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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 14.03.2003
Aktenzeichen: 2 Q 29/02
Rechtsgebiete: VwGO, BauNVO


Vorschriften:

VwGO § 124
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
BauNVO § 9 Abs. 2
BauNVO § 9 Abs. 3 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
1 Q 11/03 2 Q 29/02

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Erteilung einer nachträglichen Baugenehmigung

hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes in Saarlouis durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Böhmer sowie die Richter am Oberverwaltungsgericht John und Bitz am 14. März 2003 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2002 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 5 K 17/02 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens; außergerichtliche Kosten der Beigeladenen im Zulassungsverfahren werden nicht erstattet.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 250.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Der gemäß § 124 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 2.10.2002, mit dem das Verwaltungsgericht ihr Begehren abgelehnt hat, den Beklagten zur Erteilung der Baugenehmigung für ein in dem dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Bauantrag als "Neubau Büro- und Wohngebäude mit Doppelgarage" bezeichnetes Vorhaben auf dem Grundstück Gemarkung Ü , Flur , Parzelle Nr. , zu verpflichten, bleibt erfolglos.

Das Vorbringen der Klägerin, das zugleich den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung in dem vorliegenden Zulassungsverfahren begrenzt, rechtfertigt die Zulassung der Berufung weder auf der Grundlage der von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO noch in Anwendung des gleichfalls angeführten Zulassungstatbestandes des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

Die beiden erstgenannten Zulassungstatbestände sind nicht erfüllt, weil auch unter Berücksichtigung der zu ihrer Darlegung vorgebrachten Umstände bereits derzeit, ohne daß es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf, fest steht, daß das Verwaltungsgericht die Verpflichtungsklage der Klägerin zu Recht abgewiesen hat.

Grundlage der zwischen den Beteiligten allein umstrittenen Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit des in Rede stehenden Vorhabens unter dem Gesichtspunkt der Art der baulichen Nutzung sind die Festsetzungen des Bebauungsplanes für das Gebiet "Industriegelände Nr. 2" der Beigeladenen, abschließend bekannt gemacht am 16.6.1967, dessen Rechtsverbindlichkeit von der Klägerin im Zulassungsverfahren nicht in Frage gestellt wird. Dieser Bebauungsplan weist - und insoweit besteht zwischen den Beteiligten kein Streit - seinen Geltungsbereich als Industriegebiet aus, verweist in seinem Textteil unter Nr. 2.1.1 hinsichtlich der regelmäßig zulässigen Anlagen auf § 9 Abs. 2 BauNVO (1962) und erklärt unter Nr. 2.1.2 Anlagen gemäß § 9 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO (1962) für ausnahmsweise zulässig. Da das Vorhaben der Klägerin auch, wenn nicht sogar überwiegend Wohnzwecken dient, setzt seine - nach den planerischen Festsetzungen nur ausnahmsweise - Zulässigkeit demnach voraus, daß es sich bei ihm um eine Wohnung für Aufsichts- oder Bereitschaftspersonen oder für Betriebsinhaber oder Betriebsleiter eines gebietsansässigen Gewerbebetriebes handelt. Voraussetzung hierfür ist unter anderem die funktionale Zuordnung der Wohnung zu einem solchen Gewerbebetrieb sowie in diesem Zusammenhang das Vorliegen sachlicher betriebsbezogener Gründe für die Herstellung einer Wohnung im Zusammenhang mit der gewerblichen Nutzung, wobei die Anforderungen weniger streng sind, wenn es nicht um eine Wohnung für Aufsichts- oder Bereitschaftspersonen, sondern - was hier im Raum steht - für einen Betriebsinhaber beziehungsweise einen Betriebsleiter geht vgl. in diesem Zusammenhang z. B. Stock in König/Roeser/Stock, BauNVO, 1999, § 9 Rdnr. 24, § 8 Rdnr. 44 m.w.N..

