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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 01.09.2006
Aktenzeichen: 8 A 10768/06.OVG
Rechtsgebiete: LNatSchG, BauGB


Vorschriften:

LNatSchG § 28
LNatSchG § 28 Abs. 3
LNatSchG § 28 Abs. 3 Nr. 5
LNatSchG § 48
LNatSchG § 48 Abs. 1
LNatSchG § 48 Abs. 1 Nr. 2
BauGB § 1
BauGB § 1 Abs. 6
BauGB § 1 Abs. 6 Nr. 8a
Zur Abwägung zwischen dem Gemeinwohlgrund verbrauchernaher Versorgung und dem gesetzlichen Biotopschutz für Sandrasen bei einem Befreiungsantrag für die Planung eines großflächigen Einkaufsmarktes.
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz

Beschluss

8 A 10768/06.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen landespflegerischer Genehmigung

hier: Zulassung der Berufung

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 1. September 2006, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held Richter am Oberverwaltungsgericht Schauß Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 08. Mai 2006 wird abgelehnt.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:

Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Die rechtlichen Voraussetzungen der geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

Die Klägerin beabsichtigt zum Zwecke der Grundversorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs die Planung eines Einkaufsmarktes mit ca. 850 qm Verkaufsfläche, für dessen Verkehrserschließung ein auch als Naturdenkmal unter Schutz gestellter, ca. 5,5 ha großer Sandrasenbiotop im Umfang von mehreren hundert Quadratmetern in Anspruch genommen werden soll. Zu diesem Zweck beantragte sie beim Beklagten erfolglos eine Befreiung vom Verbot des § 28 Abs. 3 Nr. 5 LNatSchG. Das Verwaltungsgericht hat die diesbezügliche Klage abgewiesen. Die Befreiungsvoraussetzungen des § 48 Abs. 1 LNatSchG lägen nicht vor. Insbesondere erforderten überwiegende Gründe des Gemeinwohls, zu denen auch die Grundversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs gehöre, die Befreiung nicht. Denn in der Gemeinde selbst befänden sich noch eine Bäcker- und Metzgerfiliale sowie ein Gemüseladen; überdies seien in einer Entfernung von 2 km bis 3,5 km in der unmittelbar angrenzenden Ortslage Maxdorf sowie im benachbarten Fußgönheim genügend Einkaufsmärkte vorhanden, die in zumutbarer Weise auch für nicht motorisierte Einwohner der Klägerin erreichbar seien. Hiergegen ist auch unter Berücksichtigung der Begründung des Zulassungsantrages nichts zu erinnern.

1. Der Senat teilt nicht die von der Klägerin geäußerten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Soweit in der Antragsbegründung (S. 5 2. Absatz und S. 6 2. Absatz) eine fehlende bzw. fehlerhafte Abwägung des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf das Überwiegen von Gemeinwohlgründen gerügt wird, verkennt die Antragstellerin, dass das Gericht bei Überprüfung naturschutzrechtlicher Befreiungsentscheidungen nicht zu eigener Abwägung, sondern lediglich zur (eingeschränkten) Überprüfung der im Rahmen des § 48 Abs. 1 Nr. 2 LNatSchG erforderlichen behördlichen Abwägung berufen ist (s. OVG RP, AS 28, 224, 229f.).

Die Rügen der Antragstellerin führen indessen nicht auf von der Vorinstanz übersehene Abwägungsfehler des Beklagten. Soweit dieser vorliegend dem gesetzlichen Biotopschutz des Sandrasens gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 5 LNatSchG in der Abwägung Vorrang vor dem Gemeinwohlbelang der verbrauchernahen Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs (s. dazu etwa § 1 Abs. 6 Nr. 8a BauGB und Ziff. 4.2.2.4 des Regionalen Raumordnungsplans Rhein-Pfalz 2004) eingeräumt hat, begegnet dies im Rahmen der gerichtlichen Abwägungskontrolle nach zutreffender Auffassung der Vorinstanz keinen Bedenken. Insbesondere hat der Beklagte weder die Bedeutung der widerstreitenden Belange verkannt noch diese in einer ihrer objektiven Gewichtigkeit widersprechenden Weise zum Ausgleich gebracht.

