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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 25.01.2005
Aktenzeichen: 7 B 12114/04.OVG
Rechtsgebiete: BImSchG, UVPG, 4. BImSchVO, UVP-RL


Vorschriften:

BImSchG § 10 Abs. 3
BImSchG § 10 Abs. 4
UVPG § 3 c Abs. 1 S. 2
UVPG § 12
4. BImSchVO § 2 Abs. 1 Nr. 1
UVP-RL Art. 10 a
1. Zur Abgrenzung eines einheitlichen Windparks.

2. Die Bestimmungen des förmlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung haben wegen ihrer Funktion als Trägerverfahren für die nach der UVP-Richtlinie einer Umweltprüfung bedürftigen Anlagen drittschützende Wirkung für die "betroffene" Öffentlichkeit.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

7 B 12114/04.OVG 7 E 12117/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen immissionsschutzrechtlicher Genehmigung

hier: aufschiebende Wirkung

hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 25. Januar 2005, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Hoffmann Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Holl Richter am Oberverwaltungsgericht Stamm

beschlossen:

Tenor:

Unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Trier vom 29. November 2004 wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die beiden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen des Antragsgegners vom 19. Oktober 2004 (für die Windkraftanlagen WEA 1 - 3 sowie die Windkraftanlagen WEA Be 1 - 3 und Nau 1 und 2) wiederhergestellt; der Beigeladenen bleibt indessen vorbehalten, von den Genehmigungen hinsichtlich Errichtung und Betrieb Gebrauch zu machen, sofern sie bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache oder - falls dies früher erfolgt - bis zum positiven Abschluss eines förmlichen immissionsschutzrechtlichen Verfahrens für diese Anlagen unter Einschluss der bisher nur baurechtlich genehmigten Anlagen WEA 6 und 7 auf die Inbetriebnahme letzterer Anlagen verzichtet.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Von den Gerichtskosten hat der Antragsteller 1/4 und der Antragsgegner sowie die Beigeladene je 3/8 zu tragen; von den außergerichtlichen Kosten des Antragstellers tragen die Beigeladene und der Antragsgegner je 3/8, von den außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Antragsteller 1/4; im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

Der Wert des Streitgegenstands wird zugleich für das Verfahren erster Instanz auf 7.500,-- € festgesetzt.

Gründe:

I. Der Antragsteller ist Eigentümer und Bewohner eines Anwesens in N..., das im Außenbereich gelegen ist und in dessen Nachbarschaft mehrere Windkraftanlagen von der Beigeladenen geplant sind. Ursprünglich wurde die Absicht verfolgt, auf der Grundlage mehrere Baugenehmigungen insgesamt eine Kette von insgesamt 15 Windkraftanlagen zu errichten, die sich in S-förmiger Weise von der Gemarkung M... im Nordwesten des Gebiets bis in südöstliche Richtung in die Gemarkungen B... und N... erstrecken sollte (Durchnummerierung der Anlagen von 1 bis 15 - die Anlagen werden im Weiteren nach dieser ursprünglichen Nummerierung benannt). Der Abstand des Wohnanwesens des Antragstellers zu den am nächsten gelegenen Anlagen 6 und 7 im Süden des Anwesens beträgt knapp 500 m. Von der kettenförmigen Anordnung der geplanten Anlagen besteht eine gewisse Ausnahme in Form einer Staffelung im südöstlichen Bereich, wo 3 Anlagen dicht westlich und 2 Anlagen dicht östlich der dort in nordsüdlicher Richtung verlaufenden Bundesautobahn 1 angeordnet werden sollen.

