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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 22.04.2009
Aktenzeichen: 2 A 253/08
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 34
Einzelfall einer Nachbarklage gegen die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren erteilte Baugenehmigung für eine räumliche Erweiterung einer Kleinstbrennerei, bei der der Umgebungscharakter nach § 34 BauGB und eine planungsrechtliche Verletzung des Rücksichtnahmegebotes in Streit stand.
Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 26. März 2008 - 5 K 169/07 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 7.500,- EUR festgesetzt.

Gründe:

Der fristgerecht gestellte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung im Sinne des § 124 II Nr. 1 VwGO, der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache nach § 124 II Nr. 2 VwGO, der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 II Nr.3 VwGO, der Divergenz nach § 124 II Nr. 4 VwGO und eines Verfahrensmangels gemäß § 124 II Nr. 5 VwGO liegen nicht vor.

Die Antragsbegründung rechtfertigt zunächst nicht die Zulassung der Berufung gemäß § 124 II Nr. 1 VwGO, denn an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, dass die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach § 64 LBO erteilte Baugenehmigung zur Erweiterung des Lagerraums für Brennereizubehör und zum Neubau eines Abstellschuppens vom 3.5.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.12.2006 den Kläger nicht in seinen Nachbarrechten verletzt, bestehen keine ernstlichen Zweifel.

Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger die Rechtmäßigkeit der Genehmigung des Abstellschuppens in seiner Antragsbegründung nicht ausdrücklich in Abrede gestellt hat.

Dem Kläger kann aber auch nicht darin gefolgt werden, dass sich die Umgebungsbebauung des Bauvorhabens als reines Wohngebiet darstelle. Seine Begründung hierfür, dass die Brennerei nach Umfang und Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung falle und in einem auffälligen Kontrast zu dieser stehe, lässt zum einen die im Bau befindliche Mehrzweckhalle unberücksichtigt und steht zum anderen im Widerspruch zur erstinstanzlichen Urteilsbegründung, wonach die Brennerei weder so klein und unbedeutend sei, dass sie die maßgebliche Umgebung nicht präge, noch so aus der Umgebungsbebauung herausrage, dass sie einen Fremdkörper darstelle und sie daher für die Bestimmung der Gebietsart mit einbezogen werden müsse. Der Bewertung des Verwaltungsgerichts, das bereits in dem zwischen denselben Beteiligten geführten Verwaltungsrechtsstreit 5 K 71/00 am 13.2.2000 eine Ortsbesichtigung durchgeführt hatte, liegt indes der am 12.3.2008 durch eine Ortsbesichtigung gewonnene aktuelle Eindruck von dem Vorhabengrundstück und seiner Umgebung zugrunde. Auf dieser Grundlage hat es in seiner Entscheidung der Sache nach das Vorliegen eines reinen Wohngebiets verneint, indem es mit Blick auf die ehemalige Schulturnhalle, deren Umbau zur Mehrzweckhalle im Gange war, sowie die seit 1997 genehmigte Brennerei des Beigeladenen - nur - das Vorliegen eines allgemeinen Wohngebietes oder eines Gebietes eigener Prägung erörterte, diese Frage letztlich aber offen ließ. Diese Begründung ist nachvollziehbar. Daher wäre die Zulassung der Berufung nur geboten, wenn das Antragsvorbringen besondere Aspekte aufzeigte, die eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Unrichtigkeit des vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses rechtfertigen könnten. (stRspr des OVG des Saarlandes, vgl. etwa Beschluss vom 21.6.2007 - 2 A 152/07 -) Vorliegend zeigt der Kläger mit seiner lediglich abweichenden Bewertung aber keine besonderen Aspekte auf, die die angegriffene Bewertung in Frage stellen könnten. Gleiches gilt für den gerügten Teil der erstinstanzlichen Begründung, wonach sich die Erweiterung der Brennerei um einen Lagerraum hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung einfüge.

