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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 15.05.2007
Aktenzeichen: 8 A 10267/07.OVG
Rechtsgebiete: BauGB, VwGO


Vorschriften:

BauGB § 35
BauGB § 35 Abs. 1
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1
VwGO § 124
VwGO § 124 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 5
Die Einfriedung einer Pferdeweide mittels einer Betonmauer dient nicht dem landwirtschaftlichen (Nebenerwerbs-)Betrieb, weil ein vernünftiger Landwirt im Interesse größtmöglicher Schonung des Außenbereichs denselben Zweck mittels eines üblichen Weidezaunes erreichen würde.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

8 A 10267/07.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Baurechts

hier: Zulassung der Berufung

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 15. Mai 2007, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held Richter am Oberverwaltungsgericht Schauß Richter am Oberverwaltungsgericht Müller-Rentschler

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 25. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 11.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Der Zulassungsantrag ist nicht begründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 5 VwGO liegen nicht vor.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Verpflichtung zur nachträglichen Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer rund 250 m langen und 1,80 m bis 2,30 m hohen Betonmauer mit Sandsteinblendwerk zwecks Einfriedung einer Pferdeweide sowie auf die Aufhebung der hierauf bezogenen Beseitigungsverfügung abgewiesen, weil das Vorhaben nicht genehmigungsfähig sei, da es dem landwirtschaftlichen (Nebenerwerbs-)Betrieb des Klägers nicht diene. Dem geltend gemachten Sicherheitserfordernis für die vom Kläger betriebene Trakehner-Zucht könne auch mit einer weniger in das Landschaftsbild eingreifenden Einfriedung wie einem Holzgatter Genüge getan werden. Einfache Weidezäune seien die übliche Form der Einfriedung von Pferdeweiden. Als sonstiges Vorhaben beeinträchtige die Einfriedungsmauer die natürliche Eigenart der Landschaft. Die Beseitigungsverfügung sei ebenso rechtmäßig wie die Zwangsgeldandrohung.

An der Richtigkeit dieses Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Richtigkeit des Urteils kann auch ohne Weiteres bereits im Zulassungsverfahren beurteilt werden, ohne dass die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich wäre. Aus diesem Grunde ist auch der zweite Zulassungsgrund der rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) nicht gegeben (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 2006, § 124, Rn.108). Da der Rechtsstreit aufgrund des Vorbringens der Beteiligten sowie der in der Gerichts- und den Behördenakten vorhandenen Lagepläne, Luftaufnahmen und sonstigen Fotografien auch nach Auffassung des Senats ohne Durchführung einer Ortsbesichtigung entschieden werden kann, ist auch die geltend gemachte Verfahrensrüge nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass das Vorhaben des Klägers nicht genehmigungsfähig ist, weil es den Anforderungen des § 35 BauGB nicht genügt. Zunächst handelt es sich nicht um ein privilegiertes Vorhaben, da es dem landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb des Klägers nicht "dient" im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Unter Hinweis auf das Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. November 1972 (BVerwGE 41, 138 und juris) hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass für das Merkmal des Dienens darauf abgestellt werden muss, ob ein vernünftiger Landwirt - auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs - das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde (BVerwG, a.a.O., juris Rn. 19). Dieser Maßstab gilt nicht nur für die Frage, ob im Außenbereich überhaupt ein Bauwerk errichtet werden darf. Vielmehr ist ein Vorhaben auch in seiner konkreten Ausgestaltung nur dann als einem landwirtschaftlichen Betrieb dienend zugelassen, wenn es nach seinem Verwendungszweck nicht nur für die privilegierte Nutzung gerechtfertigt ist, sondern nach seiner Beschaffenheit, Gestaltung oder Ausstattung durch den privilegierten Verwendungszweck erschöpfend geprägt wird (vgl. BVerwG, a.a.O.). Der genannte Maßstab gilt deshalb auch für die Ausgestaltung einer Einfriedung - wie hier - (vgl. BayVGH, Beschluss vom 27. September 2006 - 1 ZB 06.61 -, juris [Leitplanke zur Einfriedung einer Schaftierhaltung]).

Entgegen der Auffassung des Klägers wird mit dem Abstellen auf den "vernünftigen Landwirt" nicht auf ein subjektives, nur schwer überprüfbares Merkmal verwiesen. Vielmehr handelt es sich insofern durchaus um einen objektiven Maßstab. Zum Zwecke der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs wird der einzelne Landwirt hierdurch auf dasjenige verwiesen, was in der Landwirtschaft üblich ist (vgl. BayVGH, a.a.O., Rn. 18). Dies stellt eine verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dar.

In der Sache teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es - zumindest in der hiesigen Region - nicht üblich ist, Pferdeweiden mittels einer massiven bis zu 2,30 m hohen Betonmauer über eine Länge von ca. 250 m einzufrieden. Als Beleg dafür, was ein "vernünftiger Landwirt" zum Zwecke der Einfriedung einer Pferdeweide errichten würde, durfte sich die Bauaufsichtsbehörde neben den übereinstimmenden Stellungnahmen der Veterinärabteilung, der Landwirtschaftskammer sowie der Ortsgemeinde auch auf die - sowohl im Ablehnungsbescheid vom 26. Juni 2005 als auch im Widerspruchsbescheid vom 9. November 2006 zitierte - Schrift des Auswertungs- und Informationsdienstes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten e.V. (AID), "Sichere Weidezäune", 1991, stützen. Danach bietet für Pferdeweiden ein Zaun mit drei bis vier Stangen und einem Pfahlabstand von höchstens 4 m einen zuverlässigen Schutz, wobei der Zaun eventuell noch um einen Elektrodraht ergänzt werden kann. Als letzter Beleg dafür, dass zum Zweck der Einfriedung einer Pferdeweide die Errichtung eines Weidezauns und nicht einer massiven Betonmauer das in der Landwirtschaft übliche Mittel darstellt, kann auf die Regelung über die Genehmigungspflicht in § 62 Abs. 1 Nr. 6 LBauO verwiesen werden. Danach sind von der Genehmigungspflicht (wegen ihrer Üblichkeit) nur "Weidezäune sowie offene Einfriedungen von Grundstücken im Außenbereich" freigestellt, sofern sie einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dienen. Die damit mehrfach belegte Auffassung für das in der Landwirtschaft übliche Verfahren der Einfriedung von Pferdeweiden entspricht auch den aus langjähriger Befassung mit vergleichbaren baurechtlichen Fallgestaltungen gewonnenen Erkenntnissen des Senats.

