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Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 19.04.2007
Aktenzeichen: 7 A 11437/06.OVG
Rechtsgebiete: SDÜ, AufenthG
Vorschriften:
SDÜ Art. 5 | |
SDÜ Art. 5 Abs. 2 | |
SDÜ Art. 5 Abs. 2d | |
SDÜ Art. 96 | |
SDÜ Art. 96 Abs. 2 | |
AufenthG § 15 | |
AufenthG § 15 Abs. 3 | |
AufenthG § 5 | |
AufenthG § 5 Abs. 1 | |
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 3 |
2. Die Zurückweisungsmöglichkeit nach nationalem Aufenthaltsrecht allein stellt einen solchen Grund des Schutzes der öffentlichen Sicherheit nicht dar.
3. Zur Ausschreibung zur Einreiseverweigerung für das ausländische Oberhaupt einer Religionsgemeinschaft (hier: Sun Myung Mun; Vereinigungskirche).
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
7 A 11437/06.OVG
In dem Verwaltungsrechtsstreit
wegen Einreiseverweigerung
hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. April 2007, an der teilgenommen haben
Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Holl Richter am Oberverwaltungsgericht Wolff ehrenamtliche Richterin Hotelier Kauth ehrenamtliche Richterin Hausfrau Nickel
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 9. November 1998 wird festgestellt, dass die Ausschreibung zur Einreiseverweigerung der Frau Hak Ja Han Mun und des Herrn Sun Myung Mun durch die Beklagte rechtswidrig ist.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung von Seiten des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abzuwenden, sofern nicht dieser zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der klagende Verein erstrebt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ausschreibung seines kirchlichen Oberhaupts, Herrn Sun Myung Mun, und seiner Ehefrau Hak Ja Han Mun zur Einreiseverweigerung gemäß Art. 96 Abs. 2 des Schengener Durchführungsübereinkommens - SDÜ - vom 19. Juni 1990. Herr Mun ist der Gründer der weltweit vertretenen Vereinigungskirche, deren Anhänger in der Bundesrepublik Deutschland durch den Kläger organisiert sind. Die Vereinigungskirche verbindet nach dem Enquete-Bericht des 13. Deutschen Bundestages vom 9. Juni 1998 christliche und fernöstliche Traditionen. In ihr sind Familie und Eltern von zentraler Bedeutung. Reverend Mun und seine Frau werden als die "wahren Eltern" gesehen, die als Statthalter Gottes fungieren mit der Aufgabe, eine "vollkommene Familie" zu gründen, die die vollkommene Menschheit ermöglichen soll. Die "wahre Familie" soll die "Wiederherstellung" der durch den Sündenfall verlorenen und zerstörten "Vollkommenheit" ermöglichen. Sie sollen als neuer vollkommener Adam und neue vollkommene Eva den Sündenfall aufheben - der durch die Verführung Evas durch Satan entstand - und damit das Werk von Jesus vollenden, eine neue sündlose, vollkommene Familie zu erzeugen. Die Hochzeit Muns mit Hak Ja Han 1960 wird als "Hochzeit des Lammes" und als Wiedergutmachung der Kreuzigung begriffen, womit die Voraussetzung geschaffen ist, "sündlose Kinder" zu zeugen und damit eine reale Blutslinie zu gründen, die nicht der "Eva-satanischen Linie" angehört, sondern eine göttliche Blutslinie der menschlichen Vollkommenheit, des "himmlischen Königsreichs" eröffnet. Ziel ist die umfassende Durchsetzung dieses himmlischen Königsreichs auf Erden durch eine Art Endkampf oder "Dritten Weltkrieg" mit den satanischen Kräften und darin zugleich die Erlösung der toten Geister aus ihrem Zwischenreich. Diese Haltung erklärt die insgesamt intensive Missionstätigkeit. In der Vereinigungskirche werden "Familie" und "Elternschaft" besonders hoch geschätzt, allerdings in Form der strikten Orientierung und Unterstellung unter die "wahre Familie", was etwa im "Gelöbnis" exemplarisch zum Ausdruck kommt. Insbesondere das Ritual des "Blessing", der Segnungen von Paaren (auch als "Massenhochzeit" bezeichnet), bringt dies zum Ausdruck: Denn im "Blessing" werden die Paare "adoptiert" und damit zu Kindern der "wahren Familie". Die "Heirat" mündet somit in ein neues "Kindschaftsverhältnis" und die Gründung der eigenen Familie - die zumindest zum Teil auf Vorschlag von Mun erfolgt (das so genannte "Matching"), auch wenn dies nicht generell der Fall ist und es die Möglichkeit der Zustimmungsverweigerung gibt - versetzt die Eltern wieder in den Status von Kindern zurück, nun gegenüber der "wahren Familie".
Die Bundesregierung klärte in einer im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom Bundesverwaltungsamt herausgegebenen Broschüre "Die Mun-Bewegung" 1997 die Öffentlichkeit über die Vereinigungskirche auf und wies auf angeblich drohende Gefahren hin, was zu verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren um die Rechtmäßigkeit dieser Publikation führte.
Ende 1995 war im Rahmen einer Welttour auch eine Einreise von Herrn und Frau Mun in die Bundesrepublik Deutschland geplant. Das Besuchsprogramm sah vor, dass Herr Mun bei einer Veranstaltung eines dem Kläger nahe stehenden Vereins einen Vortrag mit dem Titel "Die wahre Familie und ich" halten sollte und dass außerdem Gespräche von Herrn und Frau Mun mit ihrer Anhängerschaft stattfinden sollten. Entsprechend einer Weisung durch das Bundesministerium des Innern veranlasste die damalige Grenzschutzdirektion Koblenz am 9. November 1995 die Ausschreibung zur Einreiseverweigerung in den Schengen-Staaten.
Nachdem der Kläger auf die Betroffenheit in ihren Rechten als religiöse Vereinigung im Hinblick auf die Verhinderung einer pastoralen Begegnung mit ihrem religiösen Oberhaupt aufmerksam gemacht hatte, wurde zur Begründung der Ausschreibung angeführt, die Mun-Bewegung zähle nach Einschätzung der Bundesregierung zu den so genannten Jugendsekten und Psychogruppen, von deren Aktivitäten mögliche Gefährdungen für die sozialen Belange und die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen ausgehen könnten. Ihr Ziel sei eine von Korea aus regierte Welt unter Herrschaft der Mun-Familie. Das öffentliche Auftreten des Religionsoberhaupts und seiner Ehefrau würde der Verbreitung dieser Bewegung Vorschub leisten. Die Ausschreibung wirke einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie erheblicher Interessen des Landes entgegen.
Zur 1998 und 2002 ausgesprochenen Verlängerung der Maßnahme wurde jeweils im Wesentlichen angeführt, die Vereinigungskirche habe sich nicht erkennbar von ihrer konfliktträchtigen Grundlage entfernt; Konflikte seien nur wegen der bisher gewährleisteten Abwesenheit des Ehepaares Mun in der Bundesrepublik Deutschland nicht manifest geworden.
