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Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 29.12.2005
Aktenzeichen: 1 Q 65/05
Rechtsgebiete: GKG, SVG, BeamtVG


Vorschriften:

GKG § 42 Abs. 3
GKG § 42 Abs. 5
SVG § 43 Abs. 1
BeamtVG § 19 Abs. 1
1. Die Tatsache, dass die Klägerin vor der Eheschließung bereits ca. 10 Jahre mit ihrem späteren Ehemann zusammengelebt hat und während dieser Zeit gemeinsam ein Haus erworben und ein Erbvertrag abgeschlossen wurde, reicht angesichts der kurzen Ehedauer von 3 Monaten und 21 Tagen nicht aus, um die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen.

2. Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis bemisst sich der Streitwert nach dem dreifachen Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Die bei Einreichung der Klage bereits fälligen Beträge werden dem Streitwert hinzugerechnet (§ 42 Abs. 3 und 5 GKG).


Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 3 K 265/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 40.522,32 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil ist zulässig, aber nicht begründet.

Mit diesem Urteil wurde die auf eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Hinterbliebenenversorgung gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung heißt es in dem Urteil unter Bezugnahme auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid vom 19.5.2004 und in dem Widerspruchsbescheid vom 22.11.2004, nach § 43 Abs. 1 SVG in Verbindung mit § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG bestehe kein Anspruch auf Witwengeld, da die Ehe der Klägerin weniger als ein Jahr, nämlich nur 3 Monate und 21 Tage, gedauert habe und von daher die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe bestehe. Diese Vermutung habe die Klägerin nicht widerlegen können. Die von der Klägerin insoweit angeführte langjährige eheähnliche Lebensgemeinschaft reiche dazu ebenso wenig aus wie der lange vor der Eheschließung getätigte gemeinsame Hauskauf sowie der bereits im Jahre 1999 geschlossene Erbvertrag. Diese könnten vielmehr auch ein Indiz dafür sein, dass die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann nicht schon längerfristig die Ehe als zielstrebige Verwirklichung eines bereits vor der Erlangung der Kenntnis der Erkrankung bestehenden konkreten Beschlusses ins Auge gefasst hätten. Dass die Eheleute nach der ärztlichen Stellungnahme des Facharztes C. angesichts der eingeleiteten Therapiemaßnahmen Hoffnung für den weiteren Krankheitsverlauf geschöpft hätten, ändere nichts daran, dass beiden im Zeitpunkt der Eheschließung angesichts des Vorliegens von zwei inoperablen Gehirntumoren der mögliche tödliche Krankheitsverlauf bekannt gewesen sei.

Das den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen im Schriftsatz der Klägerin vom 19.9.2005 gibt keine Veranlassung, das genannte Urteil einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren zuzuführen. Unter Zugrundelegung der Antragsbegründung ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch kann ein möglicherweise - jedoch ohne Benennung der Vorschrift - geltend gemachter Verfahrensmangel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO angenommen werden.

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass das Verwaltungsgericht einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung unter Hinweis auf die in § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG statuierte gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von weniger als einem Jahr zu Recht verneint hat. Das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 19.9.2005 stellt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Klägerin habe die gesetzliche Vermutung einer "Versorgungsehe" nicht ausgeräumt, nicht ernstlich in Frage.

Eine Widerlegung der vorgenannten gesetzlichen Vermutung setzt voraus, dass die Witwe darlegen oder sonst festgestellt werden kann, dass unter den Heiratsmotiven jedenfalls eines der Ehegatten die Versorgungsabsicht keine maßgebende Bedeutung hatte. Die Vermutung der "Versorgungsehe" kann jedoch nur durch besondere, objektiv feststellbare Umstände des jeweiligen Falles ausgeräumt werden, nach denen ein anderer Zweck der Eheschließung zumindest ebenso wahrscheinlich ist wie der Versorgungszweck. Erklärungen der Ehegatten über den Zweck der Ehe reichen grundsätzlich nicht aus. Entscheidend ist, ob die Versorgungsabsicht nach dem äußeren Gesamtbild der Eheschließung im Vordergrund gestanden hat. Die materielle Beweislast dafür, dass die Versorgungsabsicht keine maßgebende Bedeutung für die Heirat hatte, trifft die Witwe, vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 18.7.2003 - 6 A 1605/03 - und vom 7.7.2004 - 6 E 693/04 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.3.1990 - 11 S 167/89 -, jeweils dokumentiert bei Juris; BVerwG, Beschluss vom 9.7.1971, Buchholz 232 § 123 BBG Nr. 7.

