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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 25.11.2009
Aktenzeichen: 8 A 10502/09.OVG
Rechtsgebiete: LVwVG


Vorschriften:

LVwVG § 66
LVwVG § 66 Abs. 2
LVwVG § 66 Abs. 2 Satz 1
LVwVG § 66 Abs. 2 Satz 2
Eine (mit einem Grundverwaltungsakt verbundene) Zwangsmittelandrohung ist rechtswidrig, wenn die Behörde nicht gleichzeitig ein Vollstreckungshindernis durch Erlass einer Duldungsverfügung gegen den Mitberechtigten ausräumt.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 A 10502/09.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen bauaufsichtlicher Verfügung

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 25. November 2009, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held Richterin am Oberverwaltungsgericht Lang Richter am Oberverwaltungsgericht Müller-Rentschler ehrenamtlicher Richter Dipl.-Ing. Buchwald ehrenamtlicher Richter Angestellter Gewehr

für Recht erkannt:

Tenor:

Das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 10. Dezember 2008 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße wird teilweise abgeändert und die unter Ziffer 2 der Verfügung des Beklagten vom 31. Mai 2007 angeordnete Zwangsgeldandrohung aufgehoben.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen; ausgenommen sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen hat.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die mit einer bauordnungsrechtlichen Beseitigungsverfügung verbundene Zwangsgeldandrohung.

Er ist zusammen mit seiner Ehefrau Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Plan-Nr. ... in dem Gebiet der Beigeladenen (Ortsteil B.). Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans "Gegen die Schmalwiesen" der Beigeladenen, der eine Erschließungsstraße für die Grundstücke des Baugebiets festsetzt. Weiter normiert der Bebauungsplan für die hinteren Grundstücksbereiche private Grünflächen, auf denen bauliche Anlagen jeder Art unzulässig sind.

Das klägerische Grundstück grenzt mit seiner hinteren Grenze an einen für den forst- und landwirtschaftlichen Verkehr zugelassenen Weg an.

Nach Durchführung des Freistellungsverfahrens errichteten der Kläger und seine Ehefrau auf ihrem Grundstück ein Einfamilienhaus mit Garage. Es wurde eine Grundstückszufahrt über die im Bebauungsplan als private Grünfläche festgesetzte Fläche zum Feldwirtschaftsweg hin angelegt.

Mit Bescheid des Beklagten vom 31. Mai 2007 wurde dem Kläger wegen Verstoßes gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans unter Zwangsgeldandrohung (500,-- €) aufgegeben, die auf seinem Grundstück errichtete und mit Betonsteinen befestigte Zufahrt zu dem angrenzenden Feldwirtschaftsweg bis spätestens einen Monat nach Bestandskraft der Verfügung zu beseitigen.

Widerspruch und Klage gegen die Verfügung waren erfolglos. Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße führt in seinem Urteil vom 10. Dezember 2008 (3 K 547/08.NW) aus, dass die Zufahrt bebauungsplanwidrig hergestellt worden sei. Das Fehlen einer Duldungsverfügung gegenüber der Ehefrau als Miteigentümerin begründe keine Rechtsmängel. Die Duldungsverfügung müsse erst zu Beginn der Erfüllungsfrist vorliegen, zumal ein entgegenstehender Wille der Mitberechtigten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht geäußert worden sei.

Der Senat hat den Berufungszulassungsantrag des Klägers betreffend die Beseitigungsanordnung abgelehnt, die Berufung hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung indes zugelassen (vgl. Beschluss vom 11. Mai 2009 - 8 A 10156/09.OVG -).

Der Kläger trägt im Rahmen der Berufung vor, die fehlende Duldungsverfügung gegenüber der Miteigentümerin stelle ein Vollstreckungshindernis dar, das die Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldandrohung begründe. Ihm sei es rechtlich nicht möglich, die Beseitigungsverfügung gegen den Willen der Ehefrau zu vollziehen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 10. Dezember 2008 die Beseitigungsverfügung vom 31. Mai 2007 unter Ziffer 2 (in der Form des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2008) aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist zur Begründung insbesondere auf das angegriffene Urteil.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich nicht zur Sache geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Beteiligten zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze, die Verwaltungsakten der Beklagten und den Bebauungsplan "Gegen die Schmalwiesen" verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage (teilweise) hinsichtlich der in Ziffer 2 der angefochtenen Verfügung des Beklagten vom 31. Mai 2007 enthaltenen Zwangsgeldandrohung stattgeben müssen.

Die mit der (zwischenzeitlich bestandskräftigen) Beseitigungsverfügung verbundene Zwangsgeldandrohung ist wegen eines Vollstreckungshindernisses materiell rechtswidrig. Die Miteigentümerin des von der Vollstreckung betroffenen Grundstücks (die Ehefrau des Klägers) hat nicht ihr Einverständnis mit der Beseitigung der Zufahrt erklärt (vgl. hierzu OVG RP, Beschluss vom 8.12.2003, DÖV 2004, 305 und juris, S. 2) und gegen sie ist auch keine Duldungsanordnung erlassen worden.