Nachdem ein Eilrechtsschutzantrag beim Verwaltungsgericht Köln keinen Erfolg hatte, hat der Kläger dort mit einem am 7. Dezember 1995 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben, mit der er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ausschreibung zur Einreiseverweigerung begehrt hat. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, das Grundrecht der Religionsfreiheit gelte auch für neuere religiöse Gemeinschaften asiatischer Herkunft: Durch die Ausschreibung zur Einreiseverweigerung, die aufgrund der Initiative der Bundesrepublik Deutschland zu Einreiseschwierigkeiten in sämtlichen Schengen-Staaten führe, seien auch die nationalen religiösen Vereinigungen beeinträchtigt, weil die Treffen mit dem Oberhaupt für die Religionsausübung wichtig seien. Es liege damit ein Eingriff in den Kernbestand des Grundrechts der Religionsfreiheit vor.
Demgegenüber hat die Beklagte geltend gemacht, es fehle bereits an der Zulässigkeit der Feststellungsklage, da dem Kläger insoweit kein eigenes Recht zustehen könne; es existiere ausländerrechtlich - wie in der Rechtsprechung anerkannt sei - kein Recht auf Einreise für ein ausländisches Oberhaupt einer religiösen Gemeinschaft. Das ausländerbehördliche Ermessen zur Gewährung der Einreise sei besonders weit. Schließlich liege keine übliche religiöse Gemeinschaft vor, und aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse, die auch durch einen Entschließungsantrag eines Parlamentsausschusses des EU-Parlaments bestätigt würden, könne an einer Missionstätigkeit durch das Ehepaar Mun für die Bundesrepublik Deutschland kein Interesse bestehen.
Nach Verweisung des Rechtsstreits durch das Verwaltungsgericht Köln mit Beschluss vom 9. März 1998 an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Koblenz ist die Klage mit Urteil vom 9. Dezember 1998 als unzulässig abgewiesen worden, da das Gericht angenommen hat, zwar könne sich der Kläger als religiöse Gemeinschaft möglicherweise auf den Grundrechtsschutz des Art. 4 Abs. 1 GG berufen, indessen fehle es vorliegend an einem denkbaren Eingriff in dieses Recht, weil der Kläger in Wahrheit einen Leistungsanspruch auf Einreise für sein ausländisches Oberhaupt geltend mache, ein solches Recht aber in ständiger Rechtsprechung nicht anerkannt sei.
Auf die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hin hat der 11. Senat des erkennenden Gerichts mit Zwischenurteil vom 13. September 2000 entschieden, dass die Feststellungsklage zulässig sei, und zur Begründung wie auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem die Revision zurückweisenden Urteils vom 10. Juli 2001 darauf Bezug genommen, dass nach ständiger Rechtsprechung auch grundrechtlich geschützte Dritte wie etwa Ehegatten Rechte an Aufenthalt und Einreise eines anderen geltend machen könnten. Auch dem Kläger müsse zugestanden werden, dass für ihn ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessenausübung unter Berücksichtigung des Grundrechts der Religionsfreiheit möglich sei.
Mit Urteil vom 7. Juni 2002 hat der 12. Senat des erkennenden Gerichts die Klage in der Sache selbst indessen abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne eine Berücksichtigungspflicht im Hinblick auf das Grundrecht der Religionsfreiheit bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsrecht nur Anerkennung finden, wenn der betroffenen Handlung eine nicht unerhebliche Bedeutung im religiösen Gemeinschaftszusammenhang zukomme. Dies könne allerdings auf der Grundlage des hier zu beurteilenden Sachverhalts nicht angenommen werden. Dem Besuch der Eheleute Mun komme nach der Theologie der Vereinigungskirche keine besondere Bedeutung für die gemeinschaftliche Religionsausübung der Mitglieder des Klägers zu. Eine von der Persönlichkeit des Herrn Mun geprägte Begegnung stelle für sie nicht mehr als ein außerordentliches Erlebnis dar. Diese Wirkungen hätten indessen keinen spezifischen religiösen Gehalt, z. B. in Gestalt etwa eines Offenbarungserlebnisses, sondern seien solche, die jede Begegnung mit einem Oberhaupt einer Kirche habe.
Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. Oktober 2003 verworfen und dabei angemerkt, die vom Oberverwaltungsgericht angelegten Maßstäbe für die Berücksichtigungspflicht seien zwar abstrakt betrachtet zu eng, indessen fehle es an ausreichenden Darlegungen, dass das konkret zu beurteilende Besuchsprogramm im Jahr 1995 davon in einer die Religionsfreiheit beeinträchtigenden Weise betroffen sei, wobei offen bleiben müsse, wie in dieser Hinsicht künftige Besuchsprogramme zu beurteilen seien.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 24. Oktober 2006 auf die Verfassungsbeschwerde des Klägers hin das Urteil des erkennenden Gerichts aufgehoben und den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts für gegenstandslos erklärt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei durch das Urteil in seinem Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG verletzt, weil nicht bloß das religiöse Existenzminimum geschützt werde. Die Einschätzung der religiösen Bedeutung der Pastoralbesuche stehe der Religionsgemeinschaft selbst zu und der Staat habe sich bei der Beurteilung religiöser Fragen in diesem Zusammenhang Zurückhaltung aufzuerlegen. Erforderlich sei eine Abwägung mit den in Art. 96 Abs. 2 SDÜ genannten staatlichen Belangen. Die Grundrechtsverletzung sei auch nicht unerheblich, da nicht absehbar sei, dass diese Abwägung zu Lasten der Religionsgemeinschaft ausfalle.
In dem erneut aufgenommenen Berufungsverfahren hat der Kläger geltend gemacht: Er könne die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ausschreibung zur Einreiseverweigerung beanspruchen, weil die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Abwägung von den Behörden bisher vernachlässigt worden sei und angesichts eines möglichen Abwägungsergebnisses eine Einreiseverweigerung im Schengensystem auch nicht gerechtfertigt sei. Die Beklagte habe an der unzureichenden Begründung der Ausschreibung trotz des Umstands festgehalten, dass 2005 eine erneute Pastoralreise geplant gewesen sei. Wegen der fehlerhaften Entscheidung hätten sich die Eheleute Mun wie auch der Kläger unter dem 2. November 2005 zur Klageerhebung im Hinblick auf die Löschung der Ausschreibung veranlasst gesehen (VG Koblenz - 3 K 2086/05.KO -). Art. 96 Abs. 2 SDÜ stelle keine ausreichende Rechtsgrundlage für die vorliegend angegriffene Maßnahme dar, so dass schon deshalb das Grundrecht der Religionsfreiheit verletzt sei. Nach der Bestimmung könne eine Ausschreibung nur damit begründet werden, dass die Einreise eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder die nationale Sicherheit darstelle. Wie das Bundesverfassungsgericht ausgeführt habe, sei dafür eine Gefahr von einer gewissen Erheblichkeit erforderlich (Umdruck S. 13), da sich dies aus den im Text des Abkommens näher angeführten Beispielen ergebe, wo nämlich auf begangene Straftaten von erheblichem Gewicht oder zu befürchtenden Straftaten des Ausländers hingewiesen werde. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sei erst recht nicht ersichtlich, dass der Besuchsaufenthalt der Eheleute Mun Gefahren mit sich bringe, die bei der gebotenen Einbeziehung der grundrechtlichen Interessen die Einreiseverweigerung rechtfertigen könnten. Bei Berücksichtigung des Umstands, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts interne Glaubensangelegenheiten der Beurteilung des Staates entzogen seien, sei nicht einmal die Beeinträchtigung auch nur öffentlicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland dargetan.
