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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 25.01.2005
Aktenzeichen: 7 A 11481/04.OVG
Rechtsgebiete: StAG


Vorschriften:

StAG § 11 S. 1 Nr. 1 F: 05.08.2004
Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG liegen vor, wenn sich der Einbürgerungsbewerber im täglichen Leben, einschließlich der Kontakte mit Behörden, in seiner deutschen Umgebung sprachlich zurechtzufinden vermag, mit ihm ein seinem Alter und Bildungsstand entsprechendes Gespräch in deutscher Sprache geführt werden und er einen deutschsprachigen Text des alltäglichen Lebens lesen, verstehen und die wesentlichen Inhalte mündlich wiedergeben kann.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 A 11481/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Einbürgerung (Libanon) hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2005, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Hoffmann Richter am Oberverwaltungsgericht Stamm Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Cloeren ehrenamtliche Richterin Angestellte Burghardt-Kiwitz ehrenamtliche Richterin Juristin und Hausfrau Bastian

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. Juni 2004 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt seine Einbürgerung.

Der am 22. November 1946 in H... geborene Kläger, der nach Auffassung des Beklagten die libanesische Staatsangehörigkeit besitzt, lebt seit 1985 im Bundesgebiet. Nach erfolglosem Asylverfahren erhielt er zunächst eine Aufenthaltsbefugnis. Seit dem 23. April 1997 ist er im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Der Kläger ist mit einer libanesischen Staatsangehörigen verheiratet und bestreitet seinen Lebensunterhalt durch den Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen.

Am 27. September 1999 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Nachdem der Beklagte den Kläger zweimal zu einem Sprachtest vorgeladen hatte und dabei feststellte, dass dieser nicht in der Lage war, einen in deutscher Sprache verfassten Zeitungsartikel zu lesen, lehnte er das Begehren des Klägers mangels ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache mit Bescheid vom 3. Juli 2002 ab.

Mit seinem Widerspruch vom 10. Juli 2002 machte der Kläger geltend, er könne Deutsch verstehen und sprechen, jedoch nicht lesen. Dies beruhe darauf, dass er als Kind wegen der kriegsähnlichen Verhältnisse in seinem Heimatland keine Schule besucht habe. Er sei Analphabet und könne auch in seiner arabischen Muttersprache weder lesen noch schreiben. Deswegen dürfe er jedoch nicht benachteiligt werden. Zudem seien ihm andere Fälle bekannt, in denen Einbürgerungen erfolgt seien, ohne dass die Betreffenden die deutsche Sprache ausreichend beherrschten.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 16. September 2003) hat der Kläger am 15. Oktober 2003 Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung führte er ergänzend aus, in Deutschland gebe es ungefähr 4 Mio. Analphabeten, die ebenfalls nicht lesen und schreiben könnten. Es könne von ihm aufgrund seines Alters nicht verlangt werden, einen mehrjährigen Schulbesuch zu absolvieren. Während eines solchen Schulbesuchs könne er sein Gewerbe nicht ausüben und verliere dadurch seine Lebensgrundlage.

Das Verwaltungsgericht Koblenz hat mit Urteil aufgrund der Beratung vom 21. Juni 2004 die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch auf Einbürgerung sei nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 AuslG ausgeschlossen, da der Kläger nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge. Hierbei handele es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliege.

Bereits die historische Auslegung ergebe einen eindeutigen Befund. Die amtliche Begründung zur Neufassung des § 86 AuslG verlange Sprachkenntnisse, die den Ausländer in die Lage versetzten, hiesige Medien zu verstehen und mit der deutschen Bevölkerung zu kommunizieren. Soweit die amtliche Begründung auf das Verständnis der Medien abstelle, werde das Lesenkönnen indirekt als Mindesterfordernis postuliert.

Nichts anderes folge aus einer systematischen Auslegung der Norm. Nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 AuslG müsse sich ein Einbürgerungsbewerber zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen und erklären, dass er keine Bestrebungen unterstütze, die der freiheitlich demokratischen Grundordnung zuwiderliefen. Ein solches Bekenntnis setze zwangsläufig voraus, dass der Ausländer sich vorher mit der Problematik beschäftigt habe. Im Regelfall verlange dies das Durcharbeiten schriftlicher Unterlagen und erfordere insofern auch die Beherrschung der deutschen Schriftsprache.

