Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 12.12.2003
Aktenzeichen: 8 C 11362/03.OVG
Rechtsgebiete: BauGB, VwGO


Vorschriften:

BauGB § 215a
BauGB § 215a Abs 1
BauGB § 215a Abs 1 S 1
BauGB § 215a Abs 1 S 2 2
BauGB § 214
BauGB § 214 Abs 3
BauGB § 214 Abs 3 S 1
BauGB § 214 Abs 3 S 2
BauGB § 1
BauGB § 1 Abs 6
BauGB § 1 Abs 4
BauGB § 1 Abs 3
VwGO § 47
VwGO § 47 Abs 5
VwGO § 47 Abs 5 S 4
Wird ein Bebauungsplan lediglich wegen eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 4 BauGB einem ergänzenden Verfahren mit erneutem Satzungsbeschluss unterzogen, so ist eine nach dem ursprünglichen Satzungsbeschluss eingetretene Änderung der Abwägungsgrundlagen im Rahmen des ergänzenden Verfahrens nur dann beachtlich, wenn sie der Gemeinde bekannt geworden ist (Bestätigung der Rechtsprechung im Urteil vom 20. Januar 2003, NuR 2003, 373 = NVwZ-RR 2003, 629) .
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 C 11362/03.OVG

In dem Normenkontrollverfahren

wegen Normenkontrolle (Bebauungsplan)

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2003, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Bier Richterin am Oberverwaltungsgericht Spelberg Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch

für Recht erkannt:

Tenor:

Der am 17. Dezember 2002 als Satzung beschlossene Bebauungsplan "In den Weiherwiesen" der Antragsgegnerin wird für unwirksam erklärt. Im Übrigen wird der Normenkontrollantrag abgelehnt.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragstellerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich als Eigentümerin des im Plangebiet gelegenen, bebauten Grundstücks Gemarkung G., Plan-Nr. ... gegen den Bebauungsplan "In den Weiherwiesen" der Antragsgegnerin.

Dieser sieht die Ausweisung eines allgemeinen Wohngebietes beidseitig der Straße "In den Weiherwiesen" vor . Das im Flächennutzungsplan der Verbandsgemeinde Grünstadt/Land als Wohnbaufläche dargestellte Plangebiet liegt am westlichen Ortsrand von G. zwischen der Landesstraße 520 - L 520 - und einer denkmalgeschützten ehemaligen Papiermühle. Der regionale Raumordnungsplan weist für diesen Bereich sowohl einen regionalen Grünzug als auch eine Vorrangfläche für die Landwirtschaft aus. Das Plangebiet fällt von Süden nach Norden, von der L 520 zur Papiermühle hin, ab. Durch den nördlichen Teil des Gebietes verläuft der sogenannte Mittelgraben. Dieser dient unter anderem der Hochwasserentlastung des durch das Gelände der Papiermühle fließenden und den nordöstlichen Teil des Plangebietes unterirdisch durchquerenden Eckbaches. Der Mittelgraben unterquert im Bereich des Plangebietes von Westen kommend zunächst die Straße "In den Weiherwiesen" und sodann das Grundstück der Antragstellerin in alten, teilweise defekten Gewölbetunneln. Im Bereich der nicht zum Plangebiet gehörenden Parzelle Nr. ... vereinigt sich der Mittelgraben unterirdisch mit dem Eckbach, der im östlichen Teil des Plangebiets wieder oberirdisch verläuft. Westlich der Straße "In den Weiherwiesen" ist auf beiden Seiten des Mittelgrabens durch Rechtsverordnung nach § 88 LWG ein Überschwemmungsgebiet festgesetzt.

Der Bebauungsplan ist vom Rat der Antragsgegnerin erstmals am 12. März 2001 als Satzung beschlossen und am 03. Mai 2001 bekannt gemacht worden. Im Rahmen der Abwägung wies der Rat Bedenken betreffend eine Hochwassergefährdung des Plangebiets zurück: Das anfallende Oberflächenwasser werde durch einen gesonderten Kanal dem Eckbach zugeführt. Überdies beabsichtige die Verbandsgemeinde, im Vorgriff auf ein geplantes Regenrückhaltebecken eine Umflutungsmöglichkeit um das Anwesen der Antragstellerin bereits zusammen mit den Erschließungsanlagen herzustellen. Zusammen mit dem im Bereich der Ortsrandeingrünung vorgesehen Muldensystem zur Versickerung von Oberflächenwasser und dem auf einem gemeindeeigenen Grundstück festgesetzten kleineren Retentionsraum lasse sich die Hochwasserproblematik ausreichend bewältigen.

