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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 28.05.2003
Aktenzeichen: 8 A 10451/03.OVG
Rechtsgebiete: LBauO


Vorschriften:

LBauO § 81 F/ 1998
LBauO § 81 Satz 1 F/ 1998
Verstößt eine bauliche Anlage gegen baurechtliche Vorschriften, so ist der Erlass einer Beseitigungsanordnung nur dann unverhältnismäßig, wenn sich eine andere, den Verantwortlichen weniger belastende Maßnahme anbietet.

Es ist nicht Aufgabe der Bauaufsichtsbehörde, alle rechtlich und technisch denkbaren Möglichkeiten der Abhilfe zu untersuchen.

Dem verantwortlichen Bauherrn oder Eigentümer obliegt es, der Bauaufsichtsbehörde unter Vorlage genauer Pläne einen konkreten Gegenvorschlag zur Herstellung baurechtmäßiger Zustände zu unterbreiten.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Baurechts

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2003, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Bier Richterin am Oberverwaltungsgericht Spelberg Richter am Oberverwaltungsgericht Schauß ehrenamtlicher Richter Pensionär Bertram ehrenamtliche Richterin Betriebswirtin (VWA) Distelrath

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2002 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Trier wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beigeladenen zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger war bis zum 29. Mai 2001 Eigentümer des in der Ortslage von P. gelegenen Grundstücks In Ecken ..., an das im Osten das Anwesen der Beigeladenen grenzt. Die beiderseitige Bebauung reicht bis an die gemeinsame Grundstücksgrenze. Im nördlichen Bereich verspringt diese Grenze nach Osten, die so gebildete Fläche von 2 m x 2,80 m war früher mit einem Backofen bebaut, der sowohl im Osten wie im Norden von der Bebauung auf dem Grundstück der Beigeladenen begrenzt wurde. Anstelle dieses Backofens hat der Kläger im Jahr 1999 eine über drei Stockwerke reichende und mit einem Satteldach versehenen bauliche Anlage in Holzkonstruktion errichtet, die zum Grundstück der Beigeladenen hin ein Fenster aufweist sowie zu der nördlich angrenzenden Parzelle Nr. ... über zwei Fenstertüren im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss verfügt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgelegten Lageplan sowie die in den Verwaltungs- und Gerichtsakten befindlichen Lichtbilder verwiesen.

Die Bauaufsichtsbehörde erließ zunächst unter dem 2. März 1999 eine Baueinstellungsverfügung, die dagegen eingelegte Klage endete mit einem gerichtlichen Vergleich vom 21. Juni 2000 - 5 K 1800/99.TR -. In der im Rahmen dieses Verfahrens durchgeführten mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger, der untere Bereich des Turmes sei Teil der Küche und diene insbesondere der Belichtung der Küche, der obere Raum sei Teil des Kinderzimmers der Tochter.

Nach Abschluss dieses Verfahrens schrieb die Bauaufsichtsbehörde den Kläger unter dem 2. November 2000 an und bat unter Verweisung auf die vom Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung geäußerte Rechtsauffassung zur Genehmigungspflicht der Anlage um Mitteilung, ob eine Beseitigung des nicht genehmigten Bauvorhabens erfolge bzw. ein Bauantrag zur Überprüfung der Baugenehmigungsfähigkeit vorgelegt werde.

Mit dem im vorliegenden Verfahren angefochtenen Bescheid vom 11. Januar 2001 gab der Beklagte dem Kläger unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, die nicht genehmigte bauliche Anlage binnen sechs Wochen nach Bestandskraft zu beseitigen. Die Verfügung wurde damit begründet, dass ein Verstoß gegen § 71 der Landesbauordnung vorliege. Da trotz einer entsprechenden Aufforderung ein Baugenehmigungsantrag nicht eingereicht worden sei, sei davon auszugehen, dass ein rechtmäßiger Zustand nur durch Beseitigung hergestellt werden könne.

Der Widerspruch des Klägers dagegen wurde mit Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses vom 12. März 2002 mit der Begründung zurückgewiesen, der Holzturm sei genehmigungspflichtig, da er nach dem eigenen Vorbringen des Klägers als Teil der Küche und des Kinderzimmers und damit als Aufenthaltsraum genutzt werde. Darüber hinaus sei die Holzkonstruktion auch materiell illegal, da die Vorschriften über Brandwände (§ 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und § 30 Abs. 3 Satz 1 LBauO) verletzt seien und das Vorhaben sich auch nicht nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die vorhandene Bebauung einfüge.

