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Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 16.04.2003
Aktenzeichen: 9 C 11622/01.OVG
Rechtsgebiete: FlurbG, VwVfG, VwGO, ZPO


Vorschriften:

FlurbG § 65
FlurbG § 65 Abs. 1
FlurbG § 138
FlurbG § 138 Abs. 1
FlurbG § 138 Abs. 1 S 2
FlurbG § 130
FlurbG § 130 Abs. 1
FlurbG § 130 Abs. 3
VwVfG § 68
VwVfG § 68 Abs. 4
VwVfG § 68 Abs. 4 S 3
VwGO § 98
VwGO § 108
ZPO § 415
ZPO § 415 Abs. 1
ZPO § 415 Abs. 2
Die vorläufige Besitzeinweisung kann auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 FlurbG vorliegen, wegen grobem Missverhältnis von Einlage und Abfindung ermessensfehlerhaft sein, wenn Grundstücke eines Teilnehmers, für die er im Planwunschtermin eine verfestigte Aussiedlungsabsicht dargelegt hat, ohne Not einem anderen, ortsfremden Teilnehmer zugewiesen werden.

Die Niederschrift über den Planwunschtermin begründet als öffentliche Urkunde vollen Beweis für die Vollständigkeit der Wiedergabe geäußerter Willensbekundungen der Teilnehmer auch dann, wenn sie lediglich vom Verhandlungsführer und dem Teilnehmer, nicht aber vom Protokollführer unterzeichnet ist.


FLURBEREINIGUNGSGERICHT FÜR RHEINLAND-PFALZ UND DAS SAARLAND IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Anfechtung einer vorläufigen Besitzeinweisung

hat der 9. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz (Flurbereinigungsgericht für Rheinland-Pfalz und das Saarland) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. April 2003, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Bier Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch ehrenamtlicher Richter Winzer Rauen ehrenamtlicher Richter Vizepräsident des OVG a.D. Fritzsche ehrenamtlicher Richter Agrar-Ingenieur Heck

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2) zu tragen.

Die Gerichtskosten werden auf eine Gebühr in Höhe von 367,50 € und einen Kostenpauschsatz in Höhe von 10,00 € festgesetzt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich als Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens Kallstadt VII gegen die vorläufige Einweisung in den Besitz von Abfindungsgrundstücken.

Er ist unter anderem Eigentümer der südlich eines Wassergrabens am nördlichen Rand der Kreisstraße ... gelegenen Altparzellen Gemarkung Kallstadt Nrn. ... und ... . Im Rahmen des Planwunschtermins am 04. Januar 2001 äußerte der Kläger zusammen mit den Teilnehmerinnen G. F. und A. H. ausweislich des Protokolls folgenden Planwunsch:

"Alle nördlich des Grabens gelegenen Grundstücke sollen nördlich abgefunden werden in Block 2. Alle südlich des Grabens gelegenen Grundstück sollen in Block 11 abgefunden werden, ganz im Süden."

Der in B. D. als Winzer ansässige Beigeladene zu 2) äußerte im Planwunschtermin den Wunsch nach Gesamtabfindung in Block 12 Ost oder Block 11 Süd, wobei wegen einer geplanten Aussiedlung, für die eine Bauvoranfrage gestellt werde, die Zeilenlänge ca. 120 bis 150 m betragen solle. Unter dem 12. Januar 2001 reichte er eine Bauvoranfrage für eine Aussiedlung am Rande der K 4 östlich des Ortsrandes von K. ein.

Infolgedessen sah das Kulturamt die Abfindung des Beigeladenen zu 2) am südlichen Rand des Flurbereinigungsgebiets entlang der K 4 auf einem großen Teil der dortigen Altflächen des Klägers vor und verschob dessen Abfindungsfläche nach Nordosten.

