Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Saarland
Beschluss verkündet am 18.01.2007
Aktenzeichen: 2 Q 48/05
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 6
Ein im Geltungsbereich eines Bebauungsplans gelegener gewerblicher Betrieb wird für eine bauliche Erweiterung, die im Außenbereich stattfinden soll, nicht durch § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 6 BauGB begünstigt, da diese Vorschrift nur die Erweiterung von im Außenbereich gelegenen Betrieben erleichtert.
Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 6. Juli 2005 - 5 K 156/03 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 6.000,- EUR festgesetzt.

Gründe:

Der fristgerecht gestellte und auch ansonsten zulässige Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 6.7.2005, mit dem ihre Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung eines positiven Vorbescheids für die Erweiterung einer bestehenden Lagerhalle in W, C-Straße, Gemarkung W, Flur 1, Flurstück Nr. 18/1, abgewiesen wurde, hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

Zur Begründung ihres Zulassungsantrags trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, die Berufung sei sowohl wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Sinne des § 124 II Nr. 1 VwGO als auch wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache gemäß § 124 II Nr. 2 VwGO zuzulassen. Das Verwaltungsgericht sei in der angefochtenen Entscheidung der Ansicht gewesen, dass das beabsichtigte Bauvorhaben entsprechend dem geänderten Plan im Außenbereich liege; dies sei jedoch streitig und nicht endgültig geklärt. Aus dem von der Klägerin bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten, einem Herrn L erteilten Bauschein Nr. 732/71 vom 15.9.1971 sei auf einen Bebauungsplan für das Gelände am Ortsausgang W nach L beiderseits der Landstraße II. Ordnung Nr. 280 bis zur Südgrenze der Tankstelle K hingewiesen. Im Rahmen des Klageverfahrens habe die Beigeladene einen Bebauungsplan vom 23.6.1972 vorgelegt, in dem die Parzelle Nr. 18/1 nicht erwähnt sei. Daraus ergebe sich aber nicht, dass diese Parzelle im Außenbereich liege, da außer dem o.g. Bauschein von 1971 noch ein weiterer Bauschein vom 21.12.1976 (Nr. 1826/74) erteilt worden sei, mit dem für das streitige Flurstück Nr. 18/1 eine teilweise Nutzungsänderung des Tankstellengebäudes, des Verbindungsgebäudes zwischen Tankstelle und Wohnhaus sowie im Kellerbereich des Wohngebäudes gemäß den mit Prüfstempel vom 21.12.1976 versehenen Grundrissplänen bei Stilllegung der bisherigen Tankstelle genehmigt worden sei. Das Verwaltungsgericht habe diese sich aus den Baugenehmigungen ergebenden Gesichtspunkte nicht für geeignet gehalten, eine eindeutige Festlegung im Bebauungsplan zu widerlegen. Aus der Erteilung der beiden Baugenehmigungen folge eine Selbstbindung der Verwaltung. Das jetzige Verhalten des Beklagten und der Beigeladenen stelle sich als treuwidrig dar. Bei der Mitwirkung der Beigeladenen nach § 36 I BauGB stehe ihr trotz ihrer gemeindlichen Planungshoheit keine Ermessens- oder sonstige Entscheidungsfreiheit zu. Bei Vorliegen eines Rechtsanspruchs des Bauwilligen sei die Gemeinde zur Erteilung ihres Einvernehmens verpflichtet. Es sei daher zu prüfen, ob das Bauvorhaben überhaupt dem Außenbereich zuzuordnen sei, wenn für die streitige Parzelle bereits in zwei früheren Baugenehmigungsverfahren eine Baugenehmigung erteilt worden sei. Es sei zwar zutreffend, dass an die östliche Außenwand des vorhandenen Gebäudes angebaut werden solle, hierdurch werde aber nicht über das Maß hinaus gegangen, was bereits mit Bauschein vom 21.12.1976 genehmigt worden sei. Der Beklagte stehe dem Vorhaben aufgeschlossen gegenüber. Die Beigeladene habe ihr Einvernehmen aus sachfremden Erwägungen versagt, was sich auch aus deren Weigerung ergebe, den Bebauungsplan - wie vom Verwaltungsgericht vorgeschlagen und an anderer Stelle durchgeführt - einer vereinfachten Änderung gemäß § 13 BauGB zu unterziehen. Es könne dahinstehen, ob das Vorhabengrundstück im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 BauGB liege, denn in jedem Fall dürfte eine Genehmigung gemäß § 35 II BauGB in Betracht kommen, da die Verwirklichung des Projektes öffentliche Belange im Sinne des § 35 III BauGB nicht beeinträchtige. Eine solche Beeinträchtigung liege u.a. dann vor, wenn das Vorhaben den Darstellungen eines Landschaftsplanes oder sonstigen Plans insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts widerspreche. Hiervon sei das Verwaltungsgerichts ungeprüft ausgegangen. Tatsächlich existiere aber für das streitige Gebiet kein Landschaftsplan. Auch stelle sich die Bebauungsgrenze anders dar, als von der Beigeladenen in ihren Unterlagen dargestellt. Dies werde deutlich, wenn die bezüglich der Nachbarparzelle 17/ 65 und 17/66 sichtbare, gestrichelte Bebauungsgrenze verlängert werde. Außerdem werde die geplante Hallenerweiterung der Klägerin durch die Regelung des § 35 IV 1 Nr. 6 BauGB begünstigt.

