitliche Schäden davongetragen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das verhängte Strafmaß noch vergleichsweise milde sei. Der Kläger habe sich auch den Folgen der Tat nicht sogleich gestellt, sondern anfangs sogar versucht zu leugnen, dass er der Täter gewesen sei. Für ihn könne zwar seine gute Führung in der Justizvollzugsanstalt sprechen; indessen könne daraus angesichts der Umstände der Straftat, wie auch die Strafvollstreckungskammer ausgeführt habe, keine positive Prognose abgeleitet werden, auch weil es nicht zu einer Bewährung in der Freiheit gekommen sei. Die künftige Integration des Klägers in den Arbeitsmarkt sei fraglich, da es sich bei den vorgelegten Arbeitsangeboten um durchaus zweifelhafte Bescheinigungen handele. Es sei insoweit von einer schlechten Sozialprognose auszugehen. Der Kläger verfüge durchaus über Reintegrationsmöglichkeiten im Kosovo. Demgegenüber habe er seinen bisherigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nicht für eine Integration nutzen können.
Das Verwaltungsgericht Koblenz hat die Klage mit Urteil vom 18. August 2008 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen angeführt: Zwar könne die Ausweisung des Klägers nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - anders als der Beklagte annehmen wolle - nicht auf den Tatbestand der Regelausweisung nach § 54 Nr. 1 AufenthG gestützt werden, da er zu der Gruppe der in der Bundesrepublik geborenen und aufgewachsenen Ausländern zähle, bei denen nach dieser Rechtsprechung eine Einzelwürdigung sämtlicher für die Ausweisung maßgeblicher Umstände erforderlich sei, wie dies nur in einer Ermessensentscheidung gewährleistet sei. Indessen habe in entsprechender Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Aufenthaltsbeendigung für freizügigkeitsberechtigte EU-Angehörige infolge der Fortentwicklung dieser Rechtsprechung nach Ergehen der behördlichen Entscheidungen die Ausübung des Ermessens im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden können. Die durch den entsprechenden Schriftsatz nachgeholte Ermessensbetätigung der Behörde sei hier nicht zu beanstanden. Sie habe sich hinreichend mit den maßgeblichen Einzelfallumständen auseinandergesetzt, die Entscheidung leide auch nicht an Fehlgewichtungen. Erweise sich die Ausweisung als rechtmäßig, könne dem Kläger schon mit Blick auf die Regelung des § 11 Abs. 1 AufenthG keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Abschiebungsandrohung begegne damit keinen rechtlichen Bedenken.
Dagegen hat der Kläger die vom Senat mit Beschluss vom 16. Dezember 2008 zugelassene Berufung eingelegt.
Mit Blick auf die versäumte Frist für die Berufungsbegründung hat er einen Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt, der wie folgt begründet wird: Die Fristversäumnis beruhe auf einem Büroversehen. Die sorgfältig angeleitete und überwachte Bürokraft, die mit der Bearbeitung der Fristsachen beauftragt worden sei, habe zwar die Frist auf dem dem Bevollmächtigten vorgelegten Zulassungsbeschluss richtig berechnet und den Eintrag in den Fristenkalender vermerkt, habe aber versehentlich versäumt, die Frist dort einzutragen, wie dies allgemein angeordnet sei; das Versäumnis habe sich erst herausgestellt, nachdem ein Hinweis durch die Vorsitzende des Senats erfolgt sei.
Mit der Berufungsbegründung wird geltend gemacht: Die Ausweisungsverfügung sei bereits deshalb aufzuheben, weil sie nicht auf die Regelausweisung nach § 54 Nr. 1 AufenthG gestützt werden könne und nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die im vorliegenden Fall erforderliche Ermessensausübung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren allenfalls ergänzt, nicht aber in Gänze nachgeholt werden könne. Soweit das Bundesverwaltungsgericht davon eine Ausnahme gemacht habe, sei dies der europarechtlichen Einflussnahme und der europarechtskonformen Auslegung des § 114 Satz 2 VwGO geschuldet, die aber vorliegend nicht zur Anwendung gelange, weil ein solcher europarechtlicher Bezug nicht gegeben sei.