Ein von der Antragstellerin vorwiegend auf die fehlerhafte Abwägung von Hochwasserschutzbelangen gestützter Normenkontrollantrag hatte im Verfahren 8 C 11200/01. OVG überwiegend - wenn auch aus anderen Gründen - Erfolg: Der Senat hat den Bebauungsplan mit Urteil vom 09. Januar 2002 für unwirksam erklärt, weil er gegen ein Ziel der Raumordnung und Landesplanung in Gestalt eines regionalen Grünzuges verstieß; im übrigen hat der Senat die Bedenken der Antragstellerin gegen den Plan zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Urteils Bezug genommen.

Am 28. Februar 2002 hob daraufhin der Rat der Antragsgegnerin den Satzungsbeschluss vom 12. März 2001 auf und beschloss die Einleitung eines Zielabweichungsverfahrens. Mit Bescheid vom 06. November 2002, erläutert durch Schreiben vom 02. Dezember 2002, ließ die Oberste Landesplanungsbehörde hinsichtlich des Plangebietes eine Abweichung von der Festsetzung eines regionalen Grünzuges und eines Vorrangbereichs für die Landwirtschaft mit der Maßgabe zu, außerhalb des Plangebiets für ausreichend breite Uferstreifen des Eckbaches Sorge zu tragen.

Am 17. Dezember 2002 beschloss der Rat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan als Satzung.

Nach der am 06. Februar 2003 erfolgten Bekanntmachung des Planes hat die Antragstellerin am 15. August 2003 erneut Normenkontrollantrag gestellt.

Sie behauptet, die oberste Landesplanungsbehörde sei bei der Zulassung der Zielabweichung von falschen Tatsachen ausgegangen. Sie habe den durch das Gelände der Papiermühle in Hochlage verlaufenden "Triebwerkskanal" und nicht den in Tallage verlaufenden sogen. Mittelgraben als Eckbach angesehen. Dies beruhe auf einer bewussten Irreführung durch die Antragsgegnerin, da die Maßgabe im Zielabweichungsbescheid bezogen auf den fälschlich als Mittelgraben bezeichneten wahren Eckbach das Baugrundstück eines Herrn S. wesentlich verkleinere. Das Erläuterungsschreiben vom 02. Dezember 2002 behebe diesen Mangel nicht, da es ebenfalls nicht erkenne lasse, wo die Behörde den Eckbach verortet habe.

Der Bebauungsplan widerspreche auch §§ 88, 88a und 89 Abs. 2 des neuen Landeswassergesetzes, das am 06. November 2003 in Kraft getreten sei. § 89 Abs. 2 LWG verbiete Bauleitplanung in Überschwemmungsgebieten.

Ferner habe sich vor dem erneuten Satzungsbeschluss herausgestellt, dass die im ersten Normenkontrollverfahren von der Antragsgegnerin versprochene Umflutungsmöglichkeit um ihr Anwesen nicht verwirklicht werden könne, da diese erst zusammen mit einem Regenrückhaltebecken gebaut werden solle, für das allerdings auf absehbare Zeit keine Haushaltsmittel vorhanden seien. Insbesondere habe die Verbandsgemeinde keine ausreichenden Mittel für eine derartige Maßnahme in ihren Haushalt eingestellt; zudem habe sie gegenüber einem Mitarbeiter des ZDF selbst erklärt, es seien auch in Zukunft keine Mittel zur Verwirklichung des Rückhaltebeckens vorhanden. Insoweit werde die Rüge der Hochwassergefährdung erneut erhoben. Sie werde auch durch ein dem Gewässerzweckverband vorliegendes Gutachten aus dem Jahre 1972 erhärtet, das eine Rückführung des Eckbachs in sein natürliches Bett und im Bereich des Straßendamms der Straße "In den Weiherwiesen" einen Stausee vorgesehen habe.

