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Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Urteil verkündet am 03.06.2008
Aktenzeichen: 2 C 438/07
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 1
1. Das Rechtsschutzinteresse für einen Normenkontrollantrag gegen eine Klarstellungssatzung fehlt, wenn die Unwirksamerklärung für den Antragsteller keine rechtlichen oder tatsächlichen Vorteile bringen kann.

2. Eine Klarstellungssatzung i.S.d. § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BauGB hat keine rechtsbegründende, sondern nur klarstellende Wirkung für die Zuordnung eines Grundstücks zum Innenbereich.


Tenor:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der Klarstellungssatzung der Antragsgegnerin "An der H-Straße" in deren Ortsteil.

Nachdem der Ortsrat von O mit Beschluss vom 12.6.2007 die Aufstellung einer Klarstellungssatzung gefordert hatte, beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin am 12.7.2007 "eine Klarstellungssatzung für den Ortsteil O" gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 1 BauGB, womit der Teilbereich entlang der H-Straße ab dem Anwesen S in Richtung Ortsausgang bis zur Einmündung in die B 407 bzw. dem angrenzenden Feldweg und in östlicher Richtung entlang der hinteren Baugrenze bis zum Ende der Straße "Z" eindeutig dem Außenbereich zugeordnet wird".

Die Satzung wurde am 9.8.2007 sowohl von dem Ersten Beigeordneten unterzeichnet als auch ortsüblich bekannt gemacht.

Am 15.10.2007 beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin die Aufstellung eines Bebauungsplans für den Teilbereich der "H-Straße" im Ortsteil O sowie eine Veränderungssperre für den Geltungsbereich des Bebauungsplanentwurfs "A-Straße" im Ortsteil O.

Am 7.11.2007 hat der Antragsteller Normenkontrollantrag gegen die Klarstellungssatzung gestellt. Er hat darauf hingewiesen, dass sein Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung für ein Mehrfamilienhaus mit 8 Wohneinheiten, einer Tiefgarage mit 8 Stellplätzen und zwei offenen Pkw-Stellplätzen auf dem Grundstück Flur 3, Parz.-Nr. ...6/13 sowie ...3/17 in O durch den Landkreis Merzig-Wadern - Untere Bauaufsichtsbehörde - abgelehnt worden sei, da die Antragsgegnerin das erforderliche gemeindliche Einvernehmen mit der Begründung versagt habe, dass die vorbezeichnete Klarstellungssatzung das Vorhabengrundstück dem Außenbereich zuordne. Für seinen statthaften Antrag sei er auch antragsbefugt, da seine Grundstücke durch die Satzung aus dem unbeplanten Innenbereich ausgeschlossen und dem Außenbereich zugeordnet und Inhalt und Schranken seines Eigentums bestimmt würden. Dadurch würden seine Möglichkeiten, seine Grundstücke zu nutzen, beschränkt, da ein Vorhaben im Außenbereich nur unter erschwerten Bedingungen genehmigungsfähig sei. Sein Rechtsschutzinteresse ergebe sich daraus, dass die Versagung der Baugenehmigung auf die angefochtene Satzung gestützt worden sei. Der Bau des geplanten Mehrfamilienhauses würde den Anforderungen eines privilegierten Vorhabens nach § 35 I BauGB nicht genügen. Der Normenkontrollantrag sei auch begründet. Die Satzung verstoße in formeller Hinsicht gegen den eine Ausprägung des grundgesetzlich garantierten Rechtsstaatsprinzips darstellenden Bestimmtheitsgrundsatz, der verlange, dass Gesetze deutlich und klar ausgestaltet sein müssten. Der Klarstellungssatzung sei jedoch anhand der geographischen Festsetzungen, die in der Ausgabe des Veröffentlichungsorgans "Mosella" vom 4.8.2007 abgedruckt seien, nicht entnehmbar, wo die exakte Grenze zwischen dem festgelegten Innen- und Außenbereich verlaufe. Die Planskizze lasse diese Grenze im Planungsgebiet "H-Straße", die überhaupt nicht eingezeichnet sei, nicht erkennen. Die Satzung sei aber auch mit materiellem Recht nicht vereinbar, denn sie verstoße gegen § 34 IV 1 Nr. 1 BauGB. Diese Vorschrift ermächtige die Gemeinde nicht, einen Außenbereich "festzusetzen". Die Klarstellungssatzung gebe an, dass der Teilbereich entlang der H-Straße ab dem Anwesen S in Richtung Ortsausgang O bis zur Einmündung in die B 407 bzw. dem angrenzenden Feldweg und in östlicher Richtung entlang der hinteren Baugrenzen bis zum Ende der Straße "Z" dem Außenbereich zugeordnet werde. Diese Darstellung könne in einer Klarstellungssatzung nicht vorgenommen werden. Klarstellungssatzungen hätten rein deklaratorische Wirkung und bestätigten die tatsächlichen Verhältnisse von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen. Durch sie könnten nur die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festgelegt werden. Gesetzgeberischer Zweck der Satzung sei, Zweifel gegen das Vorliegen von Ortsteilen oder ihre Reichweite in Richtung auf den Außenbereich vorab normativ auszuräumen und dadurch die Baugenehmigungsverfahren vom Streit über die Zugehörigkeit des Baugrundstücks zum Innenbereich zu entlasten. Die Festlegung eines Außenbereichs widerspreche schon dem Wortlaut der Norm sowie dem Sinn und Zweck der Norm, gerade das Bauen im Innenbereich zu erleichtern. Die Ablehnung der beantragten Baugenehmigung habe er mit einer beim Verwaltungsgericht anhängigen Klage angefochten.

