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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 13.03.2006
Aktenzeichen: 8 A 11599/05.OVG
Rechtsgebiete: EGStGB, GG, SperrbezV


Vorschriften:

EGStGB Art. 297
EGStGB Art. 297 Abs. 1
EGStGB Art. 297 Abs. 1 Nr. 1
EGStGB Art. 297 Abs. 1 Nr. 2
EGStGB Art. 297 Abs. 3
GG Art. 2
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 12
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 14
GG Art. 14 Abs. 1
SperrbezV § 1 F: 1986
SperrbezV § 10 F: 2005
SperrbezV § 10 Abs. 2 F: 2005
Nach Aufhebung der Rechtsverordnung zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes für Rheinland-Pfalz vom 19. April 2005 (StAnz. S. 582) durch Rechtsverordnung vom 26. Oktober 2005 (StAnz. S. 1484) gilt im ehemaligen Regierungsbezirk Rheinhessen-Pfalz die Rechtsverordnung zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes für den Regierungsbezirk Rheinhessen-Pfalz vom 14. August 1986 (StAnz. S. 916) in der Fassung der letzten Änderungsverordnung vom 17. Februar 2004 (StAnz. S. 202) weiter.

Die Fortgeltung des seit Jahrzehnten bestehenden Prostitutionsverbotes in den Gemeinden des heutigen Rhein-Pfalz-Kreises unterliegt auch nach dem Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I, 3938) keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

8 A 11599/05.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Bauvorbescheids

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 13. März 2006, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch Richter am Verwaltungsgericht Bender

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 08. August 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides zur Umnutzung eines Zahntechniklabors in eine Sauna mit Prostitutionsausübung.

Er beabsichtigt, das auf dem einem Dritten gehörenden Grundstück errichtete, bisher als Zahntechniklabor genutzte Gebäude in M., An der F. ..., zu einer Sauna mit Prostitutionsausübung umzubauen. Das Baugrundstück liegt im Bereich des Bebauungsplans "Gewerbegebiet S... - Änderung 3" der Gemeinde M., der insoweit ein Gewerbegebiet festsetzt, in dem Vergnügungsstätten und Räume mit Sexdarbietungen ausgeschlossen sind.

Die Erteilung eines vom Kläger am 30. August 2004 beantragten positiven Bauvorbescheides lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 07. Oktober 2004 unter Hinweis auf entgegenstehende Festsetzungen des Bebauungsplanes ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten mit der Begründung zurück, § 1 der Rechtsverordnung zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes für den Regierungsbezirk Rheinhessen-Pfalz vom 14. August 1986 (StAnz. S. 916) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 23. August 2001 (StAnz. S. 1717), wonach u.a. im Gebiet des Rhein-Pfalz-Kreises die Prostitutionsausübung verboten sei, stehe dem Vorhaben als sonstige Vorschrift des öffentlichen Rechts entgegen.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht unter Berufung auf das in einer am 19. April 2005 von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion erlassenen Rechtsverordnung zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes für Rheinland-Pfalz (StAnz. S. 582) enthaltene Prostitutionsverbot für das Gebiet des Rhein-Pfalz-Kreises ab.

Diese Verordnung, die ihrerseits die Verordnung vom 14. August 1986 in der Fassung der letzten Änderungsverordnung vom 17. Februar 2004 (StAnz. S. 202) außer Kraft gesetzt hatte, hob die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion mit Verordnung vom 26. Oktober 2005 (StAnz. S. 1484) auf. Die Bekanntmachung enthielt den Hinweis "Es wird darauf hingewiesen, dass die Prostitutionsverbote, die mit Inkrafttreten der o.a. Rechtsverordnung vom 19. April 2005 außer Kraft getreten sind, durch diese Aufhebung wieder Gültigkeit erlangen".

Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er meint, nach Aufhebung der Verordnung vom 26. Oktober 2005 existiere kein rechtsverbindliches Prostitutionsverbot für den Rhein-Pfalz-Kreis mehr. Insbesondere könne die aufgehobene Verordnung vom 14. August 1986 nicht durch einen bloßen Hinweis wieder in Kraft gesetzt werden. Dies ergebe sich auch aus ihrem Charakter als Gefahrenabwehrverordnung sowie aus rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit und die Verkündung von Rechtsnormen. Große Teile des Landes mit einem flächendeckenden Prostitutionsverbot zu belegen, sei ein ungerechtfertigter Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG. Nach Erlass des Prostitutionsgesetzes im Jahr 2002 sei ein derart weitgehender Ausschluss, dazu noch in einem Gewerbegebiet, nicht mehr zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes erforderlich.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils und Aufhebung des Bescheides vom 17. Oktober 1004 sowie des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2005 zu verpflichten, ihm den am 30. August 2004 beantragten Bauvorbescheid zu erteilen.

