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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 13.12.2004
Aktenzeichen: VGH B 16/04
Rechtsgebiete: LV, HochSchG, HRG, StudKVO, VerfGHG


Vorschriften:

LV Art. 17
LV Art. 17 Abs. 1
LV Art. 17 Abs. 2
LV Art. 31
LV Art. 31 Abs. 2
LV Art. 39
LV Art. 39 Abs. 5
LV Art. 39 Abs. 5 Satz 1
LV Art. 74
LV Art. 74 Abs. 1
HochSchG § 35
HochSchG § 35 Abs. 3
HochSchG § 35 Abs. 3 Satz 1
HochSchG § 70
HochSchG § 70 Abs. 1
HochSchG § 70 Abs. 2
HochSchG § 70 Abs. 2 Satz 2
HochSchG § 70 Abs. 2 Satz 3
HochSchG § 70 Abs. 6
HRG § 27
HRG § 27 Abs. 4
HRG § 27 Abs. 4 Satz 1
HRG § 27 Abs. 4 Satz 2
StudKVO § 2
StudKVO § 2 Abs. 2
StudKVO § 2 Abs. 2 Satz 1
StudKVO § 2 Abs. 5
StudKVO § 5
StudKVO § 5 Abs. 2
StudKVO § 6
StudKVO § 6 Abs. 2
StudKVO § 6 Abs. 3
StudKVO § 14
StudKVO § 14 Abs. 1
StudKVO § 14 Abs. 3
StudKVO § 14 Abs. 3 Satz 1
VerfGHG § 44
VerfGHG § 44 Abs. 1
VerfGHG § 44 Abs. 3
VerfGHG § 44 Abs. 3 Satz 2
VerfGHG § 46
VerfGHG § 46 Abs. 3
VerfGHG § 48
VerfGHG § 48 Abs. 1
Die Einführung von Studiengebühren für Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben (§§ 35 Abs. 3 Satz 1 und 70 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Hochschulgesetz), steht mit der Landesverfassung in Einklang.
VERFASSUNGSGERICHTSHOF RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

VGH B 16/04

In dem Verfahren

betreffend die Verfassungsbeschwerde

hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 13. Dezember 2004, an der teilgenommen haben

Präsident des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Meyer Präsident des Oberlandesgerichts Dury Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling Direktorin des Amtsgerichts Terner Universitätsprofessor Dr. Dr. Merten Kreisverwaltungsdirektorin Kleinmann Vizepräsidentin des Verwaltungsgerichts Dr. Freimund-Holler Landrätin Röhl Rechtsanwalt Schnarr

beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

A.

Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Einführung der Gebührenpflicht für Studien von Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben.

I.

Das am 1. September 2003 in Kraft getretene Hochschulgesetz Rheinland-Pfalz - HochSchG - trifft in § 70 eine Regelung über die Erhebung von Studiengebühren. Zunächst enthält § 70 Abs. 1 HochSchG die Garantie eines gebührenfreien Erststudiums, die dem Land durch § 27 Abs. 4 Hochschulrahmengesetz - HRG - in der Fassung des 6. HRG-Änderungsgesetzes vom 8. August 2002 (BGBl. I S. 3138) vorgegeben worden ist (vgl. hierzu das Normenkontrollverfahren beim BVerfG - 2 BvF 1/03 -). Danach ist das Studium bis zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss, bei konsekutiven Bachelor- und Master-Studiengängen bis zum zweiten berufsqualifizierenden Abschluss, grundsätzlich gebührenfrei. Allerdings sieht § 70 Abs. 2 HochSchG eine Studienkontenregelung vor, die dazu führt, dass Langzeitstudenten nach dem Aufbrauchen ihres Kontos einer Gebührenpflicht unterfallen. Das Studienkonto beträgt grundsätzlich 200 Semesterwochenstunden. Der Verbrauch des Studienguthabens ist in der aufgrund § 70 Abs. 6 HochSchG erlassenen Landesverordnung über die Einrichtung und Führung von Studienkonten - StudKVO - vom 26. Mai 2004 dahingehend geregelt, dass für jedes Semester Regelabbuchungen in einem Umfang vorgenommen werden, die ein gebührenfreies Studium in der 1,75fachen Länge der Regelstudienzeit erlauben. In § 70 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HochSchG ist eine Altersgrenze für das Führen des Studienkontos vorgesehen. Die Bestimmung lautet wörtlich:

"Studienkonten werden bis zu dem Semester eingerichtet und geführt, das sich an die Vollendung des 60. Lebensjahres anschließt. Studienguthaben und Restguthaben verfallen zum Ende dieses Semesters."