Soweit die Klägerin die vom Gesetzgeber anerkannte und vom Beklagten in der Abwägung berücksichtigte (s. S. 2 oben des Bescheides vom 28. Oktober 2003) besondere Wertigkeit von Sandrasenbiotopen im konkreten Fall durch angebliche Vorbelastungen wegen angrenzender Verkehrseinrichtungen relativieren will, vermag ihr der Senat nicht zu folgen. Es ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, warum Sandrasen durch in der Nähe vorbeiführende Straßen und Wege in seinem Bestand derart beeinträchtigt oder gefährdet sein könnte, dass ihm gegenüber einer substanzvernichtenden Inanspruchnahme durch bauliche Maßnahmen die vom Gesetzgeber anerkannte Schutzwürdigkeit fehlen sollte.

Umgekehrt hat der Beklagte den von der Klägerin für ihr Vorhaben in Anspruch genommenen Gemeinwohlbelang der verbrauchernahen Versorgungssicherung nicht in unvertretbarer Weise unterbewertet. Vielmehr hat er ihn als grundsätzlich befreiungserheblichen Grund des Gemeinwohls anerkannt, aber angesichts der in Birkenheide, Maxdorf und Fußgönheim vorhandenen Einkaufsmöglichkeiten nicht für überwiegend gehalten. Dies hat das Verwaltungsgericht zu recht unbeanstandet gelassen. Aus den ablehnenden Bescheiden des Beklagten ergibt sich auch nicht etwa, dass er die verbrauchernahe Versorgung in Birkenheide für optimal und daher nicht optimierungsfähig hält. Er schätzt sie lediglich nicht in einem Ausmaß für optimierungsbedürftig ein, das die Inanspruchnahme eines gesetzlich geschützten, hochwertigen Biotops durch den konkret in Rede stehenden Einkaufsmarkt rechtfertigen könnte. Der Einwand der Klägerin, der Besuch von (maximal) 2 km bis 3,5 km entfernten Einkaufsmärkten sei ihren nicht motorisierten Einwohnern weder zu Fuß noch mit einer "bescheidenen" Busverbindung zumutbar, überzeugt demgegenüber nicht. Diese und größere Entfernungen zwischen Wohnung und Einkaufsmarkt finden sich in ländlichen, dünn besiedelten Gebieten von Rheinland-Pfalz häufig und sind jedenfalls nicht geeignet, einen "Einkaufsnotstand" im Bereich der Klägerin zu belegen, den der Beklagte bei seiner Abwägung unterschätzt haben könnte.

Eine Disproportionalität der Abwägung folgt entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht daraus, dass hier ein einzig möglicher Marktstandort "ein paar Grasbüscheln Silberflur" zum Opfer fiele. Insoweit hat der Beklagte ausweislich der Begründung der ablehnenden Bescheide zulässigerweise berücksichtigt, dass der von der Klägerin favorisierte Standort neben dem gesetzlichen Biotopschutz einer Reihe weiterer landesplanerischer und naturschutzrechtlicher Restriktionen unterliegt. Diese von dem Vorhaben nachteilig betroffenen öffentlichen Belange mindern das hier - wie ausgeführt - ohnehin geringe Gewicht des Gemeinwohlgrundes einer verbesserten, verbrauchernahen Versorgung. Aus diesem Grund erweist sich das vom Beklagten gefundene Abwägungsergebnis auch unter Berücksichtigung der flächenmäßig geringen Inanspruchnahme des Sandrasenbiotops als angemessen im Hinblick auf die objektive Gewichtigkeit der widerstreitenden Belange.

2. Dem Rechtsstreit kommt auch nicht die ihm von der Klägerin beigemessene Grundsatzbedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zu. Die Frage, "welche Versorgungsmöglichkeiten für eine Gemeinde vorliegen müssen, dass die Grundversorgung des Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs gesichert ist", entzieht sich fallübergreifender Klärung und würde sich darüber hinaus in dieser Form in einem Berufungsverfahren auch nicht stellen.

Die Kostenentscheidung für das Zulassungsverfahren folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht vorliegend nicht der Billigkeit, die Klägerin auch mit den außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Zulassungsverfahren zu belasten. Denn diese haben sich mangels eigener Antragstellung auch nicht am Kostenrisiko des Prozesses beteiligt (s. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.



Ende der Entscheidung

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