Nachdem der Kläger am 25. April 2001 erfahren hatte, dass die von ihm eingebrachten, südlich des Grabens gelegenen Grundstücke weder vollständig am südlichen Rand des Flurbereinigungsgebiets noch überwiegend im Bereich seiner dort am Rande der K 4 gelegenen Altgrundstücke abgefunden werden sollten, wandte er sich gegen die beabsichtigte Verteilung. Er machte geltend, sein derzeit in der Ortslage von K. geführter Winzerbetrieb sei durch die dortigen Verkehrsverhältnisse sehr beengt und bedürfe zu seiner Fortführung einer Teilaussiedlung. Deshalb habe er mit dem zuständigen Bediensteten des Kulturamts im Planwunschtermin besprochen, dass seine südlich des Grabens gelegenen Grundstücke im Bereich der entlang der K 4 gelegenen Altgrundstücke abgefunden würden, damit er dorthin mit der erforderlichen Verkehrserschließung aussiedeln könne. Die nunmehr vorgesehene Zuweisung dieser Flächen an den nicht ortsansässigen Beigeladenen zu 2) sei ermessensfehlerhaft, da sein dort vorhandenes Alteigentum nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. Zudem werde in seinen Gewerbebetrieb eingegriffen, da ihm die einzig mögliche Aussiedlungschance genommen werde.

Unter dem 18. Juni 2001 reichte er bei der Kreisverwaltung B. D. eine entsprechende Bauvoranfrage ein.

Gegen die unter dem 13. Juni 2001 angeordnete und am 21. Juni 2001 öffentlich bekannt gemachte vorläufige Besitzeinweisung legte der Kläger unter Wiederholung seiner bisher vorgebrachten Rügen am 02. Juli 2001 Widerspruch ein und beantragte mit Schriftsatz vom gleichen Tage im Verfahren 9 B 11068/01 die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung desselben. Diesen Antrag lehnte der Senat mit Beschluss vom 02. August 2001 mit der Begründung ab, es sei nicht erkennbar, dass im Flurbereinigungsplan eine andere als die der vorläufigen Besitzeinweisung zugrundeliegende Abfindung erfolgen müsse, da der Kläger seinen Aussiedlungsbedarf nicht im Rahmen des Planwunschtermins angemeldet habe. Zudem sei die Behörde nicht an seine Wünsche gebunden und habe sie zugunsten der Aussiedlungsabsicht des Beigeladenen zu 2) teilweise zurückstellen dürfen. Einen Abänderungsantrag im Verfahren 9 B 11288/01, den der Kläger mit einer eidesstattlichen Versicherung der Frau H. betreffend die Erörterung der Aussiedlungsabsicht im Planwunschtermin begründete, lehnte der Senat mit Beschluss vom 19. September 2001 ab. Zur Begründung ist ausgeführt, auch bei rechtzeitiger Geltendmachung der Aussiedlungsabsicht und damit offenen Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs bestehe kein Anlass, vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, da in dem vom Kläger zur Abfindung gewünschten Bereich keine Gefahr irreversibler Maßnahmen bestehe. Der Beigeladene zu 2) wolle dort ebenfalls bauen und werde deshalb keine Rebenneupflanzungen vornehmen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2001 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die vorläufige Besitzeinweisung zurück. Die gesetzlichen Voraussetzungen derselben nach § 65 FlurbG lägen vor. Die Frage der Wertgleichheit einer künftigen Abfindung sei für die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Besitzeinweisung grundsätzlich ohne Belang. Nur bei einem offensichtlich groben Missverhältnis der geplanten Abfindung zur Einlage sowie bei unzumutbaren Eingriffen in die Betriebsstruktur komme eine Rechtswidrigkeit der vorläufigen Besitzeinweisung in Betracht. Dies scheide aber im Falle des Klägers aus, da sein eigenes Zusammenlegungsverhältnis und das seiner Wirtschaftseinheit weit über demjenigen des Flurbereinigungsverfahrens insgesamt liege. Überdies habe die Aussiedlungsabsicht des Klägers mangels Erwähnung im Planwunschtermin nicht berücksichtigt werden müssen. Auch seien Planwünsche nicht verbindlich für die Flurbereinigungsbehörde.

