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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 16.02.2005
Aktenzeichen: 1 Q 1/05
Rechtsgebiete: KAG, BBauG, AO


Vorschriften:

KAG § 8
KAG § 9
KAG § 10
KAG § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b
KAG § 12 Abs. 1 Nr. 5 lit. a
BBauG §§ 127 ff.
BBauG § 133
BBauG § 135 Abs. 5
BBauG § 180 Abs. 2
AO § 163
AO § 227
1. Die in einem im Jahre 1969 abgeschlossenen Eingemeindungsvertrag getroffene Regelung, in der bisher selbständigen Gemeinde würden künftig keine "Anliegerbeiträge" erhoben, bezieht sich ausschließlich auf Beiträge nach dem preußischen Anliegerbeitragsrecht und nicht auch auf Beiträge nach § 8 KAG 1978.

2. Ein Vertrag, in dem eine Gemeinde einem Grundstückseigentümer ohne jede Gegenleistung eine Beitragsfreistellung zusagt, ist grundsätzlich nichtig.

3. Aus einer rechtsunwirksamen Zusage der Gemeinde, einen bestimmten Beitrag nicht zu erheben, kann ausnahmsweise die Pflicht zu einem Billigkeitserlass folgen; Voraussetzung dafür ist aber, dass der Pflichtige bei Anwendung aller Sorgfalt, zu der er nach den Umständen des Einzelfalls verpflichtet war, auf die Verbindlichkeit der Zusage vertrauen durfte und dieses Vertrauen zur Grundlage geschäftlicher Dispositionen gemacht hat.

4. Der Anspruch auf einen Billigkeitserlass lässt die Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung unberührt; er kann nur mit der Verpflichtungsklage geltend gemacht werden.


Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. November 2004 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 11 K 145/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 12.078,14 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5.11.2004 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes zuzulassen, bleibt ohne Erfolg.

Durch das genannte Urteil hat das Verwaltungsgericht das Begehren des Klägers zurückgewiesen, den Bescheid vom 21.1.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.7.2003 aufzuheben, durch den der Beklagte den Kläger als Eigentümer des im Stadtteil N. der Kreisstadt S gelegenen Anwesens A-Straße (Gemarkung N., Flur 7, Parzellen Nr. 235/3 und 235/4) für den in den Jahren 2001 und 2002 durch die Verbesserung von Fahrbahn und Gehwegen erfolgten Ausbau der M-straße zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 12.078,14 Euro herangezogen hat. Das, was der Kläger in seinem Schriftsatz vom 8.2.2005 vorbringt und den Prüfungsumfang des Senats im gegebenen Zusammenhang begrenzt, gibt keine Veranlassung, das Urteil vom 5.11.2004 einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren zuzuführen, denn daraus ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch weist die Sache danach besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Vielmehr steht schon jetzt außer Frage, dass das Verwaltungsgericht richtig entschieden hat.

Der Kläger bringt im Zulassungsverfahren allein noch vor, seine Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag sei rechtswidrig, weil sie gegen § 5 Abs. 3 des Auseinandersetzungsvertrages zwischen der Kreisstadt S und der Gemeinde N. vom 23.7.1969 (Amtsbl. S. 582) verstoße. Dort heißt es:

Die Anliegerbeiträge für die bei Vertragsabschluss bestehenden Straßen und Wege sowie die D. Straße und den D. Weg in der Gemeinde N. werden nicht erhoben.

Dass sich daraus im gegebenen Zusammenhang nichts zugunsten des Klägers ergibt, hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil überzeugend herausgearbeitet. Darauf wird verwiesen. Was der Kläger in seinem Schriftsatz vom 8.2.2005 dagegen einwendet, greift nicht durch.

Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass § 5 Abs. 3 des genannten Vertrages mit der Verwendung des juristischen Fachbegriffs "Anliegerbeiträge" an den entsprechenden Terminus in den §§ 9, 10 des Preußischen Kommunalabgabengesetzes vom 14.7.1893 i.V.m. § 15 des Preußischen Fluchtliniengesetzes vom 2.7.1875 anknüpft und allenfalls noch die Auslegung gestattet, damit würden auch die im Jahre 1961 an die Stelle der Beiträge nach dem Preußischen Fluchtliniengesetz getretenen Erschließungsbeiträge nach den §§ 127 ff. BBauG/BauGB erfasst in dem letztgenannten Sinne Schreiben des Ministeriums des Innern vom 15.11.1971 mit dem Hinweis, der Regelung in § 5 Abs. 3 des Vertrages vom 23.7.1969 sei in der irrigen, durch entsprechende Erklärungen des Beklagten hervorgerufenen Annahme zugestimmt worden, die angesprochenen Straßen stellten ohnehin erschließungsbeitragsfreie Altanlagen nach § 180 Abs. 2 BBauG dar, keinesfalls aber Ausbaubeiträge nach § 8 des Saarländischen Kommunalabgabengesetzes. Dies überzeugt sowohl von der Wortwahl her, der hier besondere Bedeutung zukommt, da der Vertrag zwischen Rechtskundigen, nämlich Gebietskörperschaften, abgeschlossen und vom Minister des Innern gebilligt wurde, als auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass im Saarland Straßenausbaubeiträge erst seit dem Inkrafttreten des Saarländischen Kommunalabgabengesetzes vom 26.4.1978 auf der Grundlage entsprechender Ortssatzungen erhoben werden können. Die demgegenüber vom Kläger befürwortete Auslegung, § 5 Abs. 3 enthalte eine Freistellung von Beiträgen zu den Kosten aller bei Vertragsabschluss bereits durchgeführt gewesener als auch künftiger Straßenbaumaßnahmen an damals in N. "bestehenden" Straßen und Wegen unter Einschluss eines Verzichts von damals noch nicht einmal eingeführten Beiträgen hält der Senat demgegenüber für geradezu absurd. Sie hat im Übrigen auch gegen sich, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Urteil vom 30.1.1968, Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 20 (S. 84) vertragliche Abreden, wonach ein bestimmter Beitrag nicht erhoben werde, grundsätzlich nur die zum Zeitpunkt der entsprechenden Vereinbarung eingeführten Abgaben erfasst.

Im Weiteren pflichtet der Senat der (Hilfs-)Begründung des Verwaltungsgerichts bei, unter Zugrundelegung des Vertragsverständnisses des Klägers wäre die Beitragsfreistellung jedenfalls mit Blick auf den hier interessierenden Straßenausbaubeitrag nichtig. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, selbst noch die in den Jahren 2001/2002 durchgeführten Verbesserungsmaßnahmen an der M.straße beitragsfrei zu stellen und damit vollständig zu Lasten der Allgemeinheit zu finanzieren, obwohl durch den Ausbau gerade den Anliegern wirtschaftliche Vorteile verschafft werden, ist nicht einmal ansatzweise zu erkennen. Vielmehr läge darin ein evidenter Verstoß gegen § 8 KAG i.V.m. mit dem einschlägigen Ortsrecht, nämlich der Satzung der Kreisstadt S über die Erhebung von Ausbaubeiträgen gemäß § 8 KAG vom 3.9.1998, wonach für derartige Maßnahmen Beiträge von den Anliegern zwingend zu erheben sind. Zugleich wären die Gebote der Gesetzesbindung der Verwaltung, der Abgabengleichheit und der Abgabengerechtigkeit krass verletzt. Dieser mehrfache Gesetzesverstoß machte die Vertragsabrede nichtig (§ 134 BGB analog) ebenso BVerwG, Urteil vom 25.11.1988, KStZ 1989, 92; OVG des Saarlandes, Entscheidungen vom 18.8.1982 - 3 R 67/80 -, AS 17, 416, vom 4.10.1982 - 3 W 1842 - 1875/82 -, AS 17, 431, sowie vom 26.11.1992 - 1 R 162/89 -, SKZ 1993, 103 Leitsatz 8, und - speziell für das Straßenausbaubeitragsrecht - Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl., § 28 Rdnr. 19.

