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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 10.07.2003
Aktenzeichen: 8 A 10257/03.OVG
Rechtsgebiete: LBauO, BauGB, VwGO


Vorschriften:

LBauO § 8
LBauO § 8 Abs 1
LBauO § 8 Abs 1 S 1
LBauO § 8 Abs 1 S 2
LBauO § 8 Abs 1 S 2 Nr
LBauO § 8 Abs 1 S 2 Nr 2
LBauO § 8 Abs 1 S 3
LBauO § 8 Abs 2
LBauO § 8 Abs 2 S 1
LBauO § 66
LBauO § 66 Abs 3
LBauO § 69
LBauO § 72
LBauO § 72 S 1
BauGB § 34
BauGB § 34 Abs 1
VwGO § 102
VwGO § 102 Abs 2
VwGO § 86
VwGO § 86 Abs 3
Das Gericht verstößt nicht gegen die richterliche Hinweispflicht, wenn es seine Entscheidung lediglich zusätzlich auf Erkenntnisse stützt, die bisher nicht Gegenstand des Verfahrens waren, aber in der mündlichen Verhandlung, zu der ein ordnungsgemäß geladener Beteiligter nicht erschienen ist, gewonnen worden sind (im Anschluss an BVerwGE 36, 264).

Zur bauordnungs- und planungsrechtlichen Zulässigkeit einer Grenzbebauung, die in einer hinsichtlich der Grenzabstände uneinheitlich bebauten Umgebung die Belichtung eines Nachbargrundstücks unzumutbar beeinträchtigt.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 A 10257/03.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Bauvorbescheids

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2003, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Bier Richterin am Oberverwaltungsgericht Spelberg Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch ehrenamtlicher Richter Orthopädiemechanikermeister Pierdolla ehrenamtlicher Richter Kundendienstleiter Schultheis

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 16. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die positive Bescheidung einer Bauvoranfrage.

Er ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus und einem Nebengebäude bebauten Eckgrundstücks Gemarkung M..., Flur ..., Parzelle ... . Dieses grenzt an die Straßen "A..." und "I..." an. Es wird über die Straße "I..." erschlossen. Nahezu alle durch diese Stichstraße erschlossenen Grundstücke sind straßenseitig grenzständig bebaut. Auf der nordwestlichen Straßenseite reicht die Bebauung bei fast allen Grundstücken bis zur rückwärtigen Grundstücksgrenze.

Das Grundstück des Klägers grenzt nordwestlich an die im Eigentum der Beigeladenen stehenden Grundstücke Parzellen Nrn. ... und ... . Bei der Parzelle Nr. ... handelt es sich um ein nach drei Seiten grenzständig bebautes Hinterliegergrundstück, das über die an die Straße "..." angrenzende Parzelle Nr. ... erschlossen wird. Diese selbst ist mit einem an die Straße und die östliche Grundstücksgrenze angrenzenden Wohn- und Geschäftshaus bebaut.

Unter dem 19. Januar 2001 überreichte der Kläger der Beklagten Planunterlagen betreffend die Bebauung seines Grundstücks mit einem weiteren, dreigeschossigen, die gesamte Tiefe des Grundstücks einnehmenden Wohnhaus. Hierzu formulierte er elf Fragen bezüglich einzelner planungsrechtlicher Aspekte des Vorhabens. Frage Nr. 9 lautete:

"Bestehen planungsrechtliche Einwände gegen die dargestellte Grenzbebauung des Neubaus?"

Mit Bescheid vom 05. März 2001 beantwortete die Beklagte die Fragen überwiegend positiv, wies aber zu Frage Nr. 9 darauf hin, dass die grenzständige Bebauung mangels planungsrechtlich zwingender Grenzbebauung gegen die bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften verstoße und eine Abweichung gemäß § 69 Abs. 1 LBauO wegen zu intensiver Betroffenheit nachbarlicher Belange nicht genehmigt werden könne.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, die nordwestliche Grenzbebauung sei nach § 34 BauGB planungsrechtlich zwingend.

Diesen Widerspruch wies der Stadtrechtsausschuss der Beklagten zurück. Zur Begründung führte er aus, die Grenzbebauung sei zwar planungsrechtlich zulässig. Gleichwohl fehle es am Rechtsschutzinteresse für eine positive Beantwortung der diesbezüglichen Voranfrage, da das Vorhaben mangels planungsrechtlich zwingender Grenzbebauung bauordnungsrechtlich unzulässig sei. Planungsrechtlich zwingend sei nur eine Grenzbebauung, für die in der näheren Umgebung Vorbilder mit der Wirkung einer faktischen rückwärtigen Baulinie vorlägen. Dies sei nicht der Fall. Eine Abweichung von den Abstandsvorschriften nach § 69 LBauO komme nicht in Betracht.

Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheides abgewiesen und ergänzend ausgeführt, als "nähere Umgebung" des Vorhabens sei nicht nur die Bebauung auf der nordwestlichen Straßenseite der Straße "I...", sondern auch die daran angrenzenden Grundstücke sowie möglicherweise auch die Grundstücke auf der gegenüber liegenden Straßenseite anzusehen. In der so abgegrenzten Umgebung, bestehe eine "diffuse Bebauung", aus der sich ein planungsrechtlicher Zwang zur rückwärtigen Grenzbebauung nicht ableiten lasse. Eine Abweichung komme nicht in Betracht, weil weder die nachbarlichen Interessen ausnahmsweise nicht schutzwürdig seien noch ein unabweisbares Interesse des Klägers an Befreiung von den Abstandsvorschriften erkennbar sei.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor, als nähere Umgebung des Bauvorhabens sei ausschließlich die nordwestliche Seite der Straße "I..." anzusehen. Aus dieser ergebe sich planungsrechtlich zwingend eine beidseitige Grenzbebauung. Zudem sei das Hinterliegergrundstück ... über seine ganze Tiefe mit einem Wohnhaus bebaut, was die Schutzwürdigkeit mindere. Beim Zwang zur Einhaltung der Grenzabstände sei sein Grundstück nicht mehr selbständig mit einem Wohnhaus bebaubar. Dies hätten frühere Bauvoranfragen ergeben.

Der in der mündlichen Verhandlung nicht vertretene Kläger hat schriftsätzlich den Antrag angekündigt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 16. Oktober 2002 abzuändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 05. März 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides zu verpflichten, Frage 9 seiner Bauvoranfrage vom 19. Januar 2001 positiv zu verbescheiden. hilfsweise

die Frage 9 der Bauvoranfrage unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Beigeladene wendet sich unter Verzicht auf eine eigene Antragstellung gegen die vom Kläger geplante Bebauung und weist insbesondere auf die ihren Grundstücken drohenden Belichtungsverluste hin.

Der Senat hat eine Ortsbesichtigung durchgeführt. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten 2 K 1634/97.MZ und 2 K 1134/01.MZ lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird ebenfalls verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist im Haupt- und Hilfsantrag unbegründet. Diese Entscheidung kann der Senat trotz des Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung treffen, da dieser ordnungsgemäß geladen und in der Ladung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle seines Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann.

I. Dem Kläger steht kein Anspruch auf positive Beantwortung von Frage 9 seiner Bauvoranfrage vom 19. Januar 2001 zu.

Nach zutreffender Auffassung des Verwaltungsgerichts steht der Geltendmachung eines solchen Anspruchs allerdings nicht schon eine zugunsten des Klägers ergangene Widerspruchsentscheidung entgegen. Zwar hat der Stadtrechtsausschuss ausweislich der Begründung des Widerspruchsbescheides (S. 4) angenommen, dass die vorgesehene Grenzbebauung mit Vorschriften des Bauplanungsrechts vereinbar sei. Diese Aussage nimmt aber nicht an der Regelungswirkung des Widerspruchsbescheides teil. Denn dieser weist gerade den vom Kläger erhobenen Verpflichtungswiderspruch mit der Erwägung zurück, es bestehe wegen evidenten Verstoßes der Grenzbebauung gegen Vorschriften der Landesbauordnung - LBauO - kein Sachbescheidungsinteresse an einem positiven Bauvorbescheid.

Die Beklagte braucht die Frage des Klägers nach planungsrechtlicher Zulässigkeit der beabsichtigten Grenzbebauung nicht positiv zu beantworten, weil hieran wegen bauordnungsrechtlicher Unzulässigkeit des Vorhabens kein Sachbescheidungsinteresse besteht (1) und zudem die in der Bauvoranfrage dargestellte rückwärtige Grenzbebauung mit § 34 Abs. 1 BauGB unvereinbar ist (2).

1. Nach der Rechtsprechung des Senats (s. Urteile vom 17. Juli 1996 - 8 A 11337/95.OVG - und vom 23. Oktober 2002 - 8 A 10994/02.OVG -, jeweils veröffentlicht in ESOVGRP) kann die Baugenehmigungsbehörde bei Verfahren, bei denen die Vereinbarkeit eines Vorhabens mit Bauordnungsrecht nicht Prüfungsgegenstand ist (s. §§ 70 S. 2 1. Halbsatz, 66 Abs. 3 LBauO), gleichwohl den Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheides mit der Begründung ablehnen, es fehle wegen offensichtlicher bauordnungsrechtlicher Illegalität an einem Sachbescheidungsinteresse. So liegt der Fall hier.