Der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält das Vorhaben im Hinblick auf die von ihm im Widerspruchsbescheid zitierte Verordnung, die nach Aufhebung der Verordnung vom 19. April 2005 wieder Geltung beanspruche, für unzulässig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten sowie Verwaltungsvorgänge der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion betreffend Änderungen der Rechtsverordnung zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes für den Regierungsbezirk Rheinhessen-Pfalz lagen dem Senat vor. Auf ihren Inhalt wird ebenfalls verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung, die der Senat einstimmig für unbegründet hält und über die er - nicht zuletzt aufgrund des bereits ergangenen Urteils vom 17. Juli 2002 (BauR 2002, 1692) und der hierzu ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. November 2003 (NVwZ 2004, 743) - gemäß § 130a VwGO nach vorheriger Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheidet, hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erteilung des beantragten Bauvorbescheides für sein Vorhaben zu. Zwar ist dieses nach zutreffender Auffassung des Verwaltungsgerichts mit dem Bebauungsplan "Gewerbegebiet S... - Änderung 3" der Gemeinde M. vereinbar. Es steht aber offensichtlich in Widerspruch zu sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften in Gestalt des § 1 der Rechtsverordnung zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes für den Regierungsbezirk Rheinhessen-Pfalz vom 14. August 1986 in der zuletzt durch Verordnung vom 17. Februar 2004 geänderten Fassung - SperrbezV 1986 -. Ungeachtet der Frage, ob der Kläger seine anfangs wohl nur auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens gerichtete Bauvoranfrage im Widerspruchsverfahren stillschweigend auf die ordnungsrechtliche Problematik des Sauna-Bordells erstreckt hat, kann er daher jedenfalls unter dem Gesichtspunkt fehlenden Sachbescheidungsinteresses (s. dazu Senatsurteil vom 17. Juli 1996 - 8 A 11337/95.OVG -, ESOVGRP) keinen positiven Bauvorbescheid beanspruchen.

Nach § 1 SperrbezV 1986 ist in allen Gemeinden mit weniger als 50.000 Einwohnern im Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Rheinhessen-Pfalz, d.h. unter anderem auch im Gebiet des Rhein-Pfalz-Kreises, wozu die verbandsfreie Gemeinde M. mit 13.000 Einwohnern (s. ...) gehört, die Ausübung der Prostitution verboten. Gegen dieses Verbot verstoßen Errichtung und Betrieb einer Sauna mit Prostitutionsausübung. Die genannte Vorschrift ist weder außer Kraft getreten (1) noch begegnet ihre Gültigkeit in materieller Hinsicht Bedenken (2).

1. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Geltung der Sperrbezirksverordnung 1986 durch den Erlass der Verordnung vom 19. April 2005 - SperrbezV 2005 - nicht beendet worden. Zwar ordnet deren § 10 Abs. 2 an, dass am Tag nach der Veröffentlichung der Sperrbezirksverordnung 2005 alle Verordnungen außer Kraft treten, durch welche bislang innerhalb des Landes Rheinland-Pfalz die Prostitutionsausübung eingeschränkt oder gänzlich verboten worden ist. Der Gehalt dieses Normbefehls erschöpft sich indessen in einer der Rechtssicherheit dienenden Umschreibung der von der Sperrbezirksverordnung 2005 ausgehenden Derogationswirkung (s. dazu Bundesministerium der Justiz: "Handbuch der Rechtsförmlichkeit", Rz 531). Er ist - ebenso wie die Derogationswirkung der Sperrbezirksverordnung 2005 selbst - durch die Rechtsverordnung vom 26. Oktober 2005 mit ex tunc-Wirkung beseitigt worden. Diese hat die Sperrbezirksverordnung 2005 "aufgehoben, soweit sie nicht bereits durch die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. Oktober 2005, 12 C 11236/05.OVG und 12 C 11023/05.OVG für unwirksam erklärt worden ist". Aus dieser Formulierung wird deutlich, dass der Verordnungsgeber hinsichtlich der Sperrbezirksverordnung 2005 insgesamt mittels Aufhebung den Rechtszustand herstellen wollte, der für deren § 1 Nr. 09 und § 2 Abs. 7 Nr. 1.4 bereits durch Erlass der zitierten Normenkontrollurteile eingetreten war. Dieser ist aber durch die von Anfang an mangelnde Geltung einer Rechtsvorschrift gekennzeichnet (s. Kopp/Schenke: VwGO, 13. Aufl. 2003, § 47 Rn 144).

