Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 11.03.2004
Aktenzeichen: 8 A 10189/04.OVG
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 1
BauGB § 1 Abs. 5
BauGB § 1 Abs. 5 S. 2
BauGB § 1 Abs. 5 S. 7 Nr. 7
BauGB § 1 Abs. 6
BauGB § 8
BauGB § 8 Abs. 2
BauGB § 8 Abs. 2 S. 1
BauGB § 35
BauGB § 35 Abs. 1
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 6
BauGB § 35 Abs. 3
BauGB § 35 Abs. 3 S. 3
BauGB § 214
BauGB § 214 Abs. 2
BauGB § 214 Abs. 2 Nr. 2
BauGB § 214 Abs. 3
BauGB § 214 Abs. 3 S. 2
Soll durch Bebauungsplan eine im Flächennutzungsplan mit Konzentrationswirkung ausgewiesene Sonderbaufläche für Windenergie überplant werden, ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass dem Belang der Windenergienutzung aufgrund der Konzentrationswirkung des Flächennutzungsplans grundsätzlich Vorrang zukommt.

Ein Bebauungsplan, der lediglich einen unverhältnismäßig kleinen Teil einer Konzentrationsfläche für Windenergie als Sondergebiet für die Windenergienutzung festsetzt, verstößt nicht nur gegen das Entwicklungsgebot, sondern beeinträchtigt im Hinblick auf die Ausschlusswirkung der Konzentrationsflächen gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB auch die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende, geordnete städtebauliche Entwicklung im Sinne des § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

8 A 10189/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Baugenehmigung

hier: Zulassung der Berufung

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 11. März 2004, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Bier Richterin am Oberverwaltungsgericht Spelberg Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 28. Oktober 2003 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz wird abgelehnt.

Die Beigeladene hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 150.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die beigeladene Ortsgemeinde begehrt die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil, mit dem der Beklagte verpflichtet worden ist, der Klägerin im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes der Beigeladenen eine Baugenehmigung für die Errichtung von zwei Windkraftanlagen zu erteilen. Die Baugrundstücke liegen im Bereich einer vom Flächennutzungsplan ausgewiesenen ca. 41 ha großen Konzentrationszone für Windenergienutzung. Der Bebauungsplan überplant diese Zone bis auf neun bestehende Anlagenstandorte als Flächen für die Landwirtschaft. Zur Begründung ist ausgeführt, Belange der Landschaftsästhetik und des Immissionsschutzes sowie vor allem die negative Stimmung in der ansässigen Bevölkerung stünden dem Interesse an der Windenergienutzung gleichgewichtig gegenüber und verböten deren Ausweitung im Bereich der Konzentrationsfläche. Das Verwaltungsgericht hat diesen Bebauungsplan wegen eines Abwägungsfehlers sowie wegen Verstoßes gegen das Entwicklungsgebot für nichtig gehalten.

II.

Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Die rechtlichen Voraussetzungen der geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

1. Der Senat teilt nicht die ernstlichen Zweifel der Beigeladenen an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Vorinstanz hat den Bebauungsplan "Kloppberg" der Beigeladenen zu Recht für nichtig erachtet, sodass er der Erteilung einer Baugenehmigung für die Windkraftanlagen nicht entgegensteht.

a. Soweit das Verwaltungsgericht die Unwirksamkeit des Bebauungsplans mit einem nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB beachtlichen Abwägungsmangel in Gestalt einer offensichtlichen und auch ergebnisrelevanten Fehlgewichtung der Belange der Windenergienutzung begründet, ist dagegen auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens nichts zu erinnern.