Dass zur "Umsetzung" des § 5 Abs. 3 des Vertrages vom 23.7.1969 gerade mit Blick auf die hier in Rede stehende Straßenausbaumaßnahme seitens des Beklagten ein Beitragsvorausverzicht gegenüber dem Kläger verlautbart worden wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Schließlich führt der Hinweis des Klägers auf die im Straßenausbaubeitragsrecht über die Verweisung in § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b, Nr. 5 lit. a KAG entsprechend anzuwendenden §§ 163, 227 AO nicht weiter. Abgesehen davon, dass Erlassansprüche im Rahmen der Anfechtung einer Abgabenfestsetzung ohne rechtliche Bedeutung sind und nach erfolglosem Verwaltungsantrag ausschließlich im Wege eines Verpflichtungsbegehrens weiter verfolgt werden können so zuletzt Beschluss des Senats vom 5.3.2004 - 1 Q 69/03 -; ebenso zum Erschließungsbeitragsrecht für einen Erlass nach § 135 Abs. 5 BauGB BVerwG, Urteile vom 12.9.1984, E 70, 96 (97 ff.), und vom 17.6.1994, KStZ 1995, 190 (193), liegt in der Anforderung des ungekürzten Beitrags keine sachliche Unbilligkeit im Sinne der genannten Bestimmungen. Zwar trifft zu, dass in Ausnahmefällen ein besonderes Verhalten der Behörde, insbesondere eine rechtsunwirksame Zusage einer Beitragsfreistellung, dazu zwingen kann, in einer ungekürzten Beitragsveranlagung eine unbillige Härte zu sehen, sofern der Pflichtige bei Anwendung aller Sorgfalt, zu der er nach den Umständen verpflichtet war, auf die Richtigkeit der behördlichen Erklärung vertrauen durfte und dieses Vertrauen zur Grundlage geschäftlicher Dispositionen gemacht hat in diesem Sinne BVerwG, Urteile vom 18.4.1975, E 48, 166 (173), und vom 17.6.1994, a.a.O., S. 193; OVG des Saarlandes, Urteil vom 18.8.1982, a.a.O., S. 421, und Driehaus, a.a.O., § 26 Rdnr. 13.

Diese Voraussetzungen liegen hier indes eindeutig nicht vor. Allein § 5 Abs. 3 des Vertrages vom 23.7.1969, in dem die Memelstraße nicht einmal erwähnt ist, genügt nicht als Grundlage dafür, der Kläger habe schutzwürdig darauf vertrauen dürfen, für die in den Jahren 2001/2002, also über dreißig Jahre nach Abschluss des Auseinandersetzungsvertrages, durchgeführten Ausbaumaßnahmen werde kein Beitrag erhoben werden. Eine derart weitgehende Ausdeutung der Vertragsabrede war nämlich durch nichts gerechtfertigt. Im Grunde läuft der Vortrag des Klägers darauf hinaus, er habe § 5 Abs. 3 im Sinne einer Freistellung auch von dem mit Bescheid vom 21.1.2003 angeforderten Ausbaubeitrag verstanden und daraus folge, nachdem diese Vertragsausdeutung vom Beklagten und von den Gerichten nicht gebilligt werde, die Pflicht, den festgesetzten Beitrag im Billigkeitswege zu erlassen. Würde dem gefolgt, hätte es der Pflichtige selbst in der Hand, die Voraussetzungen zu schaffen, um letztlich nicht zahlen zu müssen. Die Haltlosigkeit dieser Argumentation ist offensichtlich. Fallbezogen kommt dann noch hinzu, dass die pauschale Behauptung des Klägers, sein Vertrauen auf eine Beitragsfreistellung zur Grundlage finanzieller Dispositionen gemacht zu haben, durch nichts konkretisiert ist, also "ins Blaue geht". Solchem Vorbringen muss nicht nachgegangen werden.

Nach allem liegt kein Berufungszulassungsgrund vor, und deshalb ist der Antrag des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung rechtfertigt sich aus den §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 3 und 1, 52 Abs. 3 GKG n.F.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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