Der Kläger hat am 15. April 2002 Anfechtungsklage erhoben, der das Verwaltungsgericht mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2002, auf dessen Gründe verwiesen wird, stattgegeben hat.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung machen die Beigeladenen geltend: Die umstrittene Holzkonstruktion verstoße gegen die nachbarschützende Vorschrift über die Notwendigkeit und Beschaffenheit von Brandwänden. Darüber hinaus bestehe wegen fehlender Statik Einsturzgefahr. Da der Kläger bislang mit der Bauaufsichtsbehörde nicht zusammengearbeitet, insbesondere keinen Bauantrag sowie prüfungsfähige Pläne vorgelegt habe, gebe es kein anderes Mittel als die Beseitigungsanordnung, um die Herstellung baurechtmäßiger Zustände wirksam und kontrollierbar herbeizuführen.

Die Beigeladenen beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger stellt den Antrag,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht geltend: Der streitgegenständliche Anbau umfasse einen umbauten Raum von weniger als 50 cbm, sein Hauptzweck sei die Unterbringung von Regalen, so dass er nicht zum Aufenthalt von Personen bestimmt sei. Deswegen entfalle eine Genehmigungspflicht. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht zu Recht einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit festgestellt. Denn auch anders als durch eine Beseitigung könnten rechtmäßige Zustände hergestellt werden, so durch die Herstellung von feuerbeständigen Wänden anstelle von Brandwänden, die Verwendung gemeinsamer Brandwände sowie die Schließung der Fensteröffnungen oder den Einbau von lichtdurchlässigen, nicht brennbaren Baustoffen. Im Übrigen könne, soweit die Bauaufsichtsbehörde gemäß § 81 Abs. 2 LBauO von dem Kläger die Stellung eines Bauantrages verlange, ein solcher auch noch gestellt und gegebenenfalls die für die Beurteilung erforderlichen Unterlagen eingereicht werden.

Der Beklagte verweist auf seine Bescheide; einen eigenen Antrag stellt er nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verwaltungsvorgänge einschließlich der Akten des Kreisrechtsausschusses (2 Hefte).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere sind die Berufungskläger als Beigeladene des erstinstanzlichen Verfahrens durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts materiell beschwert, da darin ein sie begünstigender Verwaltungsakt aufgehoben worden ist.

Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen, da die angefochtene Beseitigungsanordnung in der Gestalt des Widerspruchsbescheides nicht zu beanstanden ist. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 81 LBauO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die Beseitigung von baulichen Anlagen auf Kosten der nach § 54 LBauO verantwortlichen Personen verlangen, wenn die Anlagen gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Umstand, dass der Kläger im Verlauf des Widerspruchsverfahrens das Grundstück verkauft hat, die ihm gegenüber ergangene Beseitigungsanordnung nicht rechtswidrig macht. Denn die Behörde hat den Kläger - auch - als Bauherrn in Anspruch genommen, der gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 LBauO für die Einhaltung baurechtlicher Vorschriften verantwortlich ist. Ob eine gegenüber einem Eigentümer erlassene Beseitigungsanordnung dann rechtswidrig wird, wenn im Verlauf des Widerspruchsverfahrens das Grundeigentum auf einen Dritten übergeht (so Jeromin, Kommentar zur LBauO, Rn. 46 zu § 81, und OVG Nordrhein-Westfalen, BRS 58 Nr. 217) oder ob der mit § 81 Satz 3 LBauO verfolgte Zweck dazu führt, dass auch in einem solchen Fall der ursprüngliche Eigentümer nach wie vor verantwortlich bleibt (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBauO, Rn. 179 zu Art. 82), kann deshalb dahinstehen. Allerdings wäre, folgt man der vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen und Jeromin vertretenen Ansicht, vor der Vollstreckung aus der Beseitigungsanordnung dann noch eine vollstreckbare Duldungsanordnung gegenüber dem jetzigen Eigentümer erforderlich.