Nachdem der Antragsteller verschiedene Baugenehmigungen angegriffen hatte, verzichtete die Beigeladene schließlich auf die Genehmigungen für die Anlagen 4 und 5 sowie 8 bis 10. Im Hinblick auf die aufrechterhaltene Baugenehmigung für die Anlagen 6 und 7 hat der 8. Senat des OVG Rheinland-Pfalz durch Beschluss vom 22. Oktober 2004 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers im Hinblick auf den nächtlichen Betrieb wiederhergestellt, weil insoweit im Hauptsacheverfahren Bedenken im Hinblick auf die Einhaltung der nächtlichen Immissionsrichtwerte zu überprüfen seien. Für die Anlagen 1 bis 3 sowie 11 bis 15 hat der Antragsgegner auf entsprechend geänderte Anträge des Beigeladenen hin am 19. Oktober 2004 die angegriffenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen erteilt, nachdem jeweils für die genannten Komplexe ein vereinfachtes Verfahren nach § 19 BImSchG durchgeführt worden war. Der Antragsteller macht geltend, die Genehmigungen verletzten seine drittgeschützten Rechte, insbesondere auch sein Recht auf Durchführung eines förmlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens, weil es sich vorliegend unter der notwenigen Einbeziehung der aufrechterhaltenen Baugenehmigung für die Anlagen 6 und 7 um einen einheitlichen Windpark mit mehr als 5 Anlagen handele. Beigeladene und Antragsgegner verteidigen das eingeschlagene Verfahren, insbesondere unter Hinweis, dass kein einheitlicher Windpark unter Einbeziehung der Anlagen 6 und 7 vorliege, weil die Abstände insoweit mehr als den 10-fachen Rotordurchmesser betrügen; im Übrigen seien im Hinblick auf eventuelle Verfahrensfehler drittgeschützte Rechte des Antragstellers nicht verletzt worden.

II. Die Beschwerde des Antragstellers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Anders als das Verwaltungsgericht kommt der Senat bei dem im Rahmen der Anwendung der §§ 80 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3; 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung zu der Folgerung, dass das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsmittels im Rahmen der Drittanfechtung überwiegt. Er kann sich nämlich nach der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage mit einiger Wahrscheinlichkeit auf die Verletzung nachbarschützender Rechte berufen.

1. Was die Verletzung von drittschützenden materiell-rechtlichen Bestimmungen angeht, spricht zwar vieles dafür, dass es auch für den hier erkennenden Senat bei den Erwägungen verbleiben könnte, die der für Baurecht zuständige 8. Senat des Gerichts im Hinblick auf die von ihm im Beschluss vom 22. Oktober 2004 - 8 B 11696/04.OVG - als für seine Bewertung einzig verbleibenden 2 Windenergieanlagen als maßgeblich angesehen hat. Darauf kann Bezug genommen werden. Was den Lärmschutz betrifft, geht der Senat davon aus, dass weitergehende Lärmeinwirkungen als die dort beurteilten nicht zu erwarten sind, da in dem genannten Beschluss die Verhältnisse für die dem Anwesen des Antragstellers beiden nächstgelegenen Anlagen gewürdigt worden sind und in den herangezogenen Gutachten des Sachverständigen P... die Gesamtbelastung im Hinblick auf die ursprünglich geplante Gesamtanlage mit in den Blick genommen worden ist.

Die Genehmigungsposition des Genehmigungsinhabers könnte im Eilverfahren durch den Drittanfechtungsberechtigten insoweit mit Erfolg nur in Zweifel gezogen werden, wenn sich gegenüber den Ermittlungen im Verwaltungsverfahren Bedenken von einigem Gewicht aufzeigen ließen. Dies ist indessen nicht der Fall, sieht man von den Bedenken hinsichtlich der Einhaltung der nächtlichen Lärmrichtwerte ab, die den 8. Senat dazu bewogen haben, die sofortige Vollziehung im Hinblick auf den nächtlichen Betrieb der beiden nächstgelegenen Anlagen 6 und 7 auszusetzen. Die Bedenken, die die Beschwerde im Hinblick auf eine eventuelle Tonhaltigkeit der Geräusche, den notwendigen Sicherheitsabstand zu den Lärmrichtwerten und die nach den Herstellergutachten zugrunde liegenden Schallleistungspegel geltend macht, sieht der Senat nicht von einem solch durchschlagenden Gewicht an, jedenfalls was die Erkennbarkeit eines Mangels im Eilverfahren angeht.

