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Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 02.06.2005
Aktenzeichen: 1 Q 5/05
Rechtsgebiete: TVO, LBO 2004, VwGO, SVwVfG


Vorschriften:

TVO § 5 Abs. 6
TVO § 6 Abs. 1
LBO 1996 § 35 Abs. 1
LBO 1996 § 35 Abs. 1 Nr. 1
LBO 1996 § 75 Abs. 3
LBO 1996 § 77 Abs. 1 S. 1 2. Hs.
LBO 2004 § 30
LBO 2004 § 68 Abs. 1
LBO 2004 § 73 Abs. 2 S. 1
VwGO § 124 a Abs. 4 S. 4
VwGO § 124 Abs. 5 S. 2
SVwVfG § 38 Abs. 1 Satz 1
Mündliche Äußerungen eines Mitarbeiters der Bauaufsicht, die die Möglichkeit einer Befreiung als gegeben erscheinen lassen, verändern die materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines Befreiungsanspruchs nicht. Sie begründen auch kein schützenswertes Vertrauen des Bauherrn in das Bestehen eines Anspruchs auf Modifikation einer ihm erteilten Baugenehmigung durch nachträgliche Befreiung von nicht eingehaltenen Bauvorschriften.

Ein Zulassungsantrag, der - ohne dass konkrete Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Argumentation zum Nichtbestehen des eingeklagten Befreiungsanspruchs aufgezeigt werden - allein darauf gestützt wird, dass ein Behördenmitarbeiter sich gegenüber dem Bauherrn in Richtung auf die Möglichkeit einer künftigen Befreiung geäußert habe, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.


Tenor:

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 2004 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 5 K 117/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens tragen die Kläger jeweils zur Hälfte.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 3.000,--Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 8.12.2004, der auf das Bestehen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gestützt wird, bleibt ohne Erfolg.

Den Klägern war durch Bauschein vom 21.5.2001 die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses auf dem in A-Stadt, Gemarkung E, Flur 3, gelegenen Grundstück mit der Parzellenbezeichnung 215/35 und 35/2 genehmigt worden. Dabei war ihnen aufgegeben worden, die nordwestliche, auf der Grenze zur Nachbarparzelle 35/6 vorgesehene Gebäudeaußenwand vollständig und die von dieser Grenze rechtwinklig abknickende südwestliche Gebäudeaußenwand auf einer Länge von 5 m von der Grenze in der Feuerwiderstandsklasse F 90 AB auszuführen; gleichzeitig waren die in diesem 5m-Bereich in den Bauplänen vorgesehenen Fenster- bzw. Türöffnungen im Keller-, Erd- und Dachgeschoss mittels Grüneintragung unter Hinweis auf § 5 Abs. 6 TVO gestrichen worden. Hintergrund war, dass das Nachbargrundstück bis an die gemeinsame Grundstücksgrenze bebaut ist, wobei sich im vorderen, 3,50 m breiten Bereich zwischen der südwestlichen Gebäudeaußenwand des Bauvorhabens und der südwestlichen Grenze des Baugrundstücks in der vom Grundstücksnachbarn auf der Grenze zum Vorhabengrundstück errichteten Wand Öffnungen befinden, die nicht feuerfest ausgestaltet sind. Diese Bauausführung, der die Rechtsvorgängerin der Kläger schriftlich zugestimmt hatte, war den Grundstücksnachbarn durch Bauschein vom 24.6.1985 genehmigt worden.

