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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 08.12.2004
Aktenzeichen: 8 A 11150/04.OVG
Rechtsgebiete: KAG 1986, AO, BauGB 1986


Vorschriften:

KAG 1986 § 5
KAG 1986 § 5 Abs. 3
KAG 1986 § 5 Abs. 3 S. 1
KAG 1986 § 11
KAG 1986 § 11 Abs. 5
KAG 1986 § 11 Abs. 5 S. 1
KAG 1986 § 39
KAG 1986 § 39 Abs. 1
KAG 1986 § 39 Abs. 1 Nr. 4
AO § 169
AO § 169 Abs. 2
AO § 169 Abs. 2 S. 1
AO § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
AO § 170
AO § 170 Abs. 1
BauGB 1986 § 33
BauGB 1986 § 33 Abs. 1
BauGB 1986 § 33 Abs. 1 Nr. 3
Die gesicherte Bebaubarkeit, die für die Heranziehung von unbebauten und nicht angeschlossenen Außenbereichsgrundstücken zu Beiträgen für leitungsgebundene Einrichtungen grundsätzlich erforderlich ist, tritt auch dann, wenn der das Grundstück umfassende Entwurf eines Bebauungsplanes Planreife erlangt hat, frühestens mit dem Eingang einer verbindlichen Anerkenntniserklärung gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB bei der Bauaufsichtsbehörde ein (Anschluss an BayVGH, Urteil vom 26. Januar 1993 - 23 B 89.2983 -).
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 A 11150/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Abwasserbeseitigungsbeitrags

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 2004, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Bier Richterin am Oberverwaltungsgericht Spelberg Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch ehrenamtlicher Richter Fernmeldeoberamtsrat a.D. Trost ehrenamtliche Richterin Architektin Spieß für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 03. Mai 2004 wird teilweise geändert. Die Bescheide der Beklagten vom 22. Dezember 1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2003 werden insoweit aufgehoben, als darin ein einmaliger Beitrag für die Oberflächenentwässerung festgesetzt worden ist. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen die Beklagte zu 7/12, die Kläger zu 5/12.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen die Heranziehung zu einmaligen Entwässerungsbeiträgen.

Sie sind Miteigentümer von zehn insgesamt 19.521 qm großen Grundstücken im Industriegebiet F. in N., die von der R.D.-Straße erschlossen werden. In dieser Straße hat die Beklagte einen spätestens 1990 betriebsbereit gewordenen Mischwasserkanal verlegen lassen.

Der am 06. Mai 1993 in Kraft getretene Bebauungsplan für das Industriegebiet Friedrichshof enthält unter Ziff. 5.1 der Textfestsetzungen folgende Bestimmung:

"Bei der Oberflächenentwässerung der Grundstücke sind die auf einem Anteil von mindestens 80 % der befestigten Fläche anfallenden Oberflächenwässer breitflächig in den Untergrund zu versickern oder als Brauchwasser zu nutzen, sofern andere gesetzliche Vorschriften dem nicht entgegenstehen. (...) Können aus hydrogeologischen Gründen oder aufgrund entgegenstehender gesetzlicher Bestimmungen nicht die auf mindestens 80 % der befestigten Flächen anfallenden Oberflächenwässer auf dem Grundstück versickern oder als Brauchwasser genutzt werden, ist zu prüfen, inwieweit eine externe Versickerung an räumlich anderer Stelle möglich ist. Bestehen derartige Voraussetzungen nicht, kann als Ausnahme die Ableitung der Oberflächenwässer in die Kanalisation gestattet werden."

Ab 1991 bebauten die Kläger ihre Grundstücke mit mehreren Hallen, wobei die jeweiligen Baugenehmigungen die Ziff. 5.1 der Textfestsetzungen des Bebauungsplanes wiederholten oder auf die Beachtung dieses Planes verwiesen. Zudem erhielten die Kläger im Rahmen der Bebauung mehrere wasserrechtliche Erlaubnisse zur Einleitung des Niederschlagswassers ins Grundwasser.

Mit Beitragsbescheiden vom 22. Dezember 1994 veranlagte die Beklagte die Kläger als Gesamtschuldner hinsichtlich der zehn Grundstücke zu einem einmaligen Entwässerungsbeitrag in Höhe von 238.924,80 DM (Schmutzwasser: 99.942,40 DM; Oberflächenwasser: 138.982,40 DM).

Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens haben die Kläger Klage erhoben. Sie behaupten, der Beitragsanspruch sei verjährt, weil der Kanal 1989 betriebsfertig geworden sei. Dies ergebe sich aus den Bauakten der Beklagten, insbesondere den dort enthaltenen Protokollen über die Abnahme der einzelnen Bauabschnitte und die durchgeführten Druckproben. Auf die erst 1990 erfolgte Gesamtabnahme der Kanalisations- und Straßenbaumaßnahme komme es insoweit nicht an. Unerheblich sei auch die planungsrechtliche Qualität ihrer Grundstücke im Zeitpunkt der Betriebsfertigkeit des Kanals. Die Beitragspflicht könne auch dann entstehen, wenn die Erschließung eine andere als eine bauliche oder gewerbliche Nutzung ermögliche. Ungeachtet dessen sei der Beitrag für das Oberflächenwasser überhöht, weil die baurechtlichen Versickerungsgebote nicht berücksichtigt worden seien. Das nicht zur Ableitung in die Kanalisation gesammelte Niederschlagswasser sei kein Abwasser im Rechtssinne.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen: Festsetzungsverjährung sei bei Erlass der Beitragsbescheide nicht eingetreten gewesen. Ein Beitragsanspruch habe vor 1990 nicht entstehen können, weil die Grundstücke der Kläger bis 1993 im Außenbereich gelegen hätten und daher nicht bebaubar gewesen seien. Eine Bebaubarkeit nach § 33 BauGB habe zum einen vor 1990 nicht vorgelegen und begründe zum anderen keinen beitragsrechtlichen Vorteil. Zudem fehle es vor 1990 auch an einem tatsächlichen Vorteil, da der Mischwasserkanal ungeachtet der Frage seiner Fertigstellung erst 1990 an die Kläranlage angeschlossen und somit betriebsfertig geworden sei. Es bestünden auch keine Bedenken gegen die Höhe des Oberflächenwasserbeitrages. Es könne dahinstehen, ob die Versickerungsgebote im Bebauungsplan überhaupt durch § 9 BauGB gedeckt seien. Jedenfalls verstießen sie gegen Regelungen des seinerzeit geltenden LWG, wonach die Abwasserbeseitigungspflicht uneingeschränkt das Niederschlagswasser umfasst habe. Auch das seit 1995 geltende Wasserrecht lasse hinsichtlich bei seinem Inkrafttreten bestehender Kanäle das Einleitungsrecht für Oberflächenwasser und damit den vollen beitragsrechtlichen Vorteil unberührt. Für diesen Vorteil sei auch der fehlende Anschluss- und Benutzungszwang unbeachtlich.

Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Die tatsächliche und rechtliche Anschlussmöglichkeit sei bereits vor 1990 entstanden. Hinsichtlich der Betriebsbereitschaft des Kanals habe das Verwaltungsgericht verkannt, dass die Beklagte die Beweislast für die Einhaltung der Festsetzungsfrist und damit auch für eine nach dem 31. Dezember 1989 eingetretene Betriebsbereitschaft trage. Soweit sich der Fertigstellungszeitpunkt aus den Verwaltungsakten nicht zweifelsfrei entnehmen lasse, gehe dies zu Lasten der Beklagten. Auch in rechtlicher Hinsicht gewähre eine Bebaubarkeit von Grundstücken auf der Grundlage des § 33 BauGB einen beitragsrelevanten Vorteil unabhängig davon, ob die subjektiven Voraussetzungen der Vorschrift im Einzelnen erfüllt seien. Das Versickerungsgebot im Bebauungsplan sei durch städtebauliche Gründe gedeckt und finde daher in § 9 BauGB eine ausreichende Rechtsgrundlage. Es verstoße auch nicht gegen wasserrechtliche Vorschriften, da versickerungsfähiges Niederschlagswasser kein Abwasser sei und daher auch nicht der Beseitigungspflicht unterliege. Die Beitragssatzung der Beklagten müsse unter dem Aspekt der Abgabengleichheit den durch das beschränkte Einleitungsrecht geminderten Vorteil auch durch einen entsprechend differenzierten Beitragssatz berücksichtigen. Überdies sei das Verwaltungsgericht ohne Beiziehung der Entwässerungspläne einfach davon ausgegangen, dass die Kanäle der Beklagten zur Aufnahme des gesamten Oberflächenwassers geplant worden seien. Ungeachtet dessen sei die Entwässerungsplanung bisher jedenfalls insoweit nicht ausgeführt worden, als das in den Plänen als "RHB II" gekennzeichnete Rückhaltebecken nicht gebaut worden sei. Ohne dieses Rückhaltebecken könne die Flächenkanalisation aufgrund ihrer Dimensionierung keinesfalls das gesamte Oberflächenwasser des Industriegebiets aufnehmen, weshalb es insoweit an einem beitragserheblichen Vorteil fehle. Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Bescheide der Beklagten vom 22. Dezember 1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und weist ergänzend darauf hin, dass Planreife hinsichtlich des 1993 in Kraft getretenen Bebauungsplanes vor 1992 nicht vorgelegen habe, da es bis dahin an dem erforderlichen landespflegerischen Planungsbeitrag gefehlt habe. Die Versickerungsfestsetzung im Bebauungsplan sei nichtig, weil sie einer Rechtsgrundlage in § 9 BauGB in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden, hier maßgeblichen Fassung entbehre. Der Kanal reiche für die Aufnahme sämtlicher Oberflächenwässer aus, auch wenn das geplante Rückhaltebecken "RHB II" bisher im Hinblick auf die baurechtlich angeordnete Versickerung des Oberflächenwassers und den fehlenden Endausbau des Industriegebietes nicht errichtet worden sei. Im Übrigen versickerten auf den Grundstücken der Kläger ohnehin nur 29 Prozent und nicht 80 Prozent des Oberflächenwassers.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Akten der Beklagten betreffend die Aufstellung des Bebauungsplanes, den Bau von Straße und Kanalisation, die Beitragsveranlagung und das Widerspruchsverfahren lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird ebenfalls verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nur zum Teil begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen, soweit sie sich gegen die Festsetzung eines einmaligen Beitrages zur Schmutzwasserbeseitigung richtet (I). Hinsichtlich des Beitrages zur Niederschlagswasserbeseitigung fehlt es indessen - wie sich aber erst in der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz herausgestellt hat - an einer plangemäßen Herstellung der Abwasserbeseitigungseinrichtung und damit an einer Voraussetzung für die Beitragserhebung (II).

I. Die Erhebung eines einmaligen Beitrages für die Schmutzwasserbeseitigung findet ihre Rechtsgrundlage in den vom Verwaltungsgericht zitierten Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes vom 05. Mai 1986 (GVBl. S. 103) - KAG 1986 - in Verbindung mit der Satzung der Beklagten über die Erhebung von einmaligen Beiträgen für die öffentliche Wasserbeseitigungseinrichtung etc. vom 03. November 1994 - ESA 1994 -. Die Vorschriften des KAG 1986 finden trotz des Außerkrafttretens dieses Gesetzes am 31. Dezember 1995 weiterhin auf unter seiner Geltung geschaffene beitragsrechtlich relevante Rechtsverhältnisse und Tatbestände Anwendung (s. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. März 1997, AS 25, 421).

Dass die angefochtenen Bescheide insgesamt zehn den Klägern gehörende Buchgrundstücke als Wirtschaftseinheit zu Schmutzwasserbeiträgen veranlagen, begegnet angesichts der seinerzeit in § 26 Abs. 3 Satz 1 KAG 1986 getroffenen Regelung und des im Zeitpunkt des Bescheiderlasses erreichten Bebauungsstandes dieser Grundstücke keinen Bedenken.