Am 06. November 2001 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er im wesentlichen sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren wiederholt. Insbesondere behauptet er unter Angebot von Zeugenbeweis weiterhin, die Aussiedlungsabsichten im Planwunschtermin geäußert zu haben. Die Abfindung aussiedlungsgeeigneter Altflächen mit Flächen, die hierfür nicht geeignet seien, verstoße gegen das Gebot wertgleicher Abfindung.

Der Kläger beantragt,

die vorläufige Besitzeinweisung betreffend das Flurbereinigungsverfahren Kallstadt VII vom 13. Juni 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2001 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er nimmt zur Begründung seines Antrages auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides Bezug.

Die Beigeladene zu 1) hat sich zum Verfahren nicht geäußert.

Der Beigeladene zu 2) beantragt unter Bezugnahme auf die Rechtsansicht des Beklagten,

die Klage abzuweisen.

Er gibt an, seine Bauvoranfrage für eine Aussiedlung sei bestandskräftig abgelehnt worden. Mittlerweile habe er seine Abfindungsgrundstücke am Rande der K 4 mit Reben neu besteckt.

Der Kläger hat gegen den am 30. Juli 2002 bekannt gegebenen Flurbereinigungsplan Widerspruch eingelegt, der der Spruchstelle für Flurbereinigung vorliegt.

Der Senat hat zur Frage, ob und in welcher Form der Kläger im Planwunschtermin am 04. Januar 2001 Bauabsichten bezüglich der Parzellen ... und ... geäußert hat, Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen K. , H. und B. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten 9 B 11068/01.OVG und 9 B 11288/01.OVG lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird ebenfalls verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.

Die angefochtene vorläufige Besitzeinweisung erweist sich bezüglich des Klägers als rechtmäßig und verletzt diesen nicht in seinen Rechten (§§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach § 65 Abs. 1 FlurbG setzt die vorläufige Besitzeinweisung voraus, dass die Grenzen der neuen Grundstücke in die Örtlichkeit übertragen worden sind, endgültige Wert- und Flächennachweise für die neuen Grundstücke vorliegen sowie das Verhältnis von Einlage und Abfindung für jeden Beteiligten feststeht. Diese Voraussetzungen sind vorliegend unstreitig gegeben.

Ist der Tatbestand des § 65 Abs. 1 FlurbG erfüllt, kann der vorläufigen Besitzweinweisung grundsätzlich nicht die mangelnde Wertgleichheit von Einlage und Abfindung entgegengehalten werden. Deren Prüfung hat im Verfahren über die Planwidersprüche zu erfolgen (BVerwGE 59, 79, 85). Ermessensfehlerhaft wird die vorläufige Besitzeinweisung erst dann, wenn die vorübergehende Nutzung der Abfindungsgrundstücke bis zur Planausführung dem Teilnehmer nicht zugemutet werden kann. Dies setzt regelmäßig voraus, dass zwischen Einlage und Abfindung offensichtlich ein grobes Missverhältnis besteht oder in unzumutbarer Weise in die Struktur des Betriebes eingegriffen würde (BVerwG, Beschluss vom 30. August 1968 - IV B 78.68 -, Buchholz 424.01 § 65 FlurbG Nr. 2). Nur dann, wenn im Einzelfall aufgrund der vorläufigen Besitzeinweisung - etwa durch Neuanpflanzung von Rebanlagen oder den Ausbau von Wirtschaftswegen - vollendete Tatsachen geschaffen werden, sind im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG geringere Anforderungen an die Ermessensfehlerhaftigkeit zu stellen. Es genügt dann die Wahrscheinlichkeit, dass die Zuteilung der Abfindungsgrundstücke im Rahmen des Flurbereinigungsplanes wegen mangelnder Wertgleichheit mit der Einlage keinen Bestand haben wird und zur Herstellung der Gleichwertigkeit auf Grundstücke zurückgegriffen werden muss, auf denen wegen der vorläufigen Besitzweinweisung die Schaffung vollendeter Tatsachen droht.