Ausgehend davon begründen die Argumente der Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Einschätzung des Verwaltungsgerichts. Weder die von der Klägerin zur Begründung des Zulassungsantrags nochmals angeführte langjährige eheähnliche Lebensgemeinschaft noch der lange vor der Eheschließung getätigte gemeinsame Hauskauf noch der bereits im Jahr 1999 geschlossene Erbvertrag reichen aus, um die angesichts der kurzen Ehedauer zum Tragen kommende gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das langjährige Zusammenleben auch ein Indiz dafür sein kann, dass ursprünglich gerade keine Eheschließung geplant war. Zudem lässt der Umstand, dass die späteren Eheleute während dieser Zeit sogar unter Eingehung erheblicher Verbindlichkeiten gemeinsam ein Haus erwarben sowie einen Erbvertrag abschlossen, ohne auch dies zum Anlass für eine Eheschließung zu nehmen, eher darauf schließen, dass zunächst lediglich eine auf Dauer angelegte nichteheliche Lebensgemeinschaft beabsichtigt war und erst angesichts der sich zunehmend verschlechternden gesundheitlichen Situation des verstorbenen Ehemannes kurze Zeit vor dessen Tod die Ehe geschlossen wurde, um der Klägerin als Witwe eine Versorgung zu verschaffen, so für einen vergleichbaren Falle auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.1.2001 - L 15 U 27/99 -, dokumentiert bei Juris.

Die vorgenannten Argumente der Klägerin bieten auch unter Berücksichtigung der von ihr im erstinstanzlichen Verfahren angegebenen Verlobung keinen hinreichenden Anlass zur Annahme eines von der Versorgungsabsicht verschiedenen Motivs für die Eheschließung. Zwar hat die Klägerin insoweit vorgetragen, dass man sich bereits im September 2001 verlobt habe und ursprünglich im September 2002 habe heiraten wollen. Wenn aber dennoch eine Hochzeit aus verschiedenen Gründen immer wieder zurückgestellt wurde, so bestehen erhebliche Zweifel, ob zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich bereits ein ernsthafter und konsequent verfolgter Heiratswunsch bestand, zumal die Eheleute infolge des vorausgegangenen langjährigen Zusammenlebens hinreichend Zeit hatten, ihre Beziehung zu prüfen. Vielmehr wäre bei einem schon im September 2001 bestehenden ernsthaften und dringlichen Heiratswunsch insbesondere angesichts des sich zunehmend verschlechternden Gesundheitszustandes des verstorbenen Ehemannes dessen Verwirklichung lange vor Oktober 2003 zu erwarten gewesen. Dass einer früheren Eheschließung finanzielle Probleme entgegengestanden hätten, vermag ebenso wenig zu überzeugen wie der als weiterer Hinderungsgrund angegebene Motorradunfall eines als Trauzeugen vorgesehenen Freundes, zumal bereits im Jahre 2002 eine Eheschließung gemäß § 1312 Abs. 1 Satz 2 BGB ohne weiteres ohne Hinzuziehung so genannter Trauzeugen erfolgen konnte.

Der Klägerin kann auch nicht darin gefolgt werden, dass den Eheleuten im Zeitpunkt der Eheschließung ein möglicherweise tödlicher Krankheitsverlauf nicht bekannt bzw. bewusst gewesen sei. Der verstorbene Ehemann litt im Zeitpunkt der Eheschließung an zwei bekannten inoperablen Gehirntumoren (ein Astrocytom, WHO-Grad II, und ein Astrocytom, WHO-Grad III). Diese Erkrankung war lebensbedrohlich. Auch hat die Klägerin in der Klagebegründung vom 28.2.2005 selbst eingeräumt, bereits frühzeitig in Kenntnis darüber gewesen zu sein, dass die Krankheit des verstorbenen Ehemannes zum Tode führen konnte. An dem grundsätzlich lebensbedrohlichen Charakter der Erkrankung ändert auch der Umstand nichts, dass sich laut ärztlicher Stellungnahme des Facharztes C. vom 31.8.2004 der 1997 diagnostizierte Primärtumor des WHO-Grades II nach entsprechender Therapie zunächst in Remission befand. Vielmehr bot die im Mai 2003 gestellte Diagnose eines zweiten Tumors, und zwar des WHO-Grades III, also eines schwerwiegenderen Befundes, erhöhten Anlass zur Sorge, zumal sich der gesundheitliche Zustand des verstorbenen Ehemannes nach eigenen Angaben der Klägerin im Schriftsatz vom 26.7.2004 bereits im Jahre 2002 "permanent" und im Jahre 2003 zudem "erheblich" verschlechterte. Dass angesichts der Diagnose eines zweiten schwerwiegenderen Tumors sowie einer seit dem Jahre 2002 feststellbaren erheblichen Verschlechterung des Zustands des verstorbenen Ehemannes im Zeitpunkt der Eheschließung für einen medizinischen Laien der lebensbedrohliche Charakter der Erkrankung nicht erkennbar war - wie die Klägerin dies in ihrem Zulassungsantrag geltend macht -, ist nicht anzunehmen. Nach allgemeiner Lebenserfahrung bleibt in einer derartigen Situation der Ernst der Lage dem Patienten und den ihm nahe stehenden Personen regelmäßig nicht verborgen. Auch wenn die Eheleute laut der vorgenannten ärztlichen Stellungnahme angesichts des Verlaufs der Behandlung des Primärtumors nach der Diagnose des zweiten Tumors zunächst zuversichtlich waren und Therapiemaßnahmen in der Hoffnung eingeleitet wurden, eine neuerliche Remissionsphase des Tumorgeschehens zu erlangen, so mussten sie dennoch insbesondere angesichts der trotz der Therapien zu verzeichnenden erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des verstorbenen Ehemannes im Zeitpunkt der Eheschließung mit einem möglichen tödlichen Krankheitsverlauf rechnen. Dem steht die von der Klägerin vorgelegte ärztliche Stellungnahme vom 31.8.2004 nicht entgegen. Abgesehen davon, dass darin nicht zum Ausdruck kommt, dass die bei der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann nach der Diagnose im Mai 2003 zunächst vorhandene Zuversicht auch noch zum Zeitpunkt der Eheschließung bestand, schließt selbst eine hoffnungsvolle Haltung nicht aus, dass sich die Eheleute dennoch der Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung bewusst waren.

