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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 10.04.2007
Aktenzeichen: 1 A 22/07
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

1. Dass in der Gremiumsbesprechung, in der dienstliche Beurteilungen vorbereitet wurden, über einen bestimmten Beurteilungsfall nur wenige Minuten gesprochen wurde, indiziert nicht die Rechtswidrigkeit der Beurteilung.

2. Ein einer dienstlichen Beurteilung anhaftender Mangel - hier: Informationsdefizit - kann im Verwaltungsverfahren betreffend die Überprüfung der Beurteilung geheilt werden.

3. Bei einem statusamtsbezogenen Beurteilungsmaßstab ist es nahe liegend, dass die erste Beurteilung nach einer Beförderung schlechter ausfällt als die vorausgegangene Beurteilung; maßgeblich sind aber die Umstände des Einzelfalls.

4. Eine dienstliche Beurteilung ist nicht in sich widersprüchlich, weil die Einzelmerkmale "Belastbarkeit" und "Einsatzfähigkeit" unterschiedlich bewertet sind.


Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2006 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 177/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15.12.2006 ergangenes Urteil hat das Verwaltungsgericht nach zeugenschaftlicher Vernehmung des Erstbeurteilers das Begehren des zum 01.05.2001 mit "Hat sich ausgezeichnet bewährt" beurteilten und zum 01.04.2002 zum Steueramtmann beförderten Klägers zurückgewiesen, den Beklagten zu verpflichten, die über ihn auf der Grundlage der Richtlinien für die Beurteilung der Beamtinnen/Beamten im Geschäftsbereich des Ministeriums für Finanzen und Bundesangelegenheiten in der Fassung vom 14.01.2004 - im Weiteren: BRL - zum 01.05.2004 gefertigte, mit dem Gesamturteil "Hat sich bewährt" abschließende Regelbeurteilung abzuändern. Dagegen richtet sich der rechtzeitig gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung, der mit am 20.03.2007 und damit um einen Tag nach Ablauf der einschlägigen Frist beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet wurde. Nach Hinweis auf die Verfristung hat der Kläger um Wiedereinsetzung nachgesucht.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

Der Senat lässt offen, ob dem Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsbegründungsfrist gewährt werden kann. Darauf kommt es nicht an, weil der Antrag - seine Zulässigkeit unterstellt - jedenfalls unbegründet ist. Das, was der Kläger in seinem Schriftsatz vom 19.03.2007 vorgetragen hat und den Prüfungsumfang durch den Senat begrenzt (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO) führt nämlich nicht zu einem als Berufungszulassungsgrund allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

a) Der Kläger macht geltend, seine Regelbeurteilung könne entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht auf dem in Tz. 8.1 BRL vorausgesetzten umfassenden Vergleich von Eignung und Leistung der zum 01.05.2004 zu beurteilenden Steueramtmänner der saarländischen Finanzämter beruhen, der -- angeblich - in einer Gremiumsbesprechung durchgeführt worden sei. Dass ein solcher Vergleich im Gremium nicht stattgefunden habe, ergebe sich daraus, dass angesichts der Dauer der Gremiumsbesprechung und der Zahl der zu beurteilenden Beamten auf den einzelnen Beurteilungsfall allenfalls zwei bis fünf Minuten entfallen sein könnten. Dieses Vorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die streitige Beurteilung könne rechtlich nicht beanstandet werden.

Der als Zeuge vernommene Erstbeurteiler hat ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 15.12.2006 mitgeteilt, gerade die Gremiumsbesprechung betreffend die Beurteilung der Steueramtmänner habe sich "am längsten hingezogen" und "einen sehr langen Zeitraum" bzw. " einen großen zeitlichen Rahmen" in Anspruch genommen. Er - der Zeuge - habe in der Besprechung die einzelnen Beamten seines Amtes "vorgestellt", "zu den Leistungen des Klägers ... Stellung genommen und dabei auch darauf hingewiesen, dass der Kläger im Beurteilungszeitraum sowohl als Leiter der Finanzkasse als auch als Sachbearbeiter in der Vollstreckung tätig gewesen war". Außerdem sei der Kläger "dem Gremium ... bekannt" gewesen. Zusammen mit dem Fall des Klägers sei über drei weitere Steueramtmänner des Finanzamts B-Stadt, die er - der Zeuge - nach amtsinternen Vorbesprechungen als etwa leistungsgleich eingestuft habe, "ausführlich diskutiert" worden, wobei sie "selbstverständlich auch mit den bei den anderen Finanzämtern tätigen Beamten verglichen" worden seien. Es habe "ein intensiver Vergleich" stattgefunden.