Im vorliegenden Fall droht nicht die Schaffung vollendeter Tatsachen. Diese sind vielmehr - ohne dass der Senat im Zeitpunkt seiner letzten Eilentscheidung davon Kenntnis hatte - bereits eingetreten. Der Beigeladene zu 2) hat nach seinen unbestrittenen Angaben in der mündlichen Verhandlung die Flächen, deren Zuteilung der Kläger mit seinem Planwiderspruch erstrebt, entgegen seiner bisher im Verfahren behaupteten Bebauungsabsicht neu mit Reben bestockt.

Kann der Kläger daher durch eine Aufhebung der vorläufigen Besitzeinweisung nicht mehr gegen den Eintritt vollendeter Tatsachen auf den begehrten Abfindungsflächen geschützt werden, so beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensbetätigung auf die Frage des groben Missverhältnisses zwischen Einlage und Abfindung oder eines unzumutbaren Eingriffs in die Betriebsstruktur des Klägers. Derartig gravierende Mängel der vorgesehenen Landzuweisung sind aber nicht ersichtlich.

Lässt man die behaupteten Teilaussiedlungsabsichten des Klägers außer Betracht, kann von einem groben Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung keine Rede sein. Dies ergibt sich aus den detaillierten Angaben in der Stellungnahme des Kulturamtes Neustadt an der Weinstraße zum Planwiderspruch des Klägers (Bl. 49ff. GA), die auch vom Kläger nicht bestritten werden. Dort wird unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere zu Recht darauf hingewiesen, dass ein Anspruch auf Abfindung in bestimmter Lage - etwa der von Einlagegrundstücken - grundsätzlich nicht besteht.

Die überwiegende Zuteilung der vom Kläger eingebrachten Parzellen ... und ... an den Beigeladenen zu 2) könnte allenfalls dann ausnahmsweise zu einem groben Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung des Klägers führen, wenn dieser im Planwunschtermin für die besagten Flächen eine Teilaussiedlungs- oder jedenfalls Bauabsicht hinreichend konkret geäußert hätte. Die Pflicht der Flurbereinigungsbehörde, soweit möglich, auch künftigen Verhältnissen Rechnung zu tragen, setzt voraus, dass es sich um konkrete Möglichkeiten handelt, deren Verwirklichung bei Wirksamwerden des Flurbereinigungsplans bereits voraussehbar und nicht nur theoretisch ist. Die Beteiligten sind im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht gehalten, im Wunschtermin auf alle Gesichtspunkte hinzuweisen, die für die Entwicklung ihres Betriebes von Bedeutung sind, soweit sie nicht ohnehin für die Flurbereinigungsbehörde erkennbar sind. Wird im Wunschtermin nicht auf solche besonderen Entwicklungstendenzen hingewiesen und werden hierzu keine konkreten Gestaltungsvorschläge gemacht, so kann schlechterdings nicht erwartet werden, dass solche Umstände bei der Plangestaltung Berücksichtigung finden (BVerwG, RdL 1981, 209).

Im vorliegenden Fall begründet die den Kläger betreffende Niederschrift des Planwunschtermins vom 04. Januar 2001 gemäß §§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, 98 VwGO, 415 Abs. 1 ZPO als öffentliche Urkunde den vollen Beweis dafür, dass der Kläger einen diesen Anforderungen genügenden Teilaussiedlungswunsch nicht geäußert hat. Denn eine solche Äußerung lässt sich der Protokollierung weder ausdrücklich noch sinngemäß entnehmen. Da sich die Beweiskraft öffentlicher Urkunden auch auf die Vollständigkeit der Wiedergabe geäußerter Willensbekundungen erstreckt (s. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann: ZPO, 60. Aufl. 2002, § 415 Rn 10 sowie BVerwG, Beschluss vom 02. November 1987, Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 32 für den Fall eines nicht im gerichtlichen Protokoll erscheinenden Beweisantrages), ist unter Ausschluss der freien Beweiswürdigung (§ 108 VwGO) davon auszugehen, dass der Kläger nur die im Protokoll vermerkten Planwünsche geäußert hat.