Ohne Erfolg weist der Kläger darauf hin, dass er entgegen der Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts seinen Gebietsgewährleistungsanspruch nicht verloren habe. Wie das Verwaltungsgericht ergänzend ("Im Übrigen ...") zutreffend angenommen hat, ist es dem Kläger wegen des in den Verfahren 5 K 71/00 und 5 K 158/00 geschlossenen Vergleichs "unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben verwehrt, sich auf eine grundsätzliche Unzulässigkeit der Brennerei zu berufen". In diesem Vergleich hat er nämlich im Verfahren 5 K 71/00 "von einer weiteren Verfolgung des Rechtsmittels gegen die mit Bauschein vom 18.11.1997 ... erteilte Baugenehmigung zur Errichtung einer Obstbrennerei Abstand" genommen. Damit hat er die Brennerei als solche in seiner Nachbarschaft akzeptiert.

Die Baugenehmigung verstößt auch nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme, weil - wie der Kläger meint - die Baumaßnahme "mit weiteren Beeinträchtigungen verbunden ist, mit ihr die nach der näheren Umgebung einen absoluten Fremdkörper darstellende Brennerei noch näher an ihn heranrückt und dies für die genehmigte Kleinstbrennerei zur Herstellung von maximal 50 Liter Trinkbranntwein pro Jahr aus eigenen selbstgewonnenen Obststoffen in keiner Weise erforderlich ist" sowie "Spannungen und Störungen ... im Falle der Umsetzung der beantragten Erweiterung sicher" seien. Zunächst ist insoweit - wie vom Verwaltungsgericht schon eingehend und überzeugend ausgeführt wurde - festzustellen, dass mit der angefochtenen Baugenehmigung - neben dem für das Abstellen von Gartengeräten vorgesehenen Schuppen im hinteren Bereich des Grundstücks - lediglich eine räumliche Erweiterung der Brennerei des Beigeladenen um einen Lagerraum genehmigt wurde, dass dieser aber - wegen der zur Baugenehmigung vom 18.11.1997 gehörenden und den Umfang der zugelassenen Nutzung begrenzenden Betriebsbeschreibung - weiterhin an die ursprüngliche Mengenbegrenzung bei der Herstellung von Alkohol gebunden ist und nur selbst gewonnene Obststoffe einsetzen darf. Sollte der Beigeladene indes die genehmigten Mengen überschreiten oder für Dritte brennen, sind von der Behörde geeignete Maßnahmen zu treffen bzw. vom Kläger gegebenenfalls gerichtlich zu erreichen. Durch den streitgegenständlichen Lagerraum mit einer Grundfläche von 6,03 x 3,02 m wird das Rücksichtnahmegebot - jedenfalls noch - nicht verletzt. Er grenzt zwar unmittelbar an das grenzständig errichtete Wohnhaus des Klägers an. Da der Beigeladene jedoch bei seiner Baumaßnahme die Anforderungen an den Schallschutz (vgl. § 67 I LBO), der nicht zum Prüfprogramm im vereinfachten Genehmigungsverfahren gehört, einzuhalten hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger durch die Nutzung des Lagerraums unzumutbaren Beeinträchtigungen ausgesetzt wird. Gleiches gilt für Geruchsimmissionen, die sich zudem - wenn die der Klageschrift zu entnehmende Vermutung des Klägers, dass der Beigeladene sich jedenfalls in jüngerer Zeit nicht an die Genehmigung gehalten hat, zutrifft - bei genehmigungskonformer Ausübung der Brenntätigkeit verringern müssten. Im Übrigen kann dem Beigeladenen nicht schlechthin zugemutet werden, auf die Errichtung eines weiteren (Lager-) Raums auf dem bisher als Durchfahrt genutzten Teil des grenzständigen Anbaus zu verzichten, damit der Kläger in seinem ebenfalls grenzständig errichteten Wohnhaus von jeglicher durch die unmittelbare Nähe der Gebäude bedingter Belästigung durch die Nutzung verschont bleibt. Eine deutliche Verschlechterung der Situation des Klägers durch die Baumaßnahme, die als Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot bewertet werden könnte, ist vorliegend nicht erkennbar; auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts kann Bezug genommen werden. Die Frage schließlich, ob das genehmigte private Bauvorhaben für den genehmigungskonformen Betrieb der Brennerei überhaupt erforderlich ist, bedarf keiner abschließenden Klärung. Denn aus dem Umstand, dass es für die Beurteilung des Gewichts der auf die Realisierung des Vorhabens gerichteten Bauherrninteressen im Rahmen der bei Prüfung des Rücksichtnahmegebotes vorzunehmenden Abwägung eine Rolle spielen kann, welche Bedeutung die umstrittene Anlage oder Nutzung für die von dem Bauherrn verfolgten Ziele hat, folgt keineswegs, dass sich in dieser Abwägung nur solche Vorhaben gegen gegenläufige Nachbarinteressen durchsetzen können, die der Bauherr unbedingt benötigt. Verständlich oder unabweisbar kann durchaus auch ein Interesse an der Verwirklichung eines die Verbesserung oder Erleichterung betrieblicher Abläufe bezweckendes Vorhaben sein. Ob sich das Interesse an seiner Realisierung in der Abwägung durchsetzt, hängt dann vom Ausmaß der (weiteren) Betroffenheit der gegenläufigen Nachbarinteressen ab.