§ 35 HochSchG enthält eine Vorschrift über die wissenschaftliche Weiterbildung und über postgraduale Studien. § 35 Abs. 3 Satz 1 HochSchG lautet wörtlich:

"Für das weiterbildende Studium und sonstige Weiterbildungsangebote, für postgraduale Studien, ausgenommen zur Heranbildung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses, für Zweitstudien sowie für Studien von Personen, die altersbedingt nach der Rechtsverordnung gemäß § 70 Abs. 6 kein Studienkonto mehr erhalten, und für Studien von Gasthörerinnen und Gasthörern sind nach Maßgabe des besonderen Gebührenverzeichnisses des Ministeriums für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur Gebühren zu erheben."

§ 70 Abs. 6 HochSchG ermächtigt das fachlich zuständige Ministerium, das Nähere, insbesondere zur Ausstattung und Abbuchung des Studienkontos, zur Altersgrenze, zur Höhe und Entrichtung der Gebühr, zur Berücksichtigung sozialer Belange u.a., durch Rechtsverordnung zu regeln. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 StudKVO werden Studienkonten ab dem Wintersemester 2004/2005 eingerichtet. § 5 Abs. 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 2 und 3 StudKVO sieht für jedes abgeleistete Fachsemester eine Regelabbuchung vor. Nach § 14 Abs. 1 StudKVO erhebt die Hochschule von eingeschriebenen Studierenden, denen kein ausreichendes Studienguthaben zur Verfügung steht, eine Gebühr. Diese beträgt für jedes Semester 650,-- € (§ 14 Abs. 3 Satz 1 StudKVO; ebenso Nr. 2.2.12 des Besonderen Gebührenverzeichnisses nach der Landesverordnung über die Gebühren in den Bereichen Wissenschaft, Weiterbildung und Forschung vom 24. Oktober 2001 i.d.F. der Verordnung vom 12. September 2004, GVBl. S. 438). Sie kann gemäß § 14 Abs. 5 StudKVO auf Antrag von der Hochschule gestundet, ermäßigt oder erlassen werden, wenn die Einziehung der Gebühr aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls für die Studierende oder den Studierenden eine unbillige Härte darstellt.

§ 2 Abs. 5 StudKVO wiederholt im Wesentlichen die gesetzliche Regelung in § 70 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HochSchG. Die Vorschrift lautet wörtlich:

"Studienkonten werden bis zu dem Semester eingerichtet und geführt, das sich an die Vollendung des 60. Lebensjahres anschließt. Studienguthaben und Restguthaben verfallen zum Ende dieses Semesters. Danach tritt Gebührenpflicht gemäß § 35 Abs. 3 HochSchG ein."

II.

Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz vom 28. August 2004, beim Verfassungsgerichtshof eingegangen am 1. September 2004, Verfassungsbeschwerde gegen §§ 35 Abs. 3 Satz 1 und § 70 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HochSchG und gegen § 2 Abs. 5 StudKVO erhoben. Er rügt die Verletzung des Gleichheitssatzes nach Art. 17 Abs. 1 und 2 der Verfassung für Rheinland-Pfalz - LV -. Zur Begründung trägt er vor, er sei 1940 geboren und als ordentlicher Studierender an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz immatrikuliert. Die Festlegung der Altersgrenze mit Vollendung des 60. Lebensjahres sei sachlich nicht begründet und offensichtlich willkürlich. Damit würden Studierende willkürlich in zwei Gruppen unterteilt, obwohl es sich in beiden Fällen um Menschen handele, die sich Wissen aneignen wollten, um eine qualifiziertere Tätigkeit als bisher ausüben zu können. Auch in Rheinland-Pfalz werde immer wieder eine längere Lebensarbeitszeit diskutiert. Dies bedinge eine sich wandelnde Qualifizierung im Verlauf des Lebens eines Menschen. Diese Wandlung könne nicht durch eine willkürlich gezogene Altersgrenze beschränkt werden. Eine weitere Ungleichbehandlung liege darin, dass es für alte Menschen im Unterschied zu jungen Menschen keine Härtefallregelung gebe. Aufgrund mehrerer längerer Krankheitszeiten sei er an der Grenze seiner finanziellen Leistungsfähigkeit angelangt.

