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Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 05.09.2006
Aktenzeichen: 8 A 10519/06.OVG
Rechtsgebiete: BauGB, GG, VwGO
Vorschriften:
BauGB § 35 Abs. 1 | |
BauGB § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 | |
BauGB § 35 Abs. 3 | |
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 | |
GG Art. 4 | |
VwGO § 42 Abs. 2 |
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
8 A 10519/06.OVG
In dem Verwaltungsrechtsstreit
wegen Baurechts
hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. September 2006, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held Richter am Oberverwaltungsgericht Schauß Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch ehrenamtlicher Richter Leitender Berater EDV Geertsen ehrenamtlicher Richter Angestellter Gewehr
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 20. Februar 2006 wird der Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 10. Mai 2005 aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die klagende Gemeinde wendet sich gegen einen Widerspruchsbescheid, mit dem der beklagte Kreis unter Ersetzung des Einvernehmens der Klägerin verpflichtet wird, dem beigeladenen Verein eine Baugenehmigung zu erteilen.
Der Beigeladene will auf dem Flurstück Gemarkung P. Nr. ... eine Kapelle errichten. Auf dem benachbarten Flurstück Nr. ... sollen in den Jahren 1949 bis 1952 Marienerscheinungen stattgefunden haben, bei denen die Gottesmutter mehrfach den Bau einer Kapelle ihr zum Andenken gefordert haben soll, zuletzt bei ihrem letzten Erscheinen am 10. Mai 1952 mit den Worten "Und hier soll eine Kapelle gebaut werden, mir zum Andenken. Wenn dies nicht geschieht, wird etwas Schweres kommen und viele werden sich nicht bekehren". Das Bischöfliche Ordinariat Speyer lehnte den Bau einer Kapelle ab und gestattete keine Gebetsversammlungen am sogenannten Erscheinungsfelsen. Dennoch befindet sich dort eine Andachtsstätte. Ein dahinführender Fußweg ist mit Kreuzwegstationen ausgestattet.
Eine Bauvoranfrage für eine geschlossene und unterkellerte Kapelle mit einer Grundfläche von 36,05 m² für 32 Personen wurde mit Bescheid vom 26. November 1997 ablehnend beschieden. Widerspruch und Klage blieben erfolglos, das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz lehnte die Zulassung der Berufung durch Beschluss vom 9. November 1999 - 8 A 11282/99.OVG - wegen Fehlens einer gesicherten Erschließung ab.
Mit Bauantrag vom 9. November 2000 beantragte der Beigeladene eine Baugenehmigung für eine offene Kapelle mit einem Rauminhalt von 72,36 m³ und einer Nutzfläche von 20,34 m² für etwa 12 Personen. Diese solle eine lebensgroße Marienstatue aufnehmen, den Betern einen einfachen Wetterschutz bieten und eine Annäherung an den von ihm gläubig angenommenen Auftrag der Gottesmutter sein, hier zu ihrem Andenken eine Kapelle zu bauen. Diese Kapelle könne nur am Ort der Marienerscheinungen ihre Bestimmung erfüllen.
Der Gemeinderat der Klägerin versagte in seiner Sitzung vom 19. Dezember 2000 das Einvernehmen. Daraufhin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 22. Mai 2001 die Baugenehmigung ab.