Diese vom Verwaltungsgericht als glaubhaft angesehenen Angaben des Klägers belegen, dass jedenfalls im Vorfeld der Beurteilung des Klägers im Gremium eine ausführliche Aussprache stattgefunden hat. Diese gerade den Streitfall betreffende Annahme wird durch die allgemein gehaltenen Ausführungen des Klägers im Zulassungsantrag nicht erschüttert, zumal der Zeuge selbst mitgeteilt hat, "kritische Fälle" - dazu zählte nach dem Gesamtzusammenhang der Zeugenaussage die Beurteilung des Klägers - seien im Gremium "sehr lange erörtert" worden, während andere Fälle "schnell abgehandelt" worden seien. Diese Angabe entzieht den Berechnungen des Klägers von vorneherein die Grundlage. Ohnehin ist die Dauer einer Beratung kein Gradmesser für die Richtigkeit der gefundenen Entscheidung. Weitaus wichtiger ist insoweit vielmehr, ob alle relevanten Punkte in der Diskussion angesprochen wurden, und das traf nach der auf die Zeugenaussage gestützten Überzeugung des Verwaltungsgerichts auf den Beurteilungsfall des Klägers zu.

Ohnehin übersieht der Kläger, dass die Aufgabe des Gremiums - nur - darin besteht, die Grundlage dafür zu schaffen, dass bei allen Beamten einer Besoldungsgruppe unter Zugrundlegung objektiver Gesichtspunkte die gleichen Maßstäbe bei Abgabe der Beurteilung zugrunde gelegt werden (vgl. Tz. 8.1 S.2 BRL). Die einzelne Beurteilung haben - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - Erst- und Zweitbeurteiler zu verantworten (vgl. Tz. 8.4 BRL). Deshalb kommt es bei der gerichtlichen Kontrolle einer dienstlichen Beurteilung allein darauf an, ob diese beiden über die notwendigen Informationen betreffend Eignung und Leistung des einzelnen zu beurteilenden Beamten verfügt haben. Insoweit kommt es auf die Gegebenheiten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens - hier: Erlass des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2006 - an. Mithin können möglicherweise anfänglich bestandene Defizite jedenfalls noch im Abänderungsverfahren ausgeglichen werden so BVerwG, Urteil vom 05.11.1998 - 2 A 3.97 -, BVerwG 107, 360 (363), und die ständige Rechtsprechung des beschließenden Senats, u.a. Beschluss vom 11.01.2001 - 1 Q 60/00 -.

Die Unerheblichkeit der Rüge des Klägers, seine Beurteilung sei im Gremium zu kurz erörtert worden, folgt deshalb auch daraus, dass die Beurteilung im Abänderungsverfahren nochmals eingehend überprüft wurde. Hinzuweisen ist insoweit insbesondere auf die schriftlichen Stellungnahmen des Erstbeurteilers vom 10.08. und 13.10.2004, und der Fall wurde ausweislich eines Aktenvermerks des Staatssekretärs am 05.01.2005 auch mit dem Zweitbeurteiler durchgesprochen. Beide Beurteiler hielten in Kenntnis aller Einwände des Klägers an der vorliegenden Beurteilung fest, was seinen Niederschlag in dem Bescheid vom 07.01.2005 und in der Widerspruchsentscheidung vom 6.02.2006 fand. Das anschließende gerichtliche Verfahren brachte keinen Anhaltspunkt dafür, dass den Beurteilern irgendetwas Beurteilungsrelevantes unbekannt geblieben wäre.

b) Der Kläger stellt im Weiteren die Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts in Frage, "gerade die Anknüpfung der dienstlichen Beurteilung an die Anforderungen des am Beurteilungsstichtag innegehabten statusrechtlichen Amtes (lasse) es als einleuchtend erscheinen, wenn die Leistungen des Klägers, der dieses Amt erst durch seine mit Wirkung vom 01.04.2002 erfolgte Beförderung zum Steueramtmann erlangt hatte und daher zum 01.05.2004 erstmals in diesem Amt beurteilt worden ist, weniger gut als bei seiner der Beförderung vorausgegangenen Beurteilung beurteilt wurde"; es sei nämlich "ohne Weiteres nachzuvollziehen, dass ein Beamter, der nach einer Beförderung erstmals mit den durchweg länger der höheren Besoldungsgruppe zugehörigen und deshalb erfahreneren Beamten zu messen ist, bei dem vorzunehmenden Eignungs- und Leistungsvergleich häufig mehr oder weniger stark abfällt mit der Folge, dass er sowohl im Gesamturteil als auch in den einzelnen Beurteilungsmerkmalen regelmäßig ungünstiger abschneidet als zuvor".