Soweit im Vorbringen der Gegenseite in tatsächlicher Hinsicht auf eine weiterhin bestehende "konfliktträchtige Grundlage" der Vereinigungskirche abgestellt werde, sei auch darin keine Stütze zur Begründung der Einreiseverweigerung gegeben. Eine Religion sei hinsichtlich ihrer inhaltlichen Grundsätze - wie das Bundesverfassungsgericht herausgestellt habe - nicht den Vorstellungen des Grundgesetzes verpflichtet; im Übrigen stelle auch der Enquete-Bericht (1998) heraus, dass von religiösen Minderheiten keine Gefahren ausgingen. Das vom Beklagten angeführte "Konfliktpotential" entspreche nicht der Realität: Von einem Bestreben zur Weltherrschaft könne keine Rede sein; entsprechende Interpretationen von religiösen Texten seien missverständlich übersetzt; es gebe keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte für die Verwirklichung solcher Bestrebungen. Auch bestünden keinerlei Besorgnisse über Reaktionen der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit Pastoralbesuchen, wie allein schon zahlreiche Reisen der Eheleute Mun in andere Länder sowie frühere Besuche in der Bundesrepublik Deutschland belegten. Großbritannien habe mittlerweile seine früher bestehenden Bedenken gegen eine Besuchsreise aufgegeben. Insbesondere hätten die aufgezeigten Interessen der Bundesrepublik Deutschland nicht das Gewicht, um einer Abwägung mit den durch die Religionsfreiheit geschützten Belangen standzuhalten. Es sei auch zu bedenken, dass seit über zehn Jahren das religiöse Leben der Vereinigungskirche in der Bundesrepublik Deutschland auf die beschriebene Art und Weise erheblich eingeschränkt worden sei.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 9. November 1998 festzustellen, dass die Ausschreibung zur Einreiseverweigerung der Frau Hak Ja Han Mun und des Herrn Sun Myung Mun durch die Beklagte rechtswidrig ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, die Ausschreibung vom 9. November 1995 sowie die im Anschluss erfolgten Verlängerungen seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Sie beurteilten sich auf der Grundlage ursprünglich der §§ 60 Abs. 3, 7 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 AuslG, nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes der § 15 Abs. 3 AufenthG und § 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG, jeweils i.V.m. Art. 96 Abs. 2 SDÜ. Auf dieser Grundlage stehe dem Kläger kein Anspruch auf Einreise des religiösen Oberhauptes zu, sondern lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, woran es hier nicht fehle. Bei der gebotenen Abwägung würden die Belange der Bundesrepublik Deutschland das geltend gemachte Grundrecht der Religionsfreiheit überwiegen. Ein Recht auf Einreise bestehe nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 114, 356) nicht; wie das Bundesverfassungsgericht (Umdruck S. 12) herausgestellt habe, seien die Religionsgemeinschaften nicht von den für alle geltenden Gesetzen ausgenommen.
Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ergebe sich aus den in der von dem Bundesverwaltungsamt herausgegebenen Schrift zitierten Quellen, wobei die tatbestandliche Darstellung in dieser Schrift gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Köln im Wesentlichen bis auf verhältnismäßig geringe Ausnahmen unbeanstandet geblieben sei. Danach gehe es bei der Vereinigungskirche um die Schaffung einer weltweiten Theokratie, die Abschaffung der sozialen Marktwirtschaft, strenges Hierarchiedenken und damit verbundene Zwangsmaßnahmen wie etwa Zwangshochzeiten, was zum Teil einer Erfüllung von Strafrechtstatbeständen gleichkomme. Die deutschen Gerichte hätten unter diesen Voraussetzungen auf die Nichtigkeit solcher Ehen erkannt. Vereinigungen von Paaren aufgrund von Segnungsakten hätten gar bei Abwesenheit eines Partners stattgefunden und die Anerkennung der Gültigkeit durch die Vereinigungskirche gefunden. Die Vereinigung gehe mit rigorosen Methoden auf Mitgliederwerbung und überwache die Mitglieder mit totalitären Maßnahmen, so dass der Staat aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG eine Schutzpflicht für die Opfer habe; im Rahmen des von der Bewegung verfolgten Prinzips der so genannten himmlischen Täuschung komme es zu Betrügereien, insbesondere auch bei Geldsammlungen unter vorgeschobener Zwecksetzung. Insgesamt werde auf diese Weise zur Begehung von Straftaten angestiftet. Entgegen vereinzelter Stellungnahmen von Religionswissenschaftlern gebe es keine Erkenntnisse für eine grundlegende Abkehr von diesen Erscheinungen. Der angeführte Enquete-Bericht könne nicht zum Nachweis der Unschädlichkeit in Anspruch genommen werden, da die einzelnen Religionsgemeinschaften und Erscheinungen dort nicht näher untersucht worden seien. Die Vereinigung könne sich nicht von diesen Erscheinungen distanzieren, sondern trage dafür die Verantwortung und müsse sich diese unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Zweckveranlassung zurechnen lassen. Alle Handlungen gingen auf die Lehren Muns zurück. Eine gesteigerte Gefahrenlage ergebe sich angesichts dessen bei einer Zulassung der Begegnung mit dem Religionsgründer.
Auch bei Berücksichtigung der Belange der religiösen Betätigung überwögen daher die öffentlichen Belange zugunsten einer Einreiseverweigerung. Zudem sei zu berücksichtigen, dass das Ermessen des Staates bei der Entscheidung zur Zulassung eines Ausländers zu seinem Hoheitsbereich besonders weit sei; in die Ermessensentscheidung könne auch eingestellt werden, ob bloße Interessen der Bundesrepublik Deutschland verletzt würden, wobei der Bundesregierung eine Einschätzungsprärogative zukomme. Der Ermessensspielraum werde vom System der Ausschreibung im Schengener Durchführungsübereinkommen ebenfalls geschützt, um dem nationalen Ausländerrecht seine Bedeutung zu erhalten. Angesichts des Entfallens von Grenzkontrollen könne anders die nationale Souveränität in dieser Hinsicht nicht aufrechterhalten werden. Damit sei der Begriff der öffentlichen Sicherheit nach Art. 96 Abs. 2 SDÜ so zu interpretieren, dass er auch die nationale Entscheidungssouveränität im Hinblick auf die Zulassung zur Einreise schütze. Diese Ermessensentscheidung könne im Übrigen nach ständiger Rechtsprechung noch im gerichtlichen Verfahren ergänzt werden.
Mit seiner Replik dagegen macht der Kläger geltend, für die im Einzelnen vom Beklagten angeführten Gefahren gebe es keine Tatsachennachweise; es handele sich, auch soweit es um zuzugestehende Einzelerscheinungen gehe, um nicht mehr als aktuell zu bezeichnende einzelne Erkenntnisse aus den 1970er und 1980er Jahren. Wesentliche einzelne Behauptungen habe der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln aus dem Jahr 1997 im Übrigen untersagt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogenen Gerichtsakten Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat Erfolg.
Die Feststellungsklage ist - wie aufgrund der Rechtskraft des Zwischenurteils vom 13. September 2000 feststeht - zulässig; sie ist auch in der Sache begründet.