Aus der von der Beigeladenen zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgt keineswegs, dass bei der Überplanung von Flächen, die im Flächennutzungsplan als Konzentrationszonen für die Windenergie im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ausgewiesen sind, landschaftsästhetische Erwägungen, "Negativstimmungen" der Einwohner gegenüber der Windenergie sowie Belange des "Dorffriedens" (s. S. 5 der Planbegründung) dem Interesse an der Nutzung des Plangebiets zur Erzeugung von Windenergie gleichgewichtig gegenüber gestellt werden dürfen. Vielmehr gilt die Erkenntnis, dass eine Gemeinde "die durch § 35 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 BauGB geschützten Interessen (hier: Windenergienutzung) in der Konkurrenz mit gegenläufigen Belangen nicht vorrangig zu fördern" braucht (s. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2002, BVerwGE 117, 285), nur für die Ausweisung von Konzentrationszonen im Flächennutzungsplan. Auf dieser Planungsstufe geht es darum, die ansonsten gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB im Außenbereich unbeschränkt privilegierten Nutzungen auf geeignete und mit sonstigen städtebaulichen Belangen verträgliche Standorte zu konzentrieren. Bei der Festlegung solcher Standorte steht dem Träger der Flächennutzungsplanung ein weites Planungsermessen zu. Er ist nicht gehalten, dem Interesse an der Nutzung der Windenergie weitestmöglich Vorrang einzuräumen, sondern kann - wenn er im übrigen vertretbare städtebauliche Belange gegen die Windenergienutzung ins Feld zu führen vermag - sich gegebenenfalls auf die Ausweisung einer einzigen Konzentrationsfläche geringen Umfangs beschränken (s. das Senatsurteil vom 14. Mai 2003 - 8 A 10568/02.OVG -, S. 18 UA).

Die mit der rechtswirksamen Ausweisung solcher Konzentrationszonen gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB in der Regel verbundene Ausschlusswirkung für die Zulässigkeit von Windenergieanlagen an anderen Standorten im Geltungsbereich des Flächennutzungsplans setzt allerdings voraus, dass sich in den Konzentrationszonen die betroffenen Vorhaben gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzen können (s. BVerwG, Urteil vom 13. März 2003, NVwZ 2003, 738). Daraus folgt nach zutreffender Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Abwägungsspielraum der Ortsgemeinde bei Erlass eines Bebauungsplanes für eine Konzentrationszone gegenüber demjenigen der Verbandsgemeinde bei Erlass des Flächennutzungsplanes deutlich eingeschränkt ist: Die durch Ausweisung im Flächennutzungsplan eingetretene Konzentrationswirkung verleiht der Windenergienutzung in der Konzentrationszone grundsätzlich Vorrang. Dieser Vorrang ist in der Bebauungsplanung zu respektieren und kann im Wege einer Abwägung nur insoweit überwunden werden, als überwiegende sonstige Belange Festsetzungen über die nähere Ausgestaltung der Windenergienutzung (etwa Höhenbeschränkungen oder Beschränkungen der Anzahl der Anlagen; s. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04. Juni 2003, BauR 2003, 1696) rechtfertigen. Dies hat die Beigeladene ausweislich der Begründung des Bebauungsplanes offensichtlich verkannt, wenn sie Belange der Landschaftsästhetik, der Naherholung sowie vor allem eine windenergiefeindliche Stimmung der Dorfbevölkerung als den Belangen der Windenergienutzung gleichgewichtig bezeichnet (s. S. 5 der Planbegründung) und aus diesem Grunde den weitaus überwiegenden Teil der Konzentrationszone unter Beschränkung der Windenergienutzung auf neun bestehende Anlagenstandorte als Fläche für die Landwirtschaft ausweist.

Mit dem Verwaltungsgericht hält der Senat diesen offensichtlichen Abwägungsfehler auch für im Sinne von § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB ergebnisrelevant. Die erforderliche Ergebnisrelevanz liegt vor, wenn nach den Umständen des Einzelfalles die konkrete Möglichkeit eines Einflusses besteht, was etwa dann der Fall sein kann, wenn sich an Hand der Planunterlagen oder sonst erkennbarer oder naheliegender Umstände ergibt, dass sich ohne den Fehler im Abwägungsvorgang ein anderes Abwägungsergebnis abgezeichnet hätte (BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 1992, BRS 54 Nr. 15). So liegt der Fall hier. Aus der Planbegründung wird hinreichend deutlich, dass sich die Beigeladene nur aufgrund der fehlerhaften "Gleichgewichtung" von Windenergienutzung und den oben erwähnten widerstreitenden Belangen dafür entschieden hat, die Bebauung der Konzentrationszone auf die neun bestehenden Windkraftanlagen zu beschränken. Wäre sich die Beigeladene des Vorrangs der Windenergienutzung im Bereich der Konzentrationsfläche bewusst gewesen, hätte sie jedenfalls auf der Grundlage der von ihr in Bezug genommenen, teilweise kaum objektivierbaren Belange keinen so weitgehenden Ausschluss der Windenergienutzung vorgesehen.

b. Es begegnet auch keinen Bedenken, dass das angefochtene Urteil von einem nach § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB beachtlichen Verstoß des Bebauungsplans gegen das Entwicklungsgebot gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB ausgeht.