Nachdem die Klägerin auf eine Anfrage hin ihr Einvernehmen für eine hinsichtlich der Grundfläche um 20 % verkleinerte Kapelle erneut verweigert hatte, ersetzte der Kreisrechtsausschuss beim Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2005 das Einvernehmen der Klägerin und verpflichtete den Beklagten, dem Beigeladenen eine Baugenehmigung zur Errichtung einer offenen Kapelle mit einer Grundfläche von 26 m² zu erteilen. Das Vorhaben sei nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB im Außenbereich privilegiert, da es wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur dort ausgeführt werden solle. Mit ihm werde dem tatsächlichen oder vermeintlichen Wunsch der Mutter Gottes auf Errichtung einer Kapelle gefolgt. Eine Vielzahl von Kapellen verdanke ihrer Entstehung Legenden, Dankversprechen oder dem Wunsch nach Verehrung. Die offene Kapelle werde der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt, ihr solle die Zurückhaltung der Katholischen Kirche nicht entgegengehalten werden. Die Kapelle sei in Verbindung zu sehen mit der Andachtsstelle am Eulenfelsen und dem Stationenweg, die schon länger vorhanden seien. In der Nähe habe früher eine vom Heiligen Pirminius gegründete Kapelle aus dem Jahr 750 gestanden, deren Reste heute noch erkennbar sein sollen. Es handele sich seit eh und je um einen Ort besonderer Faszination. Die Infrastruktur der Klägerin werde nicht vor unlösbare Probleme gestellt. Das vorhandene Wirtschaftswegenetz reiche für die fußläufige Erschließung aus, im Notfall könne das Grundstück auch mit einem Fahrzeug erreicht werden. Das versagte Einvernehmen habe daher ersetzt werden dürfen. Selbst wenn man eine Privilegierung verneine, beeinträchtige die offene Kapelle keine öffentlichen Belange. Ein Widerspruch zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 9. September 1999 bestehe nicht, da die Kapelle über die Besucher der vorhandenen Andachtsstelle hinaus keine weiteren Besucher anziehe.
Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben und ausgeführt, das Vorhaben sei im Außenbereich nicht privilegiert und die Erschließung sei nicht gesichert. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass auf sie unzumutbare Erschließungskosten zukommen könnten.
Die Klägerin hat beantragt,
den Widerspruchsbescheid vom 10. März 2005 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beigeladene hat vorgetragen, eine Nutzung der im Privateigentum stehenden Wegestrecke erfolge im Einverständnis mit dem Eigentümer. Wenn es erforderlich sei, könne er das Flurstück-Nr. ... erwerben, der Eigentümer sei in diesem Fall zum Verkauf bereit.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. Februar 2006 mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin sei durch den angefochtenen Widerspruchsbescheid nicht in ihren Rechten verletzt, insbesondere auch nicht wegen der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens. Ihre Planungshoheit werde nicht berührt, weil das Vorhaben keine hinreichend bestimmte Planung störe, ihre Finanzhoheit sei nicht betroffen, denn finanzielle Auswirkungen für die Klägerin, etwa durch weitere Erschließungsmaßnahmen, seien nicht zu befürchten, da die vorhandene Erschließung ausreiche.
Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung trägt die Klägerin vor: Sie sei klagebefugt. § 36 BauGB diene der Sicherung ihrer planerischen Handlungsfreiheit. Sie könne vor Erteilung ihres Einvernehmens die planungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens prüfen. Auf ihren Rechtsbehelf hin sei die planungsrechtliche Zulässigkeit in vollem Umfang nachzuprüfen.
Der angefochtene Widerspruchsbescheid sei auch rechtswidrig. Die Ersetzung des Einvernehmens sei schon formell fehlerhaft. Der Kreisrechtsausschuss habe den Beklagten verpflichtet, eine Baugenehmigung für eine Kapelle mit einer Grundfläche von 26 m² zu erteilen, ohne dass ein dahingehender Bauantrag gestellt worden sei und ohne die Klägerin dazu anzuhören. Sie habe ihr Einvernehmen zu Recht versagt, da der Beigeladene keinen Anspruch auf die Erteilung der beantragten Baugenehmigung habe. Das Vorhaben sei nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB im Außenbereich privilegiert, insbesondere nicht wegen der Zweckbestimmung zur Marienverehrung. Denn die Marienverehrung müsse nicht im Außenbereich erfolgen, Marienerscheinungen mit dem Gebot zum Bau einer Kapelle an dieser Stelle seien personenbezogene Umstände, die im Baurecht grundsätzlich unbeachtlich seien. Die katholische Kirche verweigere den Geschehnissen an diesem Ort ihre Anerkennung, so dass auch insoweit das Vorhaben nicht objektiv erforderlich sei. Zudem sei die Erschließung des Vorhabens nicht gesichert. Es fehle eine unmittelbare Verbindung zum öffentlichen Wegenetz. Das Vorhaben müsse auch für Versorgungsfahrzeuge von Feuerwehr, Polizei und Rettungswesen erreichbar sein.