Im Blick auf die Geltendmachung einer Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots wegen einer zu befürchtenden "erdrückenden" Wirkung nimmt der Senat auf die von der Beigeladenen zitierten Ausführungen des 1. Senats des Gerichts Bezug. Auch der 8. Senat hat in dem in Bezug genommenen Beschluss insoweit ausgeführt, bei einem Abstand der nächstgelegenen Anlagen von mindestens 470 m komme im Hinblick auf die einzelnen Anlagen eine erdrückende Wirkung nicht in Betracht. Die optische Belästigungswirkung mag bei einem Windpark, insbesondere wenn der Betroffene von Windkraftanlagen geradezu eingekreist ist, zwar ein höheres Gewicht haben als bei einer Einzelanlage. Auch vermag der erkennende Senat nicht uneingeschränkt der Betrachtung des 1. Senats zu folgen, wenn dieser darauf abstellt, dass es um psychisch vermittelte Wirkungen geht und daher wegen der subjektiv unterschiedlichen Empfindungen ein rechtlicher Maßstab gleichsam wenig greifbar sei. Richtig ist indessen, dass das Gebot der Rücksichtnahme insoweit auf besondere Empfindlichkeiten nicht einzugehen vermag. Angesichts des Umstands, dass beim Aufenthalt im Innern des Gebäudes der Belästigung durch die Anlage ausgewichen werden kann, sie auch sonst nicht ständig die Aufmerksamkeit erwecken muss, drängt sich auch bei Windparks eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme wegen einer visuellen erdrückenden Wirkung nicht auf, jedenfalls wenn der in der Raumplanung mindestens empfohlene Abstand von etwa 500 m eingehalten ist.

Auch im Hinblick auf die aufgeworfene Schattenwurfproblematik kann auf die Ausführungen im Beschluss des 8. Senats vom 22. Januar 2004, US 5, Bezug genommen werden. Wegen der Programmierbarkeit von etwa notwendigen Abschaltzeiten können etwaige Ermittlungsfehler kein Grund für die Aussetzung der Vollziehbarkeit sein.

2. Der Senat hält indessen dafür, dass vorliegend ernsthaft in Betracht zu ziehen ist, dass ein Windpark mit mehr als 5 Anlagen zur Genehmigung ansteht und die im vereinfachten Verfahren nach § 19 Abs. 1 BImSchG erfolgten Genehmigungen Verfahrensvorschriften verletzen. Wegen der drittschützenden Wirkung dieser Verfahrensvorschrift bei europarechtskonformer Auslegung kann der Antragsteller insoweit aller Voraussicht nach eine eigene Rechtsverletzung im Sinne der §§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 VwGO geltend machen, so dass die Genehmigung ohne Heilung des Verfahrensfehlers voraussichtlich auf die Anfechtung hin aufzuheben sein wird.

Im Einzelnen ergibt sich dies aus folgenden Erwägungen:

a) Für die Genehmigung hätte voraussichtlich ein förmliches Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG durchgeführt werden müssen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 der 4. BImSchVO ist das Genehmigungsverfahren nach § 10 durchzuführen für Anlagen nach Spalte 1 der Anlage zur Verordnung bzw. für Anlagen der Spalte 2, u.a. wenn aufgrund einer Vorprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss. Unter Ziffer 1.6 der Anlage ist in Spalte 1 für Errichtung und Betrieb von Windfarmen mit sechs oder mehr Windkraftanlagen das förmliche Genehmigungsverfahren angeordnet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 30. Juni 2004, 4 C 9.03, DVBl 2004, 1304, 1306) ist entscheidend für das Vorhandensein einer "Windfarm" der räumliche Zusammenhang der einzelnen Anlagen. Sind sie soweit voneinander entfernt, dass sich die nach der Umweltverträglichkeitsprüfungs-Richtlinie (UVP-RL) maßgeblichen Auswirkungen nicht summieren, so behält jede Anlage für sich den Charakter einer Einzelanlage. Von einer Windfarm ist indessen auszugehen, wenn drei oder mehr Windkraftanlagen einander räumlich so zugeordnet werden, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden oder wenigstens berühren. Was insofern für die Unterscheidung von Einzelanlagen gilt, muss ebenso für die Frage Bedeutung haben, ob im Hinblick auf die Grenzzahl der Anlagen für das einfache oder förmliche immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren ein Zusammenhang dieser Art zwischen Gruppierungen von Anlagen besteht oder nicht.