Überdies trage die Antragsgegnerin in einem Rechtsstreit gegen ihren Ehemann mittlerweile selbst vor, dass sie als Eigentümerin von mindestens sieben Baugrundstücken im Plangebiet ein erhebliches fiskalisches Interesse an der Unterlassung unwahrer und geschäftsschädigender Behauptungen im Blick auf das Plangebiet habe. Somit räume die Antragsgegnerin die vorwiegend fiskalische Motivation der Bauleitplanung ein, weshalb die Rüge mangelnder Erforderlichkeit des Bebauungsplanes erneut erhoben werde.

Die Antragstellerin beantragt,

den am 17. Dezember 2002 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan "In den Weiherwiesen" der Antragsgegnerin für nichtig - hilfsweise für unwirksam - zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Normenkontrollantrag abzulehnen.

Sie trägt vor, für eine erneute Überprüfung der Abwägung sei im Hinblick auf die Rechtskraft des Urteils im Verfahren 8 C 11200/01.OVG kein Raum. Aus dem Zulassungsbescheid der obersten Landesplanungsbehörde sowie dem Erläuterungsschreiben ergebe sich unzweifelhaft, dass diese das Gewässerbett in der Tallage zutreffend als Mittelgraben und den in Hochlage geführten, von der Antragstellerin fälschlich so genannten "Triebwerkskanal" als Eckbach angesehen habe. An den Hochwasserschutzplanungen für den Eckbach werde weiterhin mit höchster Priorität festgehalten. Aufträge zur konkreten Planung des Regenrückhaltebeckens und der Umflutungsmöglichkeit seien bereits vergeben. Zur Zeit werde schon eine Umweltverträglichkeitsstudie für das Becken erarbeitet. Allerdings habe man abweichend von den Überlegungen im Planverfahren den Bau der Umflutungsmöglichkeit nicht mit der Erschließung des Baugebiets vorgenommen, sondern aus Gründen des funktionalen Zusammenhangs bis zur Erlangung des Baurechts für das Regenrückhaltebecken zurückgestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Planaufstellungsakten der Antragsgegnerin, eine Ausfertigung des angefochtenen Bebauungsplans sowie die Akten des landesplanerischen Zielabweichungsverfahrens lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird ebenfalls verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der zulässige Normenkontrollantrag hat überwiegend Erfolg.

Der strittige Bebauungsplan leidet an einem beachtlichen Abwägungsfehler (I). Die ansonsten von der Antragstellerin gerügten Rechtsverstöße liegen nicht vor (II). Der festgestellte Abwägungsmangel ist einer Heilung im ergänzenden Verfahren zugänglich, sodass der Plan lediglich für unwirksam zu erklären ist (III).

I. Die dem Bebauungsplan zugrunde liegende Abwägung der Hochwasserschutzbelange genügt aufgrund einer im ergänzenden Verfahren aufgetretenen Sachlagenänderung nicht den Anforderungen des § 1 Abs. 6 BauGB (1). Dieser Mangel ist gemäß § 214 Abs. 3 BauGB beachtlich (2). 1. Die dem ursprünglichen Satzungsbeschluss vom 12. März 2001 zugrundeliegende Abwägung zum Hochwasserschutz im Plangebiet beruhte ausweislich der Planbegründung und der Abwägungsunterlagen (auch) auf der Zusage der Verbandsgemeinde Grünstadt-Land, zusammen mit der Erschließung des Plangebietes eine Umflutungsmöglichkeit für das Anwesen der Antragstellerin herzustellen. Mit dieser Überlegung gab der Rat der Antragsgegnerin Einwendungen des Gewässerzweckverbandes Isenach-Eckbach statt. Dieser hatte darauf hingewiesen, dass das Gewölbe M. durch Einstürze in seiner Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt sei. Es bestehe deshalb bei Ausuferungen des Eckbachs nach Starkregen die Gefahr einer Einstauung der Talaue und Überflutung im nördlichen Teil des Baugebietes. Es solle deshalb unbedingt eine Umflutungsmöglichkeit (Rohrleitung) vom Wiesengraben (gemeint ist wohl der ansonsten sogen. Mittelgraben) um das Anwesen M. zum Eckbach geschaffen werden (s. S. 12 der Verwaltungsvorlage zur Abwägung). Der Senat hat daher die Abwägung im Urteil vom 09. Januar 2002 vor allem im Hinblick auf die Zusage der Verbandsgemeinde, die Umflutungsmöglichkeit parallel zur Erschließung herzustellen, für rechtsfehlerfrei erachtet (s. S. 17 UA).

Nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten ist die Verbandsgemeinde Grünstadt-Land indessen nach dem ersten Satzungsbeschluss von dieser Zusage abgerückt. Die Umflutungsmöglichkeit um das Anwesen der Antragstellerin ist nicht zusammen mit der Kanalisation des Plangebietes hergestellt worden, sondern soll bis zur Verwirklichung eines Regenrückhaltebeckens zurückgestellt werden. Damit hat sich die abwägungserhebliche Sachlage nachhaltig geändert.

Es kann insoweit dahinstehen, ob das Regenrückhaltebecken und damit auch die Umflutungsmöglichkeit in ca. zwei Jahren - wie die Antragsgegnerin behauptet - oder erst frühestens in siebzehn Jahren - wie die Antragstellerin befürchtet - verwirklicht wird. Jedenfalls steht fest, dass der Konflikt zwischen Wohnbebauung und eventuellen Hochwasserereignissen nicht, wie von der Antragsgegnerin seinerzeit für erforderlich erachtet, bereits im Zeitpunkt der Planverwirklichung gelöst sein wird. Dies ist indessen vor erneutem Inkraftsetzen des Bebauungsplans nicht abgewogen worden.

2. Der Abwägungsfehler ist auch gemäß § 214 Abs. 3 BauGB beachtlich. Die abwägungserhebliche Sachlagenänderung ist vor dem nach § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB maßgeblichen Zeitpunkt aufgetreten (a). Der Mangel betrifft zumindest den Abwägungsvorgang und erfüllt die Voraussetzungen des § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB (b).

a. Die Verbandsgemeinde Gründstadt-Land hat ihre Absicht, die Umflutungsmöglichkeit um das Anwesen der Antragstellerin zusammen mit den Erschließungsanlagen für das Baugebiet herzustellen, vor dem Satzungsbeschluss im ergänzenden Verfahren aufgegeben. Dieser Vorgang ist daher gemäß § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB für die Überprüfung der Abwägung relevant. Denn danach ist für die Abwägung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der "Beschlussfassung über den Bauleitplan" maßgebend. Wird ein Bebauungsplan, dessen zur Unwirksamkeit führende Mängel einen erneuten Satzungsbeschluss erfordern, einem ergänzenden Verfahren nach § 215a BauGB unterzogen, so ist grundsätzlich (nur) der erneute Satzungsbeschluss die "Beschlussfassung über den Bauleitplan" im Sinne von § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB (s. das Senatsurteil vom 20. Januar 2003, NuR 2003, 373 = NVwZ-RR 2003, 629). Dem ursprünglichen Satzungsbeschluss kommt diese Bedeutung - außer in Fällen, in denen er lediglich "ergänzt" wird (s. dazu Stüer/Rude: "Planreparatur im Städtebaurecht", ZfBR 2000, 85, 90) - nicht (mehr) zu. Denn er ist nicht mehr Grundlage der normativen Geltung der Bebauungsplanes. Diese beruht ausschließlich auf dem erneuten Satzungsbeschluss im ergänzenden Verfahren. Ohne diesen entfaltet nämlich der für unwirksam erklärte Bebauungsplan auf Dauer keinerlei Rechtswirkungen, wenn seine Unwirksamkeit auf Fehlern beruht, die den ursprünglichen Satzungsbeschluss beeinflusst haben.

Aus der Maßgeblichkeit des Satzungsbeschlusses im ergänzenden Verfahren für die Abwägung folgt zugleich, dass bis dahin eingetretene Änderungen abwägungserheblicher Umstände nicht ohne weiteres unberücksichtigt bleiben dürfen (s. das Senatsurteil vom 20. Januar 2003, aaO.).