Die Ausschreibung zur Einreiseverweigerung der Eheleute Mun ist rechtswidrig und verletzt den Kläger als Religionsgemeinschaft in seinen Rechten (§ 43 i.V.m. § 42 Abs. 2 VwGO analog). Durch die Ausschreibung wird das grundrechtlich geschützte Recht auf Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG verletzt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im vorliegenden Rechtsstreit (Beschluss vom 24. Oktober 2006 - 2 BvR 1908/03 -, InfAuslR 2007, 99) kann die Verletzung von Rechten des Klägers nicht mit der Begründung in Abrede gestellt werden, ein wie 1995 von den Eheleuten Mun in der Bundesrepublik Deutschland geplanter Pastoralbesuch habe keine besondere Bedeutung für die gemeinschaftliche Religionsausübung der Mitglieder des Klägers und keinen spezifisch-religiösen Gehalt für sie. Entsprechende Besuchsvorhaben gehören zu der vom Kläger vertretenen Religion der Vereinigungskirche, deren Gründer und Religionsoberhaupt Sun Myung Mun ist. Dessen zusammen mit seiner Ehefrau geplante Einreise zum Zweck eines Pastoralbesuchs mit Ansprachen vor Gläubigen dient - jedenfalls auch - dem Kontakt der Gläubigen mit dem Religionsstifter, dem nach dem religiösen Selbstverständnis der Vereinigungskirche eine zentrale religiöse Bedeutung zukommt. Angesichts der herausragenden Stellung des Religionsstifters für die auf seine Person maßgeblich ausgerichtete Glaubensüberzeugung - Vergleichbares gilt für seine Ehefrau angesichts des Umstands, dass das Ehepaar Mun nach dem Glaubensgehalt eine sakrale Bedeutung als "wahre Eltern" der Gläubigen und ihrer Familien hat - hätte es eines hier nicht feststellbaren konkreten besonderen Hinweises auf einen rein touristischen Charakter des Aufenthalts bedurft, um eine abweichende Einschätzung hinsichtlich der Bedeutung des Besuchs für den Kläger zu rechtfertigen (vgl. BVerfG, a.a.O., Umdruck S. 12). Die besondere Bedeutung des Besuchs im Hinblick auf die Frage der Berührung des Schutzbereichs der Religionsfreiheit richtet sich nämlich nach der Einschätzung der betroffenen Religionsgemeinschaft selbst, weil die Gewichtung genuin-religiöser Belange dem Innenbereich dieser Gemeinschaft zuzurechnen und staatlichen Stellen grundsätzlich verwehrt ist (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 10 unter Bezugnahme auf BVerfGE 102, 370, 394). Gerade dieses Bestimmungsrecht ist insoweit nämlich Teil der grundrechtlich gewährleisteten Glaubensfreiheit. Auch wenn bei der Betrachtung von außen ein Zusammenhang mit der Religionsausübung nicht zwingend erscheint, kann im Hinblick auf die persönliche Begegnung der Mitglieder einer Religionsgemeinschaft mit ihrem Oberhaupt - von offensichtlich außerreligiösen Begegnungszusammenhängen abgesehen -, nur das jeweilige Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft maßgeblich sein, da insoweit nicht Betätigungen betroffen sind, mit denen die Religionsgemeinschaft über den Kreis ihrer Mitglieder hinaus in die Gesellschaft hineinwirkt, sondern Kernfragen der Pflege und Förderung ihres Glaubens betroffen sind, die mangels "Einsicht und geeigneter Kriterien" (BVerfGE 102, 370, 394) der Bewertung durch staatliche Stellen entzogen sind. Vor dem Hintergrund des geltend gemachten Selbstverständnisses der Vereinigungskirche bestehen deshalb hier im Blick auf die Berührung des Schutzbereichs der Religionsfreiheit keine Zweifel.
Diese grundrechtliche Position des Klägers nach Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG in Gestalt der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit wie auch der Religionsausübungsfreiheit wird durch die Ausschreibung des religiösen Oberhaupts und seiner Ehefrau zur Einreiseverweigerung nicht nur berührt, sondern unter den hier gegebenen Umständen auch verletzt.
Der grundrechtliche Schutz der Religionsgemeinschaft des Klägers führt zwar nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O., Umdruck S. 12) nicht dazu, dass diese von den Regelungen des für alle geltenden Rechts von vornherein ausgenommen wäre. Auch kann danach unmittelbar aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG weder für die Einreisewilligen selbst noch für die an ihrer Einreise interessierte Religionsgemeinschaft ein "Anspruch auf Einreise" abgeleitet werden, weil insoweit nicht etwas anderes gelten kann als für sonstige grundrechtlich geschützte Positionen, wie zum Beispiel solche aus Art. 6 Abs. 1 GG (vgl. dazu BVerfGE 76, 1, 47, 49 ff.). Es ist jedoch geboten, bei der Auslegung und Handhabung der einfach-rechtlichen Vorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, die hier eine visumfreie Einreise vorsehen und den vorübergehenden Aufenthalt damit grundsätzlich "gestatten", das Eigenverständnis der Religionsgemeinschaft, soweit es in dem Bereich der durch Art. 4 Abs. 1 GG gewährleisteten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit wurzelt und sich in der durch Art. 4 Abs. 2 GG geschützten Religionsausübung verwirklicht, soweit wie möglich zu berücksichtigen (BVerfG, a.a.O., S. 13 unter Bezugnahme auf BVerfGE 83, 341, 346).
Die Rechtsverletzung des Klägers folgt hier zum einen daraus, dass die von der Beklagten herangezogene Rechtsgrundlage für die Ausschreibung zur Einreiseverweigerung nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen ihrem Inhalt nach, insbesondere im Hinblick auf die vorgesehenen Eingriffsschwellen, die Maßnahmen nicht zu tragen vermag (1.). Im Übrigen ergibt sich eine Rechtsverletzung daraus, dass - selbst eine weitergehende tatbestandliche Fassung der Grundlagen für die Ausschreibung nach nationalem Ausländerrecht unterstellt -die im Rahmen der Entscheidung für die Ausschreibung gebotene Abwägung der Belange und Interessen der Bundesrepublik Deutschland mit dem Grundrecht des Klägers auf Religionsfreiheit nicht hinreichend erfolgt ist und zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme gegenüber dem Kläger führen muss (2.).
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O., S. 13) ist bei der vorzunehmenden Abwägung zunächst zu berücksichtigen, dass sich der Gesetzgeber im Rahmen des Schengener Durchführungsübereinkommens vom 19. Juni 1990 (BGBl. II 1993, S. 1013) - SDÜ - über § 60 Abs. 3 i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 3 AuslG (jetzt § 15 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG) hinaus insoweit gebunden hat, als die für alle Schengen-Staaten grundsätzlich verbindliche Ausschreibung zur Einreiseverweigerung nach Art. 96 Abs. 2 SDÜ das Vorliegen von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder die nationale Sicherheit voraussetzt. Danach folgt aus den in Art. 96 Abs. 2 Satz 2 SDÜ aufgeführten Beispielen für die Annahme derartiger Gefahren, die auf begangene oder zu befürchtende Straftaten des Ausländers Bezug nehmen, zugleich, dass die mit der Anwesenheit des Ausländers verbundenen Gefahren eine gewisse Erheblichkeit haben müssen.