Demgegenüber rechtfertigen die von dem Kläger vorgelegten fachlichen Stellungnahmen keine andere Entscheidung. Prof. Dr. H., Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, führt in seiner Stellungnahme vom 15. Dezember 2006 lediglich aus, dass die errichtete Mauer zur Abschirmung der Pferdeweide "sinnvoll" sei. Ebenso hält Dr. S., Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften, vormals Tierärztliche Hochschule Hannover, in der mit dem Berufungszulassungsantrag vorgelegten Stellungnahme die Mauer für eine "vernünftige Maßnahme" der Abgrenzung. Diese Stellungnahmen belegen lediglich, dass das Vorhaben des Klägers individuell nachvollzogen wird. Sie sind indes erkennbar nicht an dem von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB geforderten strengen Maßstab orientiert, was ein vernünftiger Landwirt unter dem Gebot größtmöglicher Schonung des Außenbereichs als Bauvorhaben verwirklichen würde. Gründe dafür, warum bei der Haltung seiner Pferde von den für die Weidetierhaltung im Allgemeinen üblichen Verfahren abgewichen werden müsste, hat der Kläger nicht dargetan. Insbesondere wird die Behauptung, die Errichtung der Mauer sei wegen der hochsensiblen Trakehnerpferde erforderlich, durch die vorgelegten Stellungnahmen nicht bestätigt. Umstände, die eine besondere Empfindlichkeit dieser Pferde gegenüber anderen Rassen belegen könnten, sind auch nicht ersichtlich. Im Gegenteil wird der Trakehner in fachlichen Mitteilungen als "ein unkompliziertes, umgängliches, gleichzeitig einsatzfreudiges, nervenstarkes und verlässliches Pferd" beschrieben (vgl. www.trakehner-verband.de/pferde/zuchtziel). Von daher teilt der Senat die Auffassung der Behörde und des Verwaltungsgerichts, dass das Interesse des Klägers an der Abschirmung der Tiere, insbesondere gegenüber dem Verkehr auf dem angrenzenden Wirtschaftsweg, nicht die Errichtung einer massiven Betonmauer verlangt, sondern mittels eines Weidezaunes, eventuell um einen Sichtschutz durch Feldgehölze ergänzt, erreicht werden kann. Wird der Weidezaun entsprechend der oben zitierten Anleitung an "Sichere Weidezäune" errichtet, hat der Kläger seiner Verkehrssicherungspflicht auch in hinreichender Weise Rechnung getragen. Auch der höhere Kontrollaufwand bei einem Weidezaun rechtfertigt trotz der Ortsabwesenheit des Klägers nicht die Errichtung einer massiven Betonmauer. Die zwecks Pflege der Tiere ohnehin erforderliche regelmäßige Anwesenheit auf dem Grundstück ermöglicht ohne weiteres die hierzu notwendige Kontrolle.

Als sonstiges Vorhaben beeinträchtigt die Betonmauer den öffentlichen Belang der natürlichen Eigenart der Landschaft und ist deshalb baurechtlich unzulässig (§ 35 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB). Dieser Belang dient dem Schutz der naturgegebenen Bodennutzung und der Erholungsfunktion des Außenbereichs. Mit ihm wird das Ziel verfolgt, das Vordrängen von Vorhaben in den Außenbereich zu verhindern, die, selbst bei mehr oder weniger gelungener Einfügung in das Landschaftsbild, der beabsichtigten Nutzung nach in der Umgebung wesensfremd sind (vgl. BVerwG, RdL 1972, 65 und juris). Wie oben dargelegt, dient das Vorhaben des Klägers nicht der naturgegebenen (land- oder fortwirtschaftlichen) Bodennutzung des Außenbereichs und ist ihm daher wesensfremd.

Schließlich ist auch die Beseitigungsverfügung rechtlich nicht zu beanstanden, wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat. Die Bauaufsichtsbehörde verlangt die Beseitigung der ungenehmigt errichteten und materiell nicht genehmigungsfähigen baulichen Anlage, um Berufungsfälle zu verhindern. Diese Ermessenserwägung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Behörde ist auch nicht willkürlich gegen den Kläger vorgegangen. Willkür würde voraussetzen, dass wesentlich gleiche Sachverhalte ungleich behandelt worden wären. Dies ist weder substantiiert dargetan noch ersichtlich. Die von dem Kläger vorgelegten Fotos belegen, abgesehen von der fehlenden Bezeichnung der Örtlichkeit, nicht, dass der Beklagte gegen gemauerte Tierweideneinfriedungen unterschiedlich und zu Lasten des Klägers willkürlich vorgehen würde.

Im Übrigen kann auf die zutreffenden Gründe im Urteil des Verwaltungsgerichts verwiesen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 162 Abs. 3 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 9.1.9 und 9.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Ende der Entscheidung

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