Insbesondere kann ihre Berücksichtigung nicht auf Fälle beschränkt werden, in denen sie zur Funktionslosigkeit des Bebauungsplans oder zur Unhaltbarkeit des früheren Abwägungsergebnisses geführt haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat schon wiederholt angeschlossen hat (s. nur Beschluss vom 7. März 2002 - 8 A 10036/02.OVG -), kann ein wegen eines Form- oder Verfahrensfehlers ungültiger Bebauungsplan trotz Nachholung des fehlerhaften Verfahrensschrittes dann nicht mehr wirksam in Kraft gesetzt werden, wenn die Verhältnisse sich inzwischen so grundlegend geändert haben, dass der Bebauungsplan nunmehr einen funktionslosen Inhalt hat oder das ursprünglich unbedenkliche Abwägungsergebnis jetzt unverhältnismäßig und deshalb nicht mehr haltbar ist. Eine derart gravierende Umgestaltung der Abwägungsgrundlagen führt somit schon zur Unanwendbarkeit des ergänzenden Verfahrens.

Soweit allerdings - wie hier - eine Änderung der Sach- und Rechtslage nicht schon die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens ausschließt, kann sie in Fällen, in denen zur Heilung von Rechtsverstößen ein neuer Satzungsbeschluss gefasst wird, nur insoweit außer Betracht bleiben, wie der Zweck des ergänzenden Verfahrens dies erfordert. Die planerhaltende Intention dieses Verfahrens verbietet es regelmäßig, von der Gemeinde eine erneute Abwägung zu verlangen, wenn der Fehler, der zur Unwirksamkeit des Planes geführt hat, die Abwägung nicht betroffen hat. Denn in derartigen Fällen bleibt die im Rahmen des ursprünglichen Satzungsbeschlusses erfolgte Abwägung - ebenso wie fehlerfrei durchgeführte Verfahrensschritte - weiterhin geeignete Grundlage der Normsetzung. Der Rat braucht sich daher in einem auf die Heilung sonstiger Rechtsverstöße gerichteten ergänzenden Verfahren weder erneut mit den Abwägungsgrundlagen zu beschäftigen noch zu ermitteln, ob sie sich geändert haben. Andererseits verlangt die planerhaltende Funktion des § 215a Abs. 1 BauGB aber nicht, die Gemeinde auch von der Berücksichtigung solcher Änderungen abwägungserheblicher Umstände freizustellen, die ihr bei Durchführung des ergänzenden Verfahrens bekannt werden. In solchen Fällen überwiegt das in § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB zum Ausdruck kommende Interesse an der "Richtigkeit" der Norm im Zeitpunkt der Normsetzungsentscheidung das Interesse an einer möglichst ungehinderten Heilung von Planungsmängeln. Denn dem Planerhaltungsinteresse wird bereits durch die Einschränkung der Ermittlungs- und Befassungspflichten des Planungsträgers ausreichend Rechnung getragen; darüber hinaus besteht keine Veranlassung, die Vernachlässigung abwägungserheblicher Sachlagenänderungen "sehenden Auges" zu ermöglichen.

Demnach war die Antragsgegnerin vorliegend gehalten, aufgrund der ihr im ergänzenden Verfahren bekannt gewordenen Änderung der diesbezüglichen Abwägungsgrundlagen erneut in eine Abwägung über den Hochwasserschutz im Plangebiet einzutreten, auch wenn das ergänzende Verfahren an sich nur der Heilung eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 4 BauGB diente.