Für sich genommen bilden die hier jeweils in vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG genehmigten Gruppen von Windkraftanlagen (WEA 1 bis 3 einerseits sowie WEA 11 bis 15 andererseits) Komplexe, deren Wirkungsbereiche sich in diesem Sinne wohl nicht überschneiden oder berühren. Dies ergibt sich aus ihrer Entfernung. Allein der Umstand, dass sie Teile eines ursprünglich geplanten größeren zusammenhängenden Komplexes sind, ist unerheblich, da ein entsprechender Antrag nicht anhängig ist. Die nicht mehr zur Genehmigung anstehenden Anlagen 4 und 5 sowie 8 bis 10 sind daher für die Betrachtung nicht mehr maßgeblich. Sollten insoweit Genehmigungsanträge wieder aufgegriffen werden, eine Befürchtung, die der Antragsteller im Hinblick auf die bereits errichteten Fundamente äußert, so ist zu prüfen, ob es sich dabei um die Entstehung oder Erweiterung eines Windparks handelt. In die Betrachtung einzubeziehen sind indessen die Anlagen 6 und 7, die auf der Grundlage der bestehenden Baugenehmigung errichtet werden. Soweit sie im Sinne der oben genannten funktionalen Wirkungen einen "Bindeglied" zwischen den genannten Komplexen darstellen, sind sie in die Würdigung einzubeziehen.

b) Es spricht vorliegend insoweit manches dafür - wenn auch die endgültige Würdigung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss -, dass die Anlagen unter Einbeziehung der Anlagen 6 und 7 einen einheitlichen Windpark mit mehr als 5 Anlagen darstellen. Die Anlagen bilden zwar von den Abständen her gesehen keine gleichsam homogene Kette, weil sich zwischen der Anlage 3 und 6 einerseits und 7 und 11 (infolge des Wegfalls der ursprünglich geplanten Zwischenglieder 4 und 5 sowie 8 bis 10) größere Abstände ergeben als innerhalb der hier genehmigten Komplexe. Der Abstand zwischen Windanlage 3 und 7 beträgt knapp über 700 m, der zwischen den Anlagen 7 und 11 knapp über 950 m.

Der Senat hält die Argumentation der Beigeladenen, im Hinblick auf das Kriterium des 10-fachen Rotordurchmessers seien die Komplexe genügend voneinander abgesetzt, um sich berührende Einwirkungsbereiche zu verneinen, für nicht hinreichend. Der auf den Rotordurchmesser bezogene Abstand geht in erster Linie von dem wegen Turbulenzen unter den Anlagen technisch erforderlichen Abstand ein, wenn der Senat auch nicht verkennt, dass insoweit technisch zwingend unter Umständen lediglich je nach den Gegebenheiten der 3- bis 8-fache Abstand notwendig ist. Im Übrigen liegt hier für alle ursprünglich geplanten Anlagen im Hinblick auf diese Abstände zur Verminderung technischer Schäden untereinander ein Turbulenzgutachten vor. Auch der Erlass für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. April 2004 geht insoweit davon aus, dass mit dem dort genannten 8-fachen Rotordurchmesser als Abstand nur ein Kriterium für die Einwirkungsbereiche genannt ist, weitere Kriterien indessen ein anderes Maß für die Abschätzung des Zusammenhangs des Einwirkungsbereichs nahe legen könnten.

Der Einwirkungsbereich zur Definition des Windparks ist selbstverständlich unabhängig von der Position des betroffenen Einwendungsführers objektiv zu bestimmen. Zu betrachten sind die Einwirkungsbereiche hinsichtlich der in der Umweltverträglichkeitsprüfung zu betrachtenden verschiedenen geschützten Umweltgüter, insoweit nämlich neben dem Lärmschutz die visuellen Wirkungen, die Auswirkungen auf den Vogelzug und die sonst zu schützende Fauna (z.B. Problematik der Schlagschäden für Fledermäuse), insbesondere auch im Hinblick auf die Störung der Lebensräume besonders geschützter Arten. Schließlich ist auch der Schutz des Landschaftsbildes zu berücksichtigen. Allein schon in letzterer Hinsicht liegt es nahe, dass angesichts der exponierten Lage sämtliche Anlagen auf einem Höhenrücken des Mittelgebirgszugs eine einheitliche Betrachtung angemessen erscheint, selbst wenn zwischen den Anlagen 3 und 6 bis 7 und 11 mehr als der 10-fache Rotordurchmesser (900 m bzw. 700 m) liegen mag. Jedenfalls sind die Abstände nicht derart groß, dass im Hinblick auf das Landschaftsbild bzw. auf die Hinderniswirkungen für den Vogelzug und die Jagdgebiete der zu schützenden Fauna von einem fehlenden sich überschneidenden Wirkungsbereich ausgegangen werden könnte. Die insofern verbleibenden erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens müssen sich im Eilverfahren zulasten der Beigeladenen auswirken.