Der Senat verkennt nicht, dass mit der Ausschreibung selbst noch nicht eine unmittelbare Regelung der Einreise verbunden ist, sondern es sich um die von den einzelnen Staaten veranlasste Einstellung von Daten des Drittausländers in eine zentrale Datenbank handelt, die Grundlage für anschließende grenzpolizeiliche Einreiseverweigerungsmaßnahmen auf national-rechtlicher Grundlage ist, im deutschen Recht demnach auf der Grundlage der von der Beklagten genannten ausländerrechtlichen Bestimmungen. Ungeachtet der Frage, ob daher die Anordnung der Ausschreibung als Verwaltungsakt zu qualifizieren wäre, stellt sie eine gezielte Eingriffshandlung dar, die nicht lediglich den dem Gesetzesvorbehalt nicht unterliegenden "faktisch mittelbaren Grundrechts-beeinträchtigungen" zugerechnet werden kann, bei denen Beeinträchtigungen erst von staatlich veranlasstem Verhalten dritter Personen abhängt (vgl. BVerfGE 105, 279 - Osho -, NJW 2002, 2626, 2629); sie zielt staatlicherseits bereits unmittelbar auf das Einreiseverhalten betroffener Personen ab. Die Wirkung der Einreiseverweigerung durch Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) ist auch nicht durch die staatlichen Bestimmungen des Ausländerrechts über die Einreiseverweigerung vollständig abgedeckt, weil die Wirkungen und Beeinträchtigungen ersichtlich weitergehend sind: Nach Art. 5 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 Buchst. d SDÜ (nunmehr inhaltlich gleichlautend geregelt in dem so genannten Schengener Grenzkodex, Ver-ordnung-EG-562/2006) ist einem Drittausländer grundsätzlich die Einreise zu verweigern, wenn er im Schengener Informationssystem zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben ist. Die Ausschreibung führt daher regelmäßig zur Einreiseverweigerung im Bereich sämtlicher dem Durchführungsübereinkommen angeschlossener Staaten (derzeit 26 Staaten - vgl. dazu Westphal, InfAuslR 1999, 361). Art. 96 Abs. 2 SDÜ stellt bei dieser Sachlage nicht lediglich eine die einzelnen Staaten bindende völkerrechtliche Norm dar, sondern aufgrund der Transformationsgesetzgebung zugleich die dem Gesetzesvorbehalt entsprechende innerstaatlich wirkende Rechtsvorschrift, an dem der "Informationseingriff" zu messen ist. Während bei so genannten Positivstaatern eine Zurückweisung an den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland nach §§ 15 Abs. 3, 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG erfolgen kann, wenn bloß "Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet" sind, setzt die Ausschreibung nach Art. 96 Abs. 2 mit ihrer auf sämtliche Außengrenzen der Schengen-Staaten bezogenen Wirkung voraus, dass die Entscheidung auf "die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder die nationale Sicherheit" gestützt wird. Bei Überschreitung der Ermächtigungsgrenzen dieses Tatbestandes ergibt sich daher von selbst eine Verletzung des geschützten grundrechtlichen Freiheitsraumes, hier der Religionsfreiheit des Klägers, der von der Einreiseverweigerung in seinem Interesse an der Begegnung mit dem Religionsoberhaupt betroffen ist.
Die vorliegend zu beurteilende Ausschreibung der Eheleute Mun ist rechtswidrig, weil sie bereits von den Ausschreibungsvoraussetzungen nach Art. 96 Abs. 2 SDÜ nicht gedeckt ist. Die Ausschreibungen beruhen nach Art. 96 Abs. 1 SDÜ auf den Entscheidungen der national zuständigen Stellen. Die nach Abs. 2 der Bestimmung erforderliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder die nationale Sicherheit, liegt hier nicht vor.
a) Der Senat folgt nicht der Auffassung der Beklagten, dass in diesem Sinne eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eines der beteiligten Nationalstaaten schon dann angenommen werden könnte, wenn der Schutz seiner nationalstaatlichen Hoheit hinsichtlich der von ihm vorgesehenen ausländerrechtlichen Zurückweisungsnormen dies gebieten würde. Vielmehr ist im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) anzunehmen, dass sich der Gesetzgeber im Rahmen der völkerrechtlichen Zusammenarbeit zum Schutz der Außengrenzen des gemeinsamen Binnenraumes dazu verstanden hat, sich an strengere Eingriffsvoraussetzungen für die Ausschreibung zu binden. Mit Blick auf die Zurückweisungsbestimmungen nach nationalem Ausländerrecht (§ 15 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG) mag es so liegen, dass für Drittausländer eine Verhinderung der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland - selbst bei so genannten Positivstaatern, die für einen Kurzaufenthalt kein Visum benötigen - bereits auf der Grundlage einer Beeinträchtigung der bloßen "Interessen" des Staates möglich ist. Der Schutz der Interessen der einzelnen Staaten bei Wegfall der Binnengrenzen in einem gemeinsamen Raum des ohne Grenzkontrollen stattfindenden Personenverkehrs fordert zwar an sich die Verlagerung der entsprechenden Instrumente an die Außengrenzen des betroffenen gemeinsamen Raumes; indessen kann angesichts der Interessenvielfalt im Rahmen einer Politik des visumfreien Verkehrs mit Drittstaaten nicht angenommen werden, dass gegenseitig jegliches nationalstaatliche Interesse an der Abweisung von Personen Anerkennung finden kann; vielmehr richtet sich das gemeinsame Interesse nach Sinn und Zweck der Verlagerung der Kontrollen an die Außengrenzen darauf, jedem Mitgliedsstaat ein Mindestmaß an Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Nur dies kann bei sachgerechter Auslegung Inhalt der gemeinsamen Politik der Schengen-Staaten sein. Ob dies auch Rückwirkungen für die Ermessensbetätigung im Rahmen einer bloßen nationalstaatlichen Einreiseverweigerung haben musste, kann hier offen bleiben (vgl. zu diesem Zusammenhang einer gemeinsamen Freizügigkeitspolitik im Schengenraum auch Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 6 Rdnr. 9 ff.). Für die hier bevorzugte Auslegung spricht auch, dass die Schengen-Staaten sich nach Art. 9 Abs. 1 SDÜ zu einer gemeinsamen Politik hinsichtlich des Personenverkehrs verpflichtet haben.
Die in Art. 5 Abs. 2 SDÜ (nunmehr im so genannten Schengener Grenzkodex) vorgesehenen Ausnahmevorbehalte für die Einreisegewährung durch einzelne Nationalstaaten vermögen an dieser Auslegung nichts zu ändern. Danach muss bei Vorliegen etwa einer Ausschreibung zur Einreiseverweigerung durch jeden der Staaten die Einreise verweigert werden, es sei denn, eine Vertragspartei hielte es aus humanitären Gründen oder aus Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen für erforderlich, von diesem Grundsatz abzuweichen. Die Abweichung ist mit der Unterrichtungspflicht gegenüber den übrigen Vertragsparteien verbunden. Abgesehen von den erheblichen materiell-rechtlichen Erschwernissen für die ausgeschriebene Person, zu einer Einreise in einzelne Staaten zu gelangen, ergibt sich für sie trotz des Ausnahmevorbehalts faktisch aus der Ausschreibung weiterhin eine so gut wie umfassende Ausschlusswirkung im Hinblick auf den gesamten Schengenraum. Der Ausnahmevorbehalt kann es mit anderen Worten nicht erübrigen, die Schwelle der Ausschreibungsermächtigung in Art. 96 Abs. 2 SDÜ in gewisser Weise als erhöht gegenüber bloßen nationalstaatlichen ausländerrechtlichen "Interessen" anzusehen.