Da die zu treffende Ermessensentscheidung hinsichtlich einer Ausweisung zwangsläufig Auswirkungen auf die Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis habe, sei auch die Ablehnungsentscheidung hinsichtlich der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis aufzuheben. Soweit es um die Ermöglichung des weiteren Aufenthalts gehe, sei zu berücksichtigen, dass er keine Bezugspersonen mehr im Kosovo habe. Zwar seien zwei seiner Brüder zur Ausreise gezwungen bzw. abgeschoben worden. Der eine sei indessen aufgrund seiner Verehelichung und Familiengründung wieder in Deutschland, der andere habe im Kosovo keine Lebensgrundlage finden können und pendle zwischen Kosovo und Italien. Angesichts der unglaublich hohen Arbeitslosigkeit und fehlender Sozialhilfeberechtigung bestehe keine Aussicht für ihn auf eine Existenzgrundlage dort. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass er faktischer Inländer sei, erweise sich die Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis als unverhältnismäßig. Wenn der Beklagte auf seine ungewissen Berufsaussichten abheben wolle, sei zu berücksichtigen, dass seine schwierige Situation auch von der Behörde verursacht worden sei, weil er seit geraumer Zeit lediglich eine Duldung für jeweils nur zwei Wochen erhalten habe. Ansonsten könne er Arbeitsgelegenheit aufgrund konkreter Stellenangebote wahrnehmen.
Der Kläger beantragt,
1. ihm wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,
2. unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 18. August 2008 den Bescheid des Beklagten vom 19. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 29. März 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Aufenthaltserlaubnis zu verlängern.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er vertritt insbesondere nachhaltig die Auffassung, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Nachholung der Ermessensausübung in besonderen Fällen anwendbar sei, da die Behörde mit der geänderten Rechtsprechung zur Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung in den hier betroffenen Fallgruppen ebenso wenig habe rechnen können, wie bei der geänderten Rechtsprechung zur Notwendigkeit von Ermessensentscheidungen bei freizügigkeitsberechtigten EU-Bürgern. Im Übrigen verstoße es gegen übliche Wertungsgesichtspunkte, wenn ein EU-Bürger die Nachbesserung im gerichtlichen Verfahren hinnehmen müsse, dies indessen bei einem Drittstaatler wie vorliegend nicht der Fall sein dürfe. Schließlich verweist der Beklagte auf sein bisheriges Vorbringen und das Urteil des Verwaltungsgerichts.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten sowie die Strafakten der Staatsanwaltschaft K. 2020 Js 639/06 und die Gefangenenpersonalakten Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Sie ist zulässig und in dem genannten Umfang auch begründet.
Der Zulässigkeit der Berufung steht die Versäumnis der Berufungsbegründungsfrist nach § 124a Abs. 6 VwGO nicht entgegen. Dem Kläger ist nämlich auf seinen entsprechenden Antrag hin Wiedereinsetzung in die dort genannte Frist von einem Monat seit Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu gewähren, da er i.S.d. § 60 Abs. 1 VwGO ohne Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten. Dies ist hinreichend glaubhaft gemacht. Zwar ist dem Antragsteller das Verschulden seines Bevollmächtigten zuzurechnen. Indessen trifft auch diesen nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt insoweit kein Verschulden, weil das Versäumen der Frist auf das Verschulden des Büropersonals des Bevollmächtigten zurückzuführen ist. Zurechenbar wäre insoweit nur das Verschulden des Bevollmächtigten, das darin bestehen kann, dass dieser die Hilfspersonen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt ausgewählt und angeleitet hat, im Übrigen auch darin, dass nicht durch eine zweckmäßige Büroorganisation, insbesondere auch hinsichtlich der erforderlichen Fristenkontrolle, das erforderliche zur Verhinderung von Fristversäumnissen getan worden ist (vgl. BGH, NJW 2004, 3492). Vorliegend reicht insoweit aus, dass nach der anwaltlichen Versicherung und der eidesstattlichen Versicherung der Büroangestellten, Frau B., die Versäumnis der Frist darauf zurückzuführen ist, dass letztere die Frist im Fristenkalender versehentlich nicht eingetragen hatte, obwohl sie die entsprechende Frist errechnet, auf den dem Bevollmächtigten vorzulegenden Schriftsatz vermerkt und durch Handzeichen den Eintrag im Fristenkalender bestätigt hatte. Es ist glaubhaft gemacht, dass es sich bei Frau B. um eine langjährig tätige, zuverlässige und selbständige Kraft handelt, und das die Büroorganisation durch stichprobenmäßige Überwachung sichergestellt wird. Unter den hier vorliegenden Voraussetzungen einer sorgsamen Büroorganisation darf im Übrigen der Anwalt die Überwachung häufig vorkommender Fristen dem geschulten Personal überlassen (vgl. BVerwG, NJW 1995, 2122; OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2004, 227). Der Wiedereinsetzungsantrag ist auch innerhalb der Zweiwochenfrist des § 60 Abs. 2 VwGO nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden, denn der Fehler wurde durch Schreiben der Vorsitzenden des Senats vom 30. Januar 2009 aufgedeckt, der Antrag auf Wiedereinsetzung ist am 6. Februar 2009 bei Gericht eingegangen.