Im Zeitpunkt der Beitragserhebung bot der in der R.D.-Straße verlegte Mischwasserkanal den Grundstücken der Kläger jedenfalls im Hinblick auf die Schmutzwasserbeseitigung den nach § 5 Abs. 3 Satz 1 KAG 1986 erforderlichen Vorteil. Dies setzt voraus, dass die Abwasserbeseitigungseinrichtung in voller Funktionstüchtigkeit zur Verfügung steht, mithin in einer Weise bereitgehalten wird, dass sie in Bezug auf das jeweils betroffene Grundstück entsprechend der Planvorstellung genutzt werden kann (s. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. März 1993 - 12 A 12381/92.OVG -, ESOVGRP). Ausreichend hierfür ist demnach nicht die faktische Einleitungsmöglichkeit in die jeweils am Grundstück vorbeiführende Straßenleitung, sondern die insgesamt plangemäße Ableitung des Abwassers. Anders als für die Beseitigung des Niederschlagswassers (s. dazu unten) genügt der im Zeitpunkt der Beitragserhebung vorhandene Ausbau der Flächenkanalisation im hier fraglichen Bereich den in der Entwässerungsplanung der Beklagten zum Ausdruck gekommenen Vorstellungen über die Beseitigung des Schmutzwassers. Nach den unwidersprochenen Feststellungen im angegriffenen Urteil ist der Mischwasserkanal im Laufe des Jahres 1990 plangemäß an die Kläranlage angeschlossen worden. Auch im Übrigen war die Kanalisationsplanung im Dezember 1994 in einer Weise umgesetzt, die den planerischen Anforderungen an die Schmutzwasserbeseitigung in vollem Umfang Rechnung trug. Denn aus den Planungsunterlagen lässt sich hinreichend deutlich entnehmen, dass dem - bis heute - fehlenden Rückhaltebecken II lediglich Bedeutung im Hinblick auf die Niederschlagswasserbeseitigung zukam (s. Bl. 16ff. des Erläuterungsberichts des Ingenieurbüros N. zur Kanalplanung).

Entgegen der Auffassung der Kläger war der Schmutzwasserbeitrag bei Erlass des angefochtenen Bescheides auch nicht verjährt. Nach §§ 39 Abs. 1 Nr. 4 KAG 1986, 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 170 Abs. 1 AO beträgt die Dauer der Verjährungsfrist vier Jahre und beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem der Beitragsanspruch entstanden ist. Der unter dem 22. Dezember 1994 festgesetzte Schmutzwasserbeitrag wäre somit nur dann verjährt, wenn der Beitragsanspruch vor dem 01. Januar 1990 entstanden wäre. Dies ist indessen nicht der Fall.

Es kann insoweit dahinstehen, ob der Kanal - wie die Kläger behaupten - vor dem 01. Januar 1990 im in Betrieb genommen worden ist, was nach § 11 Abs. 5 Satz 1 KAG 1986 Voraussetzung für die Entstehung des Beitragsanspruchs ist. Zudem bedarf es keiner Entscheidung, ob vor dem 01. Januar 1990 für den Beginn der Festsetzungsverjährung erforderliche (s. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09. Februar 1995 - 12 A 10521/94.OVG -, S. 8 UA) wirksame Beitragssatzungen existierten. Dies erscheint angesichts der vom Verwaltungsgericht mit Urteil vom 09. Februar 1994 (2 K 694/92.KO) für nichtig erklärten Satzung über die Beitragssätze vom 05. August 1987 und der gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 1986 in der am 15. Dezember 1993 außer Kraft getretenen Fassung auf vier Jahre beschränkten (s. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Mai 1993 - 12 A 11662/91.OVG -) Rückwirkung der den Fehler heilenden Satzung vom 03. November 1994 fraglich (s. zu alledem ausführlich den Hinweisbeschluss des Senats vom 03. Dezember 2004).

Eine Entstehung der Beitragspflicht vor dem 01. Januar 1990 scheidet nach zutreffender Ansicht der Vorinstanz jedenfalls deshalb aus, weil die veranlagten Grundstücke bis zu diesem Zeitpunkt unstreitig im Außenbereich lagen. Solche Grundstücke sind aber grundsätzlich nicht gesichert bebaubar, sodass ihnen die Vorhaltung eines betriebsfertigen Kanals nicht den nach § 5 Abs. 3 Satz 1 KAG 1986 erforderlichen Vorteil vermitteln kann. Anderes gilt nur dann, wenn sie bebaut und angeschlossen sind (s. Driehaus, KAG, § 8 Rn 1032; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02. Mai 1991 - 12 A 12538/90.OVG - und Beschluss vom 02. Dezember 2003 - 8 A 11658/03.OVG -, S. 4 BA). Im vorliegenden Fall hat die Bebauung der Grundstücke erst im Herbst 1991 begonnen (s. Bauschein Nr. 326/91); der Bebauungsplan ist erst am 06. Mai 1993 in Kraft getreten.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist ihren Grundstücken vor 1990 eine gesicherte, beitragserhebliche Bebaubarkeit auch nicht durch § 33 BauGB vermittelt worden. Nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB in der hier maßgebenden Fassung vom 08. Dezember 1986 setzt die Zulässigkeit eines Vorhabens in Gebieten, für die ein Planaufstellungsbeschluss gefasst ist, voraus, dass der Bauantragsteller die künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans für sich und seine Rechtsnachfolger schriftlich anerkannt hat. Der Senat teilt die Auffassung der Vorinstanz und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (s. Urteil vom 26. Januar 1993 - 23 B 89.2983 -; juris), wonach von einer gesicherten Bebaubarkeit eines Grundstücks im beitragsrechtlichen Sinne keinesfalls ausgegangen werden kann, bevor nicht die mit einem Bauantrag verbundene Anerkenntniserklärung vorliegt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 18. April 1996, NVwZ 1996, 892) bewirkt erst die Anerkenntniserklärung, dass eine öffentliche Last auf dem Grundstück liegt, die in planungsrechtlicher Hinsicht den Status des Grundstücks festlegt und das Inkrafttreten des Bebauungsplanes für dieses Grundstück im praktischen Ergebnis vorverlegt. Vorliegend ging die Erklärung gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB erst am 29. November 1990, der erste Bauantrag am 05. Mai 1991 bei der Beklagten ein, sodass sich vorher der planungsrechtliche Status der Grundstücke als Außenbereichsgrundstücke nicht ändern konnte und daher auch keine gesicherte Bebaubarkeit gegeben war.