Ob - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung ergänzend darzulegen suchte - der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nach Art. 96 Abs. 2 SDÜ entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Bereich der "Rechtfertigung" für Eingriffe in die Grundfreiheiten des EG-Rechts auszulegen ist (vgl. dazu die Rechtsprechung des EuGH für Freizügigkeitsberechtigte bzw. Assoziationsberechtigte, etwa Orfanopoulos und Olivieri, Slg I 2004, 5257 Rdnr. 106, Nazli, Slg I 2000, 957), insbesondere ob dieser Begriff deshalb eng auszulegen wäre, mag zweifelhaft erscheinen, weil es vorliegend um die Einreise von Drittausländern geht; dies kann indessen hier dahingestellt bleiben. Der Senat folgt insoweit dem Bundesverfassungsgericht (a.a.O.), dass schon im Hinblick auf die Aufzählung von Beispielen in der Bestimmung selbst der prognostizierte Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung von einer gewissen Erheblichkeit sein muss. Danach ist nämlich die öffentliche Sicherheit und Ordnung insbesondere betroffen bei einem Drittausländer, der wegen einer Straftat verurteilt worden ist, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht ist, oder bei einem Drittausländer, gegen den ein begründeter Verdacht besteht, dass er schwere Straftaten begangen hat oder gegen den konkrete Hinweise bestehen, dass er solche Taten im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei plant. Auch soweit es bei dem Schutz der öffentlichen Sicherheit um den Schutz von sonstigen staatlichen Belangen außerhalb der genannten strafrechtlichen Tatbestände geht, muss daher ein erheblicher Belang der Rechtsordnung betroffen sein.
b) Die Verletzung solch gewichtiger öffentlicher Belange infolge der Gewährung der Einreise für die Eheleute Mun hat die Beklagte nicht darzulegen vermocht. Die im Verlaufe des gesamten Verfahrens von der Beklagten geltend gemachten Gründe für die Einreiseverweigerung vermögen die Ausschreibung in diesem Sinne des Tatbestands des Art. 96 Abs. 2 SDÜ nicht zu rechtfertigen. Soweit die Beklagte sich ursprünglich auch darauf bezogen hat, es gelte, eine mit dem Besuch zu befürchtende öffentliche Empörung abzuwenden, hat sie dies in der mündlichen Verhandlung so nicht aufrechterhalten. Solche Gründe könnten, sofern nicht in der Person des Einreisewilligen und seinen Absichten eine "Gefahr" begründet ist, den Tatbestand des Art. 96 Abs. 2 SDÜ nicht ausfüllen.
Die übrigen angeführten Gründe erreichen ebenfalls entweder nicht die für Art. 96 Abs. 2 SDÜ erforderliche Erheblichkeitsschwelle oder finden in den von den Tatsachengrundlagen her gegebenen Umständen nicht die nach dieser Bestimmung erforderliche "Stütze", weil die Prognose insoweit auf einer nicht hinreichend gesicherten Grundlage erfolgt ist.
aa) Soweit zunächst geltend gemacht worden ist, der Kläger zähle zu den neueren religiösen Bewegungen, durch die Jugendliche in ihrer Entwicklung gefährdet werden könnten, weil sie sich in starke Abhängigkeit von der Bewegung begeben könnten - gegebenenfalls unter Inkaufnahme von Nachteilen in ihrer Entwicklung und Ausbildung und im Hinblick auf Konflikte mit ihrem bisherigen familiären und gesellschaftlichen Umfeld -, so wird die vorliegend erforderliche Schwelle einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht erreicht. Wie sich aus dem EnqueteBericht der vom 13. Deutschen Bundestag eingesetzten Kommission (BT-Drs. 13/10950 vom 9. Juni 1998, im Folgenden: Enquete-Bericht) ergibt, hat der Staat zwar eine Schutzpflicht zugunsten der Grundrechte seiner Bürger und muss dem Umstand Rechnung tragen, dass es je nach zeitlicher Ausdehnung oder Intensität des Umgangs des Einzelnen mit solchen Gruppen zu weitreichenden Konsequenzen in psychischer oder finanzieller Hinsicht kommen kann; mit Blick auf die Neutralität und Toleranz gegenüber glaubens- und weltanschauungsbedingten Handlungen des Einzelnen sind danach dem Staate allerdings Grenzen aufgezeigt, soweit nicht gezieltes kriminelles Handeln und Verhalten der Gruppen festzustellen ist (vgl. dazu auch BVerfGE 105, 279, - Osho -). Davon wird zwar die angemessene und nicht diskriminierende Aufklärung über solche Erscheinungen nicht berührt. Indessen hat die Kommission von der Annahme einer psychischen Zwangslage zugunsten breiter angelegter Erklärungsansätze Abstand genommen. Dabei ist von einer pauschalen Übertragung der feststellenden Handlungsweisen einzelner Gruppen auf andere abzusehen, weil nur ein Teil der untersuchten Gruppen massiv konfliktträchtig gewesen ist, und die Gruppenentwicklung in Richtung etwa einer Öffnung oder "Veralltäglichung" usw. Berücksichtigung finden muss. Nur eine im vorgenannten Sinne ausgeprägte, quasi notorische "Konfliktträchtigkeit" kann danach Anlass zu staatlichen Präventivmaßnahmen sein. Darüber hinausgehend müssen grundsätzlich staatlicherseits Eingriffe auf bestimmte konkrete Einzelfälle beschränkt bleiben. Eine Sonderrolle ist - im Gegensatz zu einer anderen Vereinigung - der Vereinigungskirche im Hinblick auf die besondere Konfliktträchtigkeit in dem Bericht nicht zugeschrieben worden. Der Enquete-Bericht (S. 85) weist zwar wegen der Situation von Kindern und Jugendlichen in neuen religiösen und ideologischen Gemeinschaften mit Bezug auf die Vereinigungskirche darauf hin, dass auch Kinder auf die unbedingte "göttliche Autorität" von Mun orientiert werden könnten. Diese Orientierung auf eine unumstößliche Autorität und die tendenzielle Entwertung der Eltern als eigenverantwortliche Identifikationsfiguren für die Kinder könnten die Grundlegung einer autonomen Lebensführung für die Heranwachsenden in der Familie erschweren. Diese Ergebnisse könnten indessen nicht verallgemeinert werden, wenn sie auch auf eine pädagogische Problemzone im Eltern-Kind-Verhältnis schließen lassen könnten. Auch solchen Gefahren muss indessen nach den aufgezeigten Maßstäben gegebenenfalls im Einzelfall durch Maßnahmen staatlicher Stellen der Jugendhilfe Rechnung getragen werden. Eine pauschale Änderung der Bewertung der Vereinigung als solcher als gleichsam unmittelbar "gefahrverursachend" folgt daraus nicht. Insgesamt kommt der Enquete-Bericht zu dem Ergebnis, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt gesamtgesellschaftlich gesehen die neueren religiösen und ideologischen Gemeinschaften und Psychogruppen keine Gefahr für Staat und Gesellschaft oder für gesellschaftlich relevante Bereiche darstellten (a.a.O., S. 148, 149).
Der Senat folgt im Übrigen auch der Bewertung in dem dortigen Sondervotum (S. 163, 165), dass insbesondere manipulative Vereinnahmungsversuche nach den eingeholten Einzelgutachten nicht über das Maß hinausgingen, welches es in vergleichbaren Konfliktsituationen des sozialen Alltags gebe, und im Allgemeinen die verbreitete Auffassung, es sei nahezu unmöglich, eine neuere religiöse Bewegung aus eigener Kraft wieder zu verlassen, empirisch durch die Einzeluntersuchungen nicht bestätigt sei.
