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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 10.03.2008
Aktenzeichen: 1 A 418/07
Rechtsgebiete: BeamtVG


Vorschriften:

BeamtVG § 20 Abs. 1 Satz 1
Bei der Höhe des Anteilssatzes des Witwengeldes gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG handelt es sich um einen anpassungsfähigen Berechnungsfaktor, der im Hinblick auf das Alimentationsprinzip nicht zu beanstanden ist.
Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. September 2007 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes -3 K 325/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Der Streitwert wird - auch - für das Zulassungsverfahren auf 2.479,92 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor bezeichnete Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die Annahme der von der Klägerin geltend gemachten und den Umfang der gerichtlichen Prüfung im Zulassungsverfahren begrenzenden Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.

Die Klägerin wendet sich gegen die Absenkung der Höhe des Witwengeldes auf 55 v.H. (§ 20 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG) und sieht dadurch insbesondere auch im Hinblick auf eine kumulierende Wirkung mit weiteren Einschnitten im Bereich der Beamtenversorgung die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem versorgungsberechtigten Familienangehörigen des Beamten (Art. 33 Abs. 5 GG) verletzt.

Aus den Darlegungen der Klägerin ergibt sich zunächst nicht, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen.

Insoweit macht sie geltend, in der Literatur werde die Auffassung vertreten, dass das Versorgungsänderungsgesetz 2001, mit dem der Gesetzgeber u.a. den hier in Rede stehenden Anteilssatz beim Witwengeld von 60 v.H. auf 55 v.H. des letzten Ruhegehaltes des Beamten vermindert hat, verfassungswidrig sei. Der Beklagte verweise in den angefochtenen Bescheiden selbst darauf, dass die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Absenkung des Witwengeldes kontrovers beantwortet werde. Dass der Gesetzgeber diese Problematik erkannt habe, ergebe sich aus der amtlichen Begründung des Gesetzesvorhabens BT-Drs. 14/7064, Begründung zu Art. 1, Nr. 16, Buchstabe a, S. 34, dokumentiert bei www.bundestag.de, aus der hervorgehe, dass der Gesetzgeber auch mit der abgesenkten Witwenversorgung die dem Dienstherrn von Verfassungs wegen obliegende Alimentationsverpflichtung gegenüber der Familie des Beamten noch als erfüllt ansehe.

Ernstliche Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458; des Weiteren: Beschluss des Senats vom 10.7.2007 -1 Q 40/06 -, dokumentiert bei juris.

Gemessen hieran sind ernstliche Richtigkeitszweifel in der Zulassungsbegründung nicht aufgezeigt. Das Verwaltungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass es sich bei dem Versorgungssatz um einen Berechnungsfaktor handelt, den der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vgl. z.B. Urteil vom 27.9.2005 - 2 BvR 1387/02 -, BVerfGE 114, 258 = NVwZ 2005, 1294; vgl. auch Nichtannahmebeschluss vom 20.6.2006 - 2 BvR 361/03 - zum sog. Versorgungsabschlag bei vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand nach § 14 Abs. 3 i.V.m. § 85 Abs. 5 BeamtVG, DÖV 2006, 1046, aus sachlichen Gründen der fortschreitenden Entwicklung anpassen darf. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in dem zitierten Urteil mit dem Versorgungsänderungsgesetz 2001 (VersÄndG 2001) auseinandergesetzt. Es hat festgestellt, dass nicht sämtliche Berechnungsgrundlagen für die Versorgungsbezüge an dem Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG teilhaben. Bei der in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts überprüften Ausgestaltung des Versorgungshöchstsatzes handele es sich um eine Detailregelung, die für die Frage der Amtsangemessenheit der Alimentation nicht bestimmend sei. Der Beamte habe unter dem Aspekt des Art. 33 Abs. 5 GG grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ihm die für die Berechnung der Bezüge maßgeblichen Regelungen unverändert erhalten blieben. Das Alimentationsprinzip gebiete dem Gesetzgeber, Besoldung und Versorgung der Beamten und deren Hinterbliebenen so auszugestalten, dass ein amtsangemessener Lebensstandard ermöglicht werde, ohne dass der Beamte oder dessen Hinterbliebener auf ergänzende Hilfe angewiesen sei. Auch die Versorgung der Ruhestandsbeamten und deren Hinterbliebenen müsse daher zumindest deutlich erkennbar über dem Sozialhilfesatz liegen.

Dies bedeutet, dass abgesehen von einer einigermaßen klar definierbaren Distanz zum Sozialhilfeniveau keine eindeutige und einklagbare, verfassungsrechtlich gesicherte Mindesthöhe für Besoldung und Versorgung, einschließlich der Hinterbliebenenversorgung, besteht. Daher ist die bloße Höhe von Besoldungs- bzw. Versorgungsfestsetzungen auf der Grundlage des Alimentationsprinzips nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, außer in krassen Ausnahmefällen, nicht zu beanstanden vgl. Pechstein, Die Verfassungsmäßigkeit einer "wirkungsgleichen Übertragung" der Reform des Hinterbliebenenrentenrechts durch das AVmEG auf die Beamtenversorgung, ZBR 2001, 318, 321.

Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen durchgreifenden Bedenken, dass das Verwaltungsgericht die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in gleichem Maße auf den Anteilssatz des Witwengeldes gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG übertragen und infolgedessen die Höhe des Anteilssatzes als einen im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG anpassungsfähigen Berechnungsfaktor und nicht als einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums angesehen hat.