Der Senat teilt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Auffassung der Vorinstanz, dass die in der Bauvoranfrage beschriebene Grenzbebauung offensichtlich gegen die Vorschriften des § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 LBauO verstößt (a) und eine Abweichung nach § 69 Abs. 1 LBauO nicht in Betracht kommt (b).

a. Vor oberirdischen Gebäuden sind grundsätzlich auf dem Grundstück selbst liegende Flächen von Gebäuden freizuhalten (§ 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 LBauO). Gesetzliche Ausnahmen von diesem Gebot greifen zugunsten des Klägers nicht ein. aa) Eine Bebauung ohne rückwärtigen Grenzabstand kann nicht auf § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBauO gestützt werden, da eine entsprechende Grenzbebauung auf den Grundstücken der Beigeladenen nicht öffentlichrechtlich gesichert ist.

bb) Der Kläger ist auch nicht planungsrechtlich genötigt, auf die Einhaltung eines Abstandes zur Grundstücksgrenze der Beigeladenen zu verzichten (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBauO). Ein solcher Zwang besteht im unbeplanten Innenbereich, in dem das Grundstück des Klägers liegt, nur dann, wenn sich ein Vorhaben mit Grenzabstand nicht im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen, sondern als Fremdkörper erscheinen würde (s. z.B. Senatsbeschluss vom 08. Juni 2001 - 8 B 10855/01.OVG -, veröffentlicht in ESOVGRP). Daran fehlt es hier. Als maßstabbildende nähere Umgebung ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zwar nicht die Bebauung entlang der südöstlichen Straßenseite der Straße "I...", wohl aber diejenige entlang der nordwestlichen Straßenseite und auch die auf den Grundstücken der Beigeladenen anzusehen. Hinsichtlich der hier zu beurteilenden Frage nach der Bebauungsgestaltung im rückwärtigen Grundstücksbereich scheidet - anders als für die Höhe der baulichen Anlage (s. hierzu das zwischen den selben Hauptbeteiligten ergangene Senatsurteil vom 23. August 2000 - 8 A 10537/99.OVG -, S. 7 UA) - eine prägende Wirkung der auf der gegenüber liegenden Straßenseite befindlichen Bebauung mangels optischer Beziehung aus. Für die Feststellung eines diesbezüglichen Ordnungsprinzips kommt hingegen der auf den Grundstücken der Beigeladenen vorhandenen Bebauung maßgebliche Bedeutung zu. Denn es handelt sich bei dem Grundstück des Klägers um ein Eckgrundstück, das von der in seiner Nähe befindlichen Bebauung entlang beider, die Ecke bildenden Straßen geprägt wird.

In der so zu begrenzenden näheren Umgebung findet sich eine rückwärtige Grenzbebauung auf den nordwestlich an die Straße "I..." angrenzenden Parzellen Nrn. ... und ... sowie auf dem Hinterliegergrundstück Nr. ..... Auf dem nordöstlichen Teil der Parzelle Nr. ... befindet sich hingegen ein Gebäude, das einen rückwärtigen Grenzabstand einhält. Auch das von der Beigeladenen in jüngerer Zeit auf der Parzelle Nr. ... errichtete Wohn- und Geschäftshaus ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zwar - anders als im Katasterplan verzeichnet - zur östlichen, nicht aber zur rückwärtigen Grundstücksgrenze hin grenzständig. Fehlt es daher in der näheren Umgebung an einem einheitlichen Ordnungsprinzip, das eine Bebauung mit rückwärtigem Grenzabstand auf dem Grundstück des Klägers als Fremdkörper erscheinen ließe, so besteht kein planungsrechtlicher Zwang, an die hintere Grenze anzubauen.

Ein solcher folgt auch nicht daraus, dass das im Vergleich zu den bebauten Umgebungsgrundstücken keine atypischen Besonderheiten aufweisende Grundstück des Klägers bei Einhaltung von rückwärtigen Grenzabständen entgegen der Verkehrsauffassung die Baulandqualität verlöre (s. dazu das Urteil des 1. Senats des erkennenden Gerichts vom 21. Januar 1993 - 1 A 12323/91.OVG -, veröffentlicht in ESOVGRP). Ungeachtet der Tatsache, dass das Grundstück bereits bebaut ist, führt auch die angesichts der Umgebung offensichtliche Zulässigkeit einer straßenseitig grenzständigen Bebauung dazu, dass die bei Einhaltung eines rückwärtigen Grenzabstandes verbleibende Bautiefe von ca. 5,40 m eine gebietsadäquate bauliche Nutzung nicht generell ausschließt.