Darüber hinaus genüge es für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis sowie für die Aufenthaltsberechtigung nach den Regelungen der §§ 24 Abs. 1 Nr. 4 und 27 Abs. 2 Nr. 5 AuslG, wenn sich der Ausländer auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen könne. Daraus folge im Umkehrschluss, dass mündliche Sprachkenntnisse für die begehrte Einbürgerung gerade nicht mehr ausreichten, da an eine Einbürgerung höhere Anforderungen zu stellen seien als an die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder einer Aufenthaltsberechtigung. Davon abgesehen sei die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis in den Fällen des § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AuslG auch nur bei ausreichenden Sprachkenntnissen möglich.

Ein weiterer Umkehrschluss ergebe sich aus § 6 BVfG n.F., wonach es für den Nachweis der Vermittlung der deutschen Sprache genüge, wenn der Spätaussiedler ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen könne. Diese Privilegierung komme jedoch nur den Spätaussiedlern aus bestimmten Herkunftsländern zugute und der Kläger zähle nicht zu diesem privilegierten Personenkreis.

Schließlich gebiete § 86 Abs. 1 Nr. 1 AuslG, dass der Einbürgerungsbewerber Lesefähigkeiten aufweisen müsse. Sinn und Zweck der Vorschrift sei das Vorhandensein einer sprachlichen Integration. Diese habe sich am Normalfall zu orientieren. Lesen- und Schreibenkönnen sei jedoch in Deutschland der Normalfall, so dass sich der Kläger nicht darauf berufen könne, es gebe hierzulande 4 Mio. Analphabeten.

Bei dem Kläger liege ebenso wenig ein atypischer Sonderfall vor, der ein Absehen vom Erfordernis der ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache rechtfertige. Insbesondere sei das Ansinnen, an einem Deutschkurs der Volkshochschule teilzunehmen, nicht unverhältnismäßig oder unzumutbar. Im Gegenteil, solange der Kläger Analphabet sei, bestehe Grund zu der Annahme, dass er nicht wisse, welche vertraglichen Pflichten er eingehe, wenn er schriftliche Kaufverträge unterschreibe.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens räumt der Kläger ein, er tue sich schwer was die Beherrschung der deutschen Sprache anbelange. Er habe sich aber jahrelang intensiv um eine Einbürgerung gekümmert, und es sei politisch gewollt, dass möglichst viele Ausländer, die seit Jahren in Deutschland wohnten und sich integriert hätten, um eine Einbürgerung nachsuchen sollten. Zudem gebe es auch in Deutschland mehrere Millionen Analphabeten, die die Rechte und Pflichten eines deutschen Staatsbürgers wahrnähmen. Es liege auf der Hand, dass bei ihm ein besonderer Fall vorliege. Aufgrund seines Alters sei er einfach nicht mehr in der Lage, die deutsche Sprache so zu erlernen, wie es erforderlich wäre. Grundvoraussetzung wäre, dass er zunächst einmal in seiner Heimatsprache lesen und schreiben könne. Ohne diese Grundvoraussetzung sei es fast ausgeschlossen, eine fremde Sprache so zu erlernen, dass man lesen und schreiben könne. Er verfüge zudem so weit über Kenntnisse des Lesens und des Schreibens, dass es ihm möglich sei, am allgemeinen Leben, vor allen Dingen auch am Geschäftsleben in Deutschland teilzunehmen. Was die im angefochtenen Urteil angesprochene Problematik des Abschlusses von Kaufverträgen anbelange, so sei darauf hinzuweisen, dass Kaufverträge in dem von ihm betriebenen Gewerbezweig fast immer formularmäßig gehalten seien. Das Verstehen dieser Verträge erfordere keine besonderen juristischen Kenntnisse, auf das Lesen von Gesetzestexten komme es nicht an.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Bescheid des Beklagten vom 03. Juli 2002 und den Widerspruchsbescheid vom 16. September 2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Kläger einzubürgern.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung seines Antrags verweist der Beklagte auf das mittlerweile in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz, insbesondere darauf, dass der Verzicht auf die Fähigkeit, einen einfachen Text lesen zu können, zu einer Privilegierung gegenüber den Unionsbürgern und Ausländern führen würde, die nach dem am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Zuwanderungsgesetz eine Niederlassungserlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit begehrten. Diese erhielten sie nur, wenn sie über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügten. Diese Kenntnisse würden durch die erfolgreiche Absolvierung eines Integrationskurses nachgewiesen. Zu einer solchen erfolgreichen Absolvierung gehöre jedoch u.a. auch die Fähigkeit, einen deutschsprachigen Text des täglichen Lebens lesen, verstehen und seinen wesentlichen Inhalt mündlich und schriftlich wiedergeben zu können. So sehe es jedenfalls der Entwurf einer Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler vor. Auch nach dem neuen Zuwanderungsgesetz werde von Analphabeten verlangt, aktiv mitzuwirken und entsprechende Kurse zu besuchen. Eine unzumutbare Härte liege im Falle des Klägers nicht vor, da besonders für Analphabeten besondere Kurse angeboten würden. Gerade als Gebrauchtwagenhändler sei es für den Kläger unerlässlich, die deutsche Sprache zu verstehen sowie Verträge und Lieferbedingungen lesen zu können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsakten verwiesen, die beigezogen waren und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind. Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zurückzuweisen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband nach Maßgabe des § 10 StAG i.d.F. vom 5. August 2004, in Kraft getreten zum 1. Januar 2005 (BGBl I, 2004, 1950 ff., 1997), der anstelle der bis dahin geltenden Einbürgerungsregelung des § 85 AuslG getreten ist. Die Übergangsbestimmung des § 40 c StAG i.d.F. vom 5. August 2004 (BGBl a.a.O., 1999) gelangt hier nicht zur Anwendung, da der Kläger seinen Einbürgerungsantrag nach dem 16. März 1999 gestellt hat.