Im Hinblick darauf, dass die Ausschreibung mit der Folge einer Einreisesperre im gesamten Schengenraum verbunden ist und das Ergreifen ausländerpolizeilicher Präventivmaßnahmen eine wesentlich stärkere Eingriffsmaßnahme darstellt als die bloße Aufklärung über von den Gruppierungen ausgehende Gefahrenmomente, reichen die genannten Anhaltspunkte nicht zur Annahme der hier erforderlichen näheren Gefahrenzusammenhänge mit Blick etwa auf zu befürchtende Grundrechtsverletzungen gegenüber dem zu schützenden Jugendlichen aus.
bb) Soweit im Einzelfall eine strafrechtlich relevante Nötigung bei der Verhinderung eines Ausstiegs aus der Vereinigungskirche festgestellt werden sollte, fehlt es an Anhaltspunkten für einen Zusammenhang mit der Besuchsreise des Oberhaupts der Gemeinschaft und einer von ihm begründeten erheblichen Gefahr. Wenn nämlich zur Abwehr von einschlägigen Gefahren die Maßnahme gegen die Vereinigung als solche bzw. deren Oberhaupt gerichtet werden soll, ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu entsprechenden Zurechnungskriterien zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 102, 370 = NJW 2001, 429, 431 - Zeugen Jehovas -). Danach kann zwar von der Religionsgemeinschaft Rechtstreue erwartet und das tatsächliche Verhalten einer Religionsgemeinschaft und ihrer Mitglieder im Ausgangspunkt nach weltlichen Kriterien beurteilt werden, soweit es um die Bejahung der für alle geltenden Gesetze geht. Allerdings stellt nicht jeder einzelne Verstoß eines der Gemeinschaft angehörenden Mitglieds die Rechtstreue der Vereinigung als solcher in Frage bzw. ist dem Oberhaupt aufgrund von dessen Lehr- und Leitungsbefugnis zuzurechnen. Deshalb kann auch die von der Beklagten bemühte Rechtskonstruktion der Zweckveranlassung insoweit nur eingeschränkte Beachtung finden. Es kommt darauf an, ob der Gemeinschaft nachgesagt werden kann, dass sie schon im Grundsatz nicht bereit ist, Recht und Gesetz insoweit zu beachten. Dafür hat die Beklagte indessen - was ihr oblegen hätte - keine genügenden Anhaltspunkte darlegen können. Dafür würde es im Übrigen auch nicht ausreichen, auf Erkenntnisse zu verweisen, wie sie etwa im so genannten Fraser-Report (vgl. etwa FN 18, 22, 77, 78, 84, 131 der Schrift des Bundesverwaltungsamtes, Bl. 750 der GA) zu Verhältnissen in den USA bezogen auf einen etwa 30 Jahre zurückliegenden Zeitpunkt entnommen werden könnten. Gerade unter dem Gesichtspunkt, dass sich hinsichtlich der Wirkungen bei neueren religiösen Gemeinschaften vielfach im Laufe der Zeit eine Öffnung und so genannte "Veralltäglichung" ergeben hat, käme es zur Aufrechterhaltung der Gefahreneinschätzung auf neuere Erkenntnisse an, an denen es indessen hier weitestgehend fehlt.
cc) Auch soweit die Beklagte darauf abstellt, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ergebe sich daraus, dass die Vereinigungskirche auf die Schaffung einer weltweiten Theokratie und die Abschaffung der sozialen Marktwirtschaft abziele, lässt sich damit die Annahme der hier erforderlichen Gefahr nicht stützen. Zwar wird der Mun-Bewegung nachgesagt, dass nach den Glaubensgehalten der von ihr vertretenen Lehre das religiöse Oberhaupt eine messianische Stellung einnimmt und Ziel die Errichtung eines Himmelreichs auf Erden sei, d.h. die Vereinigung aller Religionen unter der Führung von Mun. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (E 102, 370 = NJW 2001, 429, 432) dürfen staatliche Entscheidungen gegenüber Religionsgemeinschaften auch darauf Bedacht nehmen, ob das Verbot einer Staatskirche sowie die Prinzipien von Neutralität und Parität unangetastet bleiben. Indessen darf unter Respektierung des Selbstverständnisses und des spezifisch religiösen Gehalts der Ziele einer Glaubensgemeinschaft die Einschätzung der Gefahrenlage nicht ohne Berücksichtigung der Zielrichtung und des tatsächlichen Gewichts des unmittelbaren Verhaltens der Gemeinschaft und ihrer Mitglieder gewürdigt werden. Die theologischen Aussagen insbesondere im Hinblick auf das Ziel der Vereinigungskirche müssen nicht zwangsläufig im Sinne der Errichtung einer auch politischen Herrschaftsordnung ausgelegt werden. Bestrebungen in tatsächlicher Hinsicht, insbesondere aus der jüngeren Vergangenheit, dass das tatsächliche Verhalten der Vereinigungskirche und ihrer Mitglieder auf eine etwa auch Mitteln der politischen Gewalt nicht abgeneigte politische Umsetzung abzielen würde, hat die Beklagte nicht dargelegt. Eine vorliegend erforderliche Erheblichkeit der Gefahr lässt sich in dieser Hinsicht auch mit Rücksicht auf das tatsächliche Gewicht der Gruppierung nicht feststellen, die nach ihren eigenen Angaben, die nach sonstigen Einschätzungen sogar verhältnismäßig hoch angesetzt sind, nur allenfalls über etwa 1.300 Mitglieder und einen Freundeskreis von wenigen tausend Personen in der Bundesrepublik Deutschland verfügt.
dd) Soweit die Beklagte schließlich die hier erforderliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung daraus herleiten will, dass die Vereinigungskirche sich durch ein strenges Hierarchiedenken auszeichne und damit Zwangsmaßnahmen gegenüber Mitgliedern einhergingen, insbesondere auch Zwangshochzeiten, käme die Begründetheit einer Annahme der Gefahr nur dann in Betracht, wenn auf diese Art und Weise nachweisbar Straftatbestände erfüllt würden und die Vorkommnisse im Hinblick auf ihre Repräsentativität dem Einfluss der Gemeinschaft bzw. des Oberhauptes zugerechnet werden könnten. Dasselbe gilt schließlich hinsichtlich des Vorwurfs, dass rigorose Methoden der Mitgliederwerbung zu verzeichnen seien und die geworbenen Mitglieder mit totalitären Maßnahmen überwacht würden, in solchen Zusammenhängen auch das Prinzip der so genannten himmlischen Täuschung angewandt werde, wobei es zu betrügerischen Maßnahmen etwa bei Geldsammlungen kommen könne. Soweit es sich lediglich um vereinzelt nachweisbare Fälle handelt, ist der Staat gehalten, dem aus gegebenem Anlass nachzugehen und die Betroffenen einzeln gegebenenfalls einer strafrechtlichen Ahndung zuzuführen; dies kann indessen kein Anlass sein, die Vereinigungskirche als solche mit Sanktionen zu belegen.
Die Beklagte hat außer dem Hinweis auf Schilderungen in den für eine aktuelle Bewertung nicht mehr zureichenden Quellen keine Hinweise darauf geben können, dass sich solche Vorfälle in der Bundesrepublik Deutschland in vergleichbarem Umfang und nicht nur in vereinzelten Fällen ereignet haben. Insoweit mag zwar Anlass für hinreichend differenziert gehaltene Aufklärungsmaßnahmen für die Öffentlichkeit bestanden haben; das Maß der vorliegend für die Ausschreibung zur Einreiseverweigerung erforderlichen Gefahr wird damit indessen nicht dargetan, weil etwa auch aus den zurückliegenden 10 Jahren nicht eine einzige in diesem Zusammenhang einschlägige Verurteilung eines Mitglieds der Vereinigungskirche aufgezeigt worden wäre, geschweige denn die oben genannten Zurechnungskriterien für die Vereinigungskirche selbst.