An diesem Ergebnis ändert sich nach Auffassung des Senats auch dann nichts, wenn man nicht allein den Satzungsbeschluss im ergänzenden Verfahren als "Beschlussfassung über die Bauleitplanung" im Sinne des § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB ansieht, sondern von der Existenz zweier "(Teil-)Normgebungsakte" ausgeht (so BVerwG, Beschluss vom 20. Mai 2003, Buchholz 406.401, § 12 BNatSchG Nr. 2 unter Hinweis auf Gerhardt in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner: VwGO, § 47 Rn 102). Zwar mag dann jeder dieser Teilnormgebungsakte als maßgeblicher Zeitpunkt im Sinne des § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB in Betracht kommen. Dies hätte an sich zur Folge, dass eine bei Erlass des ursprünglichen Satzungsbeschlusses fehlerfrei vorgenommene Abwägung weiter wirkt und durch eine spätere Änderung der Abwägungsgrundlagen während eines ergänzenden Verfahrens, in dem zur Heilung sonstiger Fehler ein erneuter Satzungsbeschluss gefasst wird, nicht in Frage gestellt werden kann. Auf den Zeitpunkt des erneuten Satzungsbeschlusses käme es nur in den Fällen an, in denen die sektorale Nachbesserung einer fehlerhaften Abwägung Gegenstand des ergänzenden Verfahrens ist. Indessen hat das Bundesverwaltungsgericht (aaO.) hervorgehoben, dass auch bei dieser Betrachtungsweise der ursprüngliche Satzungsbeschluss und damit auch die ihm zugrunde liegende Abwägung nicht stets, sondern nur grundsätzlich weiterwirken. Ein derartiger Grundsatz ist jedoch nach Auffassung des Senats im Hinblick auf den oben erläuterten Zweck des ergänzenden Verfahrens einer Ausnahme fähig und bedürftig, wenn die Gemeinde im Rahmen des ergänzenden Verfahrens von einer Änderung der Abwägungsgrundlagen Kenntnis erlangt.

b. Es kann dahinstehen, ob - wozu der Senat neigt - die fehlende Berücksichtigung der weggefallenen Umflutungsmöglichkeit auch das Abwägungsergebnis betrifft und daher ohne weiteres erheblich ist. Jedenfalls liegt insoweit ein Fehler im Abwägungsvorgang vor, der im Sinne von § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB offensichtlich und von Einfluss auf das Abwägungsergebnis ist.

Die Offensichtlichkeit des Fehlers folgt schon daraus, dass die aktenkundig abwägungserhebliche Annahme einer bei Planverwirklichung vorhandenen Umflutungs-möglichkeit für jedermann erkennbar obsolet geworden ist.

Die erforderliche Ergebnisrelevanz liegt vor, wenn nach den Umständen des Einzelfalles die konkrete Möglichkeit eines Einflusses besteht, was etwa dann der Fall sein kann, wenn sich an Hand der Planunterlagen oder sonst erkennbarer oder naheliegender Umstände ergibt, dass sich ohne den Fehler im Abwägungsvorgang ein anderes Abwägungsergebnis abgezeichnet hätte (BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 1992, BRS 54 Nr. 15). Dies ist hier der Fall. Angesichts der im Planaufstellungsverfahren erhobenen Bedenken hinsichtlich einer Hochwassergefährdung im nördlichen Teil des Baugebietes erscheint es nicht ausgeschlossen, dass eine Abwägung, die nicht vom Vorhandensein einer Umflutungsmöglichkeit im Zeitpunkt der Planverwirklichung ausgeht, zur Entschärfung des Konfliktes etwa den Abstand zwischen dem südlichen Ufer des Mittelgrabens und dem anschließenden Baufenster vergrößert.

III. Im übrigen greifen die von der Antragstellerin erhobenen Rügen nicht durch.

Zwar ist der erneut erhobene Einwand mangelnder Erforderlichkeit des Bebauungsplanes (s. § 1 Abs. 3 BauGB) nicht schon deshalb unbeachtlich, weil er im Urteil vom 09. Januar 2002 für unbegründet erachtet worden ist. Denn die diesbezüglichen Ausführungen nehmen nicht an der Rechtskraftwirkung des Urteils teil. Die Antragstellerin ist daher nicht gehindert, sich auf Sachgründe, die der Senat in einem ersten Verfahren gegen den Bebauungsplan nicht anerkannt hat, in einem zweiten Normenkontrollantrag gegen den im ergänzenden Verfahren gefassten, erneuten Satzungsbeschluss zu berufen (s. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2001 - 4 BN 21.01 -, BRS 64 Nr. 58 und auch Senatsurteil vom 03. September 2003, - 8 C 10203/03.OVG -, S. 6 UA). Die Antragstellerin hat die Erforderlichkeit des strittigen Bebauungsplanes aber nach wie vor nicht widerlegt. Die von ihr zitierte Äußerung der Antragsgegnerin in einem Rechtsstreit mit dem Ehemann der Antragstellerin belegt keine fiskalische Motivation der Bauleitplanung. Vielmehr besagt die Äußerung nicht mehr, als dass unwahre Behauptungen des Ehemannes der Antragstellerin über das Baugebiet die Vermarktung der dort gelegenen gemeindeeigenen Baugrundstücke erschweren können. Dass der Bebauungsplan nur erlassen worden ist, um diese Grundstücke als Baugrundstücke vermarkten zu können, folgt daraus indessen nicht.