III.

Der Landtag Rheinland-Pfalz äußert in seiner Stellungnahme bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde. Der Beschwerdeführer sei durch die angegriffenen Regelungen nicht unmittelbar betroffen, weil diese Betroffenheit erst durch einen Gebührenbescheid ausgelöst werde. Gründe für eine Vorabentscheidung des Verfassungsgerichtshofs seien nicht ersichtlich. Im Übrigen ergäben sich Bedenken hinsichtlich der Einhaltung der Jahresfrist gemäß § 46 Abs. 3 VerfGHG. Jedenfalls sei die Verfassungsbeschwerde nicht begründet. Die von dem Beschwerdeführer gerügte Ungleichbehandlung sei sachlich gerechtfertigt. Ihr liege die Erwägung zugrunde, dass das gesamtgesellschaftliche Interesse am Abschluss eines Hochschulstudiums mit zunehmendem Lebensalter der Studierenden abnehme. Die Wahrscheinlichkeit, dass die durch ein Studium erworbene wissenschaftliche Qualifikation eine Verwirklichung im Berufsleben finde und damit der Allgemeinheit zugute kommen könne, sinke mit zunehmendem Lebensalter. Die vorgenommene Differenzierung sei auch im Hinblick auf die landesverfassungsrechtlich gewährleistete Freiheit der berufsbezogenen Ausbildung (Art. 39 Abs. 5 LV) angemessen.

Auch die Landesregierung hält die Verfassungsbeschwerde wegen fehlender unmittelbarer Betroffenheit des Beschwerdeführers für unzulässig. Darüber hinaus erweise sie sich auch als unbegründet. Die Erhebung einer Gebühr für Studien nach dem 60. Lebensjahr sei sachlich gerechtfertigt. Das Land gebe im Jahr durchschnittlich 6.200,-- € je Studierendem an Grundmitteln für Lehre und Forschung aus. Angesichts der gesamtwirtschaftlichen Lage sei der Staat berechtigt, mit dem knappen und wertvollen Gut eines kostenfreien Studiums zu haushalten. Eine Gebührenfreiheit für das Erststudium sei deshalb nur für die Fälle garantiert worden, in denen eine Verwirklichung der wissenschaftlichen Qualifikation im Berufsleben erwartet werden könne. Das Vorliegen dieser Voraussetzung sei in typisierender Betrachtung ab Vollendung des 60. Lebensjahres zutreffend verneint worden. Die angegriffene Regelung sei auch mit Art. 39 Abs. 5 LV vereinbar. Denn hieraus könne kein Anspruch des Einzelnen auf ein kostenfreies Studium hergeleitet werden.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

I.

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Anordnung einer Gebührenpflicht für Studien nach dem 60. Lebensjahr (Seniorenstudien) als solche. Datails ihrer Ausgestaltung werden von dem Beschwerdeführer nicht angegriffen. Die Gebührenpflicht für Seniorenstudien ergibt sich dem Grunde nach aus den gesetzlichen Regelungen in § 35 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 70 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HochSchG. Die darüber hinaus angegriffene Vorschrift in § 2 Abs. 5 StudKVO wiederholt lediglich die gesetzliche Regelung. Eine eigenständige Beschwer wird durch sie nicht ausgelöst.

II.

Die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz des Landes ist statthaft (§§ 44 Abs. 1, 48 Abs. 1, 49 Abs. 4 des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof - VerfGHG -). Sie ist auch fristgemäß erhoben worden, obwohl sie erst nach Ablauf des 31. August 2004 beim Verfassungsgerichtshof eingegangen ist.

Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine Rechtsvorschrift, so kann sie gemäß § 46 Abs. 3 VerfGHG nur binnen eines Jahres seit deren In-Kraft-Treten erhoben werden. Das Hochschulgesetz ist am 1. September 2003 in Kraft getreten (§ 158 Abs. 1 HochSchG). Zur Berechnung der Jahresfrist ist auf die einschlägigen Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch abzustellen, die hier entsprechende Anwendung finden (vgl. § 222 Abs. 1 ZPO; BVerfGE 102, 254 [295] zu § 93 Abs. 3 BVerfGG). Danach endete die am 1. September 2003 in Lauf gesetzte Frist mit Ablauf des 31. August 2004 (vgl. § 188 Abs. 2 2. Alternative i.V.m. § 187 Abs. 2 Satz 1 BGB).

Obwohl die Verfassungsbeschwerde erst am 1. September 2004 beim Verfassungsgerichtshof einging, ist sie dennoch fristgemäß erhoben, weil nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 3 Satz 1 HochSchG die Betroffenheit der Seniorenstudenten von dem Erlass "der Rechtsverordnung gemäß § 70 Abs. 6" abhängen sollte und die Studienkontenverordnung erst am 26. Mai 2004 erlassen wurde. Wird der gesetzliche Normbefehl (hier die Gebührenpflicht) für einen bestimmten Adressatenkreis erst durch eine Ausführungsverordnung aktualisiert, so ist anerkannt, dass die Jahresfrist erst ein Jahr nach In-Kraft-Treten der Rechtsverordnung endet (vgl. BVerfGE 34, 165 [178 f.]; 68, 319 [325]; Lechner/Zuck, BVerfGG-Kommentar, 4. Aufl. 1996, § 93 Rn. 70; Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 1991, § 12 Rn. 53).

Diese Grundsätze sind hier anzuwenden, obwohl die Studienkontenverordnung zur Frage der Altersgrenze für ein gebührenfreies Studium keine vom Hochschulgesetz abweichende Regelung trifft, worauf der Landtag von Rheinland-Pfalz und das Ministerium der Justiz zutreffend hinweisen. Diejenigen Personen, die altersbedingt kein Studienkonto mehr erhalten, werden in § 2 Abs. 5 Satz 1 StudKVO wortgleich mit § 70 Abs. 2 Satz 2 HochSchG beschrieben. Aufgrund der detaillierten Regelung in § 70 Abs. 2 HochSchG hätte es zur Festlegung der Gruppe der Seniorenstudenten in § 35 Abs. 3 Satz 1 HochSchG nicht mehr der Verweisung auf die Rechtsverordnung gemäß § 70 Abs. 6 HochSchG bedurft. Die Detailregelung in § 70 Abs. 2 war abweichend vom Gesetzentwurf der Landesregierung (LT-Drucks 14/2017, S. 49) erst im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens im Anschluss an den Beschlussentwurf - LT-Drucks. 14/2333 - in das Gesetz aufgenommen worden, ohne allerdings die Verweisung in § 35 Abs. 3 Satz 1 HochSchG aufzuheben. Nach dem Wortlaut des Gesetzes blieb damit die Bestimmung derjenigen Personen, die altersbedingt kein Studienkonto mehr erhalten, weiterhin von der Rechtsverordnung gemäß § 70 Abs. 6 abhängig. Letzte Gewissheit über den Anwendungsbereich des § 35 Abs. 3 Satz 1 HochSchG ergab sich für die Adressaten daher erst nach Erlass der Studienkontenverordnung vom 26. Mai 2004.

III.

Ferner kann der Beschwerdeführer geltend machen, durch die angegriffene gesetzliche Regelung selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen zu sein (vgl. hierzu: VerfGH Rh-Pf, DVBl. 2004, 1111; AS 25, 194 [195]; 29, 23 [26]).

Er hat dargetan, dass er als eingeschriebener Student von der angegriffenen Regelung selbst und ab Wintersemester 2004/05 auch gegenwärtig betroffen ist.