Da die funktionale Zuordnung und das hiermit im Zusammenhang stehende Erfordernis der sachlichen Rechtfertigung durch betriebliche Zwecke Prüfungsgegenstand im Baugenehmigungsverfahren und letztlich auch Regelungsinhalt der Baugenehmigung sind, die sich eben nicht darauf beschränken darf, eine sogenannte "schlichte" im Sinne von nicht betriebsbezogene Wohnnutzung zuzulassen, bedarf es entsprechender Darlegungen in den mit dem Bauantrag zur Nachprüfung gestellten Bauvorlagen. Bereits hieran fehlt es vorliegend. Zwar ist dem am 4.4.2000 beim Beklagten eingegangenen Bauantrag eine Betriebsbeschreibung beigefügt, in der es heißt, in dem Gebäude befänden sich Büroräume zugehörend zum Betrieb der B -Anlagentechnik (GmbH), und ist diese Betriebsbeschreibung um eine Anlage ergänzt, in der die teilweise betriebliche Nutzung von Räumlichkeiten des ansonsten zu Wohnzwecken bestimmten Gebäudes als Büro erläutert ist. Diese pauschalen Aussagen erlauben jedoch keine Überprüfung der sachlichen Rechtfertigung der Wohnnutzung durch Erfordernisse des genannten Betriebes. Hinzu kommt, daß eine Rechtfertigung des Vorhabens durch betriebliche Gegebenheiten der B -Anlagentechnik (GmbH) bezogen auf den für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in einem künftigen Berufungsverfahren ohnehin ausscheidet, weil das betreffende Unternehmen nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht mehr existiert. Nach Aktenlage ist das Insolvenzverfahren betreffend dieses Unternehmen am 5.3.1999 eröffnet und am 5.3.2001 mangels Masse eingestellt und das Unternehmen mittlerweile im Handelsregister gelöscht worden. Zudem wurden die übrigen von dem Unternehmen genutzten Grundstücke mittlerweile veräußert (siehe Klagebegründung vom 2.4.2002, Seiten 2 und 5, sowie Schriftsatz vom 9.4.2002).

Kommt danach die Genehmigung des umstrittenen Vorhabens für Zwecke der B -Anlagentechnik (GmbH) nicht mehr in Betracht, so hat die Klägerin ferner keinen Anspruch darauf, daß das umstrittene Gebäude als der nunmehr auf dem betreffenden Grundstück von ihr betriebenen Firma B -Anlagenbau dienendes Wohn- und Bürogebäude genehmigt wird. Soweit sie bereits im Baugenehmigungsverfahren eine Gewerbeanmeldung betreffend dieses Unternehmen vorgelegt hat, läßt sich dem nicht entnehmen, daß das Gebäude nunmehr diesem Unternehmen und nicht mehr der in der Betriebsbeschreibung genannten B -Anlagentechnik (GmbH) zugeordnet werden soll, ganz abgesehen davon, daß die bloße Gewerbeanmeldung ebenfalls keine prüffähige Darlegung der betrieblichen Rechtfertigung der Wohnnutzung für Zwecke der Firma B -Anlagenbau enthält. Da wie bereits angesprochen die Frage der Zuordnung und damit der sachlichen Rechtfertigung einer Wohnnutzung durch betriebliche Zwecke mit Blick auf einen konkreten Betrieb zu entscheiden ist und je nach den Fallumständen von Betrieb zu Betrieb anders zu beantworten sein kann, stellt die Änderung dieser Zuordnung eine entscheidungsbeachtliche Modifikation des Bauvorhabens dar, für die es einer entsprechenden Änderung des Bauantrages bedarf. Wird während eines gerichtlichen Verfahrens betreffend die Erteilung der Baugenehmigung das den Gegenstand des verfahrensbezogenen Bauantrages bildende Vorhaben solchermaßen geändert und zum Gegenstand der bereits anhängigen Verpflichtungsklage gemacht, erweist sich diese bereits als unzulässig, weil es - insbesondere wenn wie hier über die Zulassung einer Ausnahme nach Ermessen zu entscheiden ist - an einem entsprechenden Verwaltungsantrag und der Durchführung eines Vorverfahrens als Sachentscheidungsvoraussetzungen der Verpflichtungsklage fehlt vgl. hierzu z.B. OVG des Saarlandes, Urteil vom 30.7.1991 - 2 R 626/88 - m.w.N..