Dass es dem Verordnungsgeber darauf ankam, die Geltung der Sperrbezirksverordnung 2005 insgesamt (und damit auch ihres § 10 Abs. 2 ) rückwirkend zu beseitigen, wird durch den Hinweis bestätigt, der der Veröffentlichung der Aufhebungsverordnung beigefügt ist. Der Hinweis lässt erkennen, dass der Verordnungsgeber infolge der rückwirkenden Aufhebung des § 10 Abs. 2 SperrbezV 2005 - zu Recht - von einer Fortgeltung der hiervon betroffenen Vorschriften ausgeht. Denn der von ihm durch die Aufhebung der Sperrbezirksverordnung 2005 herbeigeführte Zustand steht demjenigen gleich, der bei Gesamtnichtigkeit der Sperrbezirksverordnung 2005 bestünde. Stellt sich aber die Nichtigkeit eines Rechtssatzes heraus, der einen zuvor geltenden Rechtssatz abgelöst hat, führt dies - mangels Eintritt der Derogationswirkung - regelmäßig zur Fortgeltung des zuvor geltenden Rechtssatzes, auch ohne dass dieser durch ausdrücklichen erneuten Normbefehl erst wieder (ggf. rückwirkend) in Kraft gesetzt werden müsste (s. Schlaich/Korioth: Das Bundesverfassungsgericht, 6. Aufl. 2004, S. 319; Schneider, Gesetzgebung, S. 276; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, S. 144, BVerfGE 102, 197, 208).

Anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des 6. Senats des erkennenden Gerichts zur Geltung von Beitragssatzungen (s. Urteil vom 29. März 1976, AS 14, 250). Zwar ist hiernach in Fällen, in denen eine Beitragssatzung durch eine nachfolgende formell aufgehoben und zugleich materiell ersetzt wird, bei Nichtigkeit des materiellen Teils der nachfolgenden Satzung nicht ohne weiteres auch von einer Nichtigkeit der in ihr enthaltenen Aufhebungsregelung auszugehen, sodass die alte Satzung nicht "automatisch" weiter gilt. Dies beruht indessen auf der Erwägung, der Satzungsgeber mache angesichts der Möglichkeiten zum Erlass rückwirkender Beitragssatzungen den Aufhebungsbefehl hinsichtlich der alten Satzung nicht von der Gültigkeit des materiellen Teils der neuen Satzung abhängig (aaO., S. 252; kritisch dazu Schneider, aaO., S. 277). Derartige, spezifisch beitragsrechtliche Überlegungen greifen aber dann nicht Platz, wenn es - wie hier - um den nachträglichen Wegfall von Vorschriften geht, deren Zweck vorrangig darin bestand, den vorher in einer Vielzahl von Vorschriften mit regionaler Geltung geregelten Rechtszustand durch eine Verordnung mit landesweiter Geltung zusammen zu fassen und im wesentlichen beizubehalten.

2. Das im demnach fortgeltenden § 1 SperrbezV 1986 (auch) für den Rhein-Pfalz-Kreis und damit für das gesamte Gebiet der Gemeinde M. enthaltene Prostitutionsverbot begegnet hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht keinen Bedenken. Die Regelung ist von einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt (a) und genügt deren Anforderungen (b).

a. Gemäß Art. 297 Abs. 1 Nr. 1 EGStGB kann die Landesregierung (oder eine von ihr ermächtigte Behörde; s. Art. 297 Abs. 2 EGStGB) zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes für das ganze Gebiet einer Gemeinde bis zu 50.000 Einwohnern (mit alleinigem oder Hauptwohnsitz; s. BVerwG, Urteil vom 20. November 2003, NVwZ 2004, 743) die Prostitution verbieten. Diese Vorschrift genügt dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot und beinhaltet keinen unzulässigen Eingriff in die Grundrechte der allgemeinen Handlungsfreiheit, der Berufsfreiheit und des Eigentums (s. dazu im einzelnen überzeugend Nds. OVG, Urteil vom 24. Oktober 2002, NordÖR 2003, 26 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Auch das Inkraftreten des Prostitutionsgesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I, 3983) rechtfertigt keine Zweifel an der Gültigkeit der Norm (s. BVerwG, aaO.).

b. Der rheinland-pfälzische Verordnungsgeber hat bei Erlass der Sperrbezirksverordnung 1986 von dieser Ermächtigungsgrundlage jedenfalls im Hinblick auf den Rhein-Pfalz-Kreis und das dazu gehörende Gebiet der Gemeinde M. in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.