c) Die Verfahrensrechtsverletzung ist auch drittschutzerheblich.

Insbesondere kann der Antragsteller unter Einfluss der einschlägigen europarechtlichen Bestimmungen aufgrund der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wie auch der im Hinblick auf die ?rhus-Konvention geänderten verdeutlichenden Bestimmungen der UVP-Änderungsrichtlinie 2003/35-EG zum Zugang zu den Gerichten geltend machen, das notwendige Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren sei nicht durchgeführt worden.

Die Einbeziehung von Windkraftanlagen in die 4. BimSchVO und deren Zuordnung zu den vereinfachten oder förmlichen Genehmigungsverfahren geht auf die Umsetzung der UVP-Richtlinie und die Notwendigkeit zurück, für nach dem UVP-Gesetz umweltverträglichkeitsprüfungspflichtige Vorhaben im Immissionsschutzrecht das geeignete Trägerverfahren bereitzustellen. Die Anlage 1 zum UVP-Gesetz sieht unter Ziffer 1.6.2 für Windparks mit 6 bis 20 Anlagen in Spalte 2 den Kennbuchstaben A vor, was bedeutet, dass UVP-rechtlich im Hinblick auf die Verfahrenspflichten eine allgemeine Prüfung des Einzelfalls (§ 3 c Abs. 1 Satz 2 UVP-Gesetz) stattzufinden hat. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist nach den Kriterien der Anlage 2 zum UVP-Gesetz vorzunehmen, wenn das Vorhaben aufgrund überschlägiger Prüfung erhebliche nachteilige Auswirkungen haben kann, die nach § 12 UVP-Gesetz zu berücksichtigen wären. § 2 der 4. BImSchVO mit der Zuordnung von Windparks über 5 Anlagen stellt insoweit das geeignete Trägerfahren zur Verfügung. Im danach angeordneten förmlichen Verfahren nach § 10 BImSchG ist eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen (§ 10 Abs. 3, 4 BImSchG).

Der deutsche Gesetzgeber stellt damit das Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren wegen einer möglichen Notwendigkeit der Durchführung eines Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens zur Verfügung. Verletzungen dieser Verfahrensbestimmungen sind damit gleichbedeutend mit der möglichen Verletzung der einschlägigen europarechtlich begründeten Verfahrenspflichten.

Im Hinblick auf diese Verfahrenspflichten hat die Rechtsprechung in Deutschland zunächst angenommen, dass sie keine selbständige Schutzwirkung zugunsten Dritter entfalten (vgl. Übersicht bei Schoch, Individualrechtsschutz im deutschen Umweltrecht unter Einfluss des Gemeinschaftsrechts, NVwZ 1999, 457 m.w.N.).

Bei Verfahren mit einem planerischen Abwägungsgebot ist die Rechtsprechung davon ausgegangen, dass dem Fehlen eines förmlich als Umweltverträglichkeitsprüfung zu bezeichnenden Verfahrens dann keine Bedeutung zukommt, wenn das Verfahren frei von Ermittlungs- und Abwägungsmängeln ist und der Sache nach in diesem Rahmen de facto den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen genügt wurde (vgl. BVerwGE 100, 238; 100, 370). In diesem Sinne wurde eine Klagemöglichkeit allein wegen des Verfahrensfehlers infolge mangelnder Kausalität verneint. Die "konkrete Möglichkeit einer anderen Entscheidung" (BVerwGE 69, 256, 269) wurde nur dann in Betracht gezogen, wenn sich aufgrund erkennbarer und nahe liegender Umstände die Möglichkeit abzeichne, dass bei Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung die Entscheidung anders ausgefallen wäre (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 18. November 2004, 4 CN 11.03, UmDr. S. 14). Eine Ausnahme davon hat die Rechtsprechung im Sinne der Anerkennung selbständig einklagbarer Verfahrenspositionen im Sinne eines vorgezogenen Grundrechtschutzes allerdings im Atomrecht anerkannt, zum Teil auch im förmlichen immissionsschutzrechtlichen Verfahren (vgl. BVerwGE 85, 373 f.), indessen für das vereinfachte immissionsschutzrechtliche Verfahren verneint (a.a.O.).