Schließlich scheitert die Sachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof auch nicht am Erfordernis unmittelbarer Betroffenheit. Unmittelbare Betroffenheit verlangt, dass die Rechtsstellung des Beschwerdeführers durch die angegriffene Rechtsnorm und nicht erst durch ihren Vollzug berührt wird. Bedarf ein Gesetz rechtsnotwendig oder nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis der Umsetzung durch einen besonderen Vollzugsakt, muss der Beschwerdeführer grundsätzlich zunächst diesen Akt angreifen und den gegen ihn eröffneten Rechtsweg erschöpfen, bevor er die Verfassungsbeschwerde erhebt (vgl. VerfGH Rh-Pf, Urteil vom 22. Juni 2004 - VGH B 2/04 -, veröffentlicht in ESOVGRP; AS 25, 194 [195]; BVerfGE 72, 39 [43]; 102, 197 [207]). Die von dem Beschwerdeführer angegriffenen Vorschriften zur Studiengebührenpflicht bedürfen des Vollzugs durch Verwaltungsakt, nämlich der Erhebung der Gebühr mittels Gebührenbescheids. Allerdings schließt dies nicht zwingend die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde aus. Mit dem Erfordernis unmittelbarer Betroffenheit wird dem in § 43 Abs. 3 VerfGHG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde Rechnung getragen (vgl. BVerfGE 72, 39 [43]). Deshalb ist die unmittelbare Betroffenheit trotz Vollzugsbedürftigkeit eines Gesetzes dann zu bejahen, wenn die vorherige Klärung der tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des Normvollzugs entbehrlich und eine Vorabentscheidung über die verfassungsrechtliche Frage geboten ist (vgl. VerfGH Rh-Pf, Urteil vom 22. Juni 2004, a.a.O.; BVerfGE 60, 360 [370]; E 72, 39 [43]; 102, 197 [207 f.]). So liegt der Fall hier. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Anordnung der Gebührenpflicht für Seniorenstudien als solche. Die Beurteilung der Gültigkeit der angegriffenen Vorschriften hängt allein von der Auseinandersetzung mit den aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen ab. Eine fachgerichtliche Vorklärung der tatsächlichen und einfachrechtlichen Grundlagen des Normvollzugs ist hierfür entbehrlich. Wegen der auch in der Öffentlichkeit vermehrt diskutierten Frage nach der Berechtigung dieser Gebührenregelung und der Vielzahl der hiervon aktuell oder zukünftig Betroffenen kommt der Verfassungsbeschwerde allgemeine Bedeutung zu, weshalb eine Vorabentscheidung entsprechend § 44 Abs. 3 Satz 2 VerfGHG angezeigt ist. Das Bedürfnis zur Klärung dieser grundsätzlichen Frage besteht unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer möglicherweise in den Genuss der Härtefallregelung gemäß § 14 Abs. 5 Satz 1 StudKVO gelangt, wofür der Verfassungsgerichtshof allerdings keine Anhaltspunkte hat.

C.

Der Beschwerdeführer wird durch die angegriffene Regelung über die Gebührenpflicht für Studien nach Vollendung des 60. Lebensjahres nicht in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung gemäß Art. 17 Abs. 1 und 2 LV verletzt.

I.

Zunächst steht das Auferlegen einer Gebühr für Studien von Senioren nicht bereits als solches in Widerspruch zur Verfassung, was vom Beschwerdeführer auch nicht geltend gemacht wird.