Auch im Übrigen sind die Voraussetzungen des § 81 LBauO erfüllt. Die umstrittene bauliche Anlage ist Teil des Wohnhauses des Klägers. Denn sie ist konstruktiv mit diesem verbunden und wird auch als Teil dieses Gebäudes benutzt. Unstreitig nämlich bildet der Anbau eine Erweiterung der im Erdgeschoss befindlichen Küche sowie des im Obergeschoss gelegenen Kinderzimmers, ist von diesen Räumen aus zu betreten und enthält der Nutzung dieser Räume dienende Einrichtungsgegenstände. In diesem Zusammenhang macht es keinen Unterschied, ob es sich bei den dort abgestellten Möbelstücken um Regale oder Schränke oder sonstige Möblierung handelt. Damit trifft - ohne dass dies für § 81 LBauO erforderlich wäre - die Meinung die Klägers nicht zu, er habe zur Herstellung des Turmes keiner Baugenehmigung bedurft. Vielmehr war dies eine gemäß § 61 LBauO baugenehmigungspflichtige Erweiterung (Änderung) des Wohngebäudes.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht weiter ausgeführt, die Holzkonstruktion verstoße gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LBauO, wonach zum Abschluss von Gebäuden mit einem geringen Abstand zur Nachbargrenze Brandwände herzustellen sind.

Entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts ist die Beseitigungsanordnung nicht deshalb rechtswidrig, weil rechtmäßige, d.h. der Vorschrift des § 30 LBauO entsprechende Zustände auch auf andere Weise als durch die Beseitigung der umstrittenen Anlage hergestellt werden können. Diese ausdrückliche Einschränkung der Ermächtigung des § 81 Satz 1 LBauO ist Ausdruck des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz liegt jedoch nur vor, wenn ein milderes Mittel in gleicher Weise geeignet und wirksam zur Herstellung baurechtmäßiger Zustände ist und sich aufgrund der konkreten Gegebenheiten anbietet. Grundsätzlich nämlich ist es Sache des Bauherrn, Überlegungen und Vorschläge zu unterbreiten, auf welche Weise er den baurechtswidrigen Zustand beheben will. Insbesondere soweit dafür verschiedene Möglichkeiten in Betracht kommen, muss der Bauherr als der Verantwortliche einen bestimmten Gegenvorschlag unterbreiten (s. BVerwG, BRS 16, Nr. 126; BayVBl. 1973, 412; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, BRS 59, Nr. 209; Jeromin, a.a.O., Rn. 29 zu § 81; Decker a.aO. Rn. 239 zu Art. 82). Das entspricht auch dem allgemeinen polizeirechtlichen Grundsatz - § 3 Abs. 2 Satz 2 POG -, wonach der Betroffene ein anderes geeignetes Mittel anbieten kann.

Im vorliegenden Fall bot sich ohne genaue Kenntnis von Nutzung und Konstruktion einschließlich der verwendeten Baustoffe ein milderes, ebenso geeignetes Mittel zur Herstellung von den brandschutztechnischen Anforderungen entsprechenden Zuständen nicht an. Soweit das Verwaltungsgericht insoweit auf § 30 Abs. 2 Satz 2 LBauO hinweist, ist dem entgegenzuhalten, dass die umstrittene bauliche Anlage in ihrer Höhe den Baubestand auf dem Grundstück der Beigeladenen um mehrere Meter überragt, so dass die dort vorhandene Wand ersichtlich nicht ausreicht. Ob die Schließung der Fensteröffnungen oder der Einbau von lichtdurchlässigen nicht brennbaren und feuerbeständigen Baustoffen eine Lösungsmöglichkeit wäre, hängt maßgeblich von der dem Anbau zugedachten Nutzung ab. Schließlich ist es fraglich, ob der Einbau von feuerbeständigen Wänden bei der Holzkonstruktion und aufgrund der geringen Grundfläche des Turmanbaus und seines Stanortes direkt an die Nachbargrenze noch möglich und sinnvoll ist, ohne zuvor die gesamten Außenbauteile zu entfernen. All diese Überlegungen fallen in den Verantwortungsbereich des Bauherrn. Die Bauaufsichtsbehörde hat den Kläger auch mehrfach, letztmals mit Schreiben vom 2. November 2000, auf das Erfordernis der Vorlage prüffähiger Bauantragsunterlagen aufgefordert. Der Kläger hat dies jedoch mit dem rechtsirrigen Einwand abgelehnt, es handele sich um eine baugenehmigungsfreie Maßnahme. Wenn die Baubehörde dann letztlich die zuvor angekündigte Beseitigungsanordnung erlässt, ist dies offenkundig mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar und von § 81 Satz 1 LBauO gedeckt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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