Zur Erschließung gehörten auch Abwasser- und Abfallentsorgung, die nicht vorgesehen, aber erforderlich seien. Als sonstigem Vorhaben im Außenbereich stünden dem Vorhaben öffentliche Belange entgegen. Insbesondere werde die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren in erster Instanz gestellten Anträgen zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung führt er aus: Die Klägerin sei am Widerspruchsverfahren hinreichend beteiligt gewesen. Die Differenzierung zwischen einem Vorhaben mit einer Grundfläche von 20,34 m² und einem mit einer Grundfläche von 26 m² sei nicht nachvollziehbar. Es handele sich um ein einziges Vorhaben, zu dem die Klägerin das Einvernehmen versagt habe. Im Übrigen werde auf die früheren Ausführungen sowie auf den Widerspruchsbescheid und das angefochtene Urteil verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Gerichtsakte 2 K 2853/98.NW und 6 Hefte Verwaltungs- und Widerspruchsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und auch begründet.
Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen, denn der Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2005 ist rechtswidrig und verletzt dadurch die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Klagebefugnis der klagenden Ortsgemeinde nicht eingeschränkt. Vielmehr hat sie aufgrund ihrer Planungshoheit das Recht, Bauvorhaben, die nicht mit § 35 BauGB in Einklang stehen, abzuwehren. Zur Sicherung ihrer planerischen Handlungsfreiheit wird ihre Beteiligung an der Entscheidung über ein Bauvorhaben im Außenbereich nach § 36 BauGB gewährleistet. Wird ihr danach erforderliches Einvernehmen ersetzt, sind auf ihren Rechtsbehelf hin die Voraussetzungen des § 35 BauGB in vollem Umfang zu überprüfen (BVerwG, NVwZ 2000, 1048; OVG RP, Urteil vom 13. März 2006 - 8 A 11309/05.OVG - ESOVGRP und BauR 2006, 877 [LS]; Urteil vom 16. März 2006, ZuR 2006, 379; OVG Berlin-Brandenburg, BauR 2006, 1100).
1. Eine Rechtsverletzung der Klägerin ergibt sich allerdings noch nicht daraus, dass der Kreisrechtsausschuss entgegen dem auf eine Kapelle mit einer Grundfläche von 20,34 qm gerichteten Bauantrag den Beklagten zur Erteilung einer Baugenehmigung für eine Kapelle mit einer Grundfläche von 26 qm verpflichtet und das Einvernehmen der Klägerin dazu ersetzt hat. Bei der Flächenangabe von 26 qm handelt es sich um eine offenbare Unrichtigkeit. Angestrebt war eine Verringerung der Grundfläche gegenüber der im Bauantrag mit 20,34 qm angegebenen Grundfläche um 20 %. Die sich danach ergebende Fläche wurde statt mit 16 qm bereits in der Niederschrift zur Verhandlung des Kreisrechtsausschusses mit 26 qm benannt und von dort in den Widerspruchsbescheid übernommen. Gemeint war aber offensichtlich eine Verkleinerung auf 16 qm. Dies haben die Vertreter des Beklagten und des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend klargestellt, so dass eine Berichtigung gemäß § 42 VwVfG in Betracht kommt. Soweit die Verpflichtung des Beklagten ohne konkrete Bauzeichnung für die verkleinerte Kapelle ausgesprochen wurde, ist die Klägerin jedenfalls nicht in ihren Rechten verletzt, die auf die Einhaltung des Bauplanungsrechts beschränkt sind. Im Übrigen ist die Verpflichtung des Beklagten angesichts des Umstandes, dass bauordnungsrechtliche Fragen nicht im Streit waren, dahin zu verstehen, dass er verpflichtet ist, die Baugenehmigung bei einer Verkleinerung der Kapelle auf eine Grundfläche von 16 qm nicht aus bauplanungsrechtlichen Gründen zu verweigern. Die Ersetzung des Einvernehmens der Klägerin leidet auch nicht unter dem Mangel einer fehlerhaften Anhörung. Die Anhörung wurde nämlich mit Schreiben des Kreisrechtsausschusses vom 6. Dezember 2004 für eine um 20 % verkleinerte Kapelle nachgeholt und bezog sich damit auf eine Kapelle mit 16 qm Grundfläche. Im Übrigen war die Klägerin auch bei der Verhandlung vor dem Kreisrechtsausschuss vom 10. März 2005 vertreten und hatte so die Gelegenheit zur Stellungnahme. Letztlich braucht über diese Fragen des formellen Rechts nicht abschließend entschieden zu werden, denn der angefochtene Widerspruchsbescheid ist jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für eine Genehmigung der Kapelle im Außenbereich nicht vorliegen.