1. Das Land verfügt über die Gesetzgebungskompetenz zu der in § 35 Abs. 3 Satz 1 HochSchG vorgenommenen Regelung der Studiengebührenpflicht. Es handelt sich um eine Bestimmung zum Hochschulwesen. Sie hält sich innerhalb des bundesverfassungsrechtlich gezogenen Gesetzgebungsrahmens, auf dessen Beachtung sich die landesverfassungsgerichtliche Prüfung erstreckt (vgl. VerfGH Rh-Pf, Urteil vom 22. Juni 2004, a.a.O.; AS 28, 440 [443 f.]). Insbesondere steht die Regelung in Einklang mit der Bestimmung in § 27 Abs. 4 des Hochschulrahmengesetzes - HRG -. Zwar sieht § 27 Abs. 4 Satz 1 HRG in der Fassung der 6. HRG-Novelle die Studiengebührenfreiheit für das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und das Studium in einem konsekutiven Studiengang, der zu einem weiteren berufsqualifizierenden Abschluss führt, vor; eine Vorgabe, die der Landesgesetzgeber mit § 70 Abs. 1 HochSchG auch beachtet hat. Jedoch erlaubt § 27 Abs. 4 Satz 2 HRG Ausnahmen von der Gebührenpflicht in besonderen Fällen. Unter dieser Voraussetzung ist es den Ländern gestattet, auch für Erst- und Aufbaustudien eine Studiengebührenpflicht einzuführen. Bei der hier angegriffenen Regelung zur Gebührenpflicht für Seniorenstudien handelt es sich um einen solchen besonderen Fall.

2. Auch in inhaltlicher Hinsicht stehen einer Gebührenregelung wie in § 35 Abs. 3 Satz 1 HochSchG nicht bereits grundsätzliche Hindernisse entgegen. Insbesondere ergibt sich aus dem Grundrecht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte, das in der Landesverfassung hinsichtlich der Hochschulen in Art. 39 Abs. 5 Satz 1 LV verankert ist, kein allgemeiner Anspruch auf die Kostenfreiheit des gewählten Studiums (vgl. Magiera, in: Grimm/Caesar, Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 39 Rn. 29; ebenso zu Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG - freie Wahl der Ausbildungsstätte -: BVerwGE 102, 142 [146 f.]; 115, 32 [36 f.]; Jarass/ Pieroth, GG-Kommentar, 7. Aufl. 2004, Art. 12 Rn. 77; Gubelt, in: von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 5. Aufl. 2000, Art. 12 Rn. 32; Manssen, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG-Kommentar, 4. Aufl. 1999, Art. 12 Rn. 18; auch: Scholz, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 12 Rn. 436).

Allerdings gewährleistet Art. 39 Abs. 5 Satz 1 LV jedermann das Recht auf freien Zugang zu den Hochschulen. Um dieses Zugangsrecht nicht faktisch leer laufen zu lassen, ist der Staat als Träger der Hochschule von Verfassungs wegen gehalten, die erforderlichen Hochschuleinrichtungen bereit zu stellen, soweit ihm dies unter Berücksichtigung der übrigen Gemeinschaftsbelange möglich ist. Hat er solche Einrichtungen geschaffen, so trifft ihn die Pflicht, die vorhandene Ausbildungskapazität im Rahmen ihrer Funktionsfähigkeit erschöpfend zu nutzen. Im Falle eines Bewerberüberhangs wandelt sich der Zugangsanspruch in einen am Gleichheitssatz orientierten Anspruch auf gerechte Verteilung der vorhandenen Ausbildungsmöglichkeiten (vgl. Süsterhenn/Schäfer, Kommentar zur Verfassung für Rheinland-Pfalz 1950, Art. 39 Anm. 2 c; Magiera, a.a.O., unter Hinweis auf die Numerus-clausus-Rechtsprechung in BVerfGE 33, 303 [331 ff.]; 42, 291 [313 f.]; 85, 36 [53 f.]; vgl. auch: OVG Rh-Pf, AS 11, 295 [298]; 12, 378 [381]).