Der Antragsteller hat schriftsätzlich beantragt,

die Klarstellungssatzung der Antragsgegnerin für den Bereich "A-Straße" im Ortsteil O vom 12.6.2007 in der Fassung der Bekanntmachung vom 6.8.2007 für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie bemängelt u.a., dass der Antragsteller nicht vortrage, welche Grundstücke, die seiner Antragsschrift nach dem Außenbereich zugeordnet würden, ihm gehörten. Dies stelle seine Antragsbefugnis in Frage. Im Übrigen verstoße die Satzung nicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Dem Übersichtsplan sei die exakte Grenze zu entnehmen. Das Grundstück, das der Antragsteller bebauen wolle, habe sich schon immer im Außenbereich befunden.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Akte 5 K 76/08 des Baugenehmigungsverfahrens sowie der vorgelegten Verwaltungsunterlagen der Antragsgegnerin, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Das Ausbleiben des Antragstellers im Termin stand einer Verhandlung und Entscheidung in der Sache nicht entgegen, da er ordnungsgemäß und unter Hinweis auf § 102 II VwGO geladen worden war. Ein Antrag auf Terminsverlegung ist dem Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 2.6.2008, mit dem dieser ohne Angabe von Gründen mitgeteilt hat, den Termin vom 3.6.2008 nicht wahrnehmen zu können, nicht zu entnehmen.

Der Normenkontrollantrag des Antragstellers ist unzulässig.

Allerdings ist der statthafte Antrag am 7.11.2007 und damit fristgerecht innerhalb der durch die Bekanntmachung der Klarstellungsatzung am 9.8.2007 in Lauf gesetzten Jahresfrist des § 47 II VwGO gestellt worden.

Auch die Antragsbefugnis des Antragstellers ist zu bejahen. Wie die Antragsgegnerin überprüft und in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, ist er Eigentümer des Grundstückes Flur 3, Parz.-Nr. ...6/13 und ...3/17 im Ortsteil O, das nach der in der Klarstellungsatzung ausgewiesenen Grenze nicht im Zusammenhang bebauten Ortsteil liegt. Indem er sich auf sein Eigentum an diesem Grundstück beruft und geltend macht, dass dieses durch die Klarstellungsatzung dem Außenbereich zugewiesen und seine Bebaubarkeit mit einem Mehrfamilienhaus ausgeschlossen werde, trägt er hinreichend substantiiert Tatsachen vor, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Satzung in seinem Eigentumsrecht verletzt wird.

Dem Antragsteller fehlt jedoch das erforderliche Rechtsschutzinteresse für das Normenkontrollverfahren.

Das Rechtsschutzinteresse ist zu verneinen, wenn die begehrte Unwirksamkeitserklärung für den Antragsteller keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann. An das Rechtsschutzinteresse dürfen keine strengen Anforderungen gestellt werden. Es kann auch vorliegen, wenn die angegriffene Rechtsvorschrift nur feststellender Natur ist. (1OVG Saarlouis, NVwZ 1982, 125 zu einer lediglich klarstellenden Abrundungssatzung gemäß § 34 II BBauG)

Ein Rechtsschutzinteresse ist für den Antragsteller nicht - mehr - anzuerkennen, weil die angegriffene Klarstellungssatzung jegliche Bedeutung für ihn verloren hat.

