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Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 22.12.2005
Aktenzeichen: 1 R 19/04
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 48 |
2. In einem durch eine Anzeige nach § 48 ZPO in Gang gekommenen Überprüfungsverfahren gilt derselbe Maßstab wie im Falle eines Ablehnungsgesuches; deshalb ist unerheblich, ob nach einer Anzeige nach § 48 ZPO ein Ablehnungsantrag gestellt oder davon ausdrücklich Abstand genommen wird.
Tenor:
Die in der Anzeige vom 5. Oktober 2005 mitgeteilten Tatsachen rechtfertigen die Besorgnis der Befangenheit von Richterin am Verwaltungsgericht H.
Gründe:
I. Der vorliegende Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Beklagte in Ausführung eines Erlasses des Ministeriums für Inneres und Sport vom 20.6.2003 berechtigt ist, bei der Bestimmung der beihilfefähigen Aufwendungen für ärztlich verordnete Heilbehandlungen einen Eigenanteil von 15 Prozent in Abzug zu bringen.
Nachdem die Richterin am Verwaltungsgericht H mit Wirkung vom 1.10.2005 dem beschließenden Senat zugewiesen und ihr die Berichterstattung in dieser Sache übertragen worden war, hat sie am 5.10.2005 angezeigt, dass von ihr beantragte Beihilfen in zwei Fällen vom Beklagten in Anwendung des Erlasses vom 20.6.2003 um einen Eigenanteil von 15 Prozent gekürzt wurden, dass sie dagegen jeweils Widerspruch erhoben hat und dass diese Widerspruchsverfahren mit Blick auf den Ausgang unter anderem des vorliegenden Rechtsstreits ausgesetzt sind.
Die Beteiligten haben zu dieser Anzeige Stellung genommen; Anträge haben sie nicht gestellt.
II. Mit Blick auf die Anzeige vom 5.10.2005 hat der Senat darüber zu entscheiden, ob die darin genannten Tatsachen die Besorgnis der Befangenheit der Richterin am Verwaltungsgericht H in dem vorliegenden Rechtsstreit rechtfertigen (§§ 54 Abs. 1 VwGO, 48 ZPO). Das trifft zu.
Die Besorgnis der Befangenheit ist ausweislich § 42 Abs. 2 ZPO anzunehmen, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Nach dem eindeutigen Gesetzestext kommt es also nicht darauf an, ob der Richter in der Sache tatsächlich parteiisch ist. Vermieden werden soll vielmehr bereits ein entsprechender "böser Schein". Maßgeblich ist deshalb allein, ob vom Standpunkt eines Verfahrensbeteiligten aus gesehen bei vernünftiger Würdigung aller objektiv feststehender Tatsachen hinreichend Anlass besteht, an der Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln, dazu BVerwG, Beschluss vom 3.5.2003 - 2 AV 1-3.03 -, juris, und Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage, § 54 Rdnrn. 1 und 10, jeweils mit zahlreichen Nachweisen.
Diese Voraussetzung ist unter anderem dann erfüllt, wenn die Annahme nahe liegt, ein Richter könne am Ausgang eines bestimmten Rechtsstreits deswegen ein eigenes Interesse haben, weil die zu treffende Gerichtsentscheidung ihm bei objektiver Betrachtung entweder Vor- oder aber Nachteile bringt, dazu Kopp/Schenke, a.a.O., § 54 Rdnr. 11 c, und Meissner in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO - Stand: September 2004 -, § 54 Rdnr. 37, jeweils mit zahlreichen Nachweisen.
So liegt der Fall.
Genau der Fragenkomplex, der den Mittelpunkt des vorliegenden Rechtsstreits bildet, nämlich die Gültigkeit der im Erlass vom 20.6.2003 enthaltenen Regelung, ist Gegenstand auch der beiden Widerspruchsverfahren der Richterin am Verwaltungsgericht H, und diese Widerspruchsverfahren sind sogar mit Blick auf die im vorliegenden Rechtsstreit zu treffende Entscheidung ausgesetzt. Hier sind bei objektiver Betrachtung die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der im Fall des Klägers anstehenden Entscheidung auf die beiden Widerspruchsverfahren der Richterin am Verwaltungsgericht H und damit auf diese selbst so eng, dass die Besorgnis nicht von der Hand zu weisen ist, die genannte Richterin sei nicht in der Lage, den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits mit der gebotenen Objektivität und Neutralität zu beurteilen, sondern könnte sich - unbewusst - davon beeinflussen lassen, damit - wenn auch indirekt - zugleich in eigener Sache zu entscheiden. Das genügt, um die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen.
Dass der Beklagte, der nach den Gegebenheiten in erster Linie eine Befangenheit der Richterin am Verwaltungsgericht H zu befürchten hätte, eine entsprechende Sorge nicht hegt, ist demgegenüber ohne durchschlagendes Gewicht. Mit Blick auf die Anzeige vom 5.10.2005 ist, wie sich insbesondere aus § 42 Abs. 3 ZPO ergibt, ein von einem Antrag eines Verfahrensbeteiligten unabhängiges objektives Überprüfungsverfahren in Gang gekommen, das zu einer Entscheidung zwingt, bei der derselbe Maßstab wie im Falle des Anbringens eines Ablehnungsgesuches gilt, dazu BVerwG, Beschluss vom 18.2.1998 - 11 B 30.97 -, BayVBl. 1999, 60, und BGH, Beschluss vom 5.3.2001 - I ZR 58.00 -, juris.
An der mündlichen Verhandlung vom 11.1.2006 wird anstelle der Richterin am Verwaltungsgericht H Richterin am Oberverwaltungsgericht F mitwirken.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.
Ende der Entscheidung
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