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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 26.05.2003
Aktenzeichen: 8 C 10392/03.OVG
Rechtsgebiete: VwGO, VwVfG, AEG


Vorschriften:

VwGO § 48
VwGO § 48 Abs. 1
VwGO § 48 Abs. 1 S. 1
VwGO § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 7
VwGO § 48 Abs. 1 S. 2
VwGO § 42
VwGO § 42 Abs. 2
VwVfG § 76
VwVfG § 76 Abs. 1
VwVfG § 76 Abs. 3
VwVfG § 76 Abs. 3 2 Alt.
AEG § 18
AEG § 18 Abs. 1 S. 2
Zur Klagebefugnis von Anliegern einer Bahnneubaustrecke gegen eine im vereinfachten Verfahren beschlossene Planänderung, mit der eine im landschaftspflegerischen Begleitplan zum Planfeststellungsbeschluss festgesetzte naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme (hier: Pflanzung von Streuobstgehölzen) verlegt wird.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ GERICHTSBESCHEID IM NAMEN DES VOLKES

8 C 10392/03.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Planfeststellung

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 26. Mai 2003, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Bier Richterin am Oberverwaltungsgericht Spelberg Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage gegen die Änderung eines Planfeststellungsbeschlusses.

Sie sind Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks am südlichen Rand der Ortslage von W.. Das Grundstück ist ca. 250 m von der ICE-Trasse Köln/Rhein-Main entfernt.

Mit bestandkräftigem Beschluss vom 15. Mai 1998 stellte die Beklagte den Plan für die ICE-Neubaustrecke Köln/Rhein-Main im Planfeststellungsabschnitt 41 (Bau-km 49, 128 bis Bau-km 52,755) fest. Bestandteil der Planfeststellung war die dem Lärmschutz dienende Herstellung einer sogen. "Seitenablagerung H." zwischen Neubaustrecke und Autobahn A 3 einerseits und der Ortslage W. andererseits. Zur Kompensation der hiermit verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft regelte Ziff. 4.2.2.1 ("Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zum Schutz von Natur und Landschaft") des landschaftspflegerischen Begleitplanes folgendes:

"Südlich von W. werden auf der Fläche nach Abschluss der Ablagerung von Überschussmassen Kompensationsmaßnahmen durchgeführt. Diese sind zusammen mit dem Wall entlang der BAB 3 geeignet, die Wohngebiete von W. besser von der Autobahn und der NBS abzuschirmen. Die Wallkrone erfährt mittels der landespflegerischen Maßnahmen eine optische Auflockerung. Dazu werden auf dem ca. 20 m hohen Wall entlang der BAB 3 Sukzessionsflächen geschaffen sowie Streuobstwiesen und unterschiedlich strukturierte Gehölze angepflanzt...".

Mit einem im vereinfachten Verfahren nach § 76 Abs. 3 VwVfG erlassenen Planänderungsbeschluss vom 26. November 2002, der den Klägern am 13. Februar 2003 zugestellt worden ist, ersetzte die Beklagte die auf der Ablagerungsfläche H. geplanten Ausgleichsmaßnahmen durch solche in der Gemarkung G. Hierzu wurde die vorstehende Festsetzung im landespflegerischen Begleitplan gestrichen und durch folgende ersetzt:

"Südöstlich der Ortslage G. werden landwirtschaftliche Flächen durch Anpflanzungen von Gehölzen sowie die Anlage von Streuobst- und Sukzessionsbeständen, auf insgesamt 3,70 ha, extensiviert. Es werden 3,08 ha der von der Ortsgemeinde W. zur Verfügung gestellten Fläche als Ausgleich für den Wegfall der Kompensationsmaßnahmen im Bereich der SA H. südlich von W. anerkennt. Die Pflege erfolgt durch die Gemeinde".

Hiergegen haben die Kläger am 27. Februar 2003 Klage erhoben. Sie machen geltend, es handele sich um eine wesentliche Planänderung, die nicht im vereinfachten Verfahren habe durchgeführt werden dürfen. Ihre privaten Belange würden massiv beeinträchtigt, da lediglich zum Zwecke der Erweiterung eines bestimmten Gewerbebetriebes eine Ausgleichsmaßnahme verlegt werde, die ihnen Lärmschutz im Hinblick auf die Neubaustrecke und Sichtschutz hinsichtlich des Erdwalles vermittelt habe. Auch habe die Verlegung entgegen der Begründung des Änderungsbeschlusses keine ökologische Optimierung zur Folge.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Änderungsbeschlusses vom 26. November 2002 zu verpflichten, ein Planfeststellungsverfahren gemäß § 76 Abs. 1 VwVfG betreffend die Verlegung der ökologischen Ausgleichsmaßnahmen im Bereich der H. durchzuführen.