Die Rüge der Klägerin, in ihrem Fall würden weitere Regelungen des Versorgungsänderungsgesetzes kumulativ zu einer nicht mehr angemessenen Alimentierung führen, greift nicht durch. Insoweit ist zu sehen, dass das Beamtenversorgungsgesetz der Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn gegenüber den versorgungsberechtigten Hinterbliebenen dadurch Rechnung trägt, dass dem Ruhestandsbeamten ein Mindestruhegehalt und der Witwe ein Mindestwitwengeld (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG) zugestanden wird, welches unabhängig von den nach § 5 BeamtVG maßgebenden tatsächlichen ruhegehaltfähigen Dienstbezügen ein Existenzminimum sichern soll.

Vor diesem Hintergrund bestehen mit Blick auf die von der Klägerin angeführten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 vgl. z.B. Pechstein, Die Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs für das Versorgungsänderungsgesetz 2001, ZBR 2002, 1; vgl. im Übrigen zum Meinungsstand: Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Kommentar zum BBG mit BeamtVG, § 20 BeamtVG Rdnr. 3 (Stand: 2004) keine ernstlichen Richtigkeitszweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung.

Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Bezüge der Klägerin erheblich über denen des Mindestwitwengeldes liegen und es zum jetzigen Zeitpunkt nicht ersichtlich sei, dass das Mindestwitwengeld in anderen Fällen die Grenze von 15 v.H. oberhalb des sozialhilferechtlichen Regelsatzes unterschreitet. Es hat ferner berücksichtigt, dass der Gesetzgeber die Problematik der Absenkung des Anteilssatzes auf 55 v.H. erkannt und dadurch die dem Dienstherrn obliegende Alimentationsverpflichtung gegenüber der Familie des Beamten noch als erfüllt erachtet hat vgl. BT-Drucksache 14/7064, Begründung zu Art. 1 Nr. 16 Buchst. a), S. 34, a.a.O..

Das Verwaltungsgericht hat schließlich in den Blick genommen, dass die Versorgung der Klägerin einen deutlich über dem Sozialhilfeniveau liegenden Lebenskomfort ermöglicht und der Anteilssatz von 55 v.H. generell für die Witwe noch in ausreichender Relation zum Ruhegehalt, das der verstorbene Beamte bei Eintritt in den Ruhestand erhalten hätte, steht. Im Hinblick auf die von der Klägerin angeführte kumulierende Wirkung weiterer Maßnahmen hat es in einer Gesamtschau beachtet, dass auch Maßnahmen ergriffen wurden, die zu einer Verbesserung der Lage der Witwen führten und zudem darauf verwiesen, dass von dem Gesetzgeber die Herabsetzung der Versorgung durch geeignete Maßnahmen abgemildert und ausgeglichen worden ist. Nach der großzügig ausgestalteten Übergangsregelung des § 69 e Abs. 5 Satz 2 BeamtVG ist § 20 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung anzuwenden, wenn die Ehe vor dem 1.1.2002 geschlossen wurde und mindestens ein Ehegatte vor dem 2.1.1962 geboren ist, was jedoch bei der Klägerin nicht der Fall ist.

Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten in diesem Sinne bestehen dann, wenn die Rechtssache wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder aufgrund der zugrunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, also das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht, mithin signifikant vom Spektrum der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Streitsachen abweicht. Im Hinblick auf die Anforderungen nach § 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 5 VwGO ist es erforderlich, im Einzelnen darzulegen, hinsichtlich welcher Fragen und aus welchen Gründen aus der Sicht des Rechtsschutzsuchenden die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, denn der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO soll eine allgemeine Fehlerkontrolle nur in solchen Fällen ermöglichen, die dazu besonderen Anlass geben vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163.

Diesen Anforderungen wird das Vorbringen in der Antragsbegründungsschrift nicht gerecht. Dem Vorbringen mangelt es schon an einer zureichenden Differenzierung danach, worin konkret die besonderen tatsächlichen bzw. rechtlichen Schwierigkeiten gesehen werden. Die Klägerin verweist insoweit lediglich auf die Gesetzesmaterialien, in denen der Gesetzgeber unaufgefordert zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der abgesenkten Witwenversorgung Stellung genommen hat, was ihrer Ansicht nach einer Aufforderung an die Rechtsprechung gleichkomme, diese Frage zu überprüfen. Dessen ungeachtet ist im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht ersichtlich, inwieweit das vorliegende Verfahren besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten aufweisen soll.

Aus diesem Grund rechtfertigt sich die Zulassung der Berufung auch nicht wegen der von der Klägerin gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, denn diese ist ebenfalls nicht entsprechend den Erfordernissen nach § 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO dargelegt. Allein das Vorbringen der Klägerin, es mangele an höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung, genügt diesen Anforderungen im vorliegenden Fall nicht, da - wie bereits dargelegt - in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend geklärt ist, dass Art. 33 Abs. 5 GG nicht die unverminderte Höhe von Versorgungsbezügen garantiert. Das Vorbringen der Klägerin lässt eine darüber hinausgehende rechtsgrundsätzlich bedeutsame Frage nicht erkennen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1, 47 Abs. 3 GKG vgl. Beschluss des Senats vom 10.7.2007 - 1 Q 40/06 -, a.a.O..

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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