Bei Entscheidungen ohne planungsrechtlichen Abwägungsgehalt hat die Rechtsprechung die Bedeutung des Verfahrensschutzes dahin relativiert, dass sie davon ausgegangen ist, das Verfahren diene lediglich der bestmöglichen Verwirklichung der dem Einzelnen zustehenden materiell-rechtlichen Position, so dass es auf den Verfahrensschutz nicht ankommt, wenn die materiell-rechtliche Position erkennbar nicht verletzt sei. Der erkennende Senat (vgl. OVG Koblenz DVBl 1993, 1956 = DÖV 1994, 354) hat angenommen, dass auch über das Atomrecht hinaus der Rechtsordnung selbständig schützende Verfahrensrechte zu eigen sein können, wenn nämlich die Rechtsordnung erkennbar wegen einer komplexen Genehmigungslage dem einzelnen nicht zumuten kann, auch ohne das ihn schützende Verfahren unmittelbar seine materiell-rechtliche Position zu verteidigen, und insoweit sein Grundrechtsschutz zu kurz käme. Er hat dies zum Beispiel bei Eröffnung eines regelmäßigen Flughafenverkehrs ohne erforderliche Genehmigung nach § 6 LuftVG auf der Grundlage einer dafür nicht geeigneten bloßen Außenstart- und -landeerlaubnis (§ 25 LuftVG) angenommen.