Die Berufung ist, was den im Klageverfahren gestellten Anfechtungsantrag angeht, in vollem Umfang begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage, soweit sie gegen die Ausweisung gerichtet ist, stattgeben müssen, denn der Verwaltungsakt erweist sich insoweit als rechtswidrig und verletzt den Klägerin seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Rechtswidrigkeit ergibt sich daraus, dass eine Ausweisung nur nach Ermessen auf der Grundlage des § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG zulässig war, die Behörde indessen kein Ermessen ausgeübt hat, dies auch nicht im Widerspruchsbescheid nachgeholt worden ist, sondern die Maßnahme gleichermaßen im Bescheid wie auch im Widerspruchsbescheid auf die Bestimmung des § 54 Nr. 1 AufenthG zur Regelausweisung gestützt worden ist. Die Ermessensausübung konnte entgegen der Auffassung der Vorinstanz auch nicht mehr im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden.
Zwar erfüllt der Kläger unter Berücksichtigung seiner Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten durch das Urteil des Landgerichts K. vom 17. Mai 2006 die tatbestandlichen Voraussetzungen für den genannten Regelausweisungsgrund. Indessen liegt hier nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 23. Oktober 2007, 1 C 10/07, BVerwGE 129, 367 = NVwZ 2008, 326) ein Ausnahmefall von der Regelausweisung vor.
Dieser und damit die Notwendigkeit einer behördlichen Ermessensentscheidung ist danach bereits dann gegeben, wenn durch höherrangiges Recht oder Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Belange des Ausländers eine Einzelfallwürdigung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles gebieten. Damit trägt das Bundesverwaltungsgericht sowohl der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Kammerbeschluss vom 10. Mai 2007, 2 BvR 304/07, NVwZ 2007, 946) als auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. etwa Urteil vom 22. März 2007, InfAuslR 2007, 221 - Maslov -) Rechnung und verweist anbei erkennbar auf die gewachsene Bedeutung des Rechts auf Achtung des Privatlebens im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit, weil der Maßstab, der bloß ergebnisbezogen auf die Unvereinbarkeit der Ausweisung mit höherrangigem Recht abstellt, nicht ausreicht, um den geschützten Belangen in der Praxis zu einer ausreichenden Berücksichtigung zu verhelfen (BVerwG, a.a.O. Rn. 25). Danach bedarf es insbesondere bei der im Laufe der Zeit angewachsenen Gruppe im Bundesgebiet geborener und aufgewachsener Ausländer bei der Entscheidung über deren Ausweisung einer individuellen Würdigung, inwieweit der Ausländer im Bundesgebiet verwurzelt ist und dies angesichts der konkreten Ausweisungsgründe bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles einer Ausweisung entgegensteht.