Die Beweiskraft der Niederschrift erleidet auch nicht dadurch eine Einbuße, dass sie - anders als beim Planwunschtermin des Beigeladenen zu 2) - nicht vom Zeugen B. als Protokollführer unterzeichnet ist. Die formelle Beweiskraft der öffentlichen Urkunde entfällt nur dann, wenn sie gegen gesetzliche Formvorschriften verstößt. Die Unterzeichnung des Protokolls eines Planwunschtermins durch den Protokollführer ist aber nicht gesetzlich vorgeschrieben. Aus § 130 Abs. 3 FlurbG folgt vielmehr, dass das Protokoll (nur) vom Verhandlungsführer, nicht aber vom Protokollführer unterzeichnet werden muss (s. auch das Senatsurteil vom 08. Juni 1982 - 9 C 47/80 -, RzF - 1 - zu § 130 Abs. 3 FlurbG). Eine allenfalls denkbare analoge Anwendung des für förmliche Verwaltungsverfahren geltenden § 68 Abs. 4 Satz 3 VwVfG scheidet schon deshalb aus, weil §§ 130 bis 132 FlurbG detaillierte und grundsätzlich abschließende Regelungen zur Niederschrift in Flurbereinigungsverfahren enthalten, die sogar eine Mitwirkung der Beteiligten erfordern (s. § 130 Abs. 1 FlurbG) und daher eine vergleichbare Richtigkeitsgewähr für Niederschriften bieten wie die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes.

Der nach § 415 Abs. 2 ZPO zulässige Gegenbeweis unrichtiger Beurkundung ist dem Kläger nicht gelungen. Das Ergebnis der Beweisaufnahme vermochte den Senat nicht davon zu überzeugen, dass im Planwunschtermin des Klägers die Protokollierung eines konkret geäußerten Teilaussiedlungs- oder Bauwunsches für den Bereich der Parzellen Nr. ... und ... unterblieben ist.

Die Zeugen K. und B. haben die diesbezüglichen Behauptungen des Klägers nicht bestätigt. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sie am Ausgang des Prozesses ein Eigeninteresse haben könnten, das sie trotz drohender arbeits-, disziplinar- und strafrechtlicher Folgen einer uneidlichen Falschaussage verleiten könnte, zuungunsten des Klägers unwahre Tatsachen zu behaupten oder wahre Tatsachen zu verschweigen. Ihre übereinstimmende Aussage, sich an Äußerungen des Klägers über Teilaussiedlungs- oder Bauwünsche für den fraglichen Bereich nicht erinnern zu können, erscheint angesichts der verflossenen Zeit und der Vielzahl von Planwunschterminen, die die Zeugen durchgeführt haben, auch glaubhaft. Des weiteren kann den Zeugen geglaubt werden, dass derartige Äußerungen, wenn sie im Planwunschtermin gemacht werden, wegen ihrer Bedeutung unbedingt in die Niederschrift Eingang finden. Dies belegt auch die Niederschrift des später durchgeführten Planwunschtermins des Beigeladenen zu 2), in der Aussiedlungsabsichten hervorgehoben werden.