Weitere Bedenken gegen die Erhebung des nach alledem nicht verjährten Schmutzwasserbeitrages sind von den Klägern nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich.

II. Die Erhebung des Beitrages für die Niederschlagswasserbeseitigung erweist sich indessen als rechtswidrig, weil es im Zeitpunkt der Beitragserhebung mangels plangemäßer Ableitungsmöglichkeit für das Niederschlagswasser an dem erforderlichen Vorteil für die Grundstücke der Kläger fehlte (s. zur Möglichkeit einer zeitlich voneinander abweichenden Entstehung der Beitragspflichten für Schmutz- und Niederschlagswasser im Einzelnen Mildner in Driehaus: KAG, § 8 Rn 1369).

Die im Zeitpunkt der Beitragserhebung geltende Kanalplanung der Beklagten für den hier fraglichen Bereich ergibt sich aus den von der Beklagten hierzu vorgelegten Unterlagen, nämlich dem vom Ingenieurbüro N. im Jahre 1988 erstellten "Erläuterungsbericht zum Entwurf der Entwässerungsanlage des Industriegebietes G. der Stadt N.", einen von diesem Büro gezeichneten Lageplan "Entwässerungsplanung Teilbereich 2 (neue Überplanung)" vom 03. August 1989 (Bl. 318 der Verwaltungsakte 1-551 2000.1) sowie dem vom Ingenieur-Büro G. 1993 aufgestellten Kanalkataster. In allen diesen Unterlagen ist die Errichtung eines Rückhaltebeckens südlich der B 42 vorgesehen, in das auch die aus der R.D.-Straße abfließenden Abwässer eingeleitet werden sollen. Aus dem Erläuterungsbericht ergibt sich - wie bereits oben bemerkt -, dass dieses Rückhaltebecken angesichts der geplanten unterschiedlichen Kanaldimensionierung nördlich und südlich des Beckens zur Bewältigung der aus dem Norden kommenden Niederschlagswassermengen für erforderlich gehalten wurde. Ob - wie von der Beklagten in der mit Schriftsatz vom 25. Januar 2005 überreichten Nachrechnung des Ingenieurbüros G. (S. 3) behauptet - im Jahre 1993 die Planung im Hinblick auf den Umfang des Abflusses aus dem geplanten Rückhaltebecken geändert worden ist, kann dahinstehen. Denn das Becken ist ausweislich des Kanalkatasters - jedenfalls - zunächst zweifelsfrei Bestandteil der Planung geblieben. Ist aber zwischen den Beteiligten unstreitig, dass es bis heute nicht errichtet worden ist, so stand im Dezember 1994 die Abwasserbeseitigungseinrichtung hinsichtlich der Niederschlagswasserbeseitigung nicht in der vollen Funktionstüchtigkeit zur Verfügung, wie sie den seinerzeitigen Planungsvorstellungen der Beklagten entsprach. Dies steht aber der Annahme eines beitragserheblichen Vorteils zum fraglichen Zeitpunkt entgegen. Die Beklagte kann sich insoweit nicht darauf berufen, dass die Kanalisation auch ohne das geplante Rückhaltebecken bisher funktioniert habe bzw. nach heutigen Erkenntnissen auch so den Regeln der Technik entspreche (s. S. 6f. der zitierten Nachrechnung). Denn für die Entstehung des beitragserheblichen Vorteils ist nicht das tatsächliche, sondern das plangerechte Funktionieren einer Abwasserbeseitigungseinrichtung maßgebend (s. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. Juli 1996 - 12 A 11560/95.OVG -, ESOVGRP, wonach eine tatsächlich funktionierende Oberflächenentwässerung in einen Vorfluter nur dann einen beitragserheblichen Vorteil begründet, wenn sie als solche in der Entwässerungsplanung vorgesehen ist).