Wie aus der beigezogenen Akte ersichtlich ist, hat der Antragsteller gegen den Landkreis Merzig-Wadern - Untere Bauaufsichtsbehörde - (Untätigkeits-)Klage auf Erteilung der unterlassenen Baugenehmigung beim Verwaltungsgericht erhoben. In diesem Verfahren wird sein geltend gemachter Genehmigungsanspruch, um dessen Verwirklichung es ihm letztlich auch im vorliegenden Normenkontrollverfahren geht, überprüft, ohne dass es auf Inhalt und Wirksamkeit der angefochtenen Klarstellungssatzung ankäme. Denn eine Klarstellungssatzung im Sinne des § 34 IV 1 Nr. 1 BauGB, die früher auch als "Abgrenzungssatzung" bezeichnet wurde, hat nach überwiegend vertretener Ansicht (2Vgl. etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3.3.2006 - 2 S 106.05 -, zitiert nach juris; Sächs. OVG, Urteil vom 23.10.2000 - 1 D 33/00 -, NVwZ-RR 2001, 468; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 7.5.1993 - 8 S 2096/92 -, BRS 55 Nr. 75; Schrödter, BauGB, 8. Aufl., § 34 Rdnr. 81; weitere Nachweise bei Dürr in Brügelmann, Kommentar zum BauGB, 59. Lieferung, Dezember 2005, § 34 Rdnr. 113) , die vom erkennenden Senat geteilt wird, keine rechtsbegründende, sondern lediglich klarstellende Wirkung für die Zuordnung eines Grundstücks zum Innenbereich. Der gegenteiligen Ansicht (3Dürr in Brügelmann, Kommentar zum BauGB, 59. Lieferung, Dezember 2005, § 34 Rdnr. 114; ebenso VGH München, Urteil vom 28.5.1993 - 1 N 92.537 -, BauR 1993, 573=BayVBl. 1993, 624) , die eine nur klarstellende Wirkung dieser Satzung aus rechtsdogmatischen sowie praxisbezogenen Gründen ablehnt, kann nicht gefolgt werden. Das BVerwG hatte bereits in einem Urteil vom 18.5.1990 (4 Urteil vom 18.5.1990 - 4 C 37/87 -, NVwZ 1991, 61 = BRS 50 Nr. 81) einer (Abrundungs-) Satzung zur Festlegung der Grenze des Innenbereichs - ohne nähere Begründung - nur deklaratorische Bedeutung zuerkannt. Auch der Wortlaut des § 34 IV 1 Nr. 1 BauGB ("festlegen") zwingt nicht zur Annahme einer konstitutiven Wirkung. Die Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich stellt sich vielmehr als schlichte Rechtsanwendung dar, bei der es keinen gemeindlichen Beurteilungsspielraum geben kann (5Schrödter, BauGB, 8. Aufl., § 34 Rdnr. 83) . Auch Sinn und Zweck der Vorschrift fordern keine konstitutive Wirkung der Satzung, auch wenn der Nutzen einer Klarstellungsatzung für die baurechtliche Praxis begrenzt ist. Ihre Aufgabe ist es nämlich vornehmlich, Klarheit über die behördeninterne Beurteilung des Verlaufs der tatsächlichen Grenze zwischen Innen- und Außenbereich zu schaffen und insofern öffentlichen Planungsträgern bindende Vorgaben für ihre Entscheidungen zu machen (6 ebenso Sächs.OVG, a.a.O.) . Dafür, dass der Gesetzgeber den Gemeinden mit der Klarstellungssatzung anders als bei den rechtsbegründend wirkenden Festlegungs- und Einbeziehungsatzungen keine Gestaltungsmöglichkeiten einräumen wollte, sprechen insbesondere die nur für die letztgenannten geltenden Regelungen in § 34 V BauGB.

Des Weiteren fehlt das Rechtsschutzinteresse für den vorliegenden Antrag, weil das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplanes für einen Teilbereich der "H-Straße" bereits fortgeschritten ist und die Antragsgegnerin eine Veränderungssperre für den streitgegenständlichen Bereich erlassen hat, die bewirkt, dass der Antragsteller auch bei positivem Ausgang des Normenkontrollverfahrens absehbar keine Baugenehmigung erhalten könnte. Insoweit sind weder Anhaltspunkte dafür vorgetragen noch ersichtlich, dass das Bebauungsplanverfahren nicht zu einem planmäßigen Ende gebracht werden könnte.

Der Normenkontrollantrag war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 I VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 II VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Normenkontrollverfahren auf 10.000,- EUR festgesetzt (§§ 63 II, 52 I GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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