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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 03.07.2006
Aktenzeichen: 1 Q 7/06
Rechtsgebiete: SVwVfG, GewO


Vorschriften:

SVwVfG § 49 Abs. 2 Nr. 3
GewO § 57 Abs. 1
Der Widerruf einer Reisegewerbekarte unterliegt trotz Fehlens von Ermessenserwägungen in den Gründen des Widerrufsbescheids nicht der Aufhebung, wenn sich der Widerruf unter den konkreten Umständen des Einzelfalls als die einzig ermessensfehlerfreie Entscheidung darstellt.
Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3. November 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 1 K 12/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor benannte Urteil ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die gegen den Widerruf der am 23.4.1976 erteilten Reisegewerbekarte durch Bescheid des Beklagten vom 28.10.2003 gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Nr. 3 SVwVfG seien erfüllt, da der Kläger sich mit Blick auf die Größenordnung der seit Jahren aufgelaufenen Zahlungsrückstände gegenüber dem Finanzamt Saarlouis, der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten und dem städtischen Gewerbeamt sowie wegen seiner mangelnden Fähigkeit oder Bereitschaft, ein Erfolg versprechendes Sanierungskonzept vorzulegen, als unzuverlässig im Sinne des § 57 Abs. 1 GewO erwiesen habe und da ohne den Widerruf das öffentliche Interesse an einer verlässlichen Erzielung von Einnahmen der öffentlichen Hand konkret gefährdet wäre. Zwar sei dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, dass der Beklagte beziehungsweise die Widerspruchsbehörde das infolge der Verwirklichung des Tatbestands des § 49 Abs. 2 Nr. 3 SVwVfG eröffnete Ermessen ausgeübt habe; dennoch sei die Widerrufsverfügung im Ergebnis nicht rechtswidrig. Das behördliche Einschreitensermessen sei auf die allein ermessensfehlerfrei zu treffende Entscheidung, die Reisegewerbekarte zu widerrufen, reduziert gewesen.

Das den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen im Schriftsatz des Klägers vom 10.1.2006 gibt keine Veranlassung, das genannte Urteil einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren zuzuführen. Unter Zugrundelegung der Antragsbegründung ergeben sich nämlich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Die Argumentation des Klägers, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergäben sich aus der entscheidungstragenden Annahme des Verwaltungsgerichts, das Einschreitensermessen des Beklagten sei unter den konkreten Gegebenheiten auf Null reduziert gewesen, trifft nicht zu.

Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass eine behördliche Entscheidung im Falle eines Ermessensnichtgebrauchs ausnahmsweise dann nicht der gerichtlichen Aufhebung unterliegt, wenn angesichts der besonderen Umstände des zu entscheidenden konkreten Falles überhaupt nur eine einzige - nämlich die behördlicherseits verfügte - Entscheidung ermessensfehlerfrei sein könnte, der Ermessensspielraum also insofern auf Null reduziert ist. Unter dieser Prämisse hat es sich mit den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls auseinandergesetzt und ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, das behördliche Ermessen sei auf Null reduziert und der Widerruf damit die einzig zulässige Ermessensentscheidung gewesen.

Das Verwaltungsgericht argumentiert in diesem Zusammenhang nicht nur - wie der Kläger behauptet - mit der Höhe der Steuer- und Beitragsschulden, sondern verweist daneben auf die beharrliche Verletzung der öffentlich-rechtlichen Erklärungspflichten und die Tatsache, dass der Kläger kein tragfähiges Sanierungskonzept vorlegen konnte. Diesen Gesichtspunkten stellt es die dem Kläger als Konsequenz des Widerrufs drohende Gefahr eines Existenzverlustes und der Sozialhilfebedürftigkeit gegenüber und kommt im Rahmen der Gewichtung der gegenläufigen Interessen zu dem Ergebnis, dass der Schutz der Allgemeinheit und des redlichen Wirtschaftsverkehrs vorrangig sei. Unter den gegebenen Umständen hätten sich dem Beklagten keine anderen Handlungsalternativen als der Widerruf der Reisegewerbekarte geboten. Dem ist zuzustimmen.

Der Einwand des Klägers, auf die Größenordnung der Steuer- und Beitragsschulden dürfe im Rahmen des Einschreitensermessens nicht abgestellt werden, entbehrt der Grundlage. Es liegt auf der Hand, dass ein Einschreiten zum Abwenden von Schäden für die Allgemeinheit um so dringlicher ist, je höher die aufgelaufenen Rückstände sind und je eher mangels eines Erfolg versprechenden Sanierungskonzepts bei Fortführung der gewerblichen Tätigkeit mit einem weiteren Anwachsen der Rückstände gerechnet werden muss.

Es trifft auch nicht zu, dass das Verwaltungsgericht seiner Argumentation zur Ermessensreduzierung auf Null den Schuldenstand im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zugrunde gelegt hat. Im Urteil ist in diesem Zusammenhang die Rede von Schulden in einer Größenordnung von mehr als 100.000,-- Euro, wobei die Zusammensetzung des zur Zeit der Widerspruchsentscheidung maßgeblichen Betrags von 135.464,61 Euro auf S. 13 des Urteils im Einzelnen aufgeschlüsselt ist. Allein auf diesen Schuldenstand bezieht sich die Argumentation des Verwaltungsgerichts ausweislich dessen Formulierung "Im Hinblick auf die im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung vorliegenden Erkenntnisse ist der Widerruf der Reisegewerbekarte wegen einer Ermessensreduzierung auf Null daher konsequent ..." (S. 16 unten des Urteils).

Soweit der Kläger des weiteren im Einzelnen ausführt, dass die Widerrufsbehörde im Falle der Verwirklichung eines Widerrufstatbestands im Rahmen des ihr eröffneten Ermessens den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Vertrauensschutzinteresse des Gewerbetreibenden, insbesondere von diesem im Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts getroffene Dispositionen, zu berücksichtigen hat, wird dies vom Verwaltungsgericht nicht anders gesehen. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte hat es die angefochtene Entscheidung überprüft und ist dabei in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beklagte keine andere Wahl als diejenige des Widerrufs hatte. Insoweit darf weder verkannt werden, dass der Kläger im Verwaltungs- und im Widerspruchsverfahren keine im Vertrauen auf den Bestand der Reisegewerbekarte getroffene Dispositionen behauptet und auch keine sonstigen Vertrauensschutzgesichtspunkte vorgetragen hat, noch darf die im Urteil ausführlich dargestellte Vorgeschichte des Widerrufs außer Acht bleiben. Der Beklagte hatte dem Kläger mehrfach Gelegenheit eingeräumt, seine finanzielle Situation durch Zahlungsvereinbarungen mit seinen Gläubigern oder durch eine Umschuldung über seine Hausbank zu verbessern und so zu versuchen, seine desolaten finanziellen Verhältnisse künftig wieder in den Griff zu bekommen. Die seitens der Behörde ungeachtet der zahlreichen, im Wesentlichen folgenlos gebliebenen Beteuerungen des Klägers, ein Sanierungskonzept zu erarbeiten, über Jahre hinweg aufgebrachte Geduld und Bereitschaft, immer wieder zuzuwarten, lässt sich alleine daraus erklären, dass der Beklagte im Vorfeld des Bescheiderlasses sehr genau abgewogen hat, ob der mit dem Widerruf verbundene einschneidende Eingriff in die Existenzgrundlage des Klägers unumgänglich ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 47 Abs. 3 GKG und erfolgt in Anlehnung an Nr. 54.2.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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