Bei diesen Ausführungen handelt es sich um einen in der Rechtsprechung u.a. BVerwG, Urteil vom 27.10.1988 - 2 A 2.87 -, Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 12; OVG Koblenz, Beschluss vom 12.09.2000 - 10 A 11056/00 -, ZBR 2002, 63, und VGH Mannheim, Urteil vom 23.03.2004 - 4 S 1165/03 -, DÖV 2004, 891; ebenso zur Beurteilungspraxis in der saarländischen Finanzverwaltung die ständige Senatsrechtsprechung, u.a. Urteil vom 18.05.2000 - 1 R 23/99 -, SRZ 2000, 212 Leitsatz 33, und vom 30.11.2000 - 1 R 10/00 -, SRZ 2001, 106 Leitsatz 26, allgemein anerkannten Beurteilungsgrundsatz bei Geltung eines - wie hier - strikt statusamtsbezogenen Beurteilungsmaßstabs. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit der einzelnen Beurteilung ist dabei allerdings, dass dieser Grundsatz nicht schematisch angewandt, sondern in jedem Einzelfall geprüft wird, ob die erwähnte Regelvermutung zutrifft oder nicht. So vorgegangen zu sein, hat der Erstbeurteiler beim Verwaltungsgericht ausgesagt und kommt zudem in der in die Beurteilung aufgenommenen "Besonderen Bemerkung" klar zum Ausdruck, wobei in diesem Zusammenhang auf die zeitweilige Doppelbelastung des Klägers als Leiter der Finanzkasse und Sachbearbeiter in der Vollstreckung hingewiesen wurde. Eine andere Möglichkeit, um zu ermitteln, was der Erstbeurteiler bei der Fertigung der Beurteilung erwogen hat, als die einschlägigen schriftlichen Unterlagen auszuwerten und den Beurteiler zeugenschaftlich zu vernehmen, ist nicht ersichtlich und wird auch vom Kläger nicht aufgezeigt.

Die Kritik des Klägers mündet im Übrigen auch insoweit letztlich in den Hinweis, in seinem Fall könne "unmöglich" im Gremium hinreichend lange darüber gesprochen worden sein, ob die erwähnte Regelvermutung auf ihn zutrifft oder nicht. Dass insoweit der bloße Hinweis auf die Zeitdauer der Gremiumsbesprechung nicht stichhaltig ist, wurde bereits unter a) aufgezeigt.

c) Der Kläger erneuert im Zulassungsverfahren seine bereits erstinstanzlich geübte Kritik, die Beurteilung sei mit Blick auf die Aussagen zu seiner "Belastbarkeit" und "Einsatzfähigkeit" sowie in den "Besonderen Bemerkungen" in sich widersprüchlich. Das überzeugt nicht. Dass die "Belastbarkeit" des Klägers positiv beurteilt wurde, beruht insbesondere in dem in der "Besonderen Bemerkung" herausgestellten Umstand, dass er im Beurteilungszeitraum über mehrere Monate hinweg eine Doppelbelastung gut bewältigt hat. Dem gegenüber ist die unterdurchschnittliche Benotung seiner "Einsatzfähigkeit" dem Umstand geschuldet, dass der Kläger während seines bisherigen Berufslebens praktisch ausschließlich in der Vollstreckungsstelle und bei der Finanzkasse tätig war; einen - gemessen an seinem Statusamt - herausgehobenen Dienstposten hatte er nie inne; zusammengenommen verfügte er daher am Beurteilungsstichtag über eine nur eingeschränkte Verwendungsbreite. Mithin ist die dienstliche Beurteilung in den vom Kläger angesprochenen Punkten gerade nicht in sich widersprüchlich; vielmehr tragen die Differenzierungen den Gegebenheiten Rechnung.

Nach allem besteht keine durchgreifende Veranlassung, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15.12.2006 zuzulassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung rechtfertigt sich aus den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2, 47 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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