Der Kläger ist der genannten Fallgruppe für die Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung zuzurechnen. Er weist die notwendigen Elemente einer in Betracht kommenden Verwurzelung auf, die in der angegebenen Weise in die Abwägung einzustellen ist. Dafür spricht, dass er im Alter von zehn Jahren mit seiner Familie in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, dort aufgewachsen ist und die Schule besucht hat sowie bis zu seiner Straffälligkeit über mehrere Jahre als Zeitungszusteller beruflich tätig war. Dabei hat er bis zu seiner Straffälligkeit über elf Jahre legal in der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage einer Aufenthaltsbefugnis gelebt. Außerdem hat er sich wegen des langen Aufenthalts seit seiner Kindheit und infolge des Umstands, dass er mit seiner gesamten Familie ein Flüchtlingsschicksal in der Bundesrepublik Deutschland teilte, von dem Land seiner Staatsangehörigkeit in einer Weise entfernt, dass kaum noch von seinem Heimatland gesprochen werden kann.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts konnte die Ermessensentscheidung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht nachgeholt werden. § 114 Satz 2 VwGO erlaubt insoweit nur die prozessrechtliche Berücksichtigung einer "Ergänzung" der Ermessensentscheidung. Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus (vgl. Urteil vom 5. September 2006, 1 C 20.08, NVwZ 2007, 470), dass dem Erfordernis von Ermessenserwägungen nicht durch nachträglichen Vortrag in der Tatsacheninstanz genügt werden kann. Daher schafft § 114 Satz 2 VwGO lediglich die prozessualen Voraussetzungen dafür, dass die Behörde defizitäre Ermessenserwägungen im Fall des gerichtlichen Verfahrens ergänzen kann, nicht hingegen dafür, dass sie Ermessen nachträglich erstmals ausübt (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 5. Mai 1998, 1 C 17.97, BVerwGE 106, 351, 365). Dem Beklagten ist allerdings einzuräumen, dass diese Grundsätze nicht ohne Ausnahme geblieben sind und die Ausnahmefälle durchaus gewisse Parallelen zu der hier in Rede stehenden Fallgestaltung aufweisen. Dennoch ist ein Grund, auch vorliegend eine solche Ausnahme anzunehmen, nicht gegeben. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 3. August 2004 (1 C 30.02, BVerwGE 121, 297, 310) in Abweichung von seiner früheren Rechtsprechung angenommen, dass freizügigkeitsberechtigte EU-Bürger nach § 12 AufenthG EWG nur noch auf der Grundlage einer ausländerbehördlichen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden könnten, wobei für die gerichtliche Überprüfung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts abzustellen sei. In diesem Zusammenhang (a.a.O. Rn. 31) hat das Bundesverwaltungsgericht darauf erkannt, dass - weil insoweit eine ständige Rechtsprechung aufgegeben werde - den Ausländerbehörden während eines Übergangszeitraums im gerichtlichen Verfahren Gelegenheit zur vollständigen Nachholung einer Ermessensentscheidung zu geben sei, wenn die Ausweisung zuvor ohne Ermessensentscheidung auf die Ist- oder Regelausweisungstatbestände gestützt worden sei. Unabhängig von dieser Übergangsregelung ist dort ausgeführt, dass - sofern neue Tatsachen vorlägen, die sich auf die Ausweisungsvoraussetzungen sowie die Ermessenserwägungen auswirken könnten - das Gericht der Ausländerbehörde in gemeinschaftskonformer Anwendung von § 114 Satz 2 VwGO Gelegenheit zur Anpassung ihrer Entscheidung und insbesondere auch zu aktuellen Ermessenserwägungen zu geben habe.
Diese Übergangsregelung ist indessen nicht allgemein auf eine geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung anwendbar. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Bundesverwaltungsgericht in seiner späteren Rechtsprechung ausdrücklich in der Entscheidung vom 3. August 2004 eine Ausnahme von dem Verbot der vollständigen Nachholung einer Ermessensentscheidung im gerichtlichen Verfahren sieht (vgl. dazu Urteil vom 5. September 2006 a.a.O., Rn. 22). Die Ausnahmesituation wird gerade darin gesehen, dass die Rechtsprechungsänderung durch höherrangiges Gemeinschaftsrecht veranlasst worden war. Dies ist bei der hier in Rede stehenden Fortentwicklung der Rechtsprechung zur Ausnahme von der Regelausweisung bei Angehörigen der zweiten Generation nicht der Fall. Es handelt sich insoweit um eine "normale" Fortentwicklung der Rechtsprechung, die nicht gleichsam "von außen" durch höherrangiges Gemeinschaftsrecht vorgegeben wird, und damit letztlich nicht durch die EG-rechtskonforme Auslegung des § 114 Satz 2 VwGO legitimiert werden kann. Die hier in Rede stehende Rechtsprechungsänderung entwickelt sich aus dem nationalen Recht selbst heraus, wenn sie auch an dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. dazu die Kammerbeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Mai 2007, 2 BvR 304/07, NVwZ 2007, 946 und vom 10. August 2007, 2 BvR 535/06) und den menschenrechtlichen Mindeststandards in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. Urteil vom 22. März 2007 - Maslov -, a.a.O.) orientiert ist. Für eine entgegen der sonstigen engen Auslegung des § 114 Satz 2 VwGO gemeinschaftsrechtskonforme erweiternde Auslegung ist dabei kein Raum. Letztlich wäre bei einer anderen Betrachtungsweise auch zu erwarten gewesen, dass das Bundesverwaltungsgericht aus Anlass seiner Rechtsprechungsentwicklung im Urteil vom 23. Oktober 2007 einen entsprechenden Hinweis auf die Anwendbarkeit der Grundsätze aus dem Urteil vom 3. August 2004 gegeben hätte. Dies ist indessen nicht der Fall. Vielmehr wird umgekehrt - wenn auch in einem anderen Zusammenhang der Notwendigkeit von Ermessenserwägungen in Anwendung des § 48 VwVfG - in derselben Entscheidung der Ausnahmecharakter jener Rechtsprechung in europarechtlicher Hinsicht betont und angenommen, dass die dem Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts geschuldete erweiternde Auslegung des § 114 Satz 2 VwGO der Bewältigung eines Übergangsproblems geschuldet war, das sich aus der geänderten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergeben habe. Diese Ausnahme sei nicht verallgemeinerungsfähig.