Nach europäischem Recht kommt bei komplexen Umweltentscheidungen, die der UVP bedürfen, dem Verfahrensgedanken eine eigenständige Bedeutung bei. Das europäische Verfahrensrecht nimmt insoweit moderne Entwicklungen im Verhältnis von Staat und Gesellschaft auf. Die neueren technischen Verfahren haben derart ubiquitäre Auswirkungen, dass die sie domestizierenden Gesetze nicht mehr stabile Individualsphären zuteilen und begrenzen, sondern nur noch die Koordinierung und Abwägung des Geflechts betroffener Belange organisieren können. Mangels einer prästabilisierten Ordnung genau umschriebener Rechte und Pflichten kann dabei nicht in jeder Hinsicht ein bestimmter Anspruch verfolgt werden (vgl. Winter, NVwZ 1999, 467, 472). Zudem kommt der moderne Staat mit seiner Übernahme umfassender Verantwortung für das wirtschaftliche Wohlergehen und die Daseinsvorsorge, was den Schutz der Umwelt und der Rechte des Einzelnen angeht, zunehmend bei komplexen Genehmigungsverfahren in die Rolle eines nicht mehr vollends neutralen und unabhängigen Verfahrensführers. Die Schaffung von Beteiligungsmöglichkeiten im Verfahren, die Herstellung von Transparenz und Öffentlichkeit kann dem in gewissem Maße abhelfen. Soweit im europäischen Umweltrecht solche Ansätze verfolgt werden, müssen die nationalen Gerichte im Rahmen ihrer Zuständigkeit zugleich als Gemeinschaftsrechtsgerichte die volle Anwendung und Effektivität der Bestimmungen des EG-Rechts gewährleisten. In diesem Rahmen ist es Sache der nationalen Gerichte festzustellen, ob nach nationalem Recht die Möglichkeit besteht, eine bereits erteilte Genehmigung zurückzunehmen oder auszusetzen, weil der "Einzelne" sich auf die Rechte aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und 2, Art. 4 der Richtlinie 85/337 berufen kann (vgl. EuGH - Wells-Entscheidung - Urteil der 5. Kammer vom 7. Januar 2004, C 201/02, DVBl 2004, 370, dort Leitsätze 2 und 3; vgl. dazu auch Anmerkung Kerkmann, DVBl 2004, 1287, der insbesondere darauf hinweist, dass danach klargestellt wird, dass die unmittelbare Wirkung einer Richtlinie nicht daran scheitert, dass im Dreiecksverhältnis damit eine Belastung für einen privaten Dritten verbunden ist). Soweit aus dem europäischen Recht damit die Absicht der Einräumung einer selbständigen Verfahrensstellung zu entnehmen ist, wird dem im deutschen Recht mit der Zulassung der Anfechtungsklage und der Aussetzung der Vollziehung zu entsprechen sein. Im Hinblick auf den Willen des Europarechts, selbständige Verfahrenspositionen für die "betroffene Öffentlichkeit" zu schaffen, die durch die gleichzeitige Gewährleistung des Zugangs zu den Gerichten durchsetzbar sind, kommt insbesondere den verdeutlichenden Rechtsakten in der EG im Zusammenhang mit der Umsetzung der ?rhus-Konvention Bedeutung bei, die die bisherige Rechtsprechung in einem anderen Licht erscheinen lässt. Nach den Erwägungen zur Änderungsrichtlinie 2003/35 EG vom 26. Mai 2003, Amtsblatt EU L 156/17) heißt es unter 7: "Art. 6 des ?rhus-Übereinkommens sieht die Beteiligung der Öffentlichkeit an den Entscheidungen über bestimmte Tätigkeiten, die eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können, vor". Unter Ziffer 6 ist dort ausgeführt, dass es eines der Ziele des Übereinkommens sei, das Recht auf Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltangelegenheiten zu gewährleisten und somit dazu beizutragen, dass das Recht des Einzelnen auf ein Leben in einer Gesundheit und dem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt geschützt wird. Ziffer 9 der Erwägungsgründe hebt hervor, dass das ?rhus-Übereinkommen Bestimmungen über den Zugang zu gerichtlichen und anderen Verfahren zwecks Anfechtung der materiellen und verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit vorsieht und zwar in Verfahren, in denen gemäß dem Überkommen eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen ist. Der auf diesen Grundlagen beruhende Art. 10 a der geänderten UVP-Richtlinie sieht dementsprechend vor, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicherstellen, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die ausreichendes Interesse haben oder eine Rechtsverletzung geltend machen, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer auf gesetzlicher Grundlage zu schaffenden unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und die verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von entsprechenden Entscheidungen, für die die Öffentlichkeitsbeteiligung gilt, anzufechten. Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu den Gerichten zu gewährleisten.

Art. 10 a verdeutlicht die Funktionselemente der Verfahrensbeteiligung auf der Ebene des europäischen Umweltrechts und damit die bestehenden Direktiven für eine europarechtskonforme - dem Effektivitätsgrundsatz Rechnung tragende - Auslegung der innerstaatlichen Verfahrensvorschriften wie § 10 BImSchG i.V.m. den Bestimmungen des UVP-Gesetzes und der 4. BImSchVO, wie sie der Umsetzung des europäischen Verfahrensrechts dienen. Angesichts dessen kommt es auf die Umsetzungsfrist der Änderungsrichtlinie selbst maßgeblich nicht an. Das deutsche Verfahrens- und Prozessrecht ist in seinem Bestand ohne weiteres in der Lage, diesen systematischen Ansatz aufzunehmen, wie sich auch daran zeigt, dass auf dieser systematischen Grundlage auch bisher schon im innerstaatlichen Recht (ausnahmsweise) die selbständige drittschützende Funktion von Verfahrensbestimmungen Anerkennung zu finden vermochte, indem die Verfahrensrechtsposition als drittgeschütztes Recht im Sinne der §§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 VwGO anerkannt wird. Die entsprechende Entwicklung ist dem nationalen Recht nicht fremd, wie auch etwa die amtliche Begründung des Regierungsentwurfs zum Europarechtsanpassungsgesetz-Bau (allgemeine Begründung unter II 2) zeigt, wo es unter der Überschrift "Gewähr materieller Rechtmäßigkeit des Bauleitplans durch ein ordnungsgemäßes Verfahren" heißt, dass das bestehende deutsche Rechtssystem mit dem Konzept der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben strukturell harmonisiert werden solle und die europarechtlich vorgegebene Stärkung des Verfahrensrechts mit den Regelungen zur Bestandssicherung der städtebaulichen Pläne verbunden werden solle.