Der im Urteil vom 09. Januar 2002 beanstandete Verstoß gegen das Anpassungsgebot gemäß § 1 Abs. 4 BauGB ist im ergänzenden Verfahren geheilt worden. Denn die oberste Landesplanungsbehörde hat mit Bescheid vom 06. November 2002 die Zielabweichung des Bebauungsplanes gemäß § 13 Abs. 6 Satz 2 des am 29. April 2003 außer Kraft getretenen (s. § 25 Abs. 2 LPlG vom 10. April 2003, GVBl. S. 41) Landesplanungsgesetzes in der Fassung vom 08. Februar 1977 (GVBl. S. 5) legalisiert. An der Wirksamkeit dieser Zulassungsentscheidung bestehen keine Bedenken. Insbesondere leidet sie nicht an einem schwerwiegenden offensichtlichen Fehler im Sinne von § 1 Abs. 1 LVwVfG, 44 Abs. 1 VwVfG. Die Behauptung der Antragstellerin, die oberste Landesplanungsbehörde habe sich bei der Formulierung der Maßgabe über das Gewässer geirrt, das mit einem ausreichend breiten Uferstreifen versehen werden solle, wird spätestens durch das Erläuterungsschreiben vom 02. Dezember 2002 widerlegt. Hiernach ist nicht das im Plangebiet verlaufende Bett des sogen. "Mittelgrabens", sondern das des von der Antragstellerin als "Triebwerkskanal" bezeichneten, streckenweise verlegten Eckbaches gemeint.

Der Einwand, der Bebauungsplan verstoße gegen höherrangiges Recht in Gestalt der §§ 88, 88a und 89 Abs. 2 LWG in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 16. Oktober 2003 (GVBl. S. 309), geht ins Leere. Diese Vorschriften sind ausweislich Art. 3 Abs. 1 des Änderungsgesetzes erst am 06. November 2003 und damit nach dem Satzungsbeschluss im ergänzenden Verfahren in Kraft getreten. Somit ist auch das durch § 89 Abs. 2 LWG eingeführte Verbot, in Überschwemmungsgebieten neue Baugebiete auszuweisen, für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bebauungsplanes ohne Bedeutung.

III. Der oben unter I. festgestellte Abwägungsmangel berührt keine Grundzüge der Planung und betrifft auch nicht den Kernbereich der Abwägungsentscheidung. Vielmehr beschränkt er sich auf einen Belang, der nicht die Planung insgesamt in Frage stellt, sondern lediglich die Lösung des räumlich auf einen Teil des Baugebietes beschränkten Konfliktes zwischen Hochwassergefährdung und baulicher Nutzung betrifft. Die Mangelhaftigkeit des Bebauungsplans führt deshalb gemäß § 215a Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht zu seiner Nichtigkeit. Bis zur Behebung des Mangels entfaltet der Bebauungsplan allerdings keine Rechtswirkungen (§ 215 a Abs. 1 Satz 2 BauGB), was gemäß § 47 Abs. 5 Satz 4 VwGO auszusprechen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Der Frage, ob und in welchem Umfang bei der Überprüfung von Bebauungsplänen, die im ergänzenden Verfahren zur Heilung abwägungsunabhängiger Fehler erneut als Satzung beschlossen worden sind, eine nach dem ursprünglichen Satzungsbeschluss eingetretene Änderung der abwägungserheblichen Sachlage gemäß § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB zu berücksichtigen ist, kommt nach Ansicht des Senats grundsätzliche Bedeutung zu.

Ende der Entscheidung

Zurück