cc) Schließlich rechtfertigt auch § 8 Abs. 1 Satz 3 LBauO keine Zulassung der vom Kläger geplanten rückwärtigen Grenzbebauung. Danach kann grenzständige Bebauung zugelassen werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften mit Grenzabstand gebaut werden muss, aber auf dem Nachbargrundstück innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche ein Gebäude ohne Grenzabstand vorhanden ist. Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift scheidet schon deshalb aus, weil angesichts der vorbeschriebenen uneinheitlichen Bauweise in der näheren Umgebung kein planungsrechtlicher Zwang zur Einhaltung von Grenzabständen besteht. Auch wenn die Vorschrift entsprechend anzuwenden sein mag, wenn wegen diffuser Umgebungsbebauung der Verzicht auf Grenzabstände jedenfalls zulässig ist (so der 1. Senat des erkennenden Gerichts, s. z.B. Urteil vom 22. August 2002, BauR 2002, 1838), scheitert die Zulassung der strittigen Grenzbebauung des Klägers am Fehlen einer entsprechenden Bebauung auf den Grundstücken der Beigeladenen. Zwar ist deren Wohn- und Geschäftshaus auf dem Grundstück Nr. ... unmittelbar an das vorhandene Wohnhaus auf dem Grundstück des Klägers angebaut; diese wechselseitige Grenzbebauung im nordöstlichen Grundstücksbereich rechtfertigt indessen keine einseitige Bebauung der südöstlichen Grenze durch den Kläger. Zudem könnte dieser eine Gestattung der rückwärtigen Grenzbebauung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 LBauO auch deshalb nicht verlangen, weil die Beklagte im Rahmen ihres Ermessens nicht verpflichtet ist, der Entstehung sanierungsbedürftiger Wohnverhältnisse (vgl. dazu unten) Vorschub zu leisten.

b. Dass eine Abweichung von den Abstandsvorschriften gemäß § 69 Abs. 1 LBauO vorliegend nicht in Betracht kommt, hat das Verwaltungsgericht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Senats zu dieser Vorschrift zutreffend festgestellt (s. S. 6 UA). Auf diese Ausführungen, denen der Kläger im Berufungsverfahren nicht substantiiert entgegen getreten ist, wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

2. Die Frage nach bauplanungsrechtlicher Zulässigkeit der Grenzbebauung dürfte im Übrigen auch bei gegebenem Sachbescheidungsinteresse nicht positiv beantwortet werden, weil das Bauen ohne rückwärtigen Grenzabstand angesichts der konkreten Grundstückssituation gegen § 34 Abs. 1 BauGB verstößt.

Die Zurückweisung der Berufung kann trotz des Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung auch auf diesen, bisher weder im Verwaltungs- noch im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren problematisierten Gesichtspunkt gestützt werden. Denn das Gericht verletzt seine Hinweispflicht gegenüber einem zur mündlichen Verhandlung ordnungsmäßig geladenen, aber nicht erschienenen Streit-beteiligten nur dann, wenn es die Entscheidung allein auf Gründe stützt, die zuvor weder im Verwaltungsverfahren noch im Rechtsstreit erörtert worden sind (BVerwG, Beschluss vom 11. November 1970, BVerwGE 36, 264).

Das in der Bauvoranfrage vom 19. Januar 2001 dargestellte Bauvorhaben fügt sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die rückwärtige Grenzbebauung verstößt, obwohl sie als solche genügend Vorbilder in der näheren Umgebung hat, angesichts ihrer geplanten Höhe in der konkreten Grundstückssituation gegen das im Begriff des "Einfügens" aufgehende Gebot der Rücksichtnahme. Nach den Feststellungen im Rahmen der Beweisaufnahme liegt das der Beigeladenen gehörende Grundstück Nr. ... im Bereich der südöstlichen Grenze ca. 1,50 m tiefer als das des Klägers. Würde der Kläger - wie geplant - an dieser Grenze ein Gebäude mit einer Firsthöhe von 8,69 m bzw. 7,94 m errichten, hätte dies unzumutbare Auswirkungen auf die Belichtung des Nachbargrundstücks. Nicht nur der dort befindliche, für Vorder- und Hinterhaus als einzig verfügbarer Außenwohnbereich dienende Hof, sondern auch die zu diesem Hof gerichteten Fenster des auf der Parzelle Nr. ... errichteten Hauses würden für den überwiegenden Teil des Tages in einem Ausmaß verschattet, das die Entstehung sanierungsbedürftiger Wohnverhältnisse befürchten lässt und daher der Beigeladenen nicht zumutbar ist.

II. Muss demnach der Hauptantrag mangels Anspruchs auf positive Beantwortung der strittigen Frage ohne Erfolg bleiben, gilt gleiches für den Hilfsantrag. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Erlass des Bauvorbescheides nicht im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde steht und daher Spruchreife gegeben ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708ff. ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 7.500 € festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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