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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 06.11.2009
Aktenzeichen: 1 B 481/09
Rechtsgebiete: SVermKatG, SVwVfG


Vorschriften:

SVermKatG § 6 Abs. 1
SVermKatG § 26 Abs. 4
SVwVfG § 20
SVwVfG § 21
SVwVfG § 46
§ 6 Abs. 1 SVermKatG begründet die Pflicht der Grundstückseigentümer, ein Betreten ihres Grundstücks zum Zweck einer von den Nachbarn beantragten Grenzvermessung zu dulden.

Die in § 26 Abs. 4 SVermKatG in Bezug genommenen Vorschriften der §§ 20 und 21 SVwVfG räumen die Möglichkeit ein, im Vorfeld des Tätigwerdens eines öffentich bestellten Vermessungsingenieurs mit Blick auf diesen einen Anschluss- oder Befangenheitsgrund geltend zu machen, ohne aber ein förmliches Ablehnungsrecht zu verleihen.

Dementsprechend ist der Einwand, es bestehe die Besorgnis der Befangenheit, unabhängig davon, ob er der Sache nach gerechtfertigt ist, nicht geeignet, einen im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens verfolgbaren Anspruch auf Unterbindung des Tätigwerdens gerade dieses Vermessungsingenieurs zu begründen. Die Frage der Befangenheit kann allenfalls im Rahmen eines nachfolgenden Anfechtungsprozesses geklärt werden und ist in einem solchen nur nach Maßgabe des § 46 SVwVfG entscheidungserheblich.


Tenor:

I. Zu dem Verfahren werden die Eheleute und A., A-Straße, A-Stadt, gemäß § 65 VwGO beigeladen, da ihre rechtlichen Interessen durch die Entscheidung berührt werden.

II. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 12. Oktober 2009 - 5 L 1347/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen den Antragstellern als Gesamtschuldner zur Last.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes ist nicht begründet.

Das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Prüfungsumfang durch den Senat beschränkende Beschwerdevorbringen im Schriftsatz vom 29.10.2009 ist nicht geeignet, die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zu erschüttern.

Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss die Einwände der Antragsteller betreffend das Vorhaben der durch diesen Beschluss beigeladenen Grundstücksnachbarn, den genauen Verlauf der gemeinsamen Grundstücksgrenze durch einen Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur feststellen zu lassen, die sich darauf konzentrieren, für eine solche Vermessung bestehe keine Veranlassung, weswegen sie - die Antragsteller - nicht verpflichtet seien, eine Grenzvermessung zu dulden und dem tätig werdenden Vermessungsingenieur das Betreten ihres Grundstücks zu erlauben, rechtlich umfassend und zutreffend gewürdigt. Ergänzend sei angemerkt, dass in dem amtsgerichtlichen Urteil vom 3.6.2009 - 5 C C 893/06 - ausgeführt ist, der im damaligen Verfahren tätig gewordene Sachverständige habe das Maß der Überbauung im hinteren Grundstücksbereich fehlerhaft ermittelt, wobei aber nicht in Frage gestellt sei, dass das Garagengebäude der nunmehrigen Beigeladenen auch in diesem Bereich teilweise auf dem Grundstück der Antragsteller erstellt sei. Die Beigeladenen wurden zur Beseitigung des Überbaus verpflichtet und haben daher zur Erfüllung des in Rechtskraft erwachsenen Urteils - nicht zuletzt zum Zweck der endgültigen Beilegung der nachbarrechtlichen Auseinandersetzung - ein berechtigtes Interesse an einer in der Örtlichkeit erkennbaren Festlegung des von ihnen bei dem Rückbau ihrer Garage zu beachtenden Grenzverlaufs. Dem Verwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass die Antragsteller die zur Grenzfeststellung beziehungsweise Grenzwiederherstellung - so die Begrifflichkeiten des § 17 SVermKatG - notwendigen Vermessungsarbeiten weder verhindern noch ein hierzu erforderliches Betreten ihres Grundstücks unterbinden können. Es handelt sich ungeachtet der Bezeichnung der verfahrenseinleitenden Handlung der Beigeladenen als Auftrag oder Antrag um ein Verfahren nach § 17 Abs. 1 SVermKatG, dessen Durchführung zu den Aufgaben der Öffentlich bestimmten Vermessungsingenieure gehört (§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 2 Abs. 3 Nr. 2 und 21 Abs. 1 Nr. 1 SVermKatG) und hinsichtlich dessen § 6 Abs. 1 SVermKatG das Betreten des Grundstücks der Antragsteller - auch mit Blick auf Art. 14 GG in rechtlich unbedenklicher Weise - erlaubt.

Auch der weitere von den Antragstellern angeführte Gesichtspunkt, ein Tätigwerden des Antragsgegners sei wegen Besorgnis der Befangenheit unzulässig, kann ihrem Rechtsschutzbegehren nicht zum Erfolg verhelfen.

Im Verlauf des Schriftverkehrs mit dem Antragsgegner haben die Antragsteller diesem gegenüber seit dem 16.9.2009 und unter gleichem Datum gegenüber der zuständigen Aufsichtsbehörde die Besorgnis geäußert, der Antragsgegner sei befangen. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass er im amtsgerichtlichen Verfahren auf die Bestellung zum Sachverständigen mit der Aufgabe der Vermessung der streitgegenständlichen Grenze mitgeteilt habe, er müsse sich für befangen erklären, da er im Jahr 2002 im Auftrag und auf Rechnung der Antragsteller eine Vermessung an deren Grundstück durchgeführt habe, während er nach Abschluss des amtsgerichtlichen Verfahrens ohne Weiteres bereit sei, die von den Grundstücksnachbarn gewünschte Grenzvermessung vorzunehmen.