Dem Einbürgerungsbegehren steht § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG i.d.F. vom 5. August 2004 (BGBl a.a.O., 1997) entgegen. Danach besteht - wie bislang nach § 86 Nr. 1 AuslG - kein Anspruch auf Einbürgerung, wenn der Ausländer nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache liegen vor, wenn sich der Einbürgerungsbewerber im täglichen Leben, einschließlich der Kontakte mit Behörden, in seiner deutschen Umgebung sprachlich zurechtzufinden vermag, mit ihm ein seinem Alter und Bildungsstand entsprechendes Gespräch in deutscher Sprache geführt werden kann und er in der Lage ist, einen deutschsprachigen Text des alltäglichen Lebens zu lesen, zu verstehen und die wesentliche Inhalte mündlich wiederzugeben.

Über solche ausreichenden Sprachkenntnisse verfügt der Kläger nicht. Er mag zwar in der Lage sein, ein seinem Alter und Bildungsstand entsprechendes Gespräch in deutscher Sprache zu führen, er verfügt jedoch nicht über die Fähigkeit, einen alltäglichen einfachen deutschsprachigen Text lesen, verstehen und seinen wesentlichen Inhalt mündlich wiedergeben zu können. Der Kläger hat bereits im Widerspruchsverfahren eingeräumt, er sei Analphabet und könne auch in seiner arabischen Muttersprache weder lesen noch schreiben. Anlässlich zweier Vorsprachen bei dem Beklagten war der Kläger dementsprechend nicht in der Lage, einen in deutscher Sprache verfassten Zeitungsartikel zu lesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich dies erneut bestätigt: Erst nach anfänglichem Zögern erklärte sich der Kläger bereit, eine Leseprobe abzugeben. Dabei scheiterte er bereits am Vorlesen der Überschrift des ihm unterbreiteten Artikels aus der Bild-Zeitung vom 25. Januar 2005 (Seite 2) " Schreiben Sie an den Bundespräsidenten!". Zwar erkannte der Kläger - im wesentlichen - die Buchstaben, er konnte jedoch aus ihnen weder ein Wort bilden noch ein solches erkennen und die Überschrift zusammenhängend lesen.