Die Möglichkeit des gemeindeweiten Prostitutionsverbotes gemäß Art. 297 Abs. 1 Nr. 1 EGStGB dient dazu, Kommunen mit "empfindlicher" Sozialstruktur Schutz vor den von der Prostitution ausgehenden Gefahren für den öffentlichen Anstand und die Jugend zu bieten. Eine derartige Empfindlichkeit besteht nach Einschätzung des Gesetzgebers typischerweise in kleinen und mittelgroßen Gemeinden. Dort ist wegen Art und Überschaubarkeit der Sozialstruktur die Prostitution - im Vergleich zur Anonymität größerer Städte - erhöht wahrnehmbar und daher besonders geeignet, Einfluss auf die sittliche Entwicklung männlicher Jugendlicher zu nehmen. Hinzu kommt, dass wegen der meist überwiegenden Wohnfunktion solcher Gemeinden eine Ausweisung von gesonderten Sperrbezirken ohne Verstoß gegen das Kasernierungsverbot des Art. 297 Abs. 3 EGStGB in der Regel nicht möglich ist (s. zu alledem Urteil des erkennenden Senats vom 17. Juli 2002, BauR 2002, 1692).

Vor dem Hintergrund dieser, auf die Bekämpfung einer typischen Gefahrenlage abzielenden Betrachtungsweise hat der Verordnungsgeber sein Normerlassermessen auszuüben. Er muss insoweit prüfen, ob das flächendeckende Prostitutionsverbot hinsichtlich des konkreten Gemeindegebietes dem Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes dient. Dabei kommt es allerdings nicht darauf an, ob die zu schützenden Rechtsgüter konkret gefährdet oder gestört sind. Es genügt vielmehr, dass die Verordnung sich gegen Gefahren richtet, die aus Handlungen oder Zuständen nach den Erfahrungen des täglichen Lebens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fortdauernd entstehen können (sogen. abstrakte Gefährdung). Für die Gültigkeit der Verordnung genügt es, dass ein Bezug auf die gesetzliche Zweckbestimmung vorliegt und dass die Norm geeignet erscheint, dem mit der Ermächtigung verfolgten Zweck zu dienen (s. BayVerfGH, NJW 1983, 2188, 2189 m.w.N., Senatsurteil vom 17. Juli 2002, aaO., Nds. OVG, Urteil vom 24. Oktober 2002, aaO.;). Dies ist vorliegend im Blick auf das Gebiet des Rhein-Pfalz-Kreises im Allgemeinen und das Gemeindegebiet von M. im Besonderen der Fall.