Ist die angefochtene Erhebung des einmaligen Beitrages für die Niederschlagswasserbeseitigung daher zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem die Beitragspflicht noch nicht entstanden war, so hat die Beklagte auch nicht darzulegen vermocht, dass dieser Mangel des Beitragsbescheides später geheilt worden ist. Dies könnte allenfalls dann erwogen werden, wenn die Abwassereinrichtung während der Geltungsdauer der Rechtsgrundlagen, die für die in den angefochtenen Bescheiden konkretisierte Beitragspflicht maßgebend sind (KAG 1986 und ESA 1994), hinsichtlich der Niederschlagswasserbeseitigung zu planungskonformer Funktion gelangt wäre. Da das Rückhaltebecken bis heute nicht gebaut worden ist, käme demnach eine Heilung nur in Betracht, wenn die Beklagte ihre Kanalplanung spätestens bis Ende 1995 (Außerkrafttreten des KAG 1986) in einer Weise geändert hätte, die eine Ableitung der im Einzugsgebiet der Einrichtung anfallenden Niederschlagswässer ohne Inanspruchnahme des ursprünglich geplanten Rückhaltebeckens vorsieht. Dies lässt sich dem Vorbringen der Beklagten indessen nicht entnehmen. Vielmehr räumt die oben zitierte Nachrechnung des Ingenieurbüros G. (S. 3) selbst ein, dass eine genaue Planung der künftigen Entwässerungsgestaltung immer noch aussteht. Daraus folgt, dass es jedenfalls bis Ende 1995 eine vom dokumentierten Planungsstand 1993 abweichende, beitragsrechtlich beachtliche Entwässerungsplanung für das hier fragliche Gebiet nicht gegeben hat. Dies belegen auch die Äußerungen des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung erster Instanz (Bl. 218 GA), wonach die Entwässerungsplanung die Einleitung aller anfallenden Oberflächenwässer in den Kanal vorsehe, was "auch schon 1990" so gewesen sei. Demgemäß hat sich die Beklagte offenkundig bis in die jüngste Zeit ohne Änderung der Entwässerungsplanung mit dem tatsächlichen Funktionieren der planabweichend ausgestalteten Ableitungsmöglichkeit für das Niederschlagswasser begnügt, das nach den Angaben des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung nicht zuletzt auf die - wegen baurechtlicher Restriktionen - bisher weitgehend unterbliebene Einleitung von Niederschlagswasser zurückzuführen ist.

Ob die Beklagte im Zusammenhang mit dem vorliegenden Rechtsstreit, insbesondere durch die Erstellung der vom Dezember 2004 datierenden Nachrechnung ihre Entwässerungsplanung für den fraglichen Bereich in beitragsrechtlich erheblicher Weise geändert hat, kann im Übrigen dahinstehen. Selbst wenn dies der Fall wäre, führte dies nicht zu einer rückwirkenden Entstehung der Beitragspflicht. Vielmehr würde eine solche allenfalls mit der Änderung entstehen und richtete sich nach Art und Höhe nach den in diesem Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften (KAG 1996 sowie aufgrund dieses Gesetzes erlassene Satzungen).

Fehlt es für die angefochtene, auf das KAG 1986 und die ESA 1994 gestützte Erhebung von Beiträgen zur Niederschlagswasserbeseitigung demnach schon an einem beitragserheblichen Vorteil, so kann dahinstehen, ob und inwieweit daneben die im Bebauungsplan und einzelnen Baugenehmigungen enthaltenen Regelungen über die beschränkte Einleitung von Niederschlagswasser in die Kanalisation einer uneingeschränkten Beitragserhebung entgegensteht. Insoweit wird auf die Ausführungen im Senatsbeschluss vom 03. Dezember 2004 Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten aus §§ 167 VwGO, 708ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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