Die Beklagte begehrt Klageabweisung. Sie bestreitet die Klagebefugnis der Kläger, da die geänderte Festsetzung von Ausgleichsflächen auf der Seitenablagerung allenfalls faktisch positive Auswirkungen auf das Grundstück der Kläger gehabt, aber nicht deren Schutz gedient habe. Das Lärmschutzkonzept im fraglichen Streckenabschnitt entspreche auch ohne die Ausgleichsmaßnahme den rechtlichen Anforderungen. Mangels Eingriff in die planerische Gesamtkonzeption habe es sich um eine unwesentliche Planänderung gehandelt.

Die Beigeladene begehrt ebenfalls

Klageabweisung.

Auch sie rügt die Unzulässigkeit der Klage mangels Klagebefugnis und weist ergänzend darauf hin, dass der neu festgelegte naturschutzrechtliche Ausgleich geeignet und durchführbar sei.

Der Senat hat die Beteiligten mit Verfügung vom 30. April 2003 gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur beabsichtigten Entscheidung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid angehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Planfeststellungsakten der Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der Beratung. Auf ihren Inhalt wird ebenfalls verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage, über die das nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, Satz 2 VwGO sachlich zuständige Oberverwaltungsgericht nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entscheiden kann, ist unzulässig.

Für den Verpflichtungsantrag fehlt schon das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Das Rechtschutzziel der Kläger erschöpft sich darin, mittels Kassation des Änderungsbeschlusses die ursprüngliche Ausgleichsregelung wiederherzustellen.

Für eine Anfechtung des Änderungsbeschlusses fehlt es den Klägern an der nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Klagebefugnis. Aus ihrem Klagevorbringen ergibt sich nicht, dass sie durch die angefochtene Planänderung in eigenen Rechten verletzt sein könnten. Zunächst ergibt sich die Klagebefugnis nicht aus der geltend gemachten Verletzung des § 76 Abs. 1 VwVfG, wonach die Planänderung vor Fertigstellung des Vorhabens grundsätzlich eines neuen Planfeststellungsverfahrens bedarf. Es spricht schon vieles dafür, dass diese Vorschrift nicht dem Schutz subjektiver Rechte, sondern nur dem Allgemeininteresse an einer möglichst richtigen Verwaltungsentscheidung dient (s. Allesch/Häußler in Obermayer, VwVfG, 3. Aufl. 1999, § 76 Rn 45). Darüber hinaus ist aber die strittige Planänderung hier offensichtlich von der Ausnahmevorschrift des § 76 Abs. 3 2. Alt. VwVfG gedeckt, sodass eine mögliche Verletzung eigener, durch § 76 Abs. 1 VwVfG begründeter Rechte der Kläger ausscheidet. Denn die bloße Verlegung einer naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahme des hier in Rede stehenden Umfanges stellt zweifellos eine Planänderung von unwesentlicher Bedeutung im Sinne des § 76 Abs. 3 2. Alt. VwVfG dar, weil sie die Frage nach sachgerechter Zielsetzung und Abwägung im Sinne der Gesamtplanung keinesfalls neu aufwerfen kann (s. BVerwG, DVBl. 1989, 419, 420).