Der Rhein-Pfalz-Kreis besteht insgesamt aus 26 Gemeinden, von denen die einwohnerstärkste (Schifferstadt) nur 18.898 Einwohner hat (s. die Tabelle "Bevölkerungsentwicklung 2003", http://www.rhein-pfalz-kreis.de/bv ew 2003 .pdf). Von den am 31. Dezember 2003 im Kreisgebiet vorhandenen 42.044 Wohngebäuden wiesen 29.749 nur eine, 8.895 zwei und nur 3.400 drei oder mehr Wohnungen auf (http://www.rhein-pfalz-kreis.de/wohnsituation rpk 03.pdf). Aus diesen statistischen Zahlen geht deutlich hervor, dass der Rhein-Pfalz-Kreis, bedingt durch die eher geringe Einwohnerzahl der Gemeinden und die dort vorherrschenden Wohnverhältnisse insgesamt eine Sozialstruktur aufweist, der wegen ihrer Überschaubarkeit der von Art. 297 EGStGB vorausgesetzte Schutzbedarf zuzubilligen ist. Dies wird zusätzlich unterstrichen durch die Regelung in Art. 297 Abs. 1 Nr. 2 EGStGB, wonach die Einrichtung von Sperrbezirken für Teile des Gemeindegebietes nur in Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern möglich ist. Daraus folgt, dass Landkreise, die nur aus Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern bestehen, grundsätzlich mit einem flächendeckenden Prostitutionsverbot belegt werden können, soweit nicht einzelne der kreisangehörigen Gemeinden atypische Strukturen aufweisen, die den Schutzbedarf hinsichtlich der Jugend oder des öffentlichen Anstandes mindern oder aufheben. Dies ist aber bei der hier in Rede stehenden Gemeinde M. nicht der Fall. Bei ihr handelt es sich um ein am Rande des Ballungsraums Mannheim/Ludwigshafen gelegenes "Großdorf" mit 13.000 Einwohnern, das als großstadtnahe Wohnsiedlungsgemeinde fungiert (s. ...). Als solche weist sie die typischen Merkmale auf, die der Gesetzgeber - wie oben dargelegt - als empfindliche und daher im Hinblick auf die Gefahren der Prostitution schutzbedürftige Sozialstruktur einstuft. Liegt damit hinsichtlich des Rhein-Pfalz-Kreises und insbesondere der Gemeinde M. ohne weiteres die für den Erlass eines Prostitutionsverbotes erforderliche, aber auch ausreichende abstrakte Gefährdungslage vor, so greift der Einwand des Klägers, sein Sauna-Bordell liege außerhalb der Wohngebiete in einem Gewerbegebiet, wo keine Jugendgefährdung zu befürchten sei, nicht durch. Denn die Feststellung einer konkreten Gefahr im Hinblick auf ein bestimmtes Bordell ist - wie erwähnt - nicht Voraussetzung für die Gültigkeit eines auf Art. 297 Abs. 1 Nr. 1 EGStGB gestützten Prostitutionsverbots.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch nach Erlass der Sperrbezirksverordnung 1986 keine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten, die die "Geschäftsgrundlage" für die seinerzeit einwandfreie Ausübung des Normerlassermessens entfallen lassen könnte. Auf das Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2001 kann insofern nicht mit Erfolg abgestellt werden, so dass dahingestellt bleiben kann, welche Schlussfolgerungen daraus für die Gültigkeit vor seinem In-Kraft-Treten erlassener Sperrbezirksverordnungen zu ziehen wären. Denn die zivil- und sozialversicherungsrechtliche Anerkennung der Prostitution durch das Prostitutionsgesetz hat die Bedeutung des Jugendschutzes in keiner Weise relativiert (so deutlich der 6. Senat des erkennenden Gerichts im Beschluss vom 05. Juli 2005, NVwZ-RR 2005, 713 - ebenfalls zu der hier streitgegenständlichen SperrbezV 1986 -). Insbesondere begründet dieses Gesetz und der in ihm etwa zum Ausdruck kommende Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen über die Prostitution keine Notwendigkeit, im Rahmen des Art. 297 Abs. 1 Nr. 1 EGStGB nunmehr den Nachweis einer konkreten Gefährdung der Jugend oder des öffentlichen Anstandes im Gebiet einer bestimmten Gemeinde oder Teilen hiervon zur Voraussetzung für die Fortgeltung bestehender Prostitutionsverbote zu erheben. Zwar mögen Angebot und Nachfrage entgeltlichen Geschlechtsverkehrs als solche nicht mehr allgemein und in jeder Hinsicht einem gesellschaftlichen Unwerturteil unterliegen. Dies bedeutet aber noch nicht, dass sich die vom Prostitutionsbetrieb ausgehenden Gefahren für heranreifende Jugendliche derart vermindert hätten, dass die Gültigkeit bestehender, auf eine abstrakte Gefährdungslage gestützter Sperrbezirksverordnungen in Frage gestellt werden müsste.

Gegenteiliges lässt sich auch aus den bereits zitierten Urteilen des 12. Senates des erkennenden Gerichts vom 10. Oktober 2005 (aaO.) nicht entnehmen. Im Unterschied zum vorliegenden Fall betreffen beide Entscheidungen Vorschriften der Sperrbezirksverordnung 2005, durch die erstmals im Jahre 2005 flächendeckende Prostitutionsverbote für das Gebiet einer Verbandsgemeinde und eines Landkreises verhängt wurden und bisher legal ansässige Bordellbetreiber in zwei Gemeinden betrafen. Hierzu hat der 12. Senat entschieden, dass bei Einrichtung neuer Sperrbezirke erhöhte Anforderungen an die Ausübung des Normerlassermessens zu stellen, insbesondere die Belange der bisher legal ansässigen Bordellbetreiber und Prostituierten im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gebührend zu würdigen seien. Diese Entscheidungen betreffen mithin einen anderen Sachverhalt. Aus ihnen lassen sich daher nicht die vom Kläger befürworteten Schlussfolgerungen für die Fortgeltung der Sperrbezirksverordnung 1986 im Hinblick auf die Gemeinde M. ziehen, wo wegen des seit Jahrzehnten bestehenden Prostitutionsverbotes legale Bordelle, verbunden mit Vertrauensschutz für Betreiber und Prostituierte, nicht entstehen konnten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Beschlusses hinsichtlich der Kosten aus §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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