§ 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ist dahin auszulegen, dass das Erfordernis, einen alltäglichen deutschsprachigen Text lesen, verstehen und seinen Inhalt mündlich wiedergeben zu können, in der Regel unverzichtbar ist und die bloße Fähigkeit sich mündlich verständigen zu können, nicht ausreicht, um das Vorliegen der vom Gesetz geforderten ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse zu bejahen. Die Regelung des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ist im Gesamtkontext der umfassenden Novellierung des Zuwanderungsrechts durch das Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (BGBl I 2004, 1950 ff.) zu sehen. Das in wesentlichen Teilen zum 1. Januar 2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz verwendet den Begriff "ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache" nicht nur bei den Regelungen des Staatsangehörigkeitsrechts, sondern beispielsweise auch in dem in Art. 1 des Zuwanderungsgesetzes enthaltenen Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG -), hier vor allem bei den Bestimmungen über die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (§ 9 AufenthG). Eine solche darf nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AufenthG nur erteilt werden, wenn der Ausländer über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Dieser Nachweis wird gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 AufenthG durch eine erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs geführt. Nach Satz 3 der erwähnten Norm kann von diesen Voraussetzungen abgesehen werden, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder einer Behinderung nicht erfüllen kann oder nach Satz 4 zur Vermeidung einer Härte. Ferner wird von dem Erfordernis der erfolgreichen Absolvierung eines Integrationskurses unter den in Satz 5 der Vorschrift genannten Voraussetzungen abgesehen mit der Folge, dass es in diesem Fall ausreicht, wenn der Ausländer sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen kann. Aus dieser Regelung ist im Umkehrschluss zu folgern, dass der Gesetzgeber für die Annahme ausreichender deutscher Sprachkenntnisse deshalb im Regelfall Lesefähigkeiten im oben beschriebenen Sinne verlangt. Andernfalls wäre die Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 Satz 5 entbehrlich.

Gestützt wird dieses Normverständnis durch die Begründung zu § 9 AufenthG (BT-Drs. 15/420, 72): Danach ist die bisherige Voraussetzung nach den §§ 27 Abs. 2, 24 Abs. 1 AuslG, sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen zu können, ersetzt worden durch das Erfordernis der ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache, um den Sprachkenntnissen als wesentliche Integrationsvoraussetzung und als Voraussetzung für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben größere Bedeutung zu verleihen. Nach Auffassung des Gesetzgebers gehört zu den Integrationsvoraussetzungen auch, dass ein deutschsprachiger Text des alltäglichen Lebens gelesen, verstanden und im Wesentlichen mündlich wiedergegeben werden kann.

Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber innerhalb des Zuwanderungsgesetzes den Begriff der ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse unterschiedlich verstanden wissen will, gibt es nicht. Solche lassen sich auch nicht aus der Gesetzesbegründung zur Änderung des StAG durch das neue Zuwanderungsrecht (BT-Drs. a.a.O., 116) ableiten, wenn es dort heißt, die bisherigen Vorschriften des Ausländergesetzes für Ausländer mit längerem Aufenthalt im Bundesgebiet würden in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingegliedert. Gerade diese Formulierung in den Gesetzesmotiven spricht dafür, dass sich die bisherigen Regelungen in die Neuregelungen des Zuwanderungsgesetzes einfügen sollen und sich deshalb das Verständnis ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen an dem neuen Recht zu orientieren hat.