Hierzu ist festzustellen, dass diese unstreitigen Gegebenheiten den Tatbestand eines Ausschlussgrundes nach §§ 26 Abs. 4 Satz 1 1. Alt. SVermKatG i.V.m. § 20 Abs. 1 SVwVfG nicht erfüllen. Insbesondere scheidet nach Aktenlage ein Fall des § 20 Abs. 1 Nr. 6 SVwVfG aus, da die Antragsteller selbst bekundet haben, dass das frühere Tätigwerden des Antragsgegners eine nicht streitgegenständliche Vermessungsarbeit betraf (Schreiben vom 16.9.2009 an den Antragsgegner, Bl. 51 f. der Akte).

Indes regelt § 26 Abs. 4 Satz 1 2. Alt. SVermKatG, dass ein Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur einen Auftrag auch dann nicht ausführen darf, wenn die Besorgnis der Befangenheit nach § 21 SVwVfG vorliegt. Letztgenannte Vorschrift sieht für den Fall der Behauptung eines Befangenheitsgrundes vor, dass derjenige, der für eine Behörde tätig werden soll und demgegenüber die Besorgnis der Befangenheit geäußert wird, den Behördenleiter zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten hat. Vorliegend haben die Antragsteller zeitgleich den Antragsgegner und dessen Aufsichtsbehörde mit dem Einwand der Besorgnis der Befangenheit des Antragsgegners konfrontiert, wobei die Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Antragsgegners in zwei schriftlichen Äußerungen vom 5.10. und - auf Gegenvorstellung der Antragsteller - vom 7.10.2009 die Auffassung vertreten hat, ein Befangenheitsgrund sei nicht ersichtlich.

Zudem ist zu beachten, dass die in § 26 Abs. 4 SVermKatG in Bezug genommene Vorschrift des § 21 SVwVfG lediglich das Recht einräumt, Befangenheitsgründe geltend zu machen, nicht aber ein förmliches Ablehnungsrecht - wie es etwa in § 42 ZPO vorgesehen ist - begründet. Die Vorschrift gibt nur die Möglichkeit, den betroffenen Amtsträger - hier den Antragsgegner - durch entsprechendes Vorbringen zu veranlassen, die Entscheidung des Behördenleiters - fallbezogen der Aufsichtsbehörde - einzuholen beziehungsweise selbst formlos vorstellig zu werden und gegebenenfalls nachträglich eine Verletzung der Vorschrift im Rahmen von Rechtsbehelfen in der Hauptsache - vgl. § 44 a Satz 1 VwGO - geltend zu machen. Dementsprechend steht den Antragstellern allein die Möglichkeit offen, gegen das Ergebnis einer etwaigen Vermessung durch den Antragsgegner, das ihnen - nach vorheriger Anhörung anlässlich eines Grenztermins - mitzuteilen ist, gerichtlich - gemäß § 2 Abs. 5 SVermKatG findet ein Widerspruchsverfahren nicht statt - vorzugehen und in diesem Zusammenhang die Rechtswidrigkeit der erfolgten Grenzfeststellung bzw. Grenzwiederherstellung unter Hinweis auf die aus ihrer Sicht gegebene Besorgnis der Befangenheit des Antragsgegners zu rügen (vgl. zu Vorstehendem: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 21 Rdnr. 3 und § 20 Rdnrn. 56 f.). Im Rahmen eines solchen Gerichtsverfahrens wäre - neben der materiell-rechtlich insoweit allein aufgeworfenen Problematik, ob die Grenzfeststellung bzw. Grenzwiederherstellung und die ggfs. erfolgte Abmarkung rechtmäßig sind, weil sie mit dem sich aus dem Liegenschaftskataster ergebenden Grenzverlauf übereinstimmen - erforderlichenfalls die Frage zu entscheiden, ob der von den Antragstellern geschilderte Sachverhalt die Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 21 SVwVfG begründet und ob dies bejahendenfalls unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 46 SVwVfG zum Erfolg der Anfechtung führt.

Diese gesetzliche Konzeption, nach welcher Ausschluss- bzw. Befangenheitsgründe nur im Rahmen von Rechtsbehelfen gegen die ergangene Entscheidung zur Überprüfung gestellt werden können, können die Antragsteller nicht durch den Versuch unterlaufen, mit dem verfahrensgegenständlichen Antrag im Wege vorbeugenden Rechtsschutzes ein Tätigwerden des Antragsgegners von vornherein zu unterbinden. Das Gesetz eröffnet ihnen im derzeitigen Verfahrensstadium keinen Anspruch auf Untersagung eines Tätigwerdens des Antragsgegners. Dementsprechend muss die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ohne Erfolg bleiben.

Dessen ungeachtet gibt der Senat zu bedenken, dass es im Interesse aller Beteiligten empfehlenswert sein könnte, die Grenzvermessung durch einen anderen Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur durchführen zu lassen, um einen eventuell später drohenden, auf die Besorgnis der Befangenheit des Antragsgegners gestützten Anfechtungsprozess zu vermeiden und eine Klärung der Grenzverhältnisse möglichst zeitnah herbeizuführen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG und berücksichtigt die Vorläufigkeit des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens.

Dieser Beschluss ist - auch hinsichtlich der Beiladung (§ 65 Abs. 4 Satz 3 VwGO) - nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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