Demnach lassen sich den Ausführungen der Klägerin im Zulassungsantrag keine hinreichenden, objektiv feststellbaren Umstände entnehmen, die auf ein von der Versorgungsabsicht verschiedenes Motiv für die kurz vor dem Tod erfolgte Heirat schließen ließen und von daher die Richtigkeit der Auffassung des Verwaltungsgerichts in Frage stellen würden.

Auch der Hinweis der Klägerin darauf, den Facharzt C. mit Schriftsatz vom 27.6.2005 als Zeugen dafür benannt zu haben, "dass nach objektiver Einschätzung die Eheschließung zum Zwecke der Versorgung nicht vorgelegen hat", bietet keine Veranlassung, die Berufung zuzulassen. Sollte darin der Vorwurf unzureichender Sachaufklärung durch das Verwaltungsgericht im Sinne des freilich in der Antragsschrift nicht in Bezug genommenen § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu sehen sein, bleibt festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht nach ständiger Rechtsprechung des Senats seine Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) grundsätzlich dann nicht verletzt, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein rechtskundig vertretener Beteiligter nicht förmlich beantragt hat und die sich ihm auch nicht offensichtlich aufdrängen musste, vgl. dazu OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 18.1.2005 - 1 Q 1/05 -, vom 18.3.2004 - 1 Q 2/04 - und vom 27.2.2002 - 1 Q 16/02 -, SKZ 2002, 287 Leitsatz Nr. 4, sowie auch Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage, § 124 VwGO Rz. 13 m.w.N..

Vorliegend hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 12.7.2005 ausweislich der hierüber gefertigten Sitzungsniederschrift keinen ihrem nunmehrigen Vorbringen entsprechenden Beweisantrag gestellt. Die Aufklärungsrüge kann in einem solchen Fall nicht dazu dienen, solche Beweisanträge zu ersetzen, die der Beteiligte zumutbarerweise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat.

Im Übrigen handelt es sich bei dem von der Klägerin im Zulassungsantrag angegebenen Beweisthema um eine allein vom Gericht zu entscheidende Rechtsfrage, wo hingegen nur Tatsachen durch Zeugen unter Beweis gestellt werden können. Konkrete objektive Tatsachen, die mit hinreichender Gewissheit auf ein von der Versorgung verschiedenes Heiratsmotiv schließen lassen, hat die Klägerin aber nicht unter Zeugenbeweis gestellt. Die vom Facharzt in seiner schriftlichen Stellungnahme angeführte, seiner subjektiven Einschätzung nach gegen eine Versorgungsehe sprechende Zuversicht der Eheleute auf einen positiven Therapieverlauf reicht - wie bereits dargelegt - zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe nicht aus. Angesichts dessen käme die begehrte Rechtsmittelzulassung auch dann nicht in Betracht, wenn man das Antragsvorbringen in diesem Sinne als Geltendmachung eines Verfahrensfehlers gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO verstehen wollte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 3 und 42 Abs. 3 und 5 GKG. Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, zu denen auch Ansprüche auf eine entsprechende Hinterbliebenenversorgung gehören, bemisst sich der Streitwert nach dem dreifachen Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Die bei Einreichung der Klage bereits fälligen Beträge werden dem Streitwert hinzugerechnet. Ausgehend davon ergibt sich vorliegend entsprechend der zutreffenden Berechnung der Beklagten im Schriftsatz vom 18.02.2005 ein Streitwert in Höhe von insgesamt 40.522,32 EUR.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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