Stehen demnach die Angaben dieser Zeugen nicht im Widerspruch zum Inhalt der strittigen Niederschrift, so ergibt sich deren Unrichtigkeit auch nicht aus den Bekundungen der Zeugin H. Der Senat sieht auch bei dieser Zeugin keinen Anlass zu Zweifeln an der Glaubwürdigkeit. Zwar ist nicht zu verkennen, dass sie nach eigenen Angaben in langjähriger geschäftlicher (Vermietung einer Betriebshalle) und gutnachbarschaftlicher Beziehung zum Kläger steht und von daher versucht sein könnte, dessen betriebliche Interessen auch durch ihre Aussage vor Gericht zu fördern. Andererseits spricht aber ihr insgesamt ausgewogenes Aussageverhalten sowie der persönliche Eindruck, den der Senat von der Zeugin gewonnen hat, dagegen, dass sie sich bei der Erfüllung ihrer Zeugenpflichten von unlauteren Motiven leiten ließ. Ihre Angaben zur Sache waren allerdings nicht hinreichend klar und auch in sich nicht ganz widerspruchsfrei. Einerseits hat die Zeugin bekundet, dass sie sich aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr an "genaue Worte" oder an "eine solch präzise Äußerung" erinnern könne und lediglich "annehme", dass der Kläger den behaupteten Planwunsch am 04. Januar 2001 geäußert habe. Dies entspricht der Lebenserfahrung und kann ihr ohne weiteres geglaubt werden. Andererseits gab sie auf Nachfrage an, es sei am 04. Januar 2001 "jedenfalls darüber gesprochen worden". Auf Frage, ob der Kläger den Wunsch nach dem Bau einer Halle im Blick auf die Parzellen ... und ... geäußert habe, räumte die Zeugin ebenfalls mangelndes Erinnerungsvermögen ein und wies nur darauf hin, dass dies im Hinblick auf die Größe der Parzellen "doch ganz selbstverständlich" gewesen sei. Aus diesen Aussagen lässt sich insgesamt mit hinreichender Gewissheit nur entnehmen, dass die Zeugin mit dem Teilaussiedlungswunsch des Klägers, der auf einer möglichen Kündigung der von ihr angemieteten Halle beruhte, vertraut war, sich aber letztlich nicht mehr genau daran erinnern kann, ob er diese Absicht im Planwunschtermin gerade dem Beklagten konkret mitgeteilt hat, sondern dies eben nur "annimmt".

Konnte demnach auch die Zeugin H. dem Senat nicht die volle Überzeugung verschaffen, dass der Kläger im Planwunschtermin weitergehende Wünsche geäußert hat, als sie aus der Niederschrift erkennbar sind, verbleibt es bei der Beweiskraft des - nicht zuletzt auch vom Kläger selbst unterzeichneten - Protokolls.

Hat aber der Kläger keinen rechtserheblichen Aussiedlungswunsch geäußert, so bewirkt die (überwiegende) Zuweisung seines an der K 4 gelegenen Altbesitzes an den Beigeladenen zu 2) kein grobes Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Beigeladene zu 2) durch die Neubestockung seiner im Altbesitz des Klägers gelegenen Abfindungsgrundstücke recht deutlich zu erkennen gegeben hat, dass seine im Planwunschtermin geäußerte Aussiedlungsabsicht entfallen ist oder in Wahrheit nie bestanden hat. Denn das Gebot wertgleicher Abfindung verbietet es - wie erwähnt - nicht grundsätzlich, einem Teilnehmer Abfindungsgrundstücke im Bereich des Altbesitzes eines anderen Teilnehmers zuzuweisen.

Die Frage, ob der Beklagte sein Planungsermessen beanstandungsfrei ausübt, wenn er arrondierte, verkehrsgünstig gelegene Rebflächen eines ortsansässigen Winzers einem ortsfremden Betrieb zuweist, ohne auf dessen Aussiedlungsabsicht verweisen zu können, ist nicht hier, sondern im Verfahren über den Planwiderspruch zu klären.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO, 147 Abs. 1 FlurbG. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2) aufzuerlegen, da sich dieser durch eigene Antragstellung am Kostenrisiko des Prozesses beteiligt hat und die Entscheidung auch in seinem Interesse liegt. Dies gilt indessen nicht für die Beigeladene zu 1), die ihre außergerichtlichen Kosten daher selbst trägt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten ergibt sich aus §§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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