Das Antragsvorbringen der Klägerin, das den gerichtlichen Prüfungsumfang mit Blick auf das Darlegungserfordernis (§ 124a IV 4, V 2 VwGO) begrenzt, rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung.

Zunächst bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Sinne des § 124 II Nr. 1 VwGO. In den Entscheidungsgründen des Urteils, auf die daher vorab Bezug genommen werden kann, ist überzeugend dargelegt, dass der Klägerin kein Anspruch auf Erteilung eines Vorbescheids gemäß § 76 LBO des Inhalts, die Errichtung eines Erweiterungsbaus an eine bereits vorhandene Halle in östlicher Richtung auf dem Grundstück A-Stadt-W Flur 1, Parzelle Nr. 18/1 sei bauplanungsrechtlich zulässig, zusteht.

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit ergibt sich entgegen der Meinung der Klägerin zunächst nicht aus dem von der Beigeladenen vorgelegten Bebauungsplan "Für das Gelände am Ortsausgang W nach L beiderseits der Landstraße II. Ordnung Nr. 280 bis zur Südgrenze der Tankstelle K" vom 8.4.1971 - seine sich nicht aus den Akten ergebende Veröffentlichung als Voraussetzung eines Inkrafttretens unterstellt -, denn von diesem ist das streitgegenständliche Grundstück weder durch ausdrückliche Benennung in § 1, der die in den Geltungsbereich des Plans fallenden Parzellen abschließend nennt, noch nach der vorgelegten Planzeichnung erfasst. Dem stehen die von der Klägerin vorgelegten Bauscheine Nr. 732/71 vom 15.9.1971 und Nr. 1826/74 vom 21.12.1976 nicht entgegen. Insofern ist festzustellen, dass der erstgenannte Bauschein das nach § 1 des Bebauungsplans in seinen Geltungsbereich fallende Grundstück W Flur 1, Parzellen 14/4 und 14/2 betrifft und damit keinerlei Bezug zum Flurstück 18/1 der Klägerin aufweist. Mit Bauschein Nr. 1826/74 vom 21.12.1976 wurde eine teilweise Nutzungsänderung auf "Parz. 19/15 Teilparzelle 259/18" genehmigt, wobei diese Parzelle im Eigentum der Klägerin steht und es sich bei der genannten Teilparzelle um die heutige Parzelle Nr. 18/1 handeln soll. Abgesehen davon, dass aus den vorgelegten Unterlagen weder Rechtsgrundlagen der Genehmigung noch die konkret genehmigten Maßnahmen hervorgehen, könnte aber selbst eine den vorgenannten Bebauungsplan als einschlägig betrachtende Genehmigung nichts an dessen - das Flurstück Nr. 18/1 nicht erfassenden - Inhalt ändern.

Wie das erstinstanzliche Gericht, das die Örtlichkeit bei einer Ortsbesichtigung in Augenschein genommen hat, überzeugend dargelegt hat, liegt das Vorhabengrundstück auch nicht im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB, denn der Bebauungszusammenhang im Sinne dieser Vorschrift endet an der Grenze zwischen den Parzellen Nrn. 19/16 und 18/1. Weitergehende Ausführungen hierzu sind nicht angezeigt, nachdem die Klägerin sich mit den diesbezüglichen erstinstanzlichen Darlegungen nicht auseinandergesetzt hat, sondern deren Richtigkeit vielmehr dahinstehen ließ.