Ein Recht auf Festlegung der naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahme im Bereich der Seitenablagerung H., das durch die Änderung verletzt sein könnte, stand den Klägern nicht zu. Insbesondere diente die Ausgleichsmaßnahme nicht der Wahrung von Ansprüchen der Kläger auf Immissionsschutz. Dies folgt daraus, dass die Maßnahme Bestandteil des landschaftspflegerischen Begleitplanes zum Planfeststellungsbeschluss war und nach dessen Inhalt zur Kompensation naturschutzrechtlicher Eingriffe angeordnet worden ist. Soweit in der Begründung zur Maßnahme auch von einer "Abschirmung" der W. Wohngebiete von der A 3 und der Neubaustrecke die Rede ist, wird dem naturschutzrechtlichen Ausgleich dadurch nicht zugleich der Charakter aktiven Lärmschutzes verliehen. Vielmehr macht der Zusammenhang der Begründung, die im nächsten Satz auch auf eine optische Auflockerung der Wallkrone hinweist, klar, dass es sich um Erwägungen im Hinblick auf das aus der Sicht der Ortslage W. beeinträchtigte Landschaftsbild handelt. Der Ausgleich derartiger Beeinträchtigungen liegt aber ausschließlich im öffentlichen Interesse; ein Anspruch von Grundstückseigentümern auf Schutz vor Beeinträchtigungen des von ihrem Grundstück aus wahrnehmbaren Landschaftsbildes besteht nicht. Die Kläger können sich auch nicht auf eine mögliche Verletzung des Abwägungsgebotes (s. § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG) berufen. Danach steht Planungsbetroffenen zwar ein Anspruch auf gerechte Abwägung ihrer rechtlich geschützten privaten Belange im Rahmen der Planfeststellung zu (s. z.B. BVerwG, RdL 1998, 28). Objektiv geringwertige, nicht schutzwürdige oder solche Belange, auf deren Bestand oder Fortbestand der Betroffene nicht vertrauen kann, brauchen aber bei der Abwägung nicht berücksichtigt zu werden (s. BVerwGE 90, 96, 101) Aus mangelnder Einstellung solcher Belange in die Abwägung kann daher eine Klagebefugnis für die Anfechtung einer Planfeststellung nicht abgeleitet werden.

Ungeachtet der Frage, ob rein faktische Vorteile, die einem Planbetroffenen aus nur öffentlichen Interessen dienenden Bestimmungen eines Planfeststellungsbeschlusses erwachsen, im Falle einer Änderung dieser Bestimmungen überhaupt abwägungserheblich sein können, kommt dies nach den vorstehend erörterten Grundsätzen hier jedenfalls nicht in Betracht:

Soweit die Kläger einen angeblich durch Baumanpflanzungen verursachten Lärmschutz als faktischen Vorteil in Anspruch nehmen, ist dieser wegen objektiver Geringwertigkeit nicht abwägungserheblich. Denn die vordem auf der Seitenablagerung "H." geplanten Ausgleichspflanzungen können - ungeachtet der Tatsache, dass sie rechtlich nicht diesem Zweck gewidmet sind - auch faktisch keine spürbare Lärmminderung bewirken. Zum einen ergibt sich aus den Querschnittzeichnungen der Seitenablagerung, dass die Ausgleichsmaßnahmen auf dem von der Wallkrone abfallenden Gelände vorgesehen waren und somit gleichsam im "Lärmschatten" des Walles liegen sollten. Schon daraus folgt, dass ihnen keine eigenständige Lärmschutzfunktion zukommen konnte. Zudem treten schalldämmende Effekte erst bei Pflanzungen mit großer Bewuchstiefe und -staffelung auf. Einzelne Bäume, Baumreihen oder Hecken dagegen haben praktisch keinerlei Schutzfunktion (s. z.B. Kevin Kühn: Bäume als Lärmschutz", http://www.uni-koblenz. de/~odsbcg/ baeume97/blaerm.htm#2. Bäume als). Es spricht daher nichts dafür, dass von der landespflegerisch motivierten Anlage von Streuobstwiesen und unterschiedlich strukturierten Gehölzen, wie sie für die Seitenablagerung H. vorgesehen war, Auswirkungen nach Art eines Lärmschutzwaldes und somit nennenswerte faktische Vorteile für die Kläger hätten ausgehen können. Das Vertrauen der Kläger auf den Bestand der landschaftsästhetischen Vorteile (visuelle Abschirmung des Walls gegenüber der Wohnbebauung), die sie sich von der Durchführung der Ausgleichsmaßnahmen im Bereich der Seitenablagerung "H." versprechen, ist hingegen mangels Schutzwürdigkeit nicht abwägungserheblich. Da - wie oben dargelegt - kein subjektives Recht der Kläger auf die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen für Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes besteht, können sie auf den Fortbestand derartiger Maßnahmen ebenso wenig vertrauen wie etwa auf die Erhaltung einer bestimmten Aussichtslage (s. zur Abwägungsunerheblichkeit dieses Belangs BVerwG, BRS 57, Nr. 42).

Nach alledem ist die Klage mit der sich aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen. Es entspricht der Billigkeit, die Kläger auch mit den außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu belasten, da sich diese durch einen eigenen Antrag am Kostenrisiko des Prozesses beteiligt hat und die Entscheidung in ihrem Interesse liegt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Gerichtsbescheides hinsichtlich der Kosten folgt aus §§ 84 Abs. 1 Satz 3, 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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