Für den Kläger ist auch nicht ausgeschlossen, sich noch im Berufungsverfahren auf den Grundsatz des Verbots des vollständigen Nachschiebens von Ermessenserwägungen zu berufen. Zwar hat das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 17. März 2008, mit dem dem Beklagten ausdrücklich Gelegenheit gegeben worden ist, über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden, angeführt, die Beteiligten - mithin auch der Kläger - hätten der gewählten Vorgehensweise zugestimmt. Der Verlust eines Anfechtungsrechts ist damit indessen nicht verbunden. Zum einen lässt sich mangels Protokollierung eines entsprechenden Verzichts nicht feststellen, dass ein solches Einverständnis seitens des früheren Kläger-Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 17. März 2008 tatsächlich abgegeben worden ist. Es fehlt insoweit eine Aufnahme eines solchen Verzichts in der Niederschrift vom 17. März 2008. Vielmehr heißt es dort, dass der Bevollmächtigte des Klägers den Antrag aus der Klageschrift gestellt habe. Im Übrigen wäre ein entsprechendes Einverständnis nicht einmal zwingend als Verzicht auf einen entsprechenden Einwand auszulegen, weil die Nachholung in der Form eines neuen Bescheids hätte erfolgen können, der vom Kläger im Wege der Klageänderung in das Verfahren hätte einbezogen werden können. Eine entsprechende Antragstellung ist indessen auch später nicht erfolgt. Schließlich könnte ein entsprechender Verzicht auch nicht wie eine "rügelose" Einlassung auf die prozessrechtlichen Wirkungen - verglichen etwa mit dem Verzicht auf die Geltendmachung des rechtlichen Gehörs - beschränkt werden. Der Begründung der Ermessensausübung kommt hauptsächlich materiell-rechtliche Bedeutung zu (vgl. BVerwGE 64, 358). Durch eine vollständige Nachholung von Ermessenserwägungen wird der Verwaltungsakt materiell-rechtlich in seinem Wesen verändert. Ein prozessrechtlicher Verzicht auf die Prüfung der materiellrechtlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes kommt insoweit nicht in Betracht und widerspricht den Verfahrensmaximen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
Auch im Hinblick auf die Verpflichtungsklage auf Erlangung der Aufenthaltserlaubnis, die dem Kläger unter dem 25. November 2005 letztmals erteilt worden ist, hätte das Verwaltungsgericht dem Anfechtungsbegehren stattgeben müssen; indessen führt die Geltendmachung des Verpflichtungsanspruchs lediglich insoweit zu einem Erfolg der Klage, als der Kläger Anspruch auf Neubescheidung nach Ermessen hat. An einem strikten Rechtsanspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis fehlt es insoweit.
Eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Klägers ist nicht durch Rechtsgründe ausgeschlossen. Gemäß § 8 Abs. 1 AufenthG finden auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung. Dabei ist hier davon auszugehen, dass es sich um die Verlängerung einer auf der Grundlage des § 26 Abs. 4 Satz 4 AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnis handelte. Die dem Kläger unter dem 25. November 2005 erteilte Aufenthaltserlaubnis ist als eine solche zu qualifizieren. Deren Tatbestandswirkung ist insoweit nicht davon abhängig, ob sie etwa in jeder Hinsicht gemäß den gesetzlichen Vorschriften oder unter Verkennung bestimmter rechtlicher Voraussetzungen erteilt worden ist. Ihre Rechtsnatur bestimmt sich im Übrigen nicht nach einem vorbehaltenen Willen der Behörde, der im Übrigen nach der Aktenlage keinen Ausdruck gefunden hat, oder einer nachträglichen Interpretation von deren Willen, wie er nach dem Empfängerhorizont nicht erkennbar war. Maßgeblich ist vielmehr der nach außen zum Ausdruck gekommene Inhalt der Erlaubnis selbst, ggf. auf der Grundlage des im Aufenthaltserlaubnisantrag zum Ausdruck gekommenen Begehrens. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und dem Akteninhalt ergibt sich insoweit insbesondere auch aus dem Wortlaut der Aufenthaltserlaubnis selbst keine eindeutige Zweckbezeichnung. Der ursprüngliche Antrag des Klägers war auf die Verlängerung seiner Aufenthaltsbefugnis bezogen und datierte aus Ende 2004. Der Antrag ist indessen schriftlich nochmals formularmäßig als Antrag auf Aufenthaltserlaubnis erneuert worden, nachdem mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes vom 1. Januar 2005 die Aufenthaltsbefugnis als Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen fortgalt. Soweit der Beklagte annehmen will, es habe sich richtigerweise um eine Erlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG handeln müssen, kommt dies zum einen nicht in der Verlautbarung nach außen zum Ausdruck, nicht einmal in einem behördlichen Aktenvermerk. Im Übrigen war § 25 Abs. 5 AufenthG insoweit ohnehin die falsche Rechtsgrundlage, da der Kläger nicht vollziehbar ausreisepflichtig war (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2009, 1 C 40.07, Rn. 17). Mangels anderer Anhaltspunkte ist nach dem Empfängerhorizont die erteilte Aufenthaltserlaubnis dahin auszulegen, dass es sich um diejenige Erlaubnis handelt, die nach der Rechtslage thematisch am ehesten einschlägig war. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich um die Bewältigung einer Übergangsproblematik handelte. Die zur Verlängerung anstehende Aufenthaltsbefugnis hatte sich mit dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes zum 1. Januar 2005 infolge der Übergangsbestimmung des § 101 Abs. 2 AufenthG als Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG Fortwirkung beigemessen. In Betracht zu ziehen war daher hier nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes in erster Linie die Verlängerung der aus humanitären Gründen erteilten Aufenthaltserlaubnis. Da der Flüchtlingsstatus des Klägers in der Zwischenzeit rechtskräftig widerrufen worden war, schied ein Anspruch nach § 25 Abs. 2 i.V.m. § 26 Abs. 2 AufenthG aus. In Betracht zu ziehen war daher hier in erster Linie die Verlängerung der aus humanitären Gründen erteilten Aufenthaltserlaubnis, deren Verlängerung rechtzeitig beantragt worden war, nach § 26 Abs. 4 Satz 4 AufenthG. Danach kann für "Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahrs nach Deutschland eingereist sind, § 35 AufenthG entsprechend angewendet werden". Für die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis auf dieser Rechtsgrundlage genügt es, wenn der Betreffende im Besitz eines Aufenthaltstitels nach dem 5. Abschnitt war und infolge des Verlängerungsantrags, wie hier, die Fortgeltungswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG eingreift (vgl. auch VGH Mannheim, Beschluss vom 29. Mai 2007 - 11 S 2093/06 -). Der bestandskräftige Widerruf der Flüchtlingsanerkennung vom 5. April 2004 mag daher zwar einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 26 Abs. 2 AufenthG entgegengestanden haben, weil insoweit das entsprechende Ausreisehindernis entfallen war. § 26 Abs. 4 Satz 4 AufenthG stellt aber unabhängig davon eine Privilegierung für vor Vollendung des 18. Lebensjahrs als Kinder eingereiste Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen dar, die aufgrund dieser Bestimmung entsprechend den im Wege des Familiennachzugs eingereisten Kindern zu behandeln sind. Diese Bestimmung gilt dem Erwerb einer verfestigten, dauerhaften selbständigen Aufenthaltsposition, die von dem ursprünglichen Zweck losgelöst ist (vgl. dazu Heinold, ZAR 2008, 161; BVerwG, InfAuslR 2006, 272, 273). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/420) ermöglicht sie Kindern mit einem humanitären Aufenthaltsrecht unter den gleichen Voraussetzungen die Aufenthaltsverfestigung, wie dies bei Kindern gilt, die eine zum Zweck der Familienzusammenführung erteilte Aufenthaltserlaubnis besitzen. Diese Regelungen sind - so die Gesetzesbegründung weiter - aus integrationspolitischen Gründen notwendig und zur Wahrung des Kindeswohls erforderlich, da diese Kinder ansonsten eine Aufenthaltsverfestigung in vielen Fällen nicht erreichen können (vgl. auch Heinold, a.a.O., Ziffer 7.1.). Nach § 102 Abs. 2 AufenthG sind für die geforderten Voraufenthaltszeiten im Übrigen insoweit auch Duldungszeiten vor dem 1. Januar 2005 anrechenbar, worauf es vorliegend indes nicht ankommt, da der Kläger bis zur Antragstellung über den erforderlichen Fünf-Jahres-Zeitraum hinaus im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis war. Die Bestimmung gilt nicht lediglich für Kinder, vielmehr müssen sie nur als solche eingereist sein, sondern auch für inzwischen volljährig gewordene Ausländer, die die Voraussetzungen der Privilegierung erfüllen. Der Antragsteller war bei Vollendung des 18. Lebensjahres am 1. Februar 2002 i.S.d. § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG seit mehr als fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis. Erst mit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes zum 1. Januar 2005 konnte er von der mit diesem Gesetz neu eingeführten Übergangsregelung Gebrauch machen.