Die Androhung eines Zwangsmittels stellt eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung dar. Sie darf zwar mit dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt verbunden werden (vgl. § 66 Abs. 2 Satz 1 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz - LVwVG -). Gleichwohl begründet bereits die Androhung des Zwangsmittels den Beginn der (mehrstufigen) Vollstreckung, nicht erst ihre Festsetzung (vgl. OVG RP, Urteil vom 19.1.1995 - 1 A 11330/94 -, nur juris, Rn. 19; OVG Münster, Urteil vom 20.6.1974, BRS 28, 319, 321). Bereits zu Beginn der Vollstreckung müssen grundsätzlich sämtliche Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sein (Rspr wie vor; OVG Saarland, Urteil vom 15.6.1993, AS RP-SL 24, 253 und juris, Rn. 20). Es darf zu diesem Zeitpunkt auch kein Vollstreckungshindernis bestehen. Ein solches liegt indes (wie hier) vor, wenn der Pflichtige einer Beseitigungsverfügung dieser nicht nachkommen kann, ohne in zivilrechtliche Rechte Dritter (vorliegend das Miteigentumsrecht seiner Ehefrau) einzugreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.4.1972, BVerwGE 40, 101 und juris, Rn. 31). Die Zwangsmittelandrohung darf danach nur dann mit dem Grundverwaltungsakt verbunden werden, wenn keine Vollstreckungshindernisse eine Befolgung der behördlichen Anordnung unmöglich machen (vgl. OVG RP, a.a.O., m.w.N.; Beschluss vom 26.9.2005 - 8 A 10751/05.OVG -, S. 3 BA; OVG NRW, Urteil vom 13.2.1987, BRS 47, 480, 482; BayVGH, Beschluss vom 3.6.2004 - 26 ZS 98.2985 -, nur juris, Rn. 33). Andernfalls ist die Zwangsmittelandrohung (nicht bereits der Grundverwaltungsakt, vgl. BVerwG, a.a.O.) rechtswidrig.

Zum Beginn der Vollstreckung sämtliche Vollstreckungsvoraussetzungen zu verlangen, gebietet ferner der Zweck des gesetzlichen Erfordernisses in § 66 Abs. 1 Satz 3, 1. Halbsatz LVwVG, in der Zwangsmittelandrohung eine angemessene Frist zur Erfüllung einer Handlungspflicht zu bestimmen. Dieser liegt darin, dem Pflichtigen Gelegenheit zu geben, unter dem Druck des angedrohten Zwangsmittels in ausreichender Zeit durch eigenes Handeln den geschuldeten Erfolg herbeizuführen, und ihm deutlich zu machen, ab wann er mit der (weiteren) Vollstreckung durch Festsetzung des Zwangsmittels zu rechnen hat. Dem Zweck der Fristsetzung wird nur dann Genüge getan, wenn eine Pflichterfüllung in angemessener Zeit trotz anderweitig bestehender Berechtigungen möglich ist und nach fruchtlosem Ablauf der Frist die weitere Vollstreckung unmittelbar ohne weitere Zwischenschritte folgen kann. Dies ist indes nicht gewährleistet, wenn während des Vollstreckungsverfahrens noch (auszuräumende) Vollstreckungshindernisse bestehen, weil es - wie im vorliegenden Fall - an einer Duldungsanordnung gegen einen Drittberechtigten fehlt.

Diese an Systematik und Zweck der Zwangsvollstreckungsregelungen ausgerichtete Betrachtung, nach der die Zwangsmittelandrohung nur dann mit dem Grundverwaltungsakt verbunden werden darf, wenn keine Vollstreckungshindernisse eine Befolgung der behördlichen Anordnung unmöglich machen, kann für sich den Vorteil der Klarheit und Sicherheit des Vollstreckungsverfahrens beanspruchen.

Systematik und Zweck der Fristsetzung nicht hinreichend gerecht wird indes die Rechtsprechung, die das Fehlen eines Vollstreckungshindernisses noch nicht zum Zeitpunkt der Androhung des Zwangsmittels, sondern erst zu Beginn der Erfüllungsfrist (im vorliegenden Fall die Bestandskraft der Beseitigungsanordnung) verlangt (vgl. BayVGH, Urteil vom 11.7.2001, NVwZ-RR 2002, 608 und juris, Rn. 14; Urteil vom 30.3.1977, BayVBl 1977, 403 und juris, Rn. 17; OVG Saarland, a.a.O.). Ihrem Anliegen, dem Adressaten der Grundverfügung die ihm zugedachte Erfüllungsmöglichkeit ungeschmälert zu erhalten (und deshalb nicht maßgeblich auf den Ablauf der Erfüllungsfrist für das Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen abzustellen), trägt die dargestellte Auffassung ohne weiteres Rechnung. Sie gewährleistet ein systemgetreues und darüber hinaus praktikables behördliches Vollstreckungsvorgehen, ohne zu erkennbaren unzumutbaren Nachteilen für den Anordnungs- und den Duldungsverpflichteten zu führen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, den Beklagten nicht auch mit den außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu belasten, da diese mangels eigener Antragstellung selbst kein Kostenrisiko eingegangen ist.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 250,-- € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V. mit Ziffer II.1.6.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327).

Ende der Entscheidung

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