Die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ausschreibung der Eheleute Mun zur Einreiseverweigerung gegenüber dem Kläger folgt daher schon aus der Verletzung des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG infolge Nichtvorliegens der tatbestandlichen Eingriffsvoraussetzungen des Art. 96 Abs. 2 SDÜ.
2. Die Verletzung der genannten grundrechtlichen Normen gegenüber dem Kläger ergibt sich aber unabhängig davon auch daraus, dass bei rechtmäßiger Abwägung der Belange und Interessen der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage der für die Einreiseverweigerung (Zurückweisung) einschlägigen nationalrechtlichen Normen des §§ 15 Abs. 3, 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG (früher § 60 Abs. 3 i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 3 AuslG) mit dem Grundrecht der Religionsfreiheit des Klägers dem Letzteren der Vorrang zukommt, jedenfalls eine auf dieser Grundlage erforderlich werdende Abwägung von der Beklagten nicht in rechtmäßiger Weise vorgenommen worden ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (NJW 1983, 2587) sind die grundrechtlichen Freiheiten des Glaubens, des Gewissens und Bekenntnisses einschließlich der Freiheit der Religionsausübung (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) nicht dazu bestimmt, Ausländern sonst nicht bestehende Rechte auf Einreise und Aufenthalt zu gewährleisten. Jedenfalls stellt es danach einen zu wahrenden Belang der Bundesrepublik Deutschland dar, dass die Einreise nicht unter Verletzung der erforderlichen Einreisemodalitäten (dort Visumzwang) erfolgt. Entsprechendes gilt für die Rechtsposition einer religiösen Vereinigung, die ein Interesse an der Einreise geltend macht. Indessen schließt dies nicht aus, dass bei der Entscheidung über die Gewährung der Einreise das Interesse der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Angehörigen einer Religionsgemeinschaft im Lichte der Bedeutung der grundrechtlichen Freiheiten aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG berücksichtigt wird (BVerwG, a.a.O.).
Der Senat kann es in diesem Zusammenhang dahingestellt sein lassen, ob im Falle der Befreiung vom Visumzwang für Kurzaufenthalte, wie hier im Falle der Eheleute Mun als so genannte Positivstaater bei der Entscheidung im Rahmen der § 60 Abs. 3 i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 3 AuslG zu berücksichtigen war, dass "der Aufenthalt damit grundsätzlich gestattet" sei (vgl. BVerfG, a.a.O., Umdruck S. 13). Zwar mag es so liegen - wie die Beklagte in diesem Zusammenhang geltend macht -, dass die Gestaltung des Visumverfahrens nicht zugleich grundsätzlich die materiell-rechtliche Rechtslage verändert, unter der über die Zulassung zum Aufenthalt entschieden werden kann. Indessen dürfte der Entscheidung über die visumfreie Einreise für Kurzaufenthalte wenigstens eine gewisse Bedeutung im Rahmen der Ermessensüberlegungen nicht abzusprechen sein. Die von der Beklagten angeführten Gründe konnten jedenfalls unter Berücksichtigung der erforderlichen Abwägung mit der Religionsfreiheit des Klägers eine ermessensgerechte Entscheidung zur Einreiseverweigerung nicht begründen. Die Fehlerhaftigkeit der Überlegungen im Hinblick auf die Ermessensentscheidung zur beabsichtigten Zurückweisung muss insoweit auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ausschreibung zurückwirken. Der Senat hat insoweit zu prüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 114 Satz 1 VwGO analog).
Das Ermessen war vorliegend nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 AuslG eröffnet, weil nicht angenommen werden kann, dass ein Regelversagungsgrund im Sinne dieses Tatbestands der Einreise entgegensteht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass einem Kurzaufenthalt aus persönlichen Interessen gemäß der Bestimmung des § 9 Abs. 3 AuslG (Betretenserlaubnis) selbst eine Einreisesperre für Ausgewiesene nicht zwangsläufig entgegenstand, wenn ansonsten zwingende Gründe für den Kurzaufenthalt sprechen (vgl. dazu Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., § 9 AuslG, Rdnr. 11). Angesichts des vorliegend zu berücksichtigenden Gewichts der grundrechtlichen Position der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) liegt ein Ausnahmefall vor, der die "Interessen" der Bundesrepublik Deutschland an der Verhinderung des Aufenthalts als Regelversagungsgrund insoweit ausschließt. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Annahme eines Vorliegens der Regelerteilungsvoraussetzungen (Beeinträchtigung der Interessen der Bundesrepublik Deutschland nach § 15 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG).
Zwar ist im Ausgangspunkt das mit § 7 Abs. 1 AuslG eröffnete ausländerrechtliche Ermessen für die Zulassung eines Ausländers zum Hoheitsgebiet des Staates grundsätzlich weit. Bindungen ergeben sich im Hinblick auf Kurzaufenthalte aber zum einen aus den genannten persönlichen grundrechtlich geschützten Belangen, zum anderen aber auch angesichts des Rahmens der gemeinsamen Visumpolitik und der vereinbarten Öffnung gegenüber Positivstaatern (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 SDÜ). Aus diesen Regelungen folgt zumindest, dass mit dem Kurzaufenthalt solcher Personen keine üblichen ausländerpolitischen Interessen negativ berührt werden. Schon wegen dieser Ausgangslage können nicht einzelne Personen aus diesem Kreis ohne sachliche Anhaltspunkte gleichsam zur "persona non grata" im Hinblick auf die Einreise bezeichnet werden, ohne dass hier auf Ausnahmen näher einzugehen wäre. Vorliegend handelt es sich nicht etwa um den Schutz der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland, der im Hinblick auf die Bewertung eines Besuchs von politisch unerwünschten Personen in Betracht zu ziehen wäre. Vielmehr handelt es sich hier um eine dem Grundrechtsschutz des Art. 4 Abs. 1 i.V.m. 2 GG unterliegende Pastoralreise.
Angesichts der in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts angesprochenen hohen grundrechtlichen Bedeutung des Pastoralbesuchs für die Grundrechtsausübung des Klägers nach dessen zu berücksichtigenden Selbstverständnis als Religionsgemeinschaft könnten nur Bedenken von einigem Gewicht gegen die Gewährung eines kurzfristigen Besuchsaufenthalts ins Feld geführt werden. Dies gilt umso mehr, als etwa im Verlaufe des Besuchs auftretenden Bedenken bei Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auch durch nachträgliches Einschreiten Rechnung getragen werden könnte. Die von der Beklagten im Verlaufe des Verfahrens geltend gemachten Bedenken erreichen dieses Gewicht nicht. Insoweit kann der Senat auf die Ausführungen zu den Tatbestandsmerkmalen nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen Bezug nehmen. Wegen des hervorragenden Gewichts des Schutzes der Religionsfreiheit des Klägers müssen die von der Beklagten geltend gemachten Gründe eindeutig zurücktreten, weil das Grundrecht der Religionsfreiheit nicht nur vage geltend gemachten Befürchtungen in der von der Beklagten angeführten Art weichen muss.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 Satz 1 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.
Ende der Entscheidung
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