Die Sicherung des Lebensunterhalts (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG) konnte hier angenommen werden, da der Kläger keine staatliche Unterstützung in Anspruch genommen hatte und aufgrund seiner Arbeitstätigkeit als Zeitungsausträger offenkundig auch nach Auffassung der Behörde seinerzeit bei Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vom 25. November 2005 ein zureichendes Auskommen hatte. Es ist nicht ersichtlich, dass sich in der Zwischenzeit insoweit maßgebliche Veränderungen im Hinblick auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ergeben hätten. Dabei muss dem Kläger auch bei der Verlängerung nach § 8 Abs. 1 AufenthG die in § 35 AufenthG angelegte Privilegierung für als Kinder zugezogene Ausländer zugute kommen. Der Umstand allein, dass das Erwerbsleben des Klägers durch die verbüßte Haft unterbrochen war, rechtfertigt noch nicht die Prognose, dass er im Gegensatz zum Zustand vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vom 25. November 2005 im Erwerbsleben nicht wie zuvor Fuß fassen könne. Jedenfalls hat er auch weiterhin nicht auf Mittel staatlicher Unterstützung zurückgegriffen. Inzwischen liegen ihm auch Angebote von Arbeitgebern vor. Dem Kläger konnte nicht zugemutet werden, seine Aussichten auf dem Arbeitsmarkt darüber hinausgehend zu belegen. Ihm war nämlich bisher aufgrund der behördlichen Entscheidungen, nur kurzfristige Duldungen für zwei Wochen oder einen Monat zu erteilen, die Möglichkeit verwehrt, durch praktische Tätigkeitsaufnahme den Beleg für seine Vermittelbarkeit zu führen (vgl. zur entsprechenden gesetzlichen Bewertung im Übrigen die Regelung in § 104 Abs. 1 Satz 3 AufenthG im Fall der Beantragung eines Bleiberechts).
Schließlich steht die Straftat der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Ermessen nicht zwingend entgegen. Ausgeschlossen ist nach dem Tatbestand der Vorschrift des § 35 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 AufenthG nämlich lediglich der Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis soweit Straftaten begangen worden sind, die oberhalb eines bestimmten Strafmaßes, nämlich mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, geahndet worden sind. Indessen sieht § 35 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vor, dass in diesen Fällen die Niederlassungserlaubnis nach Ermessen erteilt werden kann oder die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden kann. Demnach geht das Gesetz insoweit nicht von Erteilungsvoraussetzungen wie nach § 5 Abs. 1 AufenthG etwa im Blick auf das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes bei Straftaten (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) aus, sondern lässt diese Gesichtspunkte lediglich bei der umfassenden Abwägung der privaten und öffentlichen Belange in die Ermessensentscheidung mit einfließen. Da die behördliche Entscheidung bisher die Aufenthaltserlaubnis aber aus den vermeintlich zwingenden Gründen des Nichtvorliegens eines Ausreisehindernisses bzw. wegen der Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht verlängert haben, steht eine solche Ermessensentscheidung unter Würdigung sämtlicher Einzelfallumstände vorliegend noch aus. Für die ausstehende Ermessensentscheidung auch im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis wird die Ausländerbehörde insoweit zu beachten haben: Zwar ist bei der Bewertung der betroffenen Belange nicht zu übersehen, dass gewöhnlich nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG schon das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes im Regelfall der Verlängerung entgegensteht, ohne dass die Ausweisung ermessensgerecht möglich sein müsste (vgl. BVerwGE 116, 378). Gleichwohl ist selbst im Rahmen der Prüfung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AufenthG zu berücksichtigen, dass die dort genannten Erfordernisse lediglich "in der Regel" vorliegen müssen und insbesondere auch Gründe der Verhältnismäßigkeit eine Ausnahme erfordern können, wobei einerseits die Aktualität des Ausweisungsgrundes, andererseits die persönliche Aufenthaltsposition des Betroffenen zu berücksichtigen sein wird (vgl. Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, 2. Auflage Rn. 74; BayVGH, Beschluss vom 13. Juli 2006, 24 CS 06.1509). Die in § 26 Abs. 4 Satz 4 AufenthG i.V.m. § 35 AufenthG vorgesehene Privilegierung junger Ausländer gebietet in vergleichbarer Weise das Erwägen solcher Ausnahmevoraussetzungen, wie dies bei der Versagung für minderjährige Ausländer der Fall sein kann. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt (a.a.O., Urteil vom 16. Juli 2002, 1 C 8.02), dass das Schutzbedürfnis im Bundesgebiet geborener und aufgewachsener Ausländer bei der Begehung von Straftaten im Blick auf die Ermessensentscheidung über den weiteren Aufenthalt ähnliche Erwägungen erfordert, wie dies im Falle der Entscheidung über ihre Ausweisung der Fall ist. Der Senat verkennt nicht, dass dies in besonderem Maß bei minderjährigen Straftätern gilt, die in Familiengemeinschaft mit ihren Eltern leben. Ein entsprechendes Privileg ist aber in abgestufter Weise auch bei der Ermessensentscheidung über den Aufenthalt Heranwachsender zu berücksichtigen, deren selbständiges Aufenthaltsrecht aufgrund des Privilegs nach § 35 AufenthG entstanden ist. Es kann nämlich - wie das Bundesverwaltungsgericht herausgestellt hat - nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber den betroffenen Personenkreis im Rahmen der Ausweisungsentscheidung einen besonderen Schutz unter angemessener Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls angedeihen lässt, während dies bei der hinsichtlich der Rechtsfolgen vergleichbaren Entscheidung über die Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis mit der Folge einer Aufenthaltsbeendigung anderen Maßstäben unterliegen sollte. Dementsprechend wird die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts über die Notwendigkeit einer den Einzelfallumständen in der Würdigung umfassend Rechnung tragenden Ermessensentscheidung bei der Ausweisung von insbesondere in Deutschland geborenen und aufgewachsenen jüngeren Ausländern (BVerwGE 129, 367) für die hier anstehende Ermessensentscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht ohne Bedeutung bleiben können. Bei der Ermessensentscheidung wird zwar zu Lasten des Klägers die Schwere der Straftat gewichtet werden können, allerdings im Einzelnen nur nach Maßgabe der darin sichtbar werdenden Gefährlichkeit des Betreffenden zum aktuellen Zeitpunkt. Unter Umständen erfordert dies nicht nur den Blick auf die Ausführung der Straftat selbst und die Schlüsse, die die Straf-und Strafvollstreckungsgerichte bisher daraus gezogen haben, sondern bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der neuen behördlichen Entscheidung auch aufgrund der inzwischen verstrichenen Zeit besondere Ermittlungen durch Einholung eines entsprechenden psychologischen Gutachtens, welches die Frage klärt, ob - wie die bisher einzig vorliegende sachverständige Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Wittlich vom 1. August 2007 ausführt - die Tat an sich persönlichkeitsfremd war und als Resultat einer ganz spezifischen Situation am Tattag gewertet werden muss, sodass die Gefahr weiterer, ähnlich gelagerter Straftaten - wie dort angenommen wird - eher gering ist, oder ob darin, wie das Verwaltungsgericht annehmen wollte, ein latent auch weiter vorhandenes Aggressionspotential des Klägers zum Ausdruck gelangt. Im Übrigen wird der Umstand allein, dass der Kläger nur über eine mangelhafte Schul- und Berufsausbildung verfügt, nicht genügen, ihm ein schützenswertes Privatleben abzusprechen.
Angesichts dessen war auch die Abschiebungsandrohung ohne ausreichende Rechtsgrundlage (§ 58 abs. 2 Satz 2 AufenthG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten aus §§ 167 VwGO, 707 Nr. 10 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 10.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).
Ende der Entscheidung
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