Aber auch wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, schon mit der bloßen Vorlage der Gewerbeanmeldung betreffend die Firma B -Anlagenbau im Baugenehmigungsverfahren sei die Zweckbestimmung der umstrittenen Wohnnutzung für dieses Unternehmen formal Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens geworden, gilt im Ergebnis nichts anderes. Die betriebliche Betätigung der Firma B -Anlagenbau umfaßt nach der Darstellung der Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit unter anderem die Wartung und Herstellung von (Lackier-)Anlagen innerhalb der auf dem Vorhabengrundstück stehenden Halle. Da diese Halle ebenso wie eine weitere genehmigte, aber nicht errichtete Halle nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen und von der Klägerin mit ihrem Zulassungsantrag nicht in Frage gestellten Feststellungen als "reine Lagerhallen ohne (zusätzliche) Beschäftigte und ohne Sozialanlagen" für Zwecke der B -Anlagentechnik (GmbH) genehmigt sind (siehe Seite 17 des Urteilsabdrucks), stellt die darin nunmehr durch die Firma B -Anlagenbau ausgeübte Produktions- und Wartungstätigkeit eine Nutzungsänderung dar, die nicht zuletzt, weil an Arbeitsstätten andere und weitergehende Anforderungen zu stellen sind als an eine bloße Lagernutzung, baugenehmigungspflichtig ist. Nach dem derzeitigen Stand sind diese Nutzungsänderung und damit der Betrieb der Firma B -Anlagenbau bislang nicht baurechtlich genehmigt und damit formell illegal. Da sich die Zulassung eines Wohngebäudes in einem Industriegebiet allenfalls unter dem Gesichtspunkt einer der in § 9 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO genannten Zweckbestimmungen begründen läßt, die betreffende Wohnnutzung mit Blick auf diese Zuordnung mithin als unselbständiger Teil der gewerblichen Nutzung anzusehen ist, setzt die Erteilung der Baugenehmigung für ein Wohngebäude im Sinne von § 9 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO voraus, daß der Betrieb, dem es zugeordnet werden soll, seinerseits genehmigt ist vgl. OVG des Saarlandes, Urteile vom 14.7.1992 - 2 R 21/91 -, vom 19.1.1993 - 2 R 48/91 -, vom 27.5.1997 - 2 R 34/96 - und vom 30.6.1998 - 2 R 2/97 - sowie Beschluß vom 28.12.1992 - 2 R 39/92 -, jeweils betreffend insoweit vergleichbare Fälle der Unzulässigkeit von Baugenehmigungen für unselbständige Erweiterungen oder Nutzungsänderungen ungenehmigter Baubestände.

Jedenfalls diesem Erfordernis ist - worauf das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend abgestellt hat (siehe Seite 18 des Urteilsabdrucks) - vorliegend nicht Rechnung getragen, und das steht der Erteilung der begehrten Baugenehmigung entgegen.

Kommt danach die erstrebte Rechtsmittelzulassung auf der Grundlage von § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO nicht in Betracht, so läßt sich ferner die von der Klägerin zur Darlegung des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO aufgeworfene Frage, ob in Fallgestaltungen, in denen ein neuer Betrieb Baulichkeiten nutzt, die dem Vorgängerbetrieb zu anderen Zwecken genehmigt wurden, auf den Inhalt der damaligen Genehmigung oder auf die aktuelle Nutzung abzustellen ist, sofern sie mit diesem Inhalt überhaupt entscheidungserheblich sein sollte, ohne weiteres auf der Grundlage der angestellten Erwägungen und der zitierten Rechtsprechung beurteilen und ist deshalb nicht rechtsgrundsätzlicher Art.

Dem Zulassungsbegehren kann demnach nicht entsprochen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 14, 25 Abs. 2 GKG und trägt dem Umstand Rechnung, daß das für die Streitwertbemessung maßgebliche Klägerinteresse darauf abzielt, den mit beträchtlichem Aufwand ins Werk gesetzten Baubestand mittels einer nachträglichen Baugenehmigung gegen Maßnahmen bauaufsichtsbehördlichen Einschreitens zu sichern.

Dieser Beschluß ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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