Mit Schreiben vom 30.11.2001 teilten die Kläger dem Beklagten mit, ihr Bauvorhaben fertiggestellt zu haben, und beantragten hinsichtlich der trotz des Grüneintrags hergestellten Wandöffnungen in dem feuersicher auszugestaltenden 5m-Bereich der südwestlichen Hausfront Befreiung von den Vorgaben der §§ 35 Abs. 1 LBO, 6 Abs. 1 TVO. Dieses im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren erfolglos gebliebene Begehren wurde durch das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 8.12.2004 als unbegründet erachtet. In den Entscheidungsgründen ist dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 75 Abs. 3 LBO 1996 für die begehrte Befreiung von den zwingenden Vorschriften der §§ 35 Abs. 1 Nr. 1 LBO 1996, 5 Abs. 6, 6 Abs. 1 Satz 1 TVO bzw. - bei Anwendung neuen Rechts - die Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 LBO 2004 für eine Abweichung von § 30 LBO 2004 nicht vorlägen.

Das, was die Kläger in ihrem am 7.3.2005 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz hiergegen vorbringen, gibt keine Veranlassung, das Urteil vom 8.12.2004 einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren zuzuführen, da sich daraus keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ergeben.

Die Kläger bringen im Zulassungsverfahren allein vor, dass am 31.5.2001 ein Gespräch zwischen ihrer Architektin und einem Mitarbeiter des Beklagten stattgefunden habe, in dessen Verlauf Letzterer erklärt habe, der Nachbar müsse infolge der nun zugelassenen Grenzbebauung auf dem Grundstück der Kläger die hinsichtlich seines Gebäudes ursprünglich genehmigten Öffnungen im Hinblick auf das Fehlen einer Baulasteintragung zu Gunsten seines Grundstücks verschließen, da diese nun rechtswidrig seien. Ihrer Auffassung nach seien die Voraussetzungen für eine Befreiung von den zwingenden Vorschriften der LBO gegeben.

Dieses den gerichtlichen Prüfungsumfang gemäß § 124 a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2 VwGO begrenzende Antragsvorbringen kann die Zulassung der Berufung nicht rechtfertigen. Die Kläger stützen ihre Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils und ihre Auffassung, einen Befreiungsanspruch zu haben, - wie bereits im Rahmen ihrer in der Zulassungsschrift in Bezug genommenen Widerspruchsbegründung - ausschließlich auf das angebliche Gespräch vom 31.5.2001, ohne die Argumentation des Verwaltungsgerichts, wonach die gesetzlichen Voraussetzungen einer Befreiung bzw. Abweichung von den einschlägigen Brandschutzvorschriften nicht erfüllt sind, konkret anzugreifen beziehungsweise darzulegen, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt das behauptete Gespräch geeignet sein sollte, ihnen einen Befreiungsanspruch zu vermitteln. Sie verkennen dabei insbesondere, dass die angebliche Äußerung eines Mitarbeiters des Beklagten, sei sie nun so gefallen oder nicht, die materielle Rechtslage nicht zu verändern vermag, also einen Befreiungsanspruch nicht originär zur Entstehung bringen kann.

Auch wenn man das Vorbringen der Kläger dahingehend versteht, dass sie meinen, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass ihr Vertrauen in die Maßgeblichkeit der behaupteten Äußerung schützenswert sei, führt dies nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils. Verlässt sich ein Bauherr in Verkennung der durch die Baugenehmigung aufgezeigten Grenzen seines Baurechts auf eine wenige Tage nach Erteilung der Baugenehmigung gegenüber seiner Architektin getätigte Bemerkung eines Mitarbeiters der Bauaufsicht, die - wie aufgezeigt - ohne materiell-rechtliche Relevanz ist, von einem unzuständigen Behördenvertreter getätigt wurde und der in den §§ 38 Abs. 1 Satz 1 SVwVfG, 77 Abs. 1 S. 1 2. Hs. LBO 1996, 73 Abs. 2 S. 1 LBO 2004 vorgeschriebenen Schriftform nicht genügt, so kann dies nicht Grundlage schützenswerten Vertrauens in eine künftige Modifizierung der erteilten Baugenehmigung durch nachträgliche Befreiung von nicht eingehaltenen Vorschriften sein.

Nach allem liegt kein Berufungszulassungsgrund vor, weswegen der Zulassungsantrag zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 3 und 1, 52 Abs. 1 GKG n. F.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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