Nach allem ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass das Vorhabengrundstück im Außenbereich liegt. Es hat auch zu Recht angenommen, dass der Klägerin kein Genehmigungsanspruch nach § 35 II BauGB zusteht. Nach dieser Vorschrift können sonstige - also nicht nach § 35 I BauGB privilegierte - Vorhaben im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Das Bauvorhaben der Klägerin beeinträchtigt jedoch öffentliche Belange im Sinne der genannten Vorschrift. Zwar widerspricht es nicht, wie das Verwaltungsgericht vermutet hat ("... wohl ..."), den Darstellungen eines Landschaftsplanes, der in rechtlicher Hinsicht im Bereich der Beigeladenen nicht existiert. Wie das Verwaltungsgericht jedoch überzeugend dargelegt hat, stellt das Vorhaben der Klägerin einen unorganisierten, nicht durch förmliche Planung bewirkten Besiedlungsvorgang dar, der regelmäßig den Belang der natürlichen Eigenart der Landschaft beeinträchtigt (§ 35 III 1 Nr. 5 BauGB) und die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt (§ 35 III 1 Nr. 7 BauGB). Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Ortsrandlage von W werde nicht - wie das Verwaltungsgericht meine - nach Osten hin "aufgebrochen" und die Bebauung in einen bisher nicht bebauten Bereich hinausgeschoben, denn der geplante Anbau an das bestehende Gebäude verlängere dieser lediglich um 4 m und liege zudem auf ihrem eigenen Grundstück. Außerdem seien es bis zum Beginn des Auenwaldes noch einige weitere Meter und es sei auch keine Abholzung erforderlich, so dass sich das Vorhaben nicht in einem Maße nach außen bemerkbar mache, dass von einem Aufbrechen der Ortsrandlage gesprochen werden könne. Diese Ausführungen der Klägerin können nicht durchgreifend in Abrede stellen, dass die Wertung des Verwaltungsgerichts der Sache nach zutreffend ist, dass nämlich das Bauvorhaben in einen Bereich eingreifen würde, der nach den durch den Bebauungsplan, der dieses an seinen Geltungsbereich angrenzende Grundstück nicht erfasst, ausgewiesenen Planungen der Beigeladenen unbebaut und in seiner natürlichen Eigenart erhalten bleiben soll.

Entgegen der Meinung der Klägerin wird ihr Bauvorhaben auch nicht durch § 35 IV 1 Nr. 6 BauGB begünstigt. Zwar kann nach dieser Vorschrift der baulichen Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist, nicht entgegengehalten werden, dass sie u.a. die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtige oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lasse. Da diese Vorschrift jedoch nur die Erweiterung von im Außenbereich, nicht aber von im Innenbereich gelegenen Gewerbebetrieben in den Außenbereich erleichtert, BVerwG, (Urteil vom 14.1.1993 - 4 C 33/90 -, BauR 1993, 435 = BRS 55 Nr. 81) findet sie auf den im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes gelegenen Betrieb der Klägerin keine Anwendung.

Auch kann durch die Erteilung des Bauscheins von 1976 allein - der andere Bauschein, (Bauschein Nr. 732/71) auf den sich die Klägerin beruft, hat keinen Bezug zu dem streitgegenständlichen Grundstück - jedenfalls keine Selbstbindung der Verwaltung in dem Sinne entstanden sein, dass die vorliegende Ablehnung der Erteilung eines positiven Vorbescheids treuwidrig sein könnte.

Eine Zulassung der Berufung ist auch nicht gemäß § 124 II Nr. 2 VwGO wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache gerechtfertigt. Dieser Zulassungsgrund ist dann gegeben, wenn eine Rechtssache voraussichtlich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, d.h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht. In der Zulassungsbegründung der Klägerin sind jedoch keine das normale Maß übersteigenden Schwierigkeiten der Rechtssache dargetan.

Der Berufungszulassungsantrag ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 II VwGO zurückzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 II, 52 I, 47 GKG 2004.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück