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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 24.06.2004
Aktenzeichen: 8 A 10809/04.OVG
Rechtsgebiete: BauGB, BImSchG, GG, LBauO, VwVfG


Vorschriften:

BauGB § 35
BauGB § 35 Abs. 3
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3
BImSchG § 3
BImSchG § 3 Abs. 1
BImSchG § 3 Abs. 2
BImSchG § 5
BImSchG § 5 Abs. 1
BImSchG § 5 Abs. 1 Nr. 1
BImSchG § 4
BimSchG § 4 Abs. 1
BImSchG § 6
BImSchG § 6 Abs. 1
BImSchG § 6 Abs. 1 Nr. 2
BImSchG § 7
BImSchG § 7 Abs. 1
GG Art 5
GG Art 5 Abs. 1
GG Art 5 Abs. 1 S. 2
LBauO § 79
LBauO § 70 Abs. 1
LBauO § 70 Abs. 1 S. 1
VwVfG § 36
VwVfG § 36 Abs. 1
Der Betreiber einer Windenergieanlage kann regelmäßig nicht durch eine Auflage zur Baugenehmigung verpflichtet werden, Störungen des terrestrischen Rundfunkempfangs, die auf der von der Anlage ausgehenden Abschattungswirkung für Funkwellen beruhen, auf eigene Kosten zu beseitigen.

Die Abschattungswirkung für Funkwellen stellt weder eine schädliche Umwelteinwirkung im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2 BImSchG noch eine sonstige Gefahr, einen erheblichen Nachteil oder eine erhebliche Belästigung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt BImSchG dar.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

8 A 10809/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Baugenehmigung

hier: Zulassung der Berufung

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 24. Juni 2004, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Bier Richterin am Oberverwaltungsgericht Spelberg Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 19. Januar 2004 wird abgelehnt.

Der Beigeladene hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren beider Rechtszüge auf 17.500 € festgesetzt.

Gründe:

Der zulässige Antrag ist unbegründet. Die rechtlichen Voraussetzungen der geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

1. Die Richtigkeit des angefochtenen Urteils ist nicht ernstlich zweifelhaft (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die vom Beklagten verfügte Auflage, mit der die Klägerin im Rahmen der Baugenehmigung für eine Windenergieanlage verpflichtet wurde, die hiervon ausgehenden Störungen des terrestrischen Rundfunkempfangs im Rahmen der bestehenden Versorgungslage auf ihre Kosten zu beseitigen, zu Recht aufgehoben. Auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens sind keine Rechtsvorschriften ersichtlich, deren Einhaltung mit der strittigen Auflage gesichert werden könnte.

Eine Rechtfertigung als Immissionsschutzauflage im Hinblick auf § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB und das darin enthaltene Gebot der Rücksichtnahme (s. z.B. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 1999, BRS 62 Nr. 189), scheidet aus. Die von einer Windenergieanlage oder einer sonstigen baulichen Anlage ausgehende Abschattungswirkung für Rundfunkwellen stellt entgegen der Auffassung des Beigeladenen keine schädliche Umwelteinwirkung im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB, sowie § 3 Abs. 1 und 2 BImSchG dar. Insbesondere handelt es sich nicht um eine Luftverunreinigungen, Erschütterungen, Licht, Wärme oder Strahlen ähnliche Umwelteinwirkung im Sinne des § 3 Abs. 2 BImSchG. Denn nach zutreffender Auffassung der Vorinstanz stellt die Abschattung von Rundfunkwellen lediglich eine "negative" Einwirkung dar (s. schon BGH, Urteil vom 21. Oktober 1983, NJW 1984, 729, 730 m.w.N.), die den in § 3 Abs. 2 BImSchG aufgeführten Umwelteinwirkungen nicht ähnelt (s. Jarass: BImSchG, 5. Aufl. 2002, § 3 Rn 7 m.w.N.).

Die strittige Auflage durfte auch nicht zur Sicherung der Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. BImSchG erlassen werden. Zunächst erscheint schon zweifelhaft, ob § 5 BImSchG, der nur für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen gilt, auf die eine Windenergieanlage, die Gegenstand der (Änderungs-)Baugenehmigung vom 26. November 2001 ist, anwendbar ist. Denn nach Nr. 1.6 der Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV sind nur Windfarmen ab drei Anlagen gemäß § 4 Abs. 1 BImSchG genehmigungspflichtig. Ungeachtet dessen gehen von der Anlage auch keine "sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteile und erheblichen Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft" im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. BImSchG aus. Derartige Effekte entstehen ebenso wie schädliche Umwelteinwirkungen nur durch physische, also durch Materieteilchen oder physikalische Wellen verursachte und von der Anlage ausgehende Einwirkungen. Nicht zum Geltungsbereich des § 5 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. BImSchG gehören beeinträchtigende Faktoren, die zwar auf die Existenz der Anlage zurückzuführen sind, jedoch auf spezifisch nichtphysikalischen Einwirkungen beruhen, wie dies beispielsweise beim Entzug von Licht der Fall ist. Diese Einschränkung folgt zum einen aus dem Zweck der Vorschrift, die Vergleichbarkeit mit immissionsbedingten Einwirkungen zu sichern. Zum anderen ist sie auch aus systematischen Gründen geboten, da ansonsten die Genehmigungsvoraussetzung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG ihren Sinn verlöre und zudem eine Bestimmung des Umfangs der Verordnungsermächtigung in § 7 Abs. 1 BImSchG nahezu unmöglich würde (s. zu alledem Dietlein in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, § 5 BImSchG Rn 125 und Kotulla, BImSchG, § 5 Rn 47, 50 und 51 jeweils m.w.N.). Demnach stellt die auf der Existenz der Anlage beruhende Abschattungswirkung für Funkwellen ebenso wenig eine Beeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. BImSchG dar wie eine Abschattungswirkung für Lichtwellen.

Auch die Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) kann nicht als öffentlichrechtliche Vorschrift herangezogen werden, deren Einhaltung im Rahmen des § 70 Abs. 1 Satz 1 LBauO durch die Genehmigungsauflage zu sichern wäre. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass der Grundversorgungsauftrag der öffentlichrechtlichen Rundfunkveranstalter diese nicht vor jedweder Störung der terrestrischen Übertragung schützt, sondern sie vielmehr grundsätzlich verpflichtet, für eine störungsfreie Technik zu sorgen. Dem ist der Beigeladene im Rahmen des Zulassungsantrages nicht substantiiert entgegengetreten, sodass der Senat auf die überzeugenden Ausführungen der Vorinstanz Bezug nehmen kann. Die Frage, unter welchen Umständen Störungen des terrestrischen Empfangs einen Umfang erreichen können, der geeignet ist, den Grundversorgungsauftrag der Rundfunkveranstalter unzulässig zu erschweren, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Beantwortung. Denn nach eigenem Vortrag des Beigeladenen (s. das Schreiben vom 17. Dezember 2002, Bl. 79 der Widerspruchsakte) lassen sich in derzeit bebauten Gebieten, deren Schutz allein Gegenstand der strittigen Auflage ist, keine gravierenden Störungen nachweisen. Sind somit Störungen, die die Schwelle der verfassungsrechtlichen Erheblichkeit erreichen könnten, nicht ersichtlich, scheidet eine Sicherung des Grundversorgungsauftrages durch Genehmigungsauflage aus.

Entgegen der Auffassung des Beigeladenen sichert die strittige Auflage auch nicht die sich aus der bauordnungsrechtlichen Generalklausel (§ 3 Abs. 1 LBauO) ergebenden Anforderungen an die Windenergieanlage. Da deren Abschattungswirkung - wie erörtert - nicht gegen spezielle Rechtsvorschriften verstößt, ist weder von den Antragstellern vorgetragen noch sonst ersichtlich, welches weitere Schutzgut der öffentlichen Sicherheit durch die Auflage gesichert werden könnte. Dass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung nicht in Betracht kommt, bedarf keiner näheren Darlegung.

2. Auch der Zulassungsgrund besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) greift nicht. Denn es lässt sich - wie oben ausgeführt - bereits im Zulassungsverfahren auf der Grundlage des Gesetzestextes und der Rechtsprechung ohne weiteres erkennen, dass die strittige Auflage der erforderlichen Legitimation entbehrt und daher das angefochtene Urteil im Berufungsverfahren bestätigt werden müsste.

3. Den Fragen,

"wie sich in rechtlicher Hinsicht befürchtete Störungen auf den Rundfunkbetrieb durch den Betrieb von Windenergieanlagen vermeiden lassen" und

"ob und inwieweit ein Rundfunkveranstalter weitergehende Rechte aufgrund seines Verfassungsauftrages in Anspruch nehmen kann"

kommt die ihnen vom Beigeladenen beigemessene Grundsatzbedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht zu. Die Beantwortung beider Fragen hängt entscheidend von Umfang, Intensität und technischer Überwindbarkeit der verursachten Empfangsstörungen ab und ist von daher einer einzelfallübergreifenden Klärung nicht zugänglich. Im übrigen könnten die Fragen im Berufungsverfahren auch deshalb nicht geklärt werden, weil es auf sie mangels Störung im Bereich der durch die Auflage geschützten Bestandsbebauung nicht ankäme.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 25 Abs. 2 Satz 2, 14 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Der Senat macht von seiner Befugnis zur Abänderung des erstinstanzlichen Streitwertes (§ 25 Abs. 2 Satz 2 GKG) Gebrauch; der rechtliche Ansatz des Verwaltungsgerichts, den Streitwert gemäß Nr. II 16.1.2 des Streitwertkataloges nach den durch die Auflage verursachten Mehrkosten zu bemessen, erscheint ohne weiteres zutreffend. Liegen die möglichen Mehrkosten nach Vortrag des Beigeladenen indessen in einem Rahmen von 5.000 € bis 30.000 € je Abhilfemaßnahme und Windenergieanlage, so führt die von der Vorinstanz zu Recht durchgeführte Mittelung zu einem Streitwert von 17.500 €. Denn Streitgegenstand ist vorliegend eine Auflage in der Änderungsbaugenehmigung für eine Windenergieanlage. Bei der Mittelung können daher die beiden anderen, immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlagen, die Gegenstand des Parallelverfahrens 3 K 524/03.NW waren, nicht berücksichtigt werden.

Ende der Entscheidung

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