Die Berufung ist auch nicht gemäß § 124 II Nr. 2 VwGO zuzulassen. Entgegen der Meinung des Klägers kann aus der Tatsache, dass das Verwaltungsgericht einen Ortstermin für erforderlich gehalten hat, nicht geschlossen werden, dass die Rechtssache besondere tatsächliche Schwierigkeiten aufweist. Das Verwaltungsgericht führte die Ortsbesichtigung ausweislich des entsprechenden Protokolls durch, um sich einen aktuellen Eindruck von dem Baugrundstück und seiner aktuellen Nutzung, dem Grundstück des Klägers sowie der Umgebung des Baugrundstücks im Sinne des § 34 II BauGB zu verschaffen. Dafür, dass der Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht überdurchschnittlich schwierig wäre, spricht indes nichts.

Auch in rechtlicher Hinsicht weist die Rechtssache keine mehr als durchschnittlichen Schwierigkeiten auf. Ihr Gegenstand ist die Nachbar-Anfechtung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Abstellschuppens sowie eines weiteren Lagerraums für die - aufgrund der dem Beigeladenen 1997 erteilten, vom Kläger zunächst gerichtlich angefochtenen, dann aber im 2001 geschlossenen Vergleich hingenommenen Baugenehmigung errichtete - Kleinstbrennerei, die aufgrund einer 2004 erteilten weiteren Baugenehmigung räumlich erheblich erweitert wurde. Zu messen war die Umgebung des Bauvorhabens an § 34 BauGB und zu entscheiden war über die planungsrechtliche Verletzung des Rücksichtnahmegebotes. Damit weist die Rechtssache nicht mehr als durchschnittliche rechtliche Schwierigkeiten auf.

Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 II Nr. 3 VwGO zu.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine für die Berufungsentscheidung erhebliche, klärungsfähige und klärungsbedürftige, insbesondere höchst- oder obergerichtlich nicht (hinreichend) geklärte Frage allgemeiner, fallübergreifender Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder ihrer Fortentwicklung der berufungsgerichtlichen Klärung bedarf.

Der Kläger vertritt die Ansicht, dass "die Beurteilung des allgemeinen Umgebungscharakters grundsätzliche Bedeutung" habe, weil zu erwarten sei, dass der erstinstanzlich beurteilte und durch das streitgegenständliche Bauvorhaben betroffene Umgebungscharakter auch für zukünftige Genehmigungen bezüglich anderer Bauvorhaben in der näheren Umgebung Bedeutung haben könne. Das Ergebnis des Rechtsstreits könne sich daher maßgeblich auf den gesamten Gebietscharakter und damit auf das Ergebnis zukünftiger Genehmigungsverfahren auswirken.