Zwar ist der Beigeladenen einzuräumen, dass nicht jede Abweichung der Bebauungsplans vom Flächennutzungsplan gegen das Entwicklungsgebot verstößt. Vielmehr sind Abweichungen zulässig, soweit sie sich als Ausfüllung der durch die geringere Detailschärfe des Flächennutzungsplans bedingten Gestaltungsspielräume darstellen und die planerische Konzeption des Flächennutzungsplanes für den engeren Bereich des Bebauungsplans unberührt lassen (s. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1999, BRS 62 Nr. 48, und Beschluss vom 12. Februar 2003, ZfBR 2003, 381). Darüber geht der Regelungsansatz der Beigeladenen im fraglichen Bebauungsplan indessen weit hinaus. Die Festsetzung des weitaus überwiegenden Teils der Konzentrationszone als Fläche für die Landwirtschaft füllt nicht Regelungsspielräume aus, die die Ausweisung des Flächennutzungsplans offen lässt, sondern konterkariert den Grundgehalt dieser Ausweisung.

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen beeinträchtigt dieser Verstoß gegen das Entwicklungsgebot auch die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung und ist daher nach § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB beachtlich. Für die Frage, ob durch den nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelten Bebauungsplan im Sinne des § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt wird, ist die planerische Konzeption des Flächennutzungsplans für den größeren Raum, in der Regel das gesamte Gemeindegebiet, maßgebend (BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1999, aaO.). Verstößt - wie hier - ein Bebauungsplan, der eine im Flächennutzungsplan ausgewiesene Konzentrationsfläche für Windenergie überplant, gegen das Entwicklungsgebot, so berührt dies im Hinblick auf die gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB von den Konzentrationsflächen ausgehende Ausschlusswirkung regelmäßig zugleich die planerische Konzeption des Flächennutzungsplanes für dessen gesamtes Plangebiet.

2. Lässt sich demnach bereits im Zulassungsverfahren mit hinreichender Sicherheit erkennen, dass das erstinstanzliche Urteil wegen der auf einem Abwägungsfehler und einen Verstoß gegen das Entwicklungsgebot beruhenden Nichtigkeit des Bebauungsplans Bestand haben muss, fehlt es auch an besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

3. Der Rechtssache kommt auch nicht die ihr von der Beigeladenen beigemessene Grundsatzbedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zu. Die Frage,

"ob ein Bebauungsplan mit der Festsetzung 'Sondergebiet für die Nutzung der Windenergie' nicht mehr aus einem Flächennutzungsplan mit der Darstellung 'Sonderbaufläche für die Windkraftnutzung' gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB entwickelt ist, wenn er innerhalb des Bebauungsplangebietes neben Sonderbauflächen für Windkraftanlagen überwiegend Flächen für die Landwirtschaft festsetzt",

ist aufgrund der bisherigen Rechtsprechung zum Entwicklungsgebot ohne weiteres zu verneinen und bedarf daher keiner weiteren Klärung im Berufungsverfahren. Wie oben dargelegt, folgt der Verstoß gegen das Entwicklungsgebot nicht daraus, dass der rechnerische Anteil von Flächen für die Landwirtschaft am Plangebiet den der Sonderbauflächen überwiegt. Dies kann angesichts des eher geringen Flächenbedarfs von Windenergieanlagen auch dann der Fall sein, wenn der Bebauungsplan durch Festsetzung zahlreicher Einzelstandorte im Bereich der Konzentrationszone die Konzeption des Flächennutzungsplans zutreffend umsetzt. Der Verstoß gegen das Entwicklungsgebot folgt vorliegend vielmehr daraus, dass nach den Festsetzungen des Bebauungsplans in der Konzentrationszone für Windenergie nicht die Windenergie, sondern die landwirtschaftliche Nutzung eindeutig dominiert.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 14 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Ende der Entscheidung

Zurück