2. Die Kapelle ist nicht gemäß § 35 Abs. 1 BauGB im Außenbereich zulässig. Von den dort aufgeführten Möglichkeiten für eine privilegierte Zulassung im Außenbereich kommt nur § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB in Betracht. Danach ist ein Vorhaben im Außenbereich nur zulässig, wenn die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll.
Die Erschließung ist zwar gesichert, nämlich jedenfalls durch den Weg Flurstück Nr. ..., der zum Baugrundstück führt. Dabei handelt es sich um einen Wirtschaftsweg, der nach § 4 der Satzung der Klägerin über die Benutzung der gemeindlichen Feld- und Waldwege vom 15. Februar 1979 als Fußweg genutzt werden kann. Im Übrigen dient er ausschließlich der Bewirtschaftung der land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücke, sodass ein Fahrzeugverkehr zur Kapelle nicht gesichert ist. Angesichts der geringen Größe der Kapelle und des Umstandes, dass sie sich in fußläufiger Entfernung vom Ortsteil S. befindet, erscheint eine fußläufige Erschließung jedoch ausreichend.
Das Vorhaben "soll" jedoch nicht wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB.
Als Zweckbestimmung der Kapelle hatte der Beigeladene zunächst genannt: Aufnahme einer holzgeschnitzten Statue, Wetterschutz für Beter und Erfüllung des Auftrages der Gottesmutter, hier eine Kapelle zu bauen. In der mündlichen Verhandlung hat die Vorsitzende des Beigeladenen klargestellt, dass es in erster Linie um die Befolgung des Auftrages der Gottesmutter gehe und der Wetterschutz nur eine nützliche Nebenfolge der Erfüllung dieses Auftrages sei. Die Absicht, einem überirdischen Auftrag zu entsprechen, genügt jedoch nicht den Anforderungen, die an eine ein Vorhaben im Außenbereich rechtfertigende Zweckbestimmung zu stellen sind.
Der Außenbereich ist grundsätzlich von einer Bebauung freizuhalten, die bauliche Entwicklung soll in aller Regel durch eine planerische Entscheidung der Gemeinde gesteuert werden. Eine Ausnahme gilt nur für besondere, im Außenbereich privilegierte Vorhaben. Im Rahmen der verschiedenen Privilegierungstatbestände des § 35 Abs. 1 BauGB stellt § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB einen weit gefassten Auffangtatbestand dar, der eng ausgelegt werden muss, damit der Schutz des Außenbereichs nicht ausgehöhlt wird. Deshalb ist die Regelung so zu verstehen, dass im Außenbereich nur solche Vorhaben ausgeführt werden "sollen", denen ein singulärer Charakter zukommt, so dass sie keine Vorbildwirkung für andere Vorhaben haben; eine privilegierte Nutzung des Außenbereichs ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn das Vorhaben vornehmlich dazu dient, individuelle Bedürfnisse zu befriedigen, sofern es nicht zugleich im überwiegenden allgemeinen Interesse liegt (vgl. BVerwGE 96, 95 [103 f.]; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 35 Rdn. 55). Hieraus ergibt sich, dass bauliche Anlagen nicht allein deshalb nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB im Außenbereich privilegiert sind, weil sie aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen für den Errichtungsort gefordert werden.
Nach diesen Kriterien "soll" das Vorhaben nicht im Außenbereich ausgeführt werden.
Es hat gerade keinen singulären Charakter und kann deshalb eine Vorbildwirkung entfalten. Zwar mag aus der Sicht des Beigeladenen die Marienerscheinung mit dem Kapellenbaugebot singulär sein. Die daraus hergeleitete religiöse Verpflichtung ist jedoch als Glaubensüberzeugung bei objektiver Betrachtung nicht nachweisbar. Entsprechende Verpflichtungen religiöser oder weltanschaulicher Art könnten auch von anderen Personen zur Rechtfertigung von Außenbereichsvorhaben in Anspruch genommen werden. Deshalb können derartige Gründe allein eine unübersehbare Vorbildwirkung für Vorhaben an bestimmten Stellen im Außenbereich nicht hinreichend ausschließen. Die erforderliche Singularität kommt dem Vorhaben auch nicht deshalb zu, weil es in einem solchen Umfang allgemeine Anerkennung erfährt, dass eine weitgehende Vorbildwirkung ausgeschlossen ist. Vielmehr hat die katholische Kirche dem Ereignis gerade ihre Anerkennung verweigert. Aus dem Schreiben des bischöflichen Ordinariats Speyer vom 28. April 1953 folgt, dass sich bei einer gründlichen Untersuchung keine Anhaltspunkte für eine übernatürliche Herkunft oder einen übernatürlichen Charakter der behaupteten Erscheinung ergeben hätten und der Plan, am Ort der angeblichen Marienerscheinungen die Kapelle zu errichten, nicht angenommen werden könne. Diese Erklärung wurde durch eine Stellungnahme des Generalvikars vom 30. April 1991 bestätigt.
Das Vorhaben dient auch in erster Linie den individuellen Interessen eines bestimmten Personenkreises, nämlich der Personen, die einen überirdischen Bauauftrag annehmen und befolgen wollen und sich deshalb in dem beigeladenen Verein, der etwa 270 Mitglieder hat, zusammengeschlossen haben. Es kann nicht angenommen werden, dass alle Besucher der Andachtstelle auch ein Interesse an der Errichtung einer Kapelle haben, selbst wenn sie ihnen offen stehen würde. Denn die Errichtung der Kapelle wird, anders als das bloße Gebet an der Andachtsstelle, von der katholischen Kirche missbilligt. Im Übrigen ist nach den Angaben der Vorsitzenden des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung die Zahl der Besucher der Andachtstelle so gering, dass schon deshalb ein allgemeines Interesse am Kapellenbau ausgeschlossen werden kann.
Eine ausdrückliche Billigung des Vorhabens durch die Allgemeinheit ist nicht ersichtlich. Die Klägerin, die die Interessen der örtlichen Gemeinschaft vertritt, hat sich - wenn auch vornehmlich aus wirtschaftlichen und fiskalischen Überlegungen - gegen das Vorhaben gewandt. Besonders ist jedoch zu beachten, dass die katholische Kirche, die einen beträchtlichen und gerade der Marienverehrung nahe stehenden Teil der Allgemeinheit vertritt, das Vorhaben missbilligt und sich gegen die Errichtung einer Kapelle ausgesprochen hat.
Insgesamt liegen somit keine Umstände vor, die die Beurteilung rechtfertigen könnten, das Vorhaben "solle" i.S. von § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB nur im Außenbereich ausgeführt werden.
3. Das Vorhaben ist auch nicht gemäß § 35 Abs. 2 BauGB zuzulassen, weil seine Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Vielmehr werden öffentliche Belange dadurch beeinträchtigt, dass das Vorhaben gemäß § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt. Trotz ihrer geringen Größe stellt die geplante Kapelle eine bauliche Anlage dar, die mit der natürlichen Eigenart der Landschaft nicht vereinbar ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie auffällig in Erscheinung tritt oder durch Bäume und Hecken weitgehend der Sicht entzogen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 1969 - 9 C 63.68 -). Die natürliche Eigenart der Landschaft ist an dem vorgesehenen Standort auch nicht bereits so weitgehend beeinträchtigt, dass sie nicht mehr schutzwürdig ist. Der vorhandene Kreuzweg und die vorhandene Andachtsstelle, die vornehmlich durch ihren Blumenschmuck in Erscheinung tritt, führen nicht zu einer Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft. Weder die Beklagte noch die Beigeladene haben etwas anderes vorgetragen. Die Gewährleistung der Glaubensfreiheit und der ungestörten Religionsausübung nach Art. 4 des Grundgesetzes werden durch die Versagung des Kapellenbaus nicht verletzt. Dieses Freiheitsgrundrecht gebietet nicht, dass das Interesse an der Erhaltung der natürlichen Eigenart der Landschaft hinter dem Interesse des Beigeladenen an der Befolgung eines überirdischen Baugebots zurücktreten muss.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird nach §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 63 Abs. 3 GKG auf 5.000,-- € festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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