Aus diesen Gründen kommt dem immissionsschutzrechtlichen Verfahrensrecht, soweit aus Gründen der Umsetzung der Umweltverträglichkeitsprüfungsvorschriften eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen ist, drittschützende Bedeutung für die angesprochene "betroffene Öffentlichkeit" zu. Zu diesem Kreis gehört der Antragsteller ohne Zweifel, ohne dass es vorliegend einer näheren Abgrenzung bedürfte. Es handelt sich dabei nicht um ein Jedermannsrecht; erforderlich ist vielmehr, dass eine mögliche nachteilige Betroffenheit von nicht unerheblichem Gewicht geltend gemacht werden kann. Es ist insoweit eine Orientierung an dem erforderlich, was im Bereich der Planungsentscheidungen als abwägungserheblicher Belang zu qualifizieren wäre. Da der Antragsteller vorliegend im Hinblick auf die Anlagen 6 und 7, die in die Betrachtung einzubeziehen sind, von nahezu unzumutbaren Auswirkungen betroffen ist, wie die Würdigung des 8. Senats für den nächtlichen Betrieb ergibt, gehört er auf jeden Fall zum Kreis der betroffenen Öffentlichkeit. Der Antragsteller braucht Errichtung und Betrieb der Anlagen nicht hinzunehmen, bevor nicht das gebotene Verfahren durchgeführt ist. Inwieweit es auf die Verletzung einzelner Verfahrensvorschriften innerhalb des gebotenen förmlichen Verfahrens ankäme, braucht vorliegend nicht erörtert zu werden. Insoweit mögen im Einzelnen Kausalitätserwägungen eine Rolle spielen können. Das Europarecht nimmt mit seinen verfahrensrechtlichen Vorstellungen die prozessualen Befugnisse des Einzelnen zur Durchsetzung seiner Funktion auch unabhängig von einer im Einzelnen abgegrenzten materiell-rechtlichen Betroffenheit des Einzelnen in Dienst. Es ergibt sich insoweit eine vergleichbare Lage wie sie bei demjenigen besteht, der als von den enteignungsrechtlichen Vorwirkungen Betroffener eine Planungsentscheidung auch unter Hinweis auf verletzte Belange des Allgemeinwohls angreift /vgl. dazu BVerwGE 67, 74; 69, 271; 77, 91).

Kann der Antragsteller deswegen hier im Ansatz zwar beanspruchen, dass die Vollziehbarkeit der auf falscher Verfahrensgrundlage ergangenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ausgesetzt wird, so ist im Wege der Interessenabwägung im Eilverfahren indessen zugleich zu berücksichtigen, dass die Verfahrensgrundlage nicht zu beanstanden wäre, wenn die Anlagen 6 und 7 nicht in die Betrachtung einzubeziehen sind. Dem Betreiber musste deshalb vorbehalten bleiben, auf die Ausnutzung seiner Rechtsposition aus der Baugenehmigung (wenigstens vorerst) zu verzichten, um durch die vorliegende Entscheidung nicht an der Errichtung und dem Betrieb der Komplexe 1 bis 3 und 11 bis 15 noch vor einer eventuellen Heilung des Verfahrensfehlers oder einer anderweitigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren gehindert zu sein. Sollte er die Bedingungen für die Ausschöpfung des ausgesprochenen Vorbehalts erfüllen, ist kein berechtigtes Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 155 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG; dabei geht der Senat vom Rechtsschutzziel her davon aus, dass es sich um die Abwehr einer einzigen zusammenhängenden Windkraftanlage in der Form eines Windparks über einen bestimmten Schwellenwert hinaus handelt, so dass nicht auf die Zahl der angegriffenen Genehmigungen abgestellt wird. Damit ist zugleich die vom Antragsteller eingelegte Streitwertbeschwerde gegen die Streitwertfestsetzung erster Instanz als begründet anzusehen.

Ende der Entscheidung

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