Abgesehen davon hat sich mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes das Verständnis des Tatbestandsmerkmals der ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse nicht geändert: Zutreffend hat bereits das Verwaltungsgericht zur bisherigen Rechtslage ausgeführt, dass es nach § 86 Nr. 1 AuslG nicht ausreichend war, sich nur mündlich in deutscher Sprache verständigen zu können. Die Gesetzesmotive zu dieser Vorschrift lassen dies erkennen, wenn dort angeführt wird, eine Integration setze Sprachkenntnisse voraus und ohne die Fähigkeit, hiesige Medien zu verstehen und mit der deutschen Bevölkerung zu kommunizieren, seien Integration und auch die Beteiligung am politischen Willensprozess nicht möglich (BT-Drs. 14/533). Die Fähigkeit, hiesige Medien zu verstehen, setzt aber auch das Lesenkönnen zumindest einfacher Texte voraus. Zudem hat das zwischenzeitlich außer Kraft getretene Ausländergesetz zwischen ausreichenden Kenntnissen der deutschen Sprache, die es für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis beispielsweise nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AuslG verlangte, und der Fähigkeit, sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen zu können, die es für den Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 AuslG ausreichend sein ließ, unterschieden. Die Verwendung unterschiedlicher Begriffe bei der Umschreibung der jeweils tatbestandlich geforderten Sprachkenntnisse lässt aber nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber schon unter der alten Rechtslage mit dem Begriff der ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse einen bestimmten Grad an Integration verbunden hat, der über die mündlichen Sprachkenntnisse hinausgehend auch das Grundverständnis der Schriftsprache erfasst. Der vereinzelt in der Kommentarliteratur vertretenen Auffassung, eine nur mündliche Verständigung reiche auch im Falle einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AuslG aus, ist deshalb nicht zuzustimmen (Heilbronner Ausländerrecht, § 26, Rdnr. 17, § 24 Rdnr. 25).

Bei der Neuregelung des Zuwanderungsrechts hat der Gesetzgeber - wie bereits bei § 9 AufenthG angesprochen - der Integration des Ausländers in die hiesigen Lebensverhältnisse besonderes Gewicht zugemessen. Mehr noch als bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Aufenthaltsgesetz kommt es bei einer Einbürgerung auf die Integrationsleistung des Bewerbers an. Mit der Einbürgerung wird der Ausländer zum Staatsbürger und erhält Teilhaberechte und -pflichten am demokratischen Willensbildungsprozeß. Diese auszufüllen verlangt nicht nur die Fähigkeit zu verbaler Kommunikation, sondern in einer von Massenmedien wie Zeitungen, Internet, Fernsehen geprägten Demokratie weitergehend die Fähigkeit, zumindest einfache Texte der Schriftsprache erfassen und verstehen zu können.

§ 11 Abs. 1 Nr. 1 StAG will das Vorliegen dieser Voraussetzungen sicherstellen. Deshalb ist es auch ohne weiteres nachvollziehbar, wenn der Gesetzgeber hier auf privilegierende Regelungen, die ein Absehen von ausreichenden deutschen Sprachkenntnissen ermöglichen, wie zum Beispiel in § 9 Abs. 2 Satz 2 ff. AufenthG, § 104 Abs. 2 AufenthG, verzichtet hat und einen Einbürgerungsanspruch nur dann zuerkannt wissen will, wenn korrespondierend eine bestimmte Integrationsleistung hinsichtlich der deutschen Sprachkenntnisse erbracht worden ist. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG kann daher allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Einzelfall eine Modifizierung erfahren.

Bei dem Kläger kann aber auch im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vom Lesenkönnen eines deutschsprachigen Textes des alltäglichen Lebens abgesehen und stattdessen seine Fähigkeit, sich mündlich zu verständigen als ausreichend erachtet werden. Der Kläger leidet nicht an körperlichen oder geistigen Gebrechen, die ihn am ausreichenden Erlernen der deutschen Sprache hindern bzw. in der Vergangenheit gehindert haben. Der Kläger lebt seit 1985 im Bundesgebiet und hatte in den vergangenen zwei Jahrzehnten hinreichend Zeit, sich auf die deutsche Sprache einzustellen, sie insbesondere auch schriftlich zu erlernen. Hierzu ist auch nicht notwendige Voraussetzung, dass er zunächst in seiner arabischen Muttersprache lesen und schreiben lernen muss. Arabisch ist der deutschen Sprache so wesensverschieden, dass ihr Erlernen nicht zwangsläufig dem Erwerb deutscher Sprachkenntnisse vorausgehen muss. Stattdessen hätte der Kläger bereits vor Jahren seinen Analphabetismus durch die Inanspruchnahme besonderer Schulungskurse beheben können. Er kann dies ungeachtet seines Geburtsdatums, auch heute noch und er kann die Teilnahme an diesen Kursen so einrichten, dass er daneben sein Geschäft weiterführen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstands wird auf 10.000,-- € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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