Die eher pauschal aufgeworfene Frage bedarf schon deshalb keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, da nicht ersichtlich ist, dass entsprechende Genehmigungsanträge bereits gestellt oder absehbar zu erwarten wären; eine allgemeine, fallübergreifende Bedeutung der aufgeworfenen Frage kann daher nicht angenommen werden.

Auch soweit sich der Kläger auf den Zulassungsgrund der Divergenz gemäß § 124 II Nr. 4 VwGO beruft, ist die Zulassung der Berufung nicht gerechtfertigt.

Die Divergenzberufung ist nur gegeben, wenn das Verwaltungsgericht in dem Urteil einen Grundsatz rechtlicher oder tatsächlicher Art aufgestellt hat, der im Widerspruch zu einem Grundsatz steht, den eines der in der Vorschrift genannten Gerichte in einer Entscheidung aufgestellt hat. Demgegenüber ist eine zulassungsbegründende Divergenz nicht bereits dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht einen derartigen Grundsatz übergangen, übersehen, unrichtig angewandt oder den Sachverhalt ungenügend aufgeklärt oder fehlerhaft gewürdigt hat.

Diesen Anforderungen entspricht der Vortrag des Klägers nicht, der sich auf eine Abweichung der erstinstanzlichen Entscheidung von der "Rechtsprechung der Obergerichte und des Bundesverwaltungsgerichts" beruft. Denn er hat weder vorgetragen noch ist ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht einen Rechtssatz aufgestellt hätte, der in Widerspruch zu einem vom Kläger genannten Grundsatz einer bezeichneten Entscheidung des dem Verwaltungsgericht übergeordneten Oberverwaltungsgerichts oder des Bundesverwaltungsgerichts stünde.

Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 124 II Nr. 5 VwGO zuzulassen.

Insoweit beanstandet der Kläger, dass das Verwaltungsgericht nicht zumindest über seinen Sachvortrag in der Klageschrift den angebotenen Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben habe. Der Kläger rügt somit die Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs durch unterlassene Beweiserhebung.

Zunächst ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der anwaltlich vertretene Kläger in der mündlichen Verhandlung keinen Beweisantrag gestellt hat und das Gericht nur dann hätte Beweis erheben müssen, wenn sich die Beweiserhebung aufgedrängt hätte. Das war vorliegend aber nicht der Fall.

Soweit sich die genannten Ausführungen darauf beziehen, dass die angegriffene Baugenehmigung dem Beigeladenen die Erweiterung seiner Alkoholproduktion ermöglichen soll (Seiten 4, 5 und 8 der Klageschrift), war eine Beweiserhebung offensichtlich nicht erforderlich, da der Bauschein lediglich einen weiteren Lagerraum und einen Abstellschuppen, nicht aber die Ausweitung der Produktion erlaubt. Gegen eine unzulässige Produktionssteigerung samt der mit ihr verbundenen Lärmbelastungen kann sich der Kläger, wenn der Beklagte nicht einschreiten sollte, mit geeigneten Rechtsbehelfen wehren.

Dass mit einer unzumutbaren Lärmentwicklung (Seite 8 der Klageschrift) bei angemessener Schallschutzmaßnahmen durch den zusätzlichen, angrenzenden Lagerraum nicht zu rechnen ist, wurde bereits oben ausgeführt.

Der Zulassungsantrag war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 II VwGO. Für einen Ausspruch zugunsten des Beigeladenen, der keinen Antrag gestellt hat und kein Kostenrisiko eingegangen ist (§ 154 III VwGO), besteht kein Anlass (§ 162 III VwGO).

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 II, 52 I GKG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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