Über diese Folgerungen des Rechts auf Hochschulzugang hinaus lassen sich dem Freiheitsrecht in Art. 39 Abs. 5 Satz 1 LV indessen keinerlei zwingende und abschließende Festlegungen hinsichtlich der finanziellen Voraussetzungen für ein Hochschulstudium entnehmen. Dies gilt sowohl in Bezug auf Förderungsleistungen des Staates für den allgemeinen Lebensunterhalt der Studierenden als auch im Hinblick auf die kostenlose Zurverfügungstellung der Hochschuleinrichtungen (vgl. Scholz, a.a.O., Rn. 436; Gubelt, a.a.O., Rn. 28 und 32). Die Entscheidungen hierüber sind nicht bereits abschließend verfassungsrechtlich vorgegeben. Sie obliegen vielmehr dem Gesetzgeber, der sie unter gerechter Abwägung der übrigen Belange der Gemeinschaft zu treffen hat. Bei dieser Abwägung hat er das Sozialstaatsgebot (Art. 74 Abs. 1 LV) ebenso zu berücksichtigen wie die in Art. 39 Abs. 5 Satz 1 LV zum Ausdruck kommende Grundaussage für einen möglichst unbeschränkten Zugang zu den Hochschulen und den in Art. 31 Satz 2 LV enthaltenen Auftrag, im Wege der Begabtenhilfe Chancengerechtigkeit in der Hochschulausbildung zu ermöglichen (vgl. insofern auch BVerwGE, 102, 142 [147]; 115, 32 [36 f.]).

Aus alledem folgt indes nicht zwingend die Gebührenfreiheit des Studiums. Der Gesetzgeber darf bei seinen Überlegungen auch berücksichtigen, dass die Inanspruchnahme staatlicher, von der Gesamtheit der Steuerpflichtigen finanzierter Einrichtungen durch einen eingeschränkten Nutzerkreis im Interesse gerechter Lastenverteilung in aller Regel eine Gebührenpflicht auslöst (vgl. BVerwGE 115, 32 [36 f.]; auch: BVerfGE 33, 303 [334]; Scholz, a.a.O., Rn. 451; Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 868 - 870).

Gemessen daran ist die in § 35 Abs. 3 Satz 1 HochSchG getroffene Entscheidung für die Gebührenpflicht der Studien von Senioren im Grundsatz nicht zu beanstanden. Dies gilt erst recht im Hinblick auf die nähere Ausgestaltung der Gebührenhöhe. Den Senioren wird hierdurch der Zugang zur Hochschule nicht verwehrt. Die festgesetzte Gebühr steht nicht außer Verhältnis zum Aufwand des Staates und dem Nutzen der Studierenden. Härtefällen kann durch § 14 Abs. 5 StudKVO Rechnung getragen werden. Außerdem besteht die Möglichkeit, die Hochschule im Gasthörerstatus in Anspruch zu nehmen. Hierfür sieht die Verordnung Gebühren je Semester zwischen 120,-- € und 250,-- € vor (Besonderes Gebührenverzeichnis, a.a.O., Nr. 2.2.8).

II.

Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt nicht vor.

Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 17 Abs. 1 und 2 LV) gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Dabei obliegt es dem Gesetzgeber zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse er als maßgebend dafür ansieht, sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist nur verletzt, wenn sich - bezogen auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs - ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonstwie einleuchtender Grund für die betreffende Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt. Hierbei hat der Verfassungsgerichtshof lediglich darüber zu wachen, dass die äußeren, von der Verfassung gesetzten Grenzen der normativen Gestaltungsfreiheit beachtet werden (vgl. VerfGH Rh-Pf, Urteil vom 22. Juni 2004, a.a.O., sowie in: DVBl. 2004, 1111 [1115]); AS 25, 418 [419]; 29, 23 [30 f.]; Caesar, in: Grimm/Caesar, a.a.O., Art. 17 Rn. 12 ff.).

Die hier angegriffene Unterscheidung zwischen der von § 35 Abs. 3 Satz 1 HochSchG erfassten Gruppe der Seniorenstudenten auf der einen und der Gruppe der übrigen Studenten im Erst- oder Aufbaustudium im Sinne von § 70 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 HochSchG auf der anderen Seite ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Der Gesetzgeber verfolgt mit der differenzierenden Gebührenregelung legitime Ziele des Gemeinwohls.

Der Regelung in § 35 Abs. 3 Satz 1 HochSchG liegt die Überlegung zugrunde, dass es sich bei der kostenlosen Zurverfügungstellung einer aus allgemeinen Steuermitteln finanzierten staatlichen Einrichtung an einen begrenzten Nutzerkreis um die Ausnahme von der Regel handelt (vgl. Reich, HRG-Kommentar, 8. Aufl. 2002, § 27 Rn. 7). Diese Ausnahme findet ihre Rechtfertigung in bildungs- und sozialpolitischen Erwägungen. Sie kommen in der Begründung des Entwurfs der Landesregierung zur Studienkontenverordnung zum Ausdruck, die hier auch zum Verständnis der gesetzlichen Regelung herangezogen werden kann. Danach seien Bildung und Ausbildung keine reine Privatangelegenheit; die Gesellschaft müsse ein nachhaltiges Interesse an einer ausreichenden Zahl gut ausgebildeter Menschen haben; ein Hochschulstudium verursache auch ohne Gebühren schon erhebliche Kosten; eine Erhöhung dieser Ausbildungskosten durch Studiengebühren würde sich negativ auf die Studienneigung junger Menschen aus einkommensschwächeren Elternhäusern auswirken; deshalb solle ein erstes Studium grundsätzlich gebührenfrei bleiben, die Inanspruchnahme weitergehender Studien jedoch der Entrichtung von Gebühren unterliegen (vgl. LT-Drucks. 14/3044, S. 12).

In dieser Begründung kommt hinreichend klar das gesellschaftspolitische Ziel des Gesetz- und Verordnungsgebers zum Ausdruck, junge Menschen für das Hochschulstudium zu gewinnen, und zwar Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten. Deshalb soll der Zugang zum Hochschulstudium nicht durch Studiengebühren erschwert werden. Der sachliche Grund für die Gebührenfreiheit des Erststudiums wird durch den Bezug der akademischen Ausbildung der jungen Menschen zum anschließenden Berufsleben deutlich. Für den Gesetzgeber steht als Ziel des Studiums insofern nicht das Bildungsinteresse des Einzelnen im Vordergrund, sondern vielmehr seine Qualifizierung für den Beruf. Das Studium soll die Studierenden auf ein berufliches Tätigkeitsfeld vorbereiten, ihnen die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln (§§ 2 Abs. 1 Satz 2 und 16 Abs. 1 HochSchG) und sie zu einem berufsqualifizierenden Abschluss hinführen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 HochSchG). Der gesellschaftliche Nutzen des Studiums besteht darin, dass die durch ein Studium erworbene wissenschaftliche Qualifikation im anschließenden Berufsleben Anwendung findet und damit der Allgemeinheit zugute kommt. Wo dieser gesellschaftliche Nutzen nicht oder in geringerem Umfang besteht, entfällt die Rechtfertigung, von dem Erheben einer Gebühr für die Inanspruchnahme der staatlichen Einrichtungen abzusehen. Hierauf nimmt die Landesregierung in der bereits zitierten Begründung ihres Verordnungsentwurfs Bezug, wenn es dort zur Gebührenpflicht für Seniorenstudien heißt, bei Studien nach dem 60. Lebensjahr sei davon auszugehen, dass eine Weiterqualifikation in höherem Maße im Interesse des Einzelnen als im gesellschaftlichen Interesse liege (vgl. LT-Drucks. 14/3044, S. 13).

Diese Einschätzung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Die Festlegung der Altersgrenze durfte typisierend erfolgen (vgl. hierzu: VerfGH Rh-Pf, DVBl. 2004, 1111 [1115]). Damit wird nicht in Abrede gestellt, dass ein Studierender auch im 7. Lebensjahrzehnt nach erfolgreichem Abschluss des Studiums noch qualifiziert beruflich tätig werden kann. Entscheidend ist jedoch, dass die nach Beendigung des Seniorenstudiums zu erwartende Berufsphase im Vergleich zur voraussichtlichen Dauer des Berufslebens junger Absolventen deutlich knapper ausfällt. Damit ist aber auch der mit der Finanzierung des Erststudiums erwartete gesellschaftliche Nutzen geringer. Wenn demzufolge der Gesetzgeber die Gebührenfreiheit für Seniorenstudien als nicht gerechtfertigt bewertet hat, ist dies angesichts der begrenzten Möglichkeiten öffentlicher Haushalte verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das Verfahren ist gemäß § 21 Abs. 1 VerfGHG kostenfrei. Eine Auslagenerstattung findet nicht statt (§